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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: I ZR 125/04
Rechtsgebiete: VwVfG, PostG


Vorschriften:

VwVfG § 35 Satz 1
VwVfG § 44 Abs. 1
PostG § 22 Abs. 2
PostG § 23 Abs. 2 Satz 2
PostG § 46 Abs. 1
PostG § 57 Abs. 2 Satz 2
Zur Tatbestandswirkung eines Bescheids (hier: Schreiben des Vizepräsidenten der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 30. Juni 2000 an die Deutsche Post AG), durch den auf Antrag mitgeteilt wurde, dass eine erteilte Genehmigung für genehmigungsbedürftige Briefpreisentgelte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt wirksam bleibt (hier: die der Deutschen Post AG erteilte Genehmigung vom 3. Juni 1997).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 125/04

Verkündet am: 14. Juni 2007

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2007 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. Juni 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der damalige Bundesminister für Post und Telekommunikation genehmigte auf Antrag der Beklagten, der Deutschen Post AG, vom 11. April 1996 mit Schreiben vom 3. Juni 1997 mit Wirkung ab 1. September 1997 und befristet bis zum 31. August 2000 die Änderung der Leistungsentgelte und entgeltrelevanten Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Briefdienst im Monopolbereich des Postwesens. Am 29. März 2000 wies der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (im Weiteren: Bundeswirtschaftsminister) die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (im Weiteren: Regulierungsbehörde) an, "die Vorschrift des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG so auszulegen, dass alle Genehmigungen, die vor dem 1. Januar 1998 erteilt worden sind, bis zum 31. Dezember 2002 wirksam bleiben" (Bundesanzeiger Nr. 69 vom 7.4.2000 S. 6374). Mit Schreiben vom 27. Juni 2000 stellte die Beklagte bei der Regulierungsbehörde den "Antrag auf Bescheidung", dass bestimmte Briefpreisgenehmigungen, darunter die ihr mit Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung, bis zum 31. Dezember 2002 fortgälten. Die Genehmigungsbescheide seien noch nicht auf die nur an die Regulierungsbehörde gerichtete Weisung vom 29. März 2000 abgestimmt und liefen nach ihrem Wortlaut am 31. August 2000 aus. Die Regulierungsbehörde antwortete der Beklagten hierauf mit Schreiben ihres Vizepräsidenten vom 30. Juni 2000 unter Bezugnahme auf die Weisung des Bundeswirtschaftsministers vom 29. März 2000, dass - neben anderen näher bezeichneten Genehmigungen - auch die mit Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung bis zum 31. Dezember 2002 wirksam bleibe.

Der Kläger trägt vor, das Unternehmen S. , das er damit beauftragt habe, seine Briefsendungen versandfertig zu machen, habe ihm für die Zeit von September 2000 bis Oktober 2001 an die Beklagte als Beförderungsentgelte bezahlte Portokosten für Briefe bis 1000 g (ohne Infopost über 50 g) in Höhe von 83.586,46 DM (= 42.737,08 €) in Rechnung gestellt. Er verlangt von der Beklagten aus eigenem Recht, hilfsweise aus abgetretenem Recht der S. , die Rückzahlung dieser Entgelte, soweit die Beklagte um sie ungerechtfertigt bereichert sei. Die der Beklagten mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung von Beförderungsentgelten sei nicht wirksam verlängert worden. Die Briefbeförderungsverträge in den Monaten September 2000 bis Oktober 2001 seien daher gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG unwirksam gewesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 42.737,08 € abzüglich der vom Gericht festzustellenden, gegebenenfalls zu schätzenden Kosten der effektiven Leistungsbereitstellung, die der Beklagten für den Transport der streitgegenständlichen Briefsendungen des Klägers vom 1. September 2000 bis 31. Oktober 2001 entstanden sind, zuzüglich Zinsen auf den verbleibenden Differenzbetrag zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 42.737,08 € zuzüglich Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung sei mit dem Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 wirksam verlängert worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (KG-Rep 2004, 559).

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine in den Vorinstanzen erfolglosen Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Bereicherungsanspruch als unbegründet angesehen und hierzu ausgeführt:

Die von der Beklagten geforderten Tarife seien auch in der Zeit von September 2000 bis Oktober 2001 genehmigt gewesen. Die in diesem Zeitraum geschlossenen Briefbeförderungsverträge seien daher nicht gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG unwirksam.

