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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.07.1998
Aktenzeichen: I ZB 6/96
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2
EKKO BLEIFREI

MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2

Erscheint ein in einem Zeichen enthaltenes, eine Eigenschaft einer Vielzahl von Produkten unmittelbar beschreibendes Wort (hier: bleifrei) auf dem in Betracht zu ziehenden Warengebiet (hier: Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen) dem Verkehr als verfremdende Phantasiebezeichnung, kann es bei der Bestimmung des Gesamteindrucks des Zeichens nicht wegen seines beschreibenden Inhalts unberücksichtigt bleiben.

BGH, Beschl. v. 2. Juli 1998 - I ZB 6/96 - Bundespatentgericht


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

I ZB 6/96

Verkündet am: 2. Juli 1998

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in der Rechtsbeschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung E 28 805/25 Wz

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Prof. Dr. Ullmann, Starck und Pokrant

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 25. Januar 1996 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluß des 27. Senats (Marken-Beschwerdesenats IV) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Widersprechenden zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Anmelderin begehrt mit ihrer am 11. Juli 1989 eingereichten Anmeldung Schutz für das nachstehend abgebildete Zeichen (farbig)

u.a. für die Waren "Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen".

Gegen die gemäß § 5 Abs. 2 WZG bekannt gemachte Anmeldung hat die Inhaberin der prioritätsälteren IR-Marke Nr. 458 286

die u.a. für die Waren "vêtements pour hommes, dames et enfants; Chapeaux" in Deutschland Schutz genießt, aus den Gründen des § 5 Abs. 4 Nr. 1 WZG zunächst unbeschränkt Widerspruch erhoben und diesen im Beschwerdeverfahren durch Rücknahme im übrigen auf die Waren "Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen" beschränkt.

Die Prüfungsstelle für Klasse 25 Wz des Deutschen Patentamts hat durch zwei Beschlüsse, einer hiervon ist im Erinnerungsverfahren ergangen, die zeichenrechtliche Übereinstimmung bejaht und dem angemeldeten Zeichen die Eintragung insgesamt versagt.

Auf die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Bundespatentgericht den Widerspruch insgesamt zurückgewiesen.

Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Widersprechende ihren Widerspruch weiter.

II. Das Bundespatentgericht hat - unter Anwendung des neuen Markenrechts - markenrechtliche Verwechslungsgefahr bezüglich der noch vom Widerspruch erfaßten Waren verneint und dazu ausgeführt: Hinsichtlich dieser Waren, die identisch, zumindest aber ähnlich seien, fehle es an einer eine Verwechslungsgefahr begründenden Markenähnlichkeit. Dabei sei von dem Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen; bei beiden Zeichen handele es sich um Kombinationen aus jeweils zwei Wortbestandteilen und einem Bildelement. Von diesen wiesen die jeweiligen bildlichen Darstellungen sowie die Wörter "MILANO" und "BLEIFREI" keinerlei Gemeinsamkeiten auf, die Wörter "ECCO" und "EKKO" unterschieden sich jedenfalls im Schriftbild durch die unterschiedlichen (mittleren) Buchstaben. Im schriftbildlichen Eindruck der Marken, so wie er vom Publikum visuell aufgenommen werde, scheide somit eine Gefahr von Zeichenverwechslungen von vornherein aus.

Die Fälle möglicher Verwechslungen in klanglicher Hinsicht seien schon deshalb der Zahl nach beschränkt, weil Bekleidungsstücke überwiegend "auf Sicht" erworben würden, mithin klangliche Verwechslungen etwa nur bei mündlicher Empfehlung durch Verkaufspersonal im Ladengeschäft oder bei Telefonaten aufträten. Auch bei mündlicher Benennung seien markenrechtlich relevante Verwechslungen nicht zu erwarten. Ungeachtet des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit, der von Hause aus als normal einzustufen sei, könne dem für Kollisionen allein in Betracht kommenden Wortbestandteil "ECCO" allenfalls eine eingeschränkte Kennzeichnungskraft zugebilligt werden, weil es sich dabei um ein gängiges Wort der italienischen Sprache handele, das dort im Sinne eines hinweisenden Ausrufs ("siehe da", "hier ist") häufig gebraucht und von vielen Verkehrsteilnehmern so verstanden werde.

Bei dem angemeldeten Zeichen sei "EKKO" nicht der den Gesamteindruck allein prägende Bestandteil. Der weitere Wortbestandteil "BLEIFREI" könne bei der Kollisionsprüfung nicht als beschreibende Angabe völlig vernachlässigt werden. Es sei nämlich nicht zu erwarten, daß "BLEIFREI" in nennenswertem Umfang in einem beschreibenden Sinn verstanden werde. Bekanntheit komme diesem Begriff auf dem Mineralölsektor zu; er werde sofort mit Benzin assoziiert. Bei anderen Waren liege demgegenüber ein produktbezogenes Verständnis nicht ohne weiteres nahe. Daß "BLEIFREI" als Aufschrift auf Bekleidungsstücken im Sinne einer Werbung für den Umweltschutz verstanden werde, liege nicht nahe. Überwiegend werde in dem Wort, bezogen auf die in Rede stehenden Waren, ein verfremdender, meist witzig empfundener Gebrauch eines aus anderem Zusammenhang bekannten Wortes gesehen. Deshalb sei dieser Wortbestandteil mitprägend für den Gesamteindruck des angemeldeten Zeichens, so daß eine isolierte - phonetische - Gegenüberstellung von "ECCO" und "EKKO" aus Rechtsgründen ausscheide.

Eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Serienzeichenbildung oder einer Abwandlung sei nicht gegeben. Auch die in § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG enthaltene Bestimmung, daß die Verwechslungsgefahr die Gefahr einschließe, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden, begründe im Streitfall keine Verwechslungsgefahr.

III. Die infolge ihrer Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Bundespatentgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es für die Beurteilung der markenrechtlichen (unmittelbaren) Verwechslungsgefahr (vgl. § 158 Abs. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens ankommt (EuGH GRUR 1998, 387, 389 = WRP 1998, 39 - Sabèl/Puma; BGH, Beschl. v. 28.5.1998 - I ZB 33/95, WRP 1998, 752, 753 - Fläminger, m.w.N.).

Der markenrechtliche Schutz kommt grundsätzlich der Gestaltung der Marke zu, die der Eintragung zugrunde liegt. Der Schutz eines aus einem Kombinations- oder sonst mehrgliedrigen Zeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht fremd. Das schließt aber zugleich die Erkenntnis ein, daß einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zukommen kann und deshalb bei einer Übereinstimmung der beanstandeten Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr anzunehmen ist (BGHZ 131, 122, 125 - Innovadiclophlont). Das entspricht auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, in der davon ausgegangen wird, daß im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr insbesondere die ein Zeichen unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH GRUR 1998, 387, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma).

Die vom Bundespatentgericht im Streitfall insoweit vorgenommene Beurteilung liegt im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist lediglich zu prüfen, ob das Bundespatentgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Das ist vorliegend nicht der Fall.

2. Entsprechend diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, daß der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke durch deren Bestandteil "ECCO" bestimmt wird, neben dem die graphischen Elemente und der weitere Wortbestandteil "MILANO" für den Verkehr in den Hintergrund treten. Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks eines aus mehreren Bestandteilen bestehenden Zeichens ist der Erfahrungssatz heranzuziehen, daß der Verkehr sich bei Wort-/Bildzeichen, wie der Widerspruchsmarke, eher am Wortbestandteil zu orientieren pflegt, weil das Kennwort einer Wort-/Bildmarke in der Regel für die Verkehrsteilnehmer die einfachste Form ist, um die unter der Marke angebotene Ware zu bezeichnen (BGH, Beschl. v. 29.6.1995 - I ZB 22/93, GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze, m.w.N.). Im Streitfall handelt es sich bei dem Bildbestandteil um wenig aussagekräftige geometrische Grundformen, die vom Verkehr allenfalls als schmückendes Beiwerk nicht aber als den kennzeichnenden Charakter mitbestimmender Bestandteil verstanden werden.

Auch das weitere Element "MILANO" hat in der Widerspruchsmarke keine eigene, deren kennzeichnenden Charakter beeinflussende Bedeutung, so daß ihm eine den Gesamteindruck (mit-)prägende Wirkung nicht zukommt. Das beruht, wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat (BGH, Urt. v. 17.7.1997 - I ZR 228/94, GRUR 1997, 744, 746 = WRP 1997, 1085 - ECCO I), darauf, daß der Verkehr diesem Bestandteil aufgrund der besonderen graphischen Ausgestaltung und seiner bildlichen Unterordnung unter den Bestandteil "ECCO" sowie wegen seines beschreibenden, dem allgemeinen Verkehr verständlichen, auf die Stadt Mailand hinweisenden Inhalts nach der Lebenserfahrung nur eine untergeordnete Bedeutung für die Widerspruchsmarke beimißt.

