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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.10.1998
Aktenzeichen: I ZR 138/97
Rechtsgebiete: UWG, ZugabeVO, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
ZugabeVO § 1
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 138/97

Verkündet am: 8. Oktober 1998 Führinger

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck und Dr. Bornkamm

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. April 1997 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber im Handel mit Geräten der Telekommunikation. In einer Beilage zu den Nürnberger Nachrichten vom 26. August 1996 warb die Klägerin u.a. für ein D-Netz-Mobilfunktelefon zum Preis von 1 DM. Durch einen Sternchenhinweis bei der Preisangabe wurde deutlich gemacht, daß dieser Preis nur in Verbindung mit der Freischaltung eines "12monatigen Debitel-D2-Netzkartenvertrags" gelten solle. Ferner findet sich dort eine Tabelle, aus der sich die monatliche Grundgebühr, die Gesprächsgebühren einschließlich - bei einzelnen Tarifgruppen - des Mindestumsatzes an Gesprächsgebühren je Monat sowie weitere Einzelheiten des Tarifs entnehmen lassen. Der Preis des Mobiltelefons ohne Kartenvertrag ist mit 499 DM angegeben. Nachstehend ist ein Ausschnitt aus der Beilage wiedergegeben:

Die Beklagte hat die Anzeige als wettbewerbswidrig und gegen die Zugabeverordnung verstoßend beanstandet und widerklagend - die von der Klägerin erhobene negative Feststellungsklage haben die Parteien nach Erhebung der Widerklage übereinstimmend für erledigt erklärt - beantragt, der Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Abgabe von Funktelefonen zum Preis von 1 DM in Verbindung mit einem entgeltlichen Netzkartenvertrag zu bewerben,

der Ankündigung entsprechende Verträge für Funktelefone und Netzkarten abzuschließen und/oder

Funktelefone zum Preis von 1 DM in Verbindung mit dem Abschluß eines entgeltlichen Kartenvertrages abzugeben.

Das Landgericht hat der Widerklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Widerklage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihre Widerklageanträge weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß ebenso verneint wie einen Verstoß gegen die Zugabeverordnung.

In der beanstandeten Anzeige liege kein übertriebenes Anlocken nach § 1 UWG. Dies setze regelmäßig voraus, daß mit Mitteln, die sich nicht auf die Preiswürdigkeit und Qualität der Ware bezögen, übermäßige Anreizeffekte erzielt würden. Die fragliche Anzeige bediene sich keines dem Leitbild des Leistungswettbewerbs fremden Werbemittels, sondern rücke gerade die Preiswürdigkeit der angebotenen Ware in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Mit Hilfe des Wettbewerbsrechts könne nicht in die freie Preisbildung des Gewerbetreibenden eingegriffen werden, dem im allgemeinen weder ein Verkauf unter Gestehungspreisen noch eine Mischkalkulation verboten sei. Gerade bei einem symbolisch gegen Null tendierenden Preis bestehe die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Kunden nicht, weil hier nahezu jeder Verbraucher stutzig und sich sagen werde, daß die Gegenleistung ersichtlich auf einem anderen Gebiet liegen müsse; er werde gerade deswegen den Sternchenhinