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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.10.1997
Aktenzeichen: I ZR 116/95
Rechtsgebiete: GüKG, FreistellungsVO-GüKG


Vorschriften:

GüKG § 4 Abs. 2
FreistellungsVO-GüKG § 1 Nr. 28 F: 14. Februar 1985 (BGBl. I, 382)
GüKG § 4 Abs. 2; FreistellungsVO-GüKG § 1 Nr. 28 F: 14. Februar 1985 (BGBl. I, 382)

Ein Gütertransport ist nur dann nach § 1 Nr. 28 FreistellungsVO-GüKG (i.d. Fassung v. 14.2.1985) von den Bestimmungen des Güterkraftverkehrsgesetzes freigestellt, wenn für den Transport ausschließlich ein Motorwagen mit einer zulässigen Höchstnutzlast bis zu 750 kg und nicht auch zusätzlich ein Anhänger eingesetzt wird.

BGH, Urt. v. 9. Oktober 1997 - I ZR 116/95 - OLG Celle LG Verden


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 116/95

Verkündet am: 9. Oktober 1997

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 1997 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Prof. Dr. Ullmann, Starck und Pokrant für Recht erkannt:

Auf die Revision der Streithelferin zu 1 des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. März 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin über einen Betrag von 717,30 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 18. Januar 1993 hinaus zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von 2.358,-- DM nebst Zinsen wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Verden vom 28. März 1994 geändert und die Klage insoweit abgewiesen.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Transportversicherer der M. GmbH (im folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen der Zerstörung von Bekleidungsstücken während eines von ihm durchgeführten Transportes in Anspruch.

Die Versicherungsnehmerin beauftragte die T. - GmbH (Streithelferin zu 2) mit der Beförderung von Damenbekleidung von Quakenbrück nach Pforzheim, die ihrerseits dem Beklagten die Transportdurchführung übertrug. Während des Transportes am 19. August 1992 geriet der Motorwagen, dessen zulässige Nutzlast höchstens 750 kg betrug, in Brand. Die auf dem Motorwagen beförderten Textilien wurden vernichtet, während die auf dem Anhänger befindlichen Bekleidungsstücke unbeschädigt blieben. Die Versicherungsnehmerin und die Streithelferin zu 2 haben ihre Ansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin abgetreten.

Die Klägerin hat ihrer Versicherungsnehmerin den Schaden ersetzt. Sie macht gegen den Beklagten - ebenso wie in einem Parallelprozeß vor dem Landgericht Bremen gegen die Streithelferin zu 2, die dem Rechtsstreit in erster Instanz auf seiten des Beklagten beigetreten war - einen Ersatzbetrag in Höhe von 74.765,20 DM nebst Zinsen geltend.

In den vorgerichtlichen Regulierungsverhandlungen verzichtete der Versicherungsmakler, die J. KGaA, welcher der Streithelferin zu 2 die Verkehrshaftungspolice, in der der Beklagte Versicherter war, vermittelte, gegenüber der Klägerin bis zum 26. Oktober 1993 auf die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden nach den Bestimmungen der Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (KVO). Der Transport sei nicht von der Geltung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) befreit gewesen. Der Beklagte habe den an sich nach der Freistellungsverordnung (FreistellungsVO)-GüKG vom Anwendungsbereich des Güterkraftverkehrsgesetzes ausgenommenen Motorwagen mit einem Anhänger verbunden und auf diese Weise die zulässige Gesamtnutzlast von 750 kg überschritten. Zudem, so hat die Klägerin behauptet, habe das Gesamtgewicht der auf dem Motorwagen beförderten Bekleidungsstücke 870 kg betragen. Schon dadurch sei die nach der FreistellungsVO-GüKG höchstens zulässige Nutzlast überschritten worden.

