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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.08.2009
Aktenzeichen: I ZB 91/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 562b Abs. 1
ZPO § 766
ZPO § 771
ZPO § 805 Abs. 1
ZPO § 883
a) Mit der Erinnerung nach § 766 ZPO kann der Schuldner nur Verstöße gegen das Vollstreckungsrecht geltend machen, durch die er selbst beschwert ist; daran fehlt es, wenn der Schuldner seine Beeinträchtigung ausschließlich aus der Verletzung eines Rechts eines Dritten ableitet.

b) Der Vermieter kann im Fall einer gegen den Mieter gerichteten Herausgabevollstreckung eines Dritten ein Vermieterpfandrecht an der Sache, die Gegenstand der Herausgabevollstreckung ist, nicht mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen.


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 13. August 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und

die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerden der Schuldnerin und des weiteren Beteiligten gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 4. November 2008 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Schuldnerin und der weitere Beteiligte zu je 1/2.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 66.667 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin, eine Leasinggesellschaft, schloss mit der S. St. GmbH & Co. KG in W. einen Leasingvertrag über eine Folienkaschiermaschine. Die Leasingnehmerin übertrug den Besitz an der Maschine auf die Schuldnerin. Vermieter der Betriebsräume der Schuldnerin, in denen sich die Maschine befindet, ist der weitere Beteiligte.

Die Gläubigerin erwirkte gegen die Schuldnerin eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Heilbronn, durch die der Schuldnerin aufgegeben wurde, die Maschine an den Gerichtsvollzieher zur Sicherstellung und Verwahrung herauszugeben.

Die Schuldnerin und der weitere Beteiligte haben Erinnerung gegen die Ankündigung des von der Gläubigerin beauftragten Gerichtsvollziehers, den Herausgabetitel zu vollstrecken, eingelegt. Zur Begründung haben sie sich auf ein Vermieterpfandrecht des weiteren Beteiligten an der Maschine berufen. Sie haben geltend gemacht, der Gerichtsvollzieher müsse das Vermieterpfandrecht im Vollstreckungsverfahren berücksichtigen.

Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin und des weiteren Beteiligten hatte keinen Erfolg.

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Schuldnerin und der weitere Beteiligte ihren Antrag weiter, die Herausgabevollstreckung aus der einstweiligen Verfügung für unzulässig zu erklären.

II.

Das Beschwerdegericht hat dahinstehen lassen, ob dem weiteren Beteiligten ein Vermieterpfandrecht an der von der Schuldnerin herauszugebenden Maschine oder an einem Anwartschaftsrecht hieran zusteht. Es hat angenommen, dass die Schuldnerin und der weitere Beteiligte das Vermieterpfandrecht nicht im Wege der Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO geltend machen können.

III.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat es zu Recht abgelehnt, ein möglicherweise bestehendes Vermieterpfandrecht des weiteren Beteiligten im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO zu berücksichtigen.

1.

Der Schuldnerin fehlt für die von ihr eingelegte Erinnerung das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis mit der Folge, dass die Erinnerung unzulässig ist.

Mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung kann die Schuldnerin nur Verstöße gegen das Vollstreckungsrecht geltend machen, durch die sie selbst beschwert ist. Daran fehlt es, wenn die Schuldnerin eine Beeinträchtigung durch die Herausgabevollstreckung ausschließlich aus dem Recht eines Dritten - hier aus dem Vermieterpfandrecht des weiteren Beteiligten - ableitet (vgl. RGZ 42, 343, 344; MünchKomm.ZPO/K. Schmidt, 3. Aufl., § 766 Rdn. 25; Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 766 Rdn. 12; a.A. Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 766 Rdn. 33; vgl. ferner Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 766 Rdn. 15).

2.

