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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.11.1998
Aktenzeichen: I ZB 18/96
Rechtsgebiete: MarkenG
Vorschriften:
MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2 |
I ZB 18/96
Verkündet am: 26. November 1998
Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in der Rechtsbeschwerdesache
TIFFANY
MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2
Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen. Hierzu gehört insbesondere auch die Eigenart der Waren als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren. Zigaretten und Raucherartikel ergänzen sich in diesem Sinn; zwischen ihnen besteht - wenn auch nur geringe - Warenähnlichkeit.
BGH, Beschl. v. 26. November 1998 - I ZB 18/96 - Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 1998 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Mees, Starck, Dr. Bornkamm und Pokrant
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats III) des Bundespatentgerichts vom 31. Januar 1996 wird auf Kosten der Anmelderin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I. Die Anmelderin begehrt mit ihrer am 31. Oktober 1991 eingereichten Anmeldung Schutz für das nachfolgend abgebildete Zeichen (farbig)
für die Ware "Filterzigaretten".
Der Eintragung der gemäß § 5 Abs. 2 WZG bekanntgemachten Anmeldung hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marke Nr. 1 128 006
"TIFFANY & Co.",
eingetragen seit 1988 u.a. für "Raucherartikel, auch aus Edelmetall, nämlich Zigarren- und Zigarettenhalter, Zigarrenabschneider, Feuerzeuge, Zigarren- und Zigarettenkästen, Aschenbecher", widersprochen.
Die Prüfungsstelle für Klasse 34 Wz hat den Widerspruch durch zwei Beschlüsse - einer hiervon ist im Erinnerungsverfahren ergangen - zurückgewiesen, weil Tabakwaren und Raucherartikel nicht gleichartig seien.
Die Beschwerde der Widersprechenden hat zur Versagung der Eintragung des angemeldeten Zeichens geführt (BPatGE 36, 115 = BPatG GRUR 1996, 501).
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Widersprechende beantragt, verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat - unter Anwendung des neuen Markenrechts - eine Verwechslungsgefahr i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bejaht und dazu ausgeführt:
Das angemeldete Zeichen werde, ebenso wie die Widerspruchsmarke, in ihrem Gesamteindruck durch den gemeinsamen identischen Wortbestandteil "TIFFANY" geprägt, der die für luxuriöse Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände nahezu weltweit bekannte und eingeführte Unternehmenskennzeichnung und gleichzeitig Produktmarke der Widersprechenden bilde.
Die Waren "Filterzigaretten" und "Raucherartikel" seien, jedenfalls soweit "Feuerzeuge, Aschenbecher, Zigarettenhalter, Zigarettenkästen" in Frage stünden, für eine markenrechtlich erhebliche Verwechslungsgefahr hinreichend ähnlich. Die Warenähnlichkeit als solche und der zwischen den Waren jeweils bestehende Grad der Ähnlichkeit seien anhand objektiver, auf die Waren selbst bezogener Kriterien zu ermitteln, wobei im Einzelfall auf die bisher schon zur Bestimmung der Warengleichartigkeit herangezogenen Merkmale zurückgegriffen werden könne. Die danach festgestellte, ihrem Grad nach mehr oder weniger starke Ähnlichkeit der Waren bilde den der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zugrundezulegenden und in Wechselwirkung zu dem Grad der Ähnlichkeit der Widerspruchsmarke zu gewichtenden Faktor.
Bei der Prüfung des Ähnlichkeitsgrades der im Streitfall sich gegenüberstehenden Waren sei eine Reihe beachtlicher Gemeinsamkeiten festzustellen. Die Waren seien zwar von offenkundig unterschiedlicher Beschaffenheit und stammten daher, wie den angesprochenen Verbraucherkreisen in der Regel auch bekannt sein werde, aus unterschiedlichen Herstellungsstätten. Enge Berührungspunkte bestünden jedoch hinsichtlich des sich ergänzenden Verwendungszwecks der Waren.
Überschneidungen wiesen die Waren ferner im Fall einiger weniger, jedoch um so bekannterer Hersteller hinsichtlich ihrer betrieblichen Herkunft auf. Der Gesichtspunkt der Sortimentsausweitung auf Waren unterschiedlicher Produktionsbereiche dürfe zwar nicht überbewertet werden; sofern die Waren aber durch Art und Verwendungsbereich bedingte enge wirtschaftliche Berührungspunkte aufwiesen und von den Unternehmen zudem unter ein und derselben Produktmarke vertrieben würden, sei dies auch bisher schon als ein die Annahme einer gleichen betrieblichen Herkunft nahelegendes Kriterium angesehen worden. Wie eng der sachliche Bezug zwischen Zigaretten und Feuerzeugen sei, zeige auch die Marketingstrategie einiger Tabakwarenhersteller, Feuerzeuge als Zugabeartikel zu Zigaretten in derselben Aufmachung und unter derselben Marke wie diese anzubieten.