Die Klägerin hat ferner die Ansicht vertreten, der Beklagte hafte für den eingetretenen Brandschaden auch nach § 429 HGB, § 823 BGB, weil er den Brand schuldhaft verursacht habe. Der Lkw sei nicht regelmäßig gewartet und über längere Strecken ohne Öl oder ohne Kühlwasser gefahren worden. Der Fahrer habe offenbar keinen Feuerlöscher mitgeführt oder diesen jedenfalls nicht eingesetzt, da das Feuer andernfalls auf den Motorblock hätte begrenzt werden können.

Der Beklagte und die Streithelferin zu 2 sind der Forderung der Klägerin nach Grund und Höhe entgegengetreten. Sie haben vorgebracht, die für eine Freistellung von den Bestimmungen des GüKG zulässige Nutzlast sei nicht überschritten worden, da die auf dem Motorwagen beförderten Bekleidungsstücke nur 490 kg gewogen hätten und das Gewicht der auf dem Anhänger transportierten Textilien nicht zu berücksichtigen sei. § 1 Nr. 28 der FreistellungsVO-GüKG a.F. stelle ausschließlich auf den Lastkraftwagen ab, so daß es bei der Beurteilung der Nutzlast auf den Anhänger nicht ankomme.

Eine schuldhafte Brandverursachung hat der Beklagte in Abrede gestellt. Er hat zudem die Einrede der Verjährung erhoben; der Versicherungsmakler sei nicht bevollmächtigt gewesen, für ihn hierauf zu verzichten.

Das Landgericht hat der Klage insgesamt stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht der Klägerin unter Abweisung der Klage im übrigen 72.675,30 DM nebst Zinsen zuerkannt.

Die Streithelferin zu 1 - Haftpflichtversicherer des Beklagten -, die dem Rechtsstreit in den Vorinstanzen nicht beigetreten war, hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne von dem Beklagten aus §§ 429, 430 HGB i.V. mit § 398 BGB Schadensersatz in Höhe von 71.958,-- DM für den durch Brand verursachten Schaden sowie aus §§ 683, 670, 398 BGB Ersatz von 717,30 DM für die Bergung des Lkws des Beklagten beanspruchen. Dazu hat es ausgeführt:

Der Beklagte hafte nicht nach §§ 29, 32 KVO. Der Motorwagen habe nach § 1 Nr. 28 der FreistellungsVO-GüKG vom 14. Februar 1985 nicht dem Güterkraftverkehrsgesetz und damit auch nicht der Haftung nach der KVO (§ 1 KVO) unterlegen. An dieser Freistellung der "Beförderung von Gütern mit Lastkraftwagen mit einer Nutzlast von höchstens 750 kg" ändere sich nichts durch den Umstand, daß der Beklagte das Gut zum überwiegenden Teil auf einem Anhänger befördert habe, für den eine höhere Nutzlast zugelassen gewesen sei. In § 1 Nr. 28 FreistellungsVO-GüKG seien ausdrücklich nur Lastkraftwagen (also motorisierte Fahrzeuge) genannt, obwohl dem Verordnungsgeber - wie sich beispielsweise aus § 1 Nr. 24 FreistellungsVO-GüKG ergebe - der Unterschied zum Anhänger bewußt gewesen sei. Die Transportunternehmer, die nach Erlaß der Verordnung sog. Ablastungen von Lastkraftwagen vorgenommen hätten, hätten sich auf die vom Verordnungsgeber getroffene Unterscheidung, die dazu führe, daß nach Nr. 28 nur Lastkraftwagen die Voraussetzungen für die Anwendung der FreistellungsVO-GüKG erfüllen müßten, verlassen dürfen.

Sollte der Motorwagen - wie von der Klägerin behauptet - mit mehr als 750 kg beladen gewesen sein, rechtfertige das ebenfalls nicht die Anwendung der Haftungsvorschriften der KVO, da für die Freistellung allein die für den Lkw zulässige Nutzlast von höchstens 750 kg entscheidend sei.

