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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.01.2006
Aktenzeichen: I ZB 77/05
Rechtsgebiete: MarkenG
Vorschriften:
MarkenG § 69 Nr. 1 | |
MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 3 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 19. Januar 2006
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die IR-Marke 758 255
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des 27. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 24. Mai 2005 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Widersprechenden entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Widersprechende ist Inhaberin der für "Bekleidungsstücke und Schuhe" eingetragenen nationalen Marke 396 30 087 Rossi
Auf ihren Widerspruch hat das Deutsche Patent- und Markenamt der prioritätsjüngeren, u.a. für classe 18: Cuir et imitations du cuir, produits en ces matières non compris dans d'autres classes; sacs à main; malles et valises; parapluies, parasols et cannes.
classe 25: Vêtements, chaussures, chapellerie.
international registrierten Bildmarke 758 255
ROSSI
den Schutz für "Vêtements, chaussures, chapellerie" versagt. Hinsichtlich der Waren der Klasse 18 hat das Amt eine Verwechslungsgefahr verneint.
Hiergegen hat sich die Widersprechende mit der Beschwerde gewandt, mit der sie die Schutzversagung der angegriffenen Marke auch für die Waren der Klasse 18 sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr begehrt hat. Hilfsweise hat sie beantragt, mündliche Verhandlung anzuberaumen. Auf Rückfrage des Berichterstatters, ob der Hilfsantrag sich auch auf den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr beziehe - sei dies der Fall, müsse mündlich verhandelt werden, auch wenn die Beschwerde in der Sache Erfolg habe -, hat die Widersprechende den Hilfsantrag in der Weise eingeschränkt, dass er sich nicht auf den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr beziehe.
Mit Beschluss vom 24. Mai 2005 hat das Bundespatentgericht der Beschwerde teilweise stattgegeben und der angegriffenen Marke auch für die Waren "Cuir et imitations du cuir, produits en ces matières non compris dans d'autres classes; sacs à main; malles et valises" den Schutz versagt. Die weitergehende Beschwerde, mit der die Widersprechende die Schutzversagung auch für die Waren "parapluies, parasols et cannes" begehrt hatte, hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen; den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat es abgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die - vom Bundespatentgericht nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde der Widersprechenden.
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Das Bundespatentgericht hat sie zwar nicht zugelassen. Ihre Statthaftigkeit folgt jedoch daraus, dass die Widersprechende insoweit einen im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel - die Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) - gerügt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2002 - I ZB 27/00, GRUR 2003, 546 = WRP 2003, 655 - TURBO-TABS, m.w.N.). Dies hat sie im Einzelnen begründet.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Widersprechende in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
a) Nach § 69 Nr. 1 MarkenG findet eine mündliche Verhandlung über die Beschwerde statt, wenn sie von einem Beteiligten beantragt worden ist. Im Streitfall hat die Widersprechende einen solchen Antrag (hilfsweise) gestellt. Dass das Bundespatentgericht ohne mündliche Verhandlung zum Nachteil der Widersprechenden entschieden hat, ist mit dem Verfahrensrecht nicht in Einklang zu bringen.
In diesem Verfahrensverstoß liegt auch eine Versagung des rechtlichen Gehörs. Denn die Widersprechende konnte - nicht zuletzt aufgrund der Verfügung des Berichterstatters - davon ausgehen, dass zu ihrem Nachteil in der Sache keine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen würde. Sie konnte annehmen, dass sie vor einer für sie nachteiligen Entscheidung in der Sache vor oder spätestens in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit haben werde, ergänzend vorzutragen und Rechtsausführungen zu machen. Darin, dass ihr diese Möglichkeit abgeschnitten worden ist, liegt eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 - I ZB 5/00, GRUR 2003, 1067, 1068 - BachBlüten Ohrkerze, m.w.N.).
b) Die angefochtene Entscheidung des Bundespatentgerichts beruht auch auf der Versagung des rechtlichen Gehörs (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 30.1.1997 - I ZB 3/95, GRUR 1997, 637, 638 f. = WRP 1997, 762 - Top Selection), auch wenn die Widersprechende in ihrer Rechtsbeschwerde nicht dargelegt hat, was sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht über ihr Vorbringen in der schriftlichen Beschwerdebegründung hinaus noch vorgetragen hätte. Der Ablauf einer mündlichen Verhandlung lässt sich nicht im Einzelnen vorhersehen. Der Vortrag eines Verfahrensbeteiligten hängt vielmehr maßgeblich vom Verlauf der Verhandlung, insbesondere von Äußerungen von Seiten der Richterbank, ab. In einem derartigen Fall braucht derjenige, der sich auf die Versagung rechtlichen Gehörs beruft, nicht darzulegen, was er im Einzelnen vor oder in der mündlichen Verhandlung zur weiteren Begründung seines Schutzversagungsantrags vorgetragen hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.1999 - I ZB 15/97, GRUR 2000, 512, 514 = WRP 2000, 542 - COMPUTER ASSOCIATES).
III. Die Begründetheit der Rüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit das Beschwerdegericht zum Nachteil der Widersprechenden entschieden hat, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht (§ 89 Abs. 4 MarkenG).
Ende der Entscheidung
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