Die Erinnerung des weiteren Beteiligten hat ebenfalls keinen Erfolg.

a)

Das Beschwerdegericht hat angenommen, der weitere Beteiligte sei nicht befugt, sein Vermieterpfandrecht im Wege der Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO geltend zu machen. Das Vermieterpfandrecht sei im Rahmen der Herausgabevollstreckung gegen die Schuldnerin ein materielles Recht eines Dritten, das der Gerichtsvollzieher bei Durchführung der Vollstreckung nicht zu beachten habe. Bis zur Herausgabevollstreckung müsse ein solches Recht im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO und nach der Wegschaffung durch Klage auf Zurückschaffung des Gegenstands in die vermieteten Räume gemäß § 562b Abs. 1 BGB geltend gemacht werden.

b)

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

aa)

Die Erinnerung nach § 766 ZPO ist beschränkt auf Anträge, Einwendungen und Rügen, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Vollstreckungsorgan zu beachtende Verfahren betreffen. Einwendungen aus einem materiellen Recht des Schuldners oder eines Dritten können mit dem Rechtsbehelf nicht geltend gemacht werden. Zu den im Erinnerungsverfahren ausgeschlossenen materiellen Einwendungen rechnen auch das Bestehen und die Reichweite eines Vermieterpfandrechts, weil der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan nicht dafür zuständig ist, materiellrechtliche Ansprüche der Parteien oder Dritter im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu klären. Auch hierüber haben bei Streit der Parteien die Gerichte und nicht die Vollstreckungsorgane zu entscheiden (vgl. BGH, Beschl. v. 10.8.2006 - I ZB 135/05, NJW 2006, 3273 Tz. 11 und 13).

bb)

Dagegen macht die Rechtsbeschwerde geltend, das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters schütze ihn davor, dass die Sache gegen seinen Willen von dem Grundstück entfernt werde. In diese Rechtsposition dürfe im Rahmen der Vollstreckung eines gegen den Mieter gerichteten Titels nicht eingegriffen werden. Im Ergebnis sei das Vermieterpfandrecht nicht anders zu behandeln als der Mitgewahrsam eines Dritten an der Sache. Dass diese Sichtweise zu einer Überprüfung des Bestehens des Vermieterpfandrechts durch den Gerichtsvollzieher im Rahmen der Herausgabevollstreckung führe, sei hinzunehmen.

Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Herausgabevollstreckung nach § 883 ZPO setzt voraus, dass der Schuldner oder ein herausgabebereiter Dritter Gewahrsam an der herauszugebenden Sache hat; andernfalls muss der Gläubiger den Weg des § 886 ZPO beschreiten. Die Prüfung des Gewahrsamsverhältnisses ist daher im Rahmen der Herausgabevollstreckung ebenso wie bei der Pfändung körperlicher Sachen nach § 808 ZPO Aufgabe des Gerichtsvollziehers. Dagegen begründet das besitzlose Vermieterpfandrecht keinen Gewahrsam des Vermieters an den vom Mieter eingebrachten Sachen. Ebenso wenig steht das Selbsthilferecht des Vermieters nach § 562b Abs. 1 BGB i.V. mit § 562a BGB einem Gewahrsam an der Sache gleich. Dies zeigt ein Vergleich mit den Wirkungen des Vermieterpfandrechts bei der Pfändung im Gewahrsam des Schuldners befindlicher körperlicher Gegenstände nach § 808 ZPO. Das Vermieterpfandrecht berechtigt den Vermieter gemäß § 805 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO nicht, der Pfändung zu widersprechen. Der Vermieter wird vielmehr darauf verwiesen, einen Anspruch - gegebenenfalls im Wege der Klage -auf vorzugsweise Befriedigung geltend zu machen (§ 805 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO). Zu Recht hat deshalb das Beschwerdegericht angenommen, dass der weitere Beteiligte als Vermieter bei der Herausgabevollstreckung darauf beschränkt ist, einen Rückschaffungsanspruch nach § 562b Abs. 2 ZPO geltend zu machen, wenn sein Vermieterpfandrecht dem der Herausgabevollstreckung zugrunde liegenden Recht des Gläubigers vorgeht. Diese nach materiellrechtlichen Vorschriften und nicht nach Vollstreckungsrecht zu beurteilende Prüfung obliegt nicht dem Gerichtsvollzieher.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass der weitere Beteiligte der Gläubigerin, wenn sie zur Zurückschaffung der dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Gegenstände nach § 562b Abs. 2 BGB verpflichtet wäre, den sich aus Treu und Glauben ergebenden Einwand unzulässiger Rechtsausübung wegen der Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr entgegenhalten könnte. Auch insoweit handelt es sich vorliegend um einen aus dem materiellen Recht und nicht dem Vollstreckungsrecht abgeleiteten Einwand, der nicht mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden kann.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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