Der Beklagte hafte für den streitgegenständlichen Brandschaden aber gemäß § 429 HGB i.V. mit § 398 BGB, weil er sich schon nach seinem eigenen Vortrag nicht entlastet habe. Es fehle - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - an der hinreichenden Darlegung, daß sein Fahrer, dessen Verhalten er sich gemäß § 431 HGB zurechnen lassen müsse, pflichtgemäß gehandelt habe. Nach § 430 Abs. 1 HGB habe der Beklagte der M. GmbH, die ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten habe, den gemeinen Handelswert des bei dem Brand zerstörten Gutes zu ersetzen. Hinsichtlich weiterer Schadenspositionen ergebe sich kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, da es an hinreichendem Vortrag der darlegungsbelasteten Klägerin fehle, daß der Fahrer den Schaden schuldhaft verursacht habe.

Da die anteiligen Kosten für die Bergung des dem Beklagten gehörenden Lkws in Höhe von 717,30 DM der Streithelferin zu 2 in Rechnung gestellt worden seien, schulde der Beklagte ihr insoweit nach §§ 683, 670 BGB Aufwendungsersatz. Auch dieser Anspruch sei an die Klägerin abgetreten worden.

Die an die Klägerin abgetretenen Ansprüche seien nicht verjährt, weil der Versicherungsmakler der Streithelferin zu 2, dem der Beklagte die Schadensregulierung überlassen habe, gegenüber der Klägerin auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe. Die Vollmacht des Versicherungsmaklers zu Schadensregulierungsverhandlungen umfasse auch die Abgabe der Erklärung eines Verzichts auf die Verjährungseinrede.

II. Die Revision hat überwiegend Erfolg.

Der Zulässigkeit der von der Streithelferin zu 1 eingelegten Revision steht nicht entgegen, daß sie dem Rechtsstreit in den Vorinstanzen nicht beigetreten war und der Beklagte selbst keine Revision eingelegt hat (vgl. dazu näher BGH, Urt. v. 16.1.1997 - I ZR 208/94, TranspR 1997, 294, 295 f. = NJW 1997, 2385).

In der Sache führen die Angriffe der Revision hinsichtlich eines Betrages von 2.358,-- DM zur Klageabweisung und hinsichtlich eines Betrages von 69.600,-- DM zur Aufhebung und Zurückverweisung. Die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Aufwendungsersatz in Höhe von 717,30 DM nebst Zinsen bleibt bestehen.

1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Klägerin vertragliche Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) zustehen.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts konnte die Klägerin derartige Ansprüche allerdings nicht aufgrund der Abtretung ihrer Versicherungsnehmerin erwerben. Denn diese stand lediglich zu der von ihr mit der Durchführung des Transportes beauftragten Streithelferin zu 2 und nicht auch zum Beklagten in einem Vertragsverhältnis. Der Frachtvertrag mit dem Beklagten ist von der Streithelferin zu 2 im eigenen Namen abgeschlossen worden.

Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, der Versicherungsnehmerin hätten auch gegen den Beklagten unmittelbare vertragliche Ansprüche aus §§ 429, 430 HGB zugestanden, weil dieser als nachfolgender Frachtführer i.S. von § 432 Abs. 2 HGB neben der Streithelferin zu 2 gesamtschuldnerisch in deren Vertrag mit der Versicherungsnehmerin eingetreten sei, handelt es sich um neues Vorbringen, das gem. § 561 Abs. 1 ZPO in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen ist.

