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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: I ZB 24/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 3. März 2005
Zweigniederlassung
in der Rechtsbeschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. August 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 86,33 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Klägerin hat die Beklagte, die ihren Sitz in H. hat, aus abgetretenem und übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen eines nicht ordnungsgemäß durchgeführten Transports auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der am Ort der Zweigniederlassung der Beklagten in S. geführte Rechtsstreit endete durch gerichtlichen Vergleich. Nach der Kostenregelung in dem Vergleich hat die Klägerin von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits ein Drittel, die Beklagte zwei Drittel zu tragen.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte beantragt, Reisekosten ihres Prozeßbevollmächtigten in H. in Höhe von 259 €, hilfsweise Korrespondenzanwaltskosten in Höhe von 850 € oder Kosten einer fiktiven Informationsreise von H. zum Sitz des Prozeßgerichts in Höhe von 210 € in den Kostenausgleich einzubeziehen. Das Landgericht hat dem Antrag insoweit nicht entsprochen. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.
Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, Anwaltsreisekosten in Höhe von 259 € in die Kostenausgleichung einzubeziehen.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Beklagte mit Sitz in H. könne gemäß § 21 ZPO am Ort ihrer rechtlich unselbständigen Niederlassung verklagt werden. Die Kosten, die dadurch entstünden, daß ein Prozeßbevollmächtigter am Hauptsitz einer GmbH bestellt werde, seien nicht erstattungsfähig. Vom unterlegenen Gegner zu erstatten seien vielmehr nur die Kosten, die bei Führung des Rechtsstreits durch die Niederlassung anfielen, an deren Sitz der Prozeß geführt werde. Dem liege der Gedanke zugrunde, daß durch die betriebsinterne Organisation entstandene Mehrkosten nicht erstattungsfähig seien.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts sind Kosten, die in einem am Ort einer Zweigniederlassung (§ 13 HGB) einer GmbH geführten Rechtsstreit dadurch entstehen, daß ein Prozeßbevollmächtigter am Hauptsitz (§ 4a Abs. 1 GmbHG) der GmbH bestellt wird, nicht grundsätzlich von der Erstattung ausgeschlossen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i.S. von § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. ZPO anzusehen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.9.2004 - I ZB 5/04, GRUR 2005, 84, 85 = WRP 2004, 1492 - Unterbevollmächtigter II, m.w.N.). Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, daß eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt oder selbst verklagt ist und ihre Belange in angemessener Weise wahrgenommen wissen will, in aller Regel deshalb einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts beauftragen wird, weil sie annimmt, daß zunächst ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich sein wird (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 900; Beschl. v. 13.7.2004 - X ZB 40/03, BB 2004, 2377). Die für eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung erforderliche Tatsacheninformation des Rechtsanwalts durch seine Partei kann in aller Regel nur in einem persönlichen mündlichen Gespräch erfolgen.
b) Nach dem Vorbringen der Beklagten werden Rechtsfälle an ihrem Sitz in H. bearbeitet, nicht aber am Sitz ihrer rechtlich unselbständigen Niederlassungen. Für die Möglichkeit, ein persönliches Beratungsgespräch mit einem Rechtsanwalt am Ort zu führen, ist daher auf den Sitz der Beklagten in H. abzustellen (vgl. BGH GRUR 2005, 84, 85 - Unterbevollmächtigter II).
Denn entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kommt es im Rahmen der Kostenerstattung auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der Partei an und nicht darauf, ob durch eine andere Organisation Mehrkosten bei der Führung eines Rechtsstreits vermieden werden könnten (BGH GRUR 2005, 84, 85 - Unterbevollmächtigter II; Beschl. v. 2.12.2004 - I ZB 4/04, WRP 2005, 224, 226 - Unterbevollmächtigter III).
c) Die Beauftragung eines in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts der Partei ansässigen Rechtsanwalts ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung allerdings nicht notwendig, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein wird (vgl. BGH, Beschl. v. 14.9.2004 - VI ZB 37/04, BB 2004, 2548; WRP 2005, 224, 226 - Unterbevollmächtigter III, m.w.N.). Das Beschwerdegericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zur Notwendigkeit eines eingehenden Mandantengesprächs keine Feststellungen getroffen. Da die Beklagte geltend gemacht hat, sie verfüge nicht über eine Rechtsabteilung und es seien wegen des komplexen Sachverhalts intensive Mandantengespräche notwendig gewesen, ist für die rechtliche Beurteilung in der Rechtsbeschwerdeinstanz gemäß diesem Vorbringen der Beklagten von der Notwendigkeit eines eingehenden Mandantengesprächs auszugehen.
3. Der angefochtene Beschluß ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen zur Notwendigkeit eines eingehenden persönlichen Mandantengesprächs zum Zeitpunkt der Beauftragung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten und gegebenenfalls zur Höhe der geltend gemachten Reisekosten trifft.
Ende der Entscheidung
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