3. Auch gegen die vom Bundespatentgericht vorgenommene Beurteilung, daß das angemeldete Zeichen in seinem Gesamteindruck von seinen beiden Bestandteilen gleichermaßen geprägt werde und dem Bestandteil "EKKO" keine allein oder jedenfalls maßgebliche, prägende Bedeutung zukomme, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Der Annahme des Bundespatentgerichts, daß "BLEIFREI" als Aufschrift auf Bekleidungsstücken beim Verkehr kein produktbezogenes, etwa auf die Verwendung von Farben ohne Bleianteil oder von Fasern ohne Metallgehalt hinweisendes, Verständnis auslösen werde, kann trotz der entgegenstehenden Annahme der Prüfungsstelle schon deshalb nicht als erfahrungswidrig erachtet werden, weil es an jeder Feststellung fehlt, daß derartige Eigenschaften bei Bekleidungsstücken Gegenstand der Werbung oder sonstiger Erörterung im Verkehr sind. Erscheint danach das Wort "BLEIFREI" im angemeldeten Zeichen nicht als Beschreibung von Eigenschaften der in Anspruch genommenen Waren, sondern als verfremdende Phantasiebezeichnung, kann die Schlußfolgerung des Bundespatentgerichts, "EKKO" präge den Gesamteindruck des angemeldeten Zeichens nicht allein, nicht als rechtsfehlerhaft erachtet werden.

Ohne Erfolg beanstandet insoweit die Rechtsbeschwerde, daß das Bundespatentgericht nicht näher dargelegt habe, welcher Bestandteil das angemeldete Zeichen präge. Fehlt es, wie das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, an einer Prägung des Gesamteindrucks des angemeldeten Zeichens allein durch den für eine Kollision in Betracht zu ziehenden Bestandteil "EKKO", weil das angemeldete Zeichen durch seine beiden Bestandteile geprägt werde, bedurfte es - anders als die Rechtsbeschwerde meint - keiner weiteren abschließenden Feststellung, wodurch der Gesamteindruck geprägt werde.

4. Rechtsfehlerfrei hat das Bundespatentgericht danach eine Verwechslungsgefahr der einander gegenüberstehenden Zeichen verneint, weil sowohl in der Bildwirkung wie in der Klangwirkung das angemeldete Zeichen einen hinreichenden Abstand von der Widerspruchsmarke einhält. Bei dieser Sachlage kommt es auf die von der Rechtsbeschwerde beanstandete Annahme des Bundespatentgerichts, dem prägenden Bestandteil "ECCO" der Widerspruchsmarke komme - anders als dem eine normale Kennzeichnungskraft aufweisenden Gesamtzeichen - angesichts seines Bedeutungsgehalts als bekanntem Ausruf in der italienischen Sprache allenfalls eine eingeschränkte Kennzeichnungskraft zu, nicht an.

Zutreffend ist das Bundespatentgericht davon ausgegangen, daß die in § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG enthaltene Bestimmung, die Verwechslungsgefahr schließe die Gefahr ein, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden, keinen eigenen, über die Frage der Verwechslungsgefahr hinausreichenden Markenverletzungstatbestand enthält. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat zur Auslegung der Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL, zu deren Umsetzung § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG geschaffen worden ist, ausgeführt, daß der Begriff der Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens keine Alternative zum Begriff der Verwechslungsgefahr darstelle, sondern nur dessen Umfang genauer bestimmen solle. Bereits nach ihrem Wortlaut sei diese Bestimmung daher nicht anwendbar, wenn für das Publikum keine Verwechslungsgefahr bestehe (EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 18 = WRP 1998, 39 - Sabèl/Puma). Hiervon geht auch der Senat bei der Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG aus (BGH, Beschl. v. 5.3.1998 - I ZB 28/95, Umdr. S. 16 - MEISTERBRAND).

IV. Danach war die Rechtsbeschwerde auf Kosten der Widersprechenden zurückzuweisen (§ 90 Abs. 2 MarkenG).

Ende der Entscheidung

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