Dessen ungeachtet ist der Beklagte aber auch nicht als nachfolgender Frachtführer i.S. des § 432 Abs. 2 HGB anzusehen. Zwar ist diese Bestimmung im Falle der KVO-Haftung, von der im Streitfall auszugehen ist (vgl. nachfolgend unter II 2), ergänzend anzuwenden, weil die Kraftverkehrsordnung insoweit keine Regelung enthält (vgl. BGHZ 55, 217, 219; Helm in: GroßkommHGB, 4. Aufl., § 432 Rdn. 12; Fremuth/Thume, Frachtrecht, § 432 HGB Rdn. 2). Für die Annahme eines Vertragseintritts und einer gesamtschuldnerischen Haftung nach § 432 Abs. 2 HGB reicht jedoch die bloß tatsächliche Aufeinanderfolge von Frachtführern nicht aus. Erforderlich ist vielmehr neben der Übernahme des Gutes die Entgegennahme des ursprünglichen, dem Hauptfrachtführer bei Übergabe der Ware ausgehändigten, auf die gesamte Beförderungsstrecke lautenden Frachtbriefes (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1970 - I ZR 35/69, WM 1970, 692; Urt. v. 9.2.1984 - I ZR 18/82, TranspR 1984, 146 = VersR 1984, 578). Letztere Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, da es an der Ausstellung eines wirksamen Frachtbriefes fehlt. Nach 11 Abs. 1 lit. f KVO muß der KVO-Frachtbrief die Unterschrift des Absenders enthalten, die auch gedruckt oder gestempelt werden kann. Auf dem von der Klägerin mit der Klageschrift in Kopie vorgelegten Frachtbrief fehlt indes jegliche Unterschrift des Absenders. Dadurch wird die Gültigkeit des Frachtvertrages selbst zwar nicht berührt (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1959 - II ZR 219/57, NJW 1960, 39 f.; Urt. v. 23.5.1990 - I ZR 295/88, NJW-RR 1990, 1314, 1315 f.; Koller, Transportrecht, 3. Aufl., § 11 KVO Rdn. 2), eine vertragliche Haftung des Unterfrachtführers nach § 432 Abs. 2 HGB scheidet dann jedoch aus, weil dem Frachtbrief insoweit - ebenso wie im Geltungsbereich der CMR - konstitutive Bedeutung zukommt (vgl. Helm aaO § 432 HGB Rdn. 47; zur CMR: OLG Innsbruck TranspR 1991, 12, 17 f.; Koller aaO Art. 34 CMR Rdn. 3; Herber/Piper, CMR, Art. 34 Rdn. 10).

b) Die Klägerin hat ihre Ansprüche jedoch zusätzlich auch auf die von ihr vorgelegte Abtretungserklärung der Streithelferin zu 2 vom 26. August 1993 gestützt. Insoweit ist daher von einem Übergang aller Ansprüche aus dem Schadensfall vom 19. August 1992 auszugehen.

2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bestimmen sich die Anspruchsvoraussetzungen im Streitfall aber nicht - was die Revisionserwiderung zu Recht beanstandet - nach den Haftungsregeln des HGB (§§ 429, 430), sondern nach denen der KVO (§ 29). Auf die vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob dem Beklagten der Entlastungsbeweis nach § 429 Abs. 1 HGB gelungen ist, und die dagegen gerichteten Revisionsangriffe, kommt es vorliegend nicht an. § 29 KVO ist gegenüber § 429 HGB die speziellere Haftungsnorm.