Eine behördliche Genehmigung sei aufgrund der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten der zivilgerichtlichen Kontrolle entzogen. Der Kläger hätte daher, soweit er sich durch das Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 in seinen Rechten verletzt gesehen habe, hiergegen vor den Verwaltungsgerichten vorgehen können und müssen. Bei dem Schreiben habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt. Da die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 27. Juni 2000 ausdrücklich um eine Entscheidung gebeten habe, habe sie das Schreiben vom 30. Juni 2000 nur so verstehen können, dass mit ihm die Fortgeltung der erteilten Genehmigungen von Leistungsentgelten geregelt werden sollte. Der Umstand, dass die Regulierungsbehörde auf Weisung des Bundeswirtschaftsministers gehandelt habe, stehe der Annahme eines Verwaltungsakts nicht entgegen.

Der ergangene Verwaltungsakt sei auch nicht deshalb nichtig, weil er von dem Vizepräsidenten der Regulierungsbehörde erlassen worden sei. Es habe nicht eine unzuständige Behörde, sondern allenfalls ein unzuständiges Organ gehandelt. Auch wenn es an einer gesetzlichen Grundlage für die Verlängerung gefehlt haben sollte, hätte dies nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts geführt.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der vom Kläger unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 BGB geltend gemachte Anspruch auf zumindest teilweise Rückzahlung des bezahlten Briefportos nicht besteht.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die in Rede stehenden Verträge über Briefbeförderungen nicht mangels Genehmigung der Entgelte gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG unwirksam sind.

a) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung mit Recht zugrunde gelegt, dass eine durch Verwaltungsakt ausgesprochene Genehmigung, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder nichtig ist, der Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen ist (vgl. BGHZ 73, 114, 116 f.; BGH, Urt. v. 19.6.1998 - V ZR 43/97, NJW 1998, 3055 f.; BGHZ 158, 19, 22). Es genügt, wenn der betreffende Bescheid durch Bekanntgabe an einen Betroffenen wirksam geworden ist (BGH NJW 1998, 3055 f.).

b) Das Berufungsgericht hat das Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 zutreffend als Verwaltungsakt angesehen.

aa) Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 Satz 1 VwVfG). Die Frage, ob die Äußerung einer Behörde einen Verwaltungsakt darstellt, ist in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach richtet sich die Auslegung eines Verwaltungsakts nach dem erklärten Willen der erlassenden Behörde, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BVerwGE 123, 292, 297 m.w.N.). Der Inhalt einer behördlichen Entscheidung ist vom Revisionsgericht selbständig auszulegen (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.2007 - V ZR 137/06, Tz 14).

bb) Die Regulierungsbehörde hat in ihrem Schreiben vom 30. Juni 2000 eine verbindliche Festlegung getroffen, dass es nicht notwendig sei, die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 befristet bis zum 31. August 2000 erteilte Genehmigung durch eine Entscheidung der Behörde zu verlängern, weil die Genehmigung ohnehin bis Ende 2002 fortgelte. Der Wortlaut des Schreibens vom 30. Juni 2000 spricht zwar eher dafür, dass die Regulierungsbehörde mit ihm lediglich ihre Rechtsauffassung mitgeteilt hat, die Laufzeit der vor dem 1. Januar 1998 erteilten Genehmigungen für genehmigungsbedürftige Entgelte sei unmittelbar durch § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG verlängert worden. Nach den Umständen konnte dieses Schreiben aber nur als behördliche Entscheidung verstanden werden. Die Beklagte hatte mit ihrem Schreiben vom 27. Juni 2000 ausdrücklich einen "Antrag auf Bescheidung" gestellt, weil die ergangenen Entgeltgenehmigungen nach dem Wortlaut der Genehmigungsbescheide am 31. August 2000 ausliefen. Nach § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG blieb eine Genehmigung, die vor dem 1. Januar 1998 erteilt worden war, bis zum Ablauf der im Genehmigungsbescheid bestimmten Geltungsdauer, längstens aber bis zum 31. Dezember 2002 wirksam. Eine Entscheidung der Regulierungsbehörde war daher ersichtlich erforderlich, weil der Wortlaut des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG nicht ergab, dass die bestehenden Genehmigungen bis zum 31. Dezember 2002 ohne Weiteres wirksam bleiben sollten, und die am 29. März 2000 ergangene Weisung des Bundeswirtschaftsministers allein das Innenverhältnis der Behörden betraf. Für die Beklagte war, wie im Hinblick auf § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG offensichtlich war, eine verbindliche Regelung unverzichtbar. Aus der Sicht der Beklagten konnte das Schreiben vom 30. Juni 2000 daher nur so verstanden werden, dass die Regulierungsbehörde das, was nach der Weisung des Bundeswirtschaftsministers vom 29. März 2000 Inhalt des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG sein sollte, nunmehr als Verwaltungsakt erklärt hat, durch den die Frage, ob es notwendig war, die erteilte Entgeltgenehmigung zu verlängern oder eine neue Entgeltgenehmigung zu erteilen, verbindlich im verneinenden Sinn geklärt werden sollte (vgl. auch Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand April 2006, § 42 Rdn. 26 m.w.N.).

c) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der mit Schreiben vom 30. Juni 2000 erlassene Verwaltungsakt nicht nichtig ist.

aa) Es erscheint allerdings durchaus als fraglich, ob der Vizepräsident der Regulierungsbehörde für die Entscheidung darüber zuständig war, ob die Laufzeit einer der Beklagten vor dem 1. Januar 1998 erteilten Genehmigung für genehmigungsbedürftige Entgelte verlängert werden musste oder eine Verlängerung im Hinblick auf § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG entbehrlich war. Nach dem Inkrafttreten des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 ist für die Genehmigung genehmigungsbedürftiger Entgelte nach § 22 Abs. 2 PostG die Regulierungsbehörde zuständig, die dabei gemäß § 46 Abs. 1 PostG durch eine Beschlusskammer entscheidet. Nach dem Wortlaut des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG kann nicht angenommen werden, dass mit ihm die Geltungsdauer befristeter Genehmigungen kraft Gesetzes verlängert werden sollte. Es liegt deshalb nahe anzunehmen, dass über die Frage, ob eine neue Genehmigung erforderlich war, die Entscheidung einer Beschlusskammer herbeizuführen gewesen wäre und diese gegebenenfalls auch die Vorfrage hätte entscheiden müssen, ob die der Beklagten mit Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung fortgalt (vgl. dazu auch Gramlich, CR 2000, 816, 822).

bb) Die Frage der Nichtigkeit des mit dem Schreiben vom 30. Juni 2000 erlassenen Verwaltungsakts richtet sich, da keiner der in § 44 Abs. 2 und 3 VwVfG besonders geregelten Fälle vorliegt, nach § 44 Abs. 1 VwVfG. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts als Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings als unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Der Fehler muss zudem für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (BVerwG NVwZ 2000, 1039, 1040 m.w.N.). Ein Verwaltungsakt ist daher insbesondere nicht schon deshalb als nichtig anzusehen, weil er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt (BVerwG NVwZ 1998, 1061, 1062 m.w.N.) oder weil ein behördenintern unzuständiges Organ gehandelt hat (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 44 Rdn. 166 ff.; Meyer in Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 44 Rdn. 16; Schiedeck, Die Nichtigkeit von Verwaltungsakten nach § 44 Absatz 1 VwVfG, Diss. Regensburg 1993, S. 74 ff., 78 ff.). Auch das Handeln einer Einzelperson anstelle des innerhalb der Behörde zuständigen Kollegialorgans führt nur dann zur Nichtigkeit gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG, wenn die sachliche Unzuständigkeit der Einzelperson eine absolute ist, d.h. diese unter keinen wie auch immer gearteten Umständen mit der Sache befasst sein kann und der insoweit gegebene Fehler zudem offensichtlich ist (vgl. dazu auch BSG, Urt. v. 30.5.1988 - 2 RU 72/87, zitiert nach juris).

