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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: I ZR 134/02
Rechtsgebiete: CMR, HGBm BGB
Vorschriften:
CMR Art. 29 | |
CMR Art. 17 bis 28 | |
HGB § 429 Abs. 2 | |
HGB § 429 Abs. 3 | |
HGB § 435 | |
BGB §§ 249 ff. A |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 3. März 2005
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Pokrant, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Streithelfer der Klägerin gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10. April 2002 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der Revision hat die Streithelferin zu 1 4/11 und hat der Streithelfer zu 2 7/11 zu tragen. Die im Revisionsverfahren angefallenen Kosten der Streithilfe haben die Streithelfer jeweils selbst zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die ebenso wie die Beklagte ein Speditionsunternehmen betreibt, nimmt diese aus einem Beförderungsvertrag wegen der Beschädigung des Transportguts auf Schadensersatz in Anspruch.
Der dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetretene Streithelfer zu 2, dessen Transportversicherer die dem Rechtsstreit ebenfalls auf Seiten der Klägerin beigetretene Streithelferin zu 1 ist, beauftragte die Klägerin mit dem Transport von Teilen eines Holzhauses von Rußland nach Deutschland. Die Klägerin beauftragte ihrerseits die Beklagte am 17. März 1999 mit der Durchführung dieses Transports zu festen Kosten. Bei dem Transport, den ein von der Beklagten beauftragter Unternehmer ausgeführt hat, kam es am 24. März 1999 in Rußland zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein Großteil der Ladung beschädigt wurde.
Die Klägerin beziffert den hierdurch entstandenen Schaden auf (mindestens) 125.127,46 DM. Abzüglich bereits ausgeurteilter 13.600 DM seien ein Teilbetrag in Höhe von 40.000 DM an die Streithelferin zu 1 und der Restbetrag in Höhe von 71.527,46 DM an den Streithelfer zu 2 zu bezahlen.
Das Landgericht hat der auf Zahlung der genannten Beträge an die Streithelfer gerichteten Klage im vollen Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat demgegenüber die Auffassung vertreten, ein Schadensersatzanspruch bestehe nur in Höhe von (umgerechnet) 32.767,60 €. Abzüglich des bereits ausgeurteilten Betrages verblieben daher noch 25.814,03 €, die entsprechend dem gewünschten Verhältnis an die Streithelfer zu zahlen seien.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die beiden Streithelfer den Klageanspruch in der vom Berufungsgericht abgewiesenen Höhe von 31.209,05 € weiter. Die Beklagte ist in der Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten gewesen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat zur Frage der Aktivlegitimation der Klägerin wie auch zur Frage der Anwendbarkeit der CMR auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Danach war die Klägerin, soweit sie Leistung an den Streithelfer zu 2 begehrte, unter dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation anspruchsberechtigt; soweit sie Zahlung an die Streithelferin zu 1 verlange, werde sie von dieser selbst in Anspruch genommen. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei zudem deshalb unproblematisch, weil beide Streithelfer diese mit der klageweisen Geltendmachung ihrer Schadensersatzansprüche beauftragt hätten. Die CMR sei gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 anwendbar, weil es sich um eine entgeltliche Güterbeförderung auf der Straße mittels Fahrzeugen gehandelt habe, der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in verschiedenen Staaten gelegen hätten und einer von diesen ein Vertragsstaat der CMR sei.
In der Sache hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Bestimmung des Art. 29 CMR eingreife, weil dem Frachtführer bzw. dessen Bediensteten ein vorsatzgleiches Fehlverhalten vorzuwerfen sei, das sich die Beklagte gegenüber der Klägerin zurechnen lassen müsse. Diese habe, insbesondere was die fehlende Sicherung der Ladung durch Gurte betreffe, plausible Anhaltspunkte für ein qualifiziert leichtfertiges Verhalten dargelegt. Die Beklagte habe sich demgegenüber für die Schilderung des zum Schaden führenden Sachverhalts allein auf die nicht unterschriebene und lediglich in Übersetzung vorliegende Erklärung des Fahrers berufen, in der die Rede davon sei, daß der Lkw wegen Glatteises auf die Seite gekippt und noch gerutscht sei, was aber den Ermittlungen des Sachverständigen G. konträr gegenüberstehe. Die Beklagte hätte unter diesen Umständen substantiiert vortragen müssen, welche Sorgfalt der Frachtführer aufgewendet habe, und habe, da sie dieser Obliegenheit nicht nachgekommen sei, die nicht widerlegte Vermutung für ein qualifiziert leichtfertiges Verhalten gegen sich. Dementsprechend betrage die Verjährungsfrist für den Klageanspruch nicht ein Jahr, sondern drei Jahre und greife damit die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Die Klägerin habe daher nach Art. 25 Abs. 1 CMR einen Anspruch auf Ersatz der Wertminderung. Diese bestehe in der Differenz zwischen dem Wert des Hauses am Ort und zur Zeit der Übernahme in unbeschädigtem Zustand und seinem Wert in beschädigtem Zustand.
II. Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin, die Anwendbarkeit der CMR sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 29 CMR bejaht hat, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Der Klägerin steht demnach ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR im durch Art. 29 CMR bestimmten Umfang zu.