a) Das Berufungsgericht hat eine KVO-Haftung des Beklagten für den streitgegenständlichen Brandschaden verneint, weil der Transport gem. § 1 Nr. 28 FreistellungsVO-GüKG in der Fassung vom 14. Februar 1985 (BGBl. I S. 382) nicht den Bestimmungen des Güterkraftverkehrsgesetzes und damit auch nicht dem Haftungsregime der KVO unterlegen habe. Es hat maßgebend darauf abgehoben, daß der bei dem Transport eingesetzte Motorwagen eine zulässige Höchstnutzlast von 750 kg hatte. Dem Umstand, daß die Bekleidungsstücke zum überwiegenden Teil auf einem vom Motorwagen gezogenen Anhänger befördert wurden und der Motorwagen nach dem - bestrittenen - Vorbringen der Klägerin zudem auch mit mehr als 750 kg beladen war, hat das Berufungsgericht keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, daß eine vom Geltungsbereich des GüKG ausgenommene "Beförderung von Gütern mit Lastkraftwagen mit einer Nutzlast von höchstens 750 kg" i.S. des § 1 Nr. 28 FreistellungsVO-GüKG auch dann vorliegt, wenn im konkreten Fall eine größere Masse transportiert wird, weil entweder die tatsächliche Zuladung auf dem Motorwagen höher ist oder der Transportunternehmer ein Fahrzeug mit Anhänger einsetzt (ebenso OLG Karlsruhe VersR 1993, 1519; v. Tegelen/Lammich, GüKG, Loseblatt, Stand: 38. Ergänzung, § 4 Rdn. 14 a.E.; v. Witzleben/Hohmann, Die Praxis des Güterkraftverkehrs, Loseblatt, Stand: 46. Lieferung, S. 205 d f.; a.A. LG München I TranspR 1993, 244 = VersR 1993, 474, bestätigt durch OLG München TranspR 1993, 244; LG Osnabrück TranspR 1994, 66), kann nicht beigetreten werden. Eine am Sinn und Zweck der Freistellungsregelung unter Einbeziehung der Ermächtigungsgrundlage des § 4 Abs. 2 GüKG sowie der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung läßt es geboten erscheinen, von dem in Rede stehenden Freistellungstatbestand grundsätzlich nur die Fälle als erfaßt anzusehen, in denen ein Motorwagen ohne Anhänger eingesetzt wird.

b) Allein der Wortlaut und die Systematik der einzelnen Freistellungstatbestände des § 1 der FreistellungsVO-GüKG, auf die das Berufungsgericht sich maßgebend gestützt hat, lassen eine eindeutige Auslegung nicht zu. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, daß der Wortlaut der Nr. 28 auch so verstanden werden kann, daß Beförderungen von Gütern mit Lastzügen, die aus Motorwagen und Anhänger zusammengesetzt sind, nicht unter den Befreiungstatbestand fallen, weil Fahrzeugkombinationen dort nicht genannt werden. Das Nebeneinander der Begriffe "Lastkraftwagen" und "Kraftfahrzeuganhänger" in Nr. 24 und die Formulierung "Kraftfahrzeuge ohne Anhänger" in Nr. 26 sprechen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revision ebenfalls eher für die Annahme, daß gem. Nr. 28 nur die Beförderung mit Lastkraftwagen, mithin der ausschließliche Einsatz eines motorisierten Kraftfahrzeugs zu einer Freistellung von den Bestimmungen des GüKG führen soll, nicht hingegen der Einsatz eines Lastkraftwagens mit Anhänger, also einer Kraftfahrzeugkombination. Die im Straßenverkehrs- und Beförderungsrecht übliche Unterscheidung zwischen (motorisierten) Lastkraftwagen und Anhängern (vgl. u.a. § 4 Abs. 4 und 5 PBefG; § 21 Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO; § 32 Abs. 4 Nr. 4 StVZO) gibt für die Frage, ob der Verordnungsgeber den - für eine Nutzlast von höchstens 750 kg zugelassenen - Motorwagen mit oder ohne Anhänger freistellen wollte, nichts her.

c) Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck des Freistellungstatbestandes sprechen für die hier vertretene enge Auslegung. Sie wird dem Charakter der Bestimmung als Ausnahmeregelung gerecht und läßt sich am ehesten mit der Ermächtigungsnorm des § 4 Abs. 2 GüKG in Einklang bringen. Die Freistellungsregelung des § 1 Nr. 28 wurde - zusammen mit weiteren Freistellungstatbeständen - durch Art. 1 Nr. 2 der Dritten Verordnung zur Änderung der FreistellungsVO-GüKG vom 14. Februar 1985 (BGBl. I 382) in die Verordnung eingefügt. Die Begründung, mit der der Bundesminister für Verkehr dem Bundesrat seinerzeit den gem. § 4 Abs. 2 GüKG zustimmungsbedürftigen Entwurf der Änderungsverordnung vorgelegt hatte, läßt erkennen, daß es dem Verordnungsgeber im wesentlichen darum ging, bei Kleintransporten einen "Beitrag zum Bürokratieabbau in einem verkehrspolitisch unbedeutenden Bereich" zu leisten und den Anreiz entfallen zu lassen, "Personenkraftwagen so umzubauen, daß in Wirklichkeit ein Lastkraftwagen vorhanden ist, der ausschließlich zur Güterbeförderung eingesetzt wird" (BR-Drucks. 612/84, VO-Entwurf, S. 6 f.). In der Begründung finden sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Verordnungsgeber habe auch Schwerlastzüge mit Ladungen beliebiger Art vom Geltungsbereich des GüKG ausnehmen wollen. Eine solche Regelung wäre auch nicht mehr als von der Ermächtigungsnorm des § 4 Abs. 2 GüKG gedeckt anzusehen. Diese ermächtigt den Verordnungsgeber nur, "im Rahmen des Gesamtverkehrs nicht ins Gewicht fallende Beförderungsfälle allgemein" freizustellen. Es muß sich also um verkehrswirtschaftlich unbedeutende Beförderungsfälle handeln. Ein Verständnis, das den Freistellungstatbestand auch auf Fahrzeugkombinationen aus Motorwagen und Anhänger erstreckt, sofern nur der Motorwagen für eine Nutzlast von höchstens 750 kg zugelassen ist, würde sich nicht mehr an diese Vorgaben halten. Denn Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, daß im Wege der sogen. Ablastung leistungsstarker Motorfahrzeuge durch den Einsatz eines Anhängers ohne weiteres die Beförderung einer Ladung von 10 t (so im Fall LG München I TranspR 1993, 244) erreicht werden kann. Dafür, daß solche Fälle nicht erfaßt werden sollten, spricht auch die wenige Monate nach Einführung des in Rede stehenden Freistellungstatbestandes vom Bundesminister für Verkehr mit Erlaß vom 13. Juni 1985 veröffentlichte "übereinstimmende Auffassung der obersten Verkehrsbehörden der Länder und des Bundesverkehrsministeriums" (BMV VkBL. 1985, 403), in dem darauf hingewiesen wird, daß eine Freistellung der Beförderung mit "abgelasteten Spezialkonstruktionen von Lastkraftwagen im Güterkraftverkehr ... mit dem Ziel, größere Anhänger einzusetzen" nicht beabsichtigt gewesen sei. Die anschließende Erwägung, daß nach einer Marktbeobachtungsphase zu entscheiden sei, ob bei Transporten gem. § 1 Nr. 28 FreistellungsVO-GüKG das Mitführen von Anhängern zu untersagen oder eine maximal statthafte Gesamtnutzlast bzw. ein höchstzulässiges Gesamtgewicht festzulegen sei (so jetzt § 1 Nr. 28 der Verordnung i.d.F. vom 23.2.1993, BGBl. I S. 268), steht der hier vertretenen Auslegung des Freistellungstatbestandes nicht entgegen; denn die erwogene Möglichkeit, das Mitführen von Anhängern ausdrücklich zu untersagen, sollte die ursprüngliche Regelungsabsicht offensichtlich nur klarstellen.

3. Danach sind die Haftungsvoraussetzungen vorliegend nach § 29 KVO zu bestimmen. Die dort grundsätzlich vorgesehene (verschuldensunabhängige) Gefährdungshaftung wäre im Streitfall nur dann ausgeschlossen, wenn die eingetretenen Schäden durch höhere Gewalt verursacht wären, wobei es sich bei den Schadensursachen aber nicht um die dem Kraftwagen eigentümlichen Gefahren handeln darf (§ 34 Satz 1 lit. a KVO). Von letzterem ist hier jedoch auszugehen, so daß ein Haftungsausschluß entfällt. Denn ein Motorbrand, dessen Ursache ungeklärt bleibt, ist stets dem Risikobereich des Unternehmers zuzuordnen, da er mit dem Betrieb des Lastkraftwagens und dessen Einrichtungen unmittelbar zusammenhängt, so daß er schon deshalb nicht auf höherer Gewalt beruht (vgl. OLG Hamburg VersR 1996, 216 zu § 15 Abs. 1 lit. a AGNB; Koller aaO § 34 KVO Rdn. 6; Willenberg, KVO, 4. Aufl., § 34 Rdn. 6).