Diese Gemeinsamkeiten der Waren begründeten einen Grad von Ähnlichkeit, der zwar als nicht besonders hoch einzustufen sei, weil es an den für die Bildung der Verkehrsauffassung über die gleiche betriebliche Herkunft der Waren in erster Linie maßgeblichen Merkmalen der gleichen Beschaffenheit und der gleichen Herstellungsstätten der Waren fehle. In Anbetracht der Identität der Marken im Gesamteindruck und der erhöhten Kennzeichnungskraft, die der Widerspruchsmarke für Luxusartikel wie Feuerzeuge aus Edelmetall oder hochwertige Aschenbecher zuzubilligen sei, reiche aber der Ähnlichkeitsgrad (noch) aus, um die Gefahr von Markenverwechslungen zu begründen.
III. Die Rechtsbeschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Das Bundespatentgericht hat unter Anwendung des Markengesetzes (§§ 152, 158 Abs. 2) eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG in nicht zu beanstandender Weise bejaht.
1. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu erfolgen hat, impliziert eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 22 = WRP 1998, 39 - Sabèl/Puma; WRP 1998, 1165, 1166 Tz. 17 ff. - Canon; BGH, Urt. v. 15.12.1994 - I ZR 121/92, GRUR 1995, 216, 219 = WRP 1995, 320 - Oxygenol II).
2. Das Bundespatentgericht ist rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen davon ausgegangen, daß der Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Marken durch ihre identisch übereinstimmenden Wortbestandteile "TIFFANY" geprägt wird.
3. Des weiteren hat das Bundespatentgericht in nicht zu beanstandender Weise eine - nicht besonders hoch einzustufende - Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren angenommen. Die Beurteilung, ob Waren einander ähnlich sind, liegt im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet, so daß die Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren sich nur auf die zutreffende Erfassung des Rechtsbegriffs sowie auf die Frage zu erstrecken hat, ob der Tatrichter entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird. Das kann im Streitfall nicht verneint werden.
a) Bei der Auslegung des Begriffs der Warenähnlichkeit - es handelt sich bei der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG um die unmittelbare Übernahme der Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL - ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH WRP 1998, 1165, 1166 Tz. 15 - Canon; vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.11.1997 - I ZB 22/95, WRP 1998, 747, 749 - GARIBALDI, m.w.N.; Beschl. v. 8.10.1998 - I ZB 35/95, Umdr. S. 9 - LIBERO) auch der Inhalt des zehnten Erwägungsgrundes zur Markenrechtsrichtlinie heranzuziehen. Dort heißt es, daß es der Zweck des durch die eingetragene Marke gewährten Schutzes ist, insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten, wobei der Schutz im Fall der Identität zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den Waren oder Dienstleistungen absolut ist, sich aber ebenfalls auf Fälle der Ähnlichkeit von Zeichen und Marken und der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen erstreckt. Dabei ist es erforderlich, den Begriff der Ähnlichkeit auch bezüglich der Waren im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen.
Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (EuGH WRP 1998, 1165, 1166 Tz. 23 - Canon).
b) Das Bundespatentgericht hat danach zu Recht die Frage, ob die Waren des angemeldeten Zeichens und die der Widerspruchsmarke einander ähnlich sind, anhand objektiver, auf die Waren selbst bezogener Kriterien beurteilt (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.1998 - I ZB 5/96, WRP 1998, 1078, 1080 - JOHN LOBB; Beschl. v. 8.10.1998 - I ZB 35/95 - LIBERO, Umdr. S. 13) und in seine Beurteilung einbezogen, ob beide Waren regelmäßig von denselben Unternehmen hergestellt werden, ob sie in ihrer stofflichen Beschaffenheit Übereinstimmungen aufweisen, dem gleichen oder einem sich ergänzenden Verwendungszweck dienen oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen, zum Beispiel weil sie in denselben Verkaufsstätten angeboten werden.