2. Gegen den rechtlichen Ansatz des Berufungsgerichts, den der Klägerin danach wegen der Beschädigung des Gutes zu leistenden Schadensersatz vorrangig nach Art. 25 Abs. 1 CMR zu berechnen, wendet sich die Revision mit Erfolg. Der Senat hat - in Übereinstimmung mit der sowohl in der Rechtsprechung (vgl. Cour de Cassation Paris BullT 2000, 718 f.; OLG Innsbruck TranspR 1991, 12, 21; a.A. Cour d'appel de Paris BullT 1992, 362) als auch in der Literatur (vgl. Koller, VersR 1994, 384 ff. und in Transportrecht, 5. Aufl., Art. 29 CMR Rdn. 10; Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Art. 29 CMR Rdn. 22; Thume, VersR 1993, 930, 937 und in Fremuth/Thume, Transportrecht, Art. 29 CMR Rdn. 24; GroßKomm.HGB/Helm, 4. Aufl., Anh. VI nach § 452: Art. 29 CMR Rdn. 27; a.A. MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 29 CMR Rdn. 31) herrschenden Meinung - bereits entschieden, daß sich der Umfang des zu ersetzenden Schadens im Fall des Art. 29 CMR nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht bestimmt (BGH, Urt. v. 15.10.1998 - I ZR 111/96, TranspR 1999, 102, 105 = VersR 1999, 646, insoweit in BGHZ 140, 84 nicht abgedruckt). Danach kommt im Streitfall deutsches Recht zur Anwendung. Insoweit ist in erster Hinsicht an sich die frachtrechtliche Regelung in § 429 Abs. 2 und 3 HGB einschlägig (vgl. Großkomm.HGB/Helm aaO Art. 29 CMR Rdn. 27). Da diese hier aber gemäß § 435 HGB nicht anwendbar ist, beurteilt sich der Umfang der Haftung der Beklagten nach den allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB.
3. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensberechnung erweist sich auf dieser Grundlage als verfahrensfehlerfrei.
a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß das bei dem Transport beschädigte Haus, da es mit deutscher Technologie hergestellt worden und für den Export nach Mitteleuropa bestimmt gewesen sei, in Rußland keinen Marktwert habe. Es hat deshalb gemeint, daß der zu ersetzende Schadensbetrag gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu ermitteln sei, für die die zur Behebung der entstandenen Schäden erforderlichen Reparaturkosten ein wesentliches Indiz für den Umfang der Wertminderung und eine brauchbare Grundlage für die Schätzung des Minderwerts darstellten. Angesichts des fehlenden Marktwerts des Hauses in Rußland, seiner Bestimmung zum Verkauf in Mitteleuropa, der Anwendung deutscher Technologie bei seiner Erstellung und seiner in Deutschland durchgeführten Reparatur sei bei den Reparaturkosten auch kein Abschlag wegen der Verhältnisse in Rußland vorzunehmen. Im Hinblick auf die auf 32.767,60 € zu veranschlagenden Kosten einer Reparatur in Deutschland und die bereits im Vorprozeß zugesprochenen 6.953,57 € sei die Klage daher nur in Höhe von 25.814,03 € begründet und in Höhe der überschießenden 31.209,05 € unbegründet.
b) Die Revision hat gegen diese der Sache nach und daher gemäß den Ausführungen zu vorstehend II. 2. im Ergebnis zutreffend auf der Grundlage des deutschen Schadensrechts (vgl. § 249 Satz 2 BGB a.F., Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) durchgeführte Schadensermittlung Verfahrensrügen erhoben. Der Senat hat die Rügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
4. Der Klageanspruch ist in dem Umfang, in dem er noch streitig ist, entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung auch nicht auf der Grundlage einer Berechnung nach Art. 23, 25 CMR begründet.
a) Die Revision weist allerdings mit Recht darauf hin, daß beim Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 29 CMR allein der Frachtführer das Recht verliert, sich auf die Bestimmungen in den Art. 17 bis 28 CMR zu berufen, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast zu seinen Gunsten umkehren. Die in den genannten Bestimmungen begründeten Ansprüche des Geschädigten bleiben dagegen unberührt. Dieser kann daher im Fall des Art. 29 CMR Schadensersatz immer auch in der Höhe verlangen, in der er ihn nach diesen Bestimmungen beim Fehlen eines qualifizierten Verschuldens des Frachtführers beanspruchen könnte.
b) Das Berufungsgericht ist aber, soweit es bei der Schadensberechnung die Bestimmungen der Art. 25 Abs. 1, 23 Abs. 2 CMR herangezogen hat, mit Recht davon ausgegangen, daß in Fällen, in denen sich ein danach zu ersetzender Wert nicht feststellen läßt, die Wiederherstellungskosten als Anhaltspunkt für die auszugleichende Wertminderung in Betracht kommen (vgl. OLG Hamburg TranspR 1998, 290, 292 f. m.w.N. und dazu Nichtannahmebeschluß des Senats v. 8.10.1998 - I ZR 53/98; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 25 CMR Rdn. 3 m.w.N. in Fn. 7; vgl. auch § 429 Abs. 2 Satz 2 HGB und dazu die Begründung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Transportrechtsreformgesetz, BT-Drucks. 13/10014, S. 48). Seine Entscheidung hält daher auch insoweit der rechtlichen Nachprüfung stand.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, § 100 Abs. 2 ZPO analog.
Ende der Entscheidung
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