Gleichwohl läßt sich im Streitfall die Frage der KVO-Haftung des Beklagten noch nicht abschließend beurteilen. Es bedarf weiterer tatrichterlicher Aufklärung, ob die Verjährungseinrede des Beklagten durchgreift, d.h., ob die einjährige Verjährungsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 KVO zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage bereits abgelaufen war.

a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Versicherungsmakler der Streithelferin zu 2 sei grundsätzlich berechtigt gewesen, auch zu Lasten des Beklagten auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Beklagte die vorgerichtlichen Verhandlungen über eine Schadensregulierung, die auch in seinem Interesse lagen, der J. KGaA überlassen, die ihn - wenn auch nicht im einzelnen - über die Regulierungsbemühungen unterrichtet hat. Diesem Verhalten des Beklagten konnte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entnehmen, daß er - zumindest konkludent - mit der Abgabe der im Rahmen von Schadensregulierungsverhandlungen typischen Erklärungen, zu denen auch der zeitlich begrenzte Verzicht auf die Einrede der Verjährung gehört, einverstanden war. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß der Beklagte eine Bevollmächtigung des Versicherungsmaklers stets bestritten hatte, kann schon deshalb nicht durchgreifen, weil sich dessen Vorbringen zur Bevollmächtigung lediglich auf eine Rechtsfolge bezieht, was unbeachtlich ist.

b) Mit Erfolg rügt die Revision aber, daß die Verzichtserklärungen des Versicherungsmaklers im Verhältnis zum Beklagten wirkungslos geblieben sind, weil sie sich ausdrücklich auf bereits von der Klägerin erworbene Ersatzansprüche erstrecken, die Streithelferin zu 2 ihre Rechte aus dem Schadensfall an die Klägerin aber erst nach Abgabe der Verzichtserklärungen, nämlich mit Schreiben vom 26. August 1993, abgetreten hat. So heißt es in dem Schreiben des Versicherungsmaklers vom 26. April 1993 an die Klägerin ausdrücklich: "Diese Erklärung setzt voraus, daß Sie derzeit berechtigter Inhaber der Forderung und somit aktivlegitimiert sind". Auch die Verzichtserklärung vom 27. Juli 1993 wurde "unter der Voraussetzung, daß ... berechtigte Ansprüche bestehen und der Vorgang noch nicht verjährt ist", abgegeben.

Das Vorbringen der Revision, wonach die Verzichtserklärungen die von der Streithelferin zu 2 an die Klägerin abgetretenen Ansprüche nicht erfassen, ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung in der Revisionsinstanz noch zu berücksichtigen, da die Verzichtserklärungen des Versicherungsmaklers bereits Bestandteil des Parteivortrages in den Vorinstanzen waren. Die Revisionserwiderung läßt unberücksichtigt, daß das Berufungsgericht die Klage aufgrund der Abtretungserklärung der Versicherungsnehmerin vom 13. Oktober 1992 für begründet erachtet hat. Es ist deshalb davon ausgegangen, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärungen bereits Inhaberin berechtigter Ersatzansprüche gegen den Beklagten gewesen sei, so daß die Erklärungen inhaltlich auch zu seinen Lasten Wirkungen hätten entfalten können. Das Berufungsgericht hat daher nicht darüber befunden, ob der Verjährungsverzicht auch dann zu Lasten des Beklagten wirkt, wenn - wovon auszugehen ist - die Klägerin lediglich aufgrund der Abtretung der Streithelferin zu 2 vom 26. August 1993 (berechtigte) Inhaberin von Ersatzansprüchen gegen den Beklagten geworden ist.