Insoweit hat das Bundespatentgericht Gemeinsamkeiten dahin festgestellt, daß Raucherartikel das Zubehör zu den entsprechenden Tabakwaren (Zigaretten u.ä.) bilden und ihren Zweck nur in Verbindung mit diesen erfüllen könnten. Zwar sei der Konsum von Zigaretten nicht zwingend an die Verwendung von Feuerzeugen, Aschenbechern oder Zigarettenhaltern gebunden, der weit überwiegende Teil der Raucher habe aber doch regelmäßig derartige Raucherutensilien in Gebrauch. Darüber hinaus würden die Waren auch traditionsgemäß wegen ihrer Zusammengehörigkeit im Verwendungsbereich gemeinsam in den gleichen Fachgeschäften für Tabakwaren und Raucherbedarf angeboten. Überschneidungen wiesen die Waren auch hinsichtlich ihrer betrieblichen Herkunft auf, denn einige sehr bekannte Hersteller von Tabakwaren (Davidoff und Dunhill), aber auch von Luxusgütern (Cartier und Yves Saint Laurent) böten sowohl Zigaretten als auch Feuerzeuge in gehobener Ausstattung an, die dem Image der jeweils anderen Ware entsprächen.
c) Die Beanstandungen der Rechtsbeschwerde gegen die Annahme der Warenähnlichkeit greifen nicht durch. Soweit die Rechtsbeschwerde den - vom Bundespatentgericht nicht übersehenen und in seine Betrachtung einbezogenen - Unterschieden zwischen den Waren hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und ihrer Herkunft aus anderen Unternehmen ein anderes Gewicht beimessen will, wendet sie sich lediglich - im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässig - gegen die tatrichterliche Würdigung.
Ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde, daß das Bundespatentgericht seine Beurteilung auch auf den sich ergänzenden Verwendungszweck der Waren gegründet hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH WRP 1998, 1165, 1167 Tz. 23 - Canon; vgl. auch BGH, Beschl. v. 8.10.1998 - I ZB 35/95 - LIBERO, Umdr. S. 13) sind bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen. Hierzu gehört insbesondere auch die Eigenart der Waren als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren. Zigaretten und Raucherartikel ergänzen sich in diesem Sinn; sie sind im Verbrauch bzw. im Gebrauch sogar aufeinander bezogen.
Die Rechtsbeschwerde macht ebenso ohne Erfolg geltend, bei den vom Bundespatentgericht festgestellten Überschneidungen der Waren hinsichtlich ihrer Herkunft aus demselben Unternehmen handele es sich um untergeordnete Ausnahmeerscheinungen, zudem besage die Herkunft aus demselben Unternehmen noch nichts über die Warennähe; die Herkunft von Zigaretten und Raucherartikeln aus denselben Herstellungsbetrieben habe das Bundespatentgericht nicht festgestellt.
Damit gibt die Rechtsbeschwerde der Frage, in welchem Umfang die einander gegenüberstehenden Waren in denselben Betriebsstätten hergestellt werden, eine Bedeutung, die ihr nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL und § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht zukommt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH WRP 1998, 1165, 1167 f. Tz. 28, 29 - Canon; vgl. auch BGH, Beschl. v. 8.10.1998 - I ZB 35/95 - LIBERO, Umdr. S. 14), besteht die Hauptfunktion der Marke darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware ohne Verwechslungsgefahr von Waren anderer Herkunft zu unterscheiden. Die Marke muß also Gewähr dafür bieten, daß alle Waren, die mit ihr versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann. Daher liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, daß die betreffenden Waren aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Diesen Grundsätzen entsprechend ist auch für die Ähnlichkeit von Waren nicht die Feststellung gleicher Herkunftsstätten entscheidend (EuGH WRP 1998, 1165, 1168 Tz. 29 - Canon), sondern die Erwartung des Verkehrs von einer Verantwortlichkeit desselben Unternehmens für die Qualität der Waren, wie dies etwa bei den vom Bundespatentgericht herangezogenen Fällen, in denen Hersteller von Tabakwaren oder auch Hersteller von Luxusgütern sowohl Zigaretten als auch Feuerzeuge anbieten, gegeben ist.
4. Ist demnach von - wenn auch geringer - Warenähnlichkeit auszugehen, begegnet die Annahme einer Verwechslungsgefahr durch das Bundespatentgericht, das dabei rechtsfehlerfrei die übereinstimmende Prägung des Gesamteindrucks der einander gegenüberstehenden Marken durch ihren jeweiligen Bestandteil "TIFFANY" und die hohe Kennzeichnungskraft der bekannten Widerspruchsmarke berücksichtigt hat, keinen Rechtsbedenken; solche hat auch die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.
IV. Danach war die Rechtsbeschwerde auf Kosten der Anmelderin (§ 90 Abs. 2 MarkenG) zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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