cc) Danach ist im Streitfall ein besonders schwerwiegender und offensichtlicher Fehler i.S. von § 44 Abs. 1 VwVfG zu verneinen. Dies gilt auch dann, wenn angenommen wird, dass die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG nur bis zum 31. August 2000 wirksam war. Der Vizepräsident der Regulierungsbehörde wollte ausweislich des Wortlauts seines Schreibens nicht wie eine Beschlusskammer entscheiden, sondern als Vertreter der Regulierungsbehörde lediglich verbindlich festlegen, dass bis zum 31. Dezember 2002 keine neue Genehmigungsentscheidung erforderlich sei, weil die alte Genehmigung fortgelte. Bei dieser Entscheidung handelte die Regulierungsbehörde durch ihren Vizepräsidenten nicht offensichtlich außerhalb jeder Rechtsgrundlage. Die geregelte Frage fiel als solche in die Zuständigkeit der Regulierungsbehörde. Die unter Berufung auf die Übergangsregelung in § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG getroffene Entscheidung betraf zudem einen Sachverhalt aus einer Übergangszeit und war im Hinblick darauf jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig.

dd) Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht auf die Frage an, ob die Regulierungsbehörde dadurch gegen Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14) verstoßen hat, dass sie die in ihrem Schreiben vom 30. Juni 2000 getroffene Regelung durch ihren Vizepräsidenten und damit nicht durch eine unabhängige Stelle getroffen hat.

Bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts kommen - soweit ihm nicht spezielle Regelungen zu entnehmen sind - die formellen und materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts zur Anwendung (vgl. EuGH, Urt. v. 19.9.2006 - C-392/04 und C-422/04, NVwZ 2006, 1277 Tz 57; BVerwG NVwZ 2000, 1039 f.). Insofern ist auch die Frage, ob ein auf nationales Recht gestützter Verwaltungsakt infolge des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nichtig ist, nach § 44 Abs. 1 VwVfG zu beantworten (BVerwG NVwZ 2000, 1039 f.). Ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft stellt nicht allein wegen des Rangs oder der Bedeutung der verletzten Bestimmung einen besonders schwerwiegenden Fehler i.S. von § 44 Abs. 1 VwVfG dar (vgl. BVerwGE 104, 289, 295 f.; BVerwG NVwZ 2000, 1039, 1040; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs aaO § 44 Rdn. 106; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 44 Rdn. 4a m.w.N.). Dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts wird Rechnung getragen, wenn hinreichende Anfechtungsmöglichkeiten bestehen (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs aaO § 44 Rdn. 7). Dies ist hier der Fall (vgl. nachstehend unter e)).

d) Der von der Regulierungsbehörde mit Schreiben vom 30. Juni 2000 erlassene Verwaltungsakt bindet danach andere Gerichte und Behörden in den Grenzen seiner Bestandskraft (vgl. BGH, Urt. v. 21.9.2006 - IX ZR 89/05, NJW-RR 2007, 398 Tz 14 m.w.N.). Dementsprechend ist im Streitfall die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung als bis zum 31. Dezember 2002 wirksam zu behandeln.

e) Die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts steht nicht im Widerspruch zu dem aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. dazu auch BGH NJW 1998, 3055, 3056).

aa) Die Revision weist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend darauf hin, dass es mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten sowohl eine verwaltungsrechtliche als auch eine zivilrechtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt wäre (vgl. BVerfG DVBl 2000, 556 f.; BVerwGE 117, 93, 104 ff.; a.A. Lübbig in Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Aufl., § 22 Rdn. 66 ff.).

bb) Die mit dem Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 getroffene Entscheidung über die Wirksamkeit der mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilten Genehmigung der Postentgelte konnte auch von den Kunden angefochten werden.

(1) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zur behördlichen Genehmigung von Entgelten allerdings wiederholt eine Befugnis der einzelnen Kunden, die Genehmigung anzufechten, verneint. Zur Begründung hat es dabei entweder ausgeführt, es sei jeweils noch eine Umsetzung notwendig (vgl. BVerwGE 75, 147, 149 ff.; 95, 133, 135; 117, 93, 97), oder darauf hingewiesen, die Genehmigung berechtige den Adressaten zwar zur Erhebung des erhöhten Entgelts, verpflichte ihn dazu aber nicht (BVerwGE 30, 135, 136; 95, 133, 135; vgl. auch BVerwGE 117, 93, 97 f.). Abweichendes gilt jedoch dann, wenn sich die Genehmigung unmittelbar auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kunden und dem Leistungserbringer auswirkt und es weder eines privatrechtlichen Umsetzungsaktes bedarf noch auch für die Beteiligten irgendein Gestaltungsspielraum besteht (BVerwGE 100, 230, 234 f.; vgl. auch BGHZ 73, 114, 119). In solchen Fällen kann sich die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben; denn diese Bestimmung gewährleistet auch die Freiheit, bei der Inanspruchnahme von Leistungen den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen mit der Gegenseite auszuhandeln (vgl. BVerwGE 100, 230, 233).

