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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.05.2006
Aktenzeichen: I ZB 94/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 888 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 11. Mai 2006
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin (Gz. 62 T 89/05) vom 11. August 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.333,93 € festgesetzt.
Gründe:
I. Der Gläubiger, Mieter einer Wohnung in Berlin, hat gegen die Schuldnerin, seine Vermieterin, ein vorläufig vollstreckbares Versäumnisurteil vom 7. Juli 2004 erwirkt. Die Schuldnerin ist darin verurteilt worden, dem Gläubiger für die gemietete Wohnung "ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnungen für die Abrechnungsperioden 1999, 2000, 2001 und 2002 zu erteilen". Die letzte Betriebskostenabrechnung war für das Jahr 1998 erstellt worden.
Nach Erhalt einer vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom 10. März 2005 beantragt, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, festzusetzen, weil diese für die Jahre 1999 bis 2002 noch keine vollständigen Betriebskostenabrechnungen erteilt habe.
Das Amtsgericht hat den Antrag als unzulässig abgewiesen.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers zurückgewiesen.
Mit der (vom Landgericht zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen mit Schriftsatz vom 10. März 2005 gestellten Antrag weiter. Die Schuldnerin hat sich zu diesem Antrag nicht geäußert.
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass das erwirkte Versäumnisurteil nicht gemäß § 888 ZPO durch Verhängung von Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, vollstreckt werden könne.
Die Frage, ob ein Urteil auf Erteilung von Betriebskostenabrechnungen nach § 887 ZPO (Vertretbare Handlungen) oder nach § 888 ZPO (Nicht vertretbare Handlungen) zu vollstrecken sei, werde in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Zutreffend sei die Ansicht, die eine vertretbare Handlung annehme. Dafür spreche schon, dass Betriebskostenabrechnungen sehr häufig von Hausverwaltungen erstellt würden, also von Dritten, die nicht selbst Vermieter seien. Ohne die Abrechnungsunterlagen werde der Mieter oder ein Sachverständiger die Abrechnungen allerdings kaum erstellen können. Der Vollstreckungstitel laute aber nicht auf Herausgabe der Abrechnungsunterlagen oder Auskunft über die entstandenen Betriebskosten, sondern auf Erstellung der Abrechnung, d.h. auf Vornahme einer Handlung, die nicht nur dem Vermieter möglich sei. Der Mieter könne im Vollstreckungsverfahren mit der Bewilligung der Ersatzvornahme zugleich eine Anordnung gegen den Schuldner auf Herausgabe der erforderlichen Unterlagen (Rechnungen der Versorgungsbetriebe, Grundsteuerbescheide, Versicherungsverträge) erwirken.
Jedenfalls sei der Mieter nicht rechtlos gestellt. Bei Fortbestehen des Mietverhältnisses habe er hinsichtlich der laufenden Betriebskostenvorschüsse ein Zurückbehaltungsrecht. Zudem könne er - zumindest nach dem Ende des Mietverhältnisses - Rückzahlung der geleisteten Vorschüsse verlangen.
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Der Gläubiger hat zu Recht beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil gemäß § 888 ZPO durchzuführen.
1. Die Schuldnerin ist durch das Versäumnisurteil verurteilt worden, dem Gläubiger für dessen Mietwohnung Betriebskostenabrechnungen für die Abrechnungsperioden 1999, 2000, 2001 und 2002 zu erteilen. Danach ist Inhalt des Titels - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht nur die Erstellung einer Abrechnung, sondern eine Rechnungslegung im Sinne des § 259 BGB.
2. Der Titel betrifft keine vertretbare Handlung, deren Vornahme im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 887 ZPO zu erzwingen wäre, sondern eine nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO (zum Meinungsstand hinsichtlich der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage, wie eine Verurteilung zur Erteilung einer Betriebskosten- oder Nebenkostenabrechnung zu vollstrecken ist, vgl. Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 887 Rdn. 14, § 888 Rdn. 5; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 887 Rdn. 3, § 888 Rdn. 3; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Bd. I, 3. Aufl., § 887 ZPO Rdn. 7; MünchKomm.ZPO/Schilken, 2. Aufl., § 887 Rdn. 7, § 888 Rdn. 4; Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 BGB Rdn. 286; Gies in Hannemann/Wiegner, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 36 Rdn. 88; Schmidt/Gohrke, WuM 2002, 593 f., jeweils m.w.N.).
a) Ein Titel hat eine nicht vertretbare Handlung zum Inhalt, wenn der zu vollstreckende Anspruch zu einer Handlung verpflichtet, die nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann, sondern ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist, jedoch nicht in der Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) besteht (vgl. Zöller/Stöber aaO § 888 Rdn. 2 m.w.N.). Von einer nicht vertretbaren Handlung ist auch dann auszugehen, wenn Teile der Handlung auch von einem Dritten vorgenommen werden könnten (vgl. OLG Köln WuM 1997, 245, 246).
b) Anders als die Erstellung einer Abrechnung aufgrund vorhandener Unterlagen, die eine vertretbare Handlung wäre, ist die Erteilung einer Betriebskostenabrechnung eine nicht vertretbare Handlung. Grundlage für diese Abrechnung ist die Rechnungslegung des Schuldners über die Betriebskosten in den betreffenden Abrechnungsperioden. Diese Rechnungslegung setzt verbindliche Erklärungen des Schuldners aufgrund seiner besonderen Kenntnisse voraus, die dementsprechend nur von ihm abgegeben werden können (vgl. Stein/Jonas/Brehm aaO § 887 Rdn. 14; Walker in Schuschke/Walker aaO § 887 ZPO Rdn. 7; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 887 Rdn. 15).
3. Der Gläubiger beantragt die Vollstreckung des Titels nach seinem vollen Inhalt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dem Gläubiger die Unterlagen, die für die Erstellung der Betriebskostenabrechnungen erforderlich sind, bereits zugänglich sind. Auf die Frage, ob er sein Interesse an der Rückzahlung möglicherweise zu viel gezahlter Betriebskostenvorschüsse auch auf anderem Weg sichern könnte - etwa durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich laufender Mietkostenvorschüsse, solange die Betriebskostenabrechnungen noch nicht erteilt wurden, oder durch Rückforderung der geleisteten Vorschüsse -, kommt es dabei, entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts, nicht an.
IV. Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers war danach der landgerichtliche Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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