c) Ob die zwölfmonatige Verjährungsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 KVO zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage bereits verstrichen war, läßt sich anhand der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilen. Bei einem Schadensersatzanspruch wegen teilweisen Verlustes der Ladung beginnt die Verjährungsfrist gem. § 40 Abs. 2 lit. e KVO mit Ablauf des Tages, an dem die restlichen Teile abgeliefert werden. Wann dies geschehen ist, hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bisher nicht festgestellt. In dem wiedereröffneten Berufungsrechtszug haben die Parteien Gelegenheit, hierzu ergänzend vorzutragen.

Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, die Verjährungsfrist sei durch ein Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom 14. Januar 1993, in dem sie ihren Ersatzanspruch gegenüber dem Beklagten geltend gemacht habe, gem. § 40 Abs. 3 KVO gehemmt worden, kann dem nicht beigetreten werden. Zur Schadensreklamation ist grundsätzlich nur der Anspruchsinhaber berechtigt. Ein nachfolgender Forderungserwerb durch den Reklamierenden wirkt auf den Zeitpunkt der Reklamation nicht zurück (BGHZ 116, 15, 20). Im Januar 1993 standen der Klägerin jedoch noch keine Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu. Sie hat diese erst aufgrund der Abtretung der Streithelferin zu 2 vom 26. August 1993 erworben.

Sofern Ansprüche der Klägerin bei Einreichung der Klage noch nicht verjährt waren, kommt es ferner darauf an, welches Gewicht die auf dem Motorwagen beförderten Bekleidungsstücke hatten, was zwischen den Parteien streitig ist. Auch hierzu fehlt es bislang an Feststellungen des Berufungsgerichts.

4. Ungeachtet der noch offenen Verjährungsfrage erweist sich der Rechtsstreit aber schon teilweise als entscheidungsreif.

a) Die KVO-Haftung ist nach § 35 Abs. 4 KVO auf 80,-- DM/kg beschädigter Ware beschränkt. Da das Rohgewicht des auf dem Motorwagen beförderten Gutes nach dem eigenen - wenn auch bestrittenen - Vorbringen der Klägerin, auf das die Revisionserwiderung Bezug nimmt, jedenfalls nicht mehr als 870 kg betragen hat, kommt vorliegend auch nur ein Schaden von höchstens 69.600,-- DM in Betracht. In Höhe von 2.358,-- DM (Differenzbetrag zwischen dem vom Berufungsgericht zuerkannten Schaden von 71.958,-- DM und dem Betrag von 69.600,-- DM) ist die Klage daher schon jetzt abweisungsreif. Insoweit kommt auch keine weitergehende deliktsrechtliche Haftung nach § 823 BGB in Betracht, da das Berufungsgericht den erforderlichen Verschuldensnachweis rechtsfehlerfrei und von der Revisionserwiderung unbeanstandet als nicht erbracht angesehen hat.

b) Hinsichtlich der anteiligen Bergungskosten von 717,30 DM hat die Revision keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat der Klägerin den Anspruch nach - neben § 32 KVO anwendbaren (vgl. Helm aaO Anh. II zu § 452, § 32 KVO Rdn. 5) - §§ 683, 670 BGB zugesprochen. Dieser Anspruch ist noch nicht verjährt, wobei offenbleiben kann, ob - wie vom Berufungsgericht angenommen - die vierjährige Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB oder die 30jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB gilt.

III. Danach war das Berufungsurteil insoweit aufzuheben, als der Beklagte zur Zahlung eines 717,30 DM übersteigenden Betrages verurteilt worden ist. Hinsichtlich eines Betrages von 2.358,-- DM nebst Zinsen war die Klage abzuweisen. Im übrigen war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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