(2) Eine unmittelbare Auswirkung auch gegenüber dem einzelnen Kunden in dem vorstehend unter (1) dargestellten Sinne ist bei dem streitgegenständlichen Verwaltungsakt anzunehmen, da dieser jedenfalls die Wirkung einer Genehmigung hatte. Dies folgt aus der Bestimmung des § 23 Abs. 2 PostG, wonach Verträge über Postdienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, mit der Maßgabe wirksam sind, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt, und die Verträge unwirksam sind, wenn es an einem genehmigten Entgelt fehlt, obwohl dieses nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig ist. Danach steht den Vertragsparteien keinerlei Gestaltungsspielraum zu und ist die Sachlage insoweit mit dem Fall vergleichbar, dass die Tarife unmittelbar durch Verwaltungsakt festgesetzt werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 2.7.1998 - III ZR 287/97, NJW 1998, 3188, 3191 f.; für einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz Gramlich, CR 2000, 816, 823; a.A. Lübbig in Beck'scher PostG-Kommentar aaO § 23 Rdn. 68 ff.; für die grundsätzliche Anfechtbarkeit von Genehmigungen nach § 24 TKG a.F. durch Endkunden Schuster/Stürmer in Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., § 24 Rdn. 87; ebenso Schuster/Ruhle in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 28 Rdn. 116 zu § 28 TKG 2004; vgl. auch Ossenbühl, ArchivPT 1996, 207, 216 ff.).

(3) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es bislang zwar offengeblieben, ob der einzelne Kunde bei unmittelbarer Wirkung der Genehmigung stets befugt ist, gegen für ihn relevante genehmigte Tarife zu klagen. Eine Klagebefugnis ist aber zumindest für den Fall bejaht worden, dass der Kunde geltend macht, dass es an einer der Verfassung entsprechenden gesetzlichen Einschränkung der Privatautonomie fehle (BVerwGE 100, 230, 234). Entsprechend verhält es sich im Streitfall, da der Kläger den geltend gemachten Bereicherungsanspruch maßgeblich darauf stützt, dass es für die Entscheidung der Regulierungsbehörde keine rechtliche Grundlage gegeben habe. Es kommt noch hinzu, dass eine Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit durch die Zivilgerichte bei der im Streitfall gegebenen Falllage nicht möglich ist (vgl. dazu auch BVerwGE 100, 230, 236; 117, 93, 104 ff.; vgl. weiter nachstehend unter 2.).

2. Die streitgegenständlichen Entgelte können auch nicht nach § 315 Abs. 3 BGB überprüft und gegebenenfalls gekürzt werden.

a) Bei Tarifen für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil im Bedarfsfall angewiesen ist, kommt eine Billigkeitskontrolle i.S. von § 315 Abs. 3 BGB allerdings grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn die Tarife behördlich genehmigt sind (BGHZ 73, 114, 116; BGH, Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2920, insoweit nicht in BGHZ 163, 321 abgedruckt). Abweichendes gilt jedoch dann, wenn ein privatautonomer Spielraum des Leistungserbringers fehlt, weil Verträge mit Preisvereinbarungen, die von den genehmigten Tarifen abweichen, nichtig sind (BGH NJW 1998, 3188, 3191 f.; vgl. auch v. Westphalen, DB 1996, Beilage 5, S. 14; kritisch Michalski/Bauriedl, CR 1998, 657, 663 ff.).

b) Nach § 23 Abs. 2 PostG sind Verträge im Falle der Vereinbarung abweichender Entgelte zwar nicht nichtig. Die Genehmigung hat hier aber eine vergleichbare Wirkung, da bei abweichenden Vereinbarungen die genehmigten Entgelte als vereinbart gelten. Damit hatte die Beklagte in dieser Hinsicht keinen Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Dementsprechend scheidet im Streitfall eine Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB aus.

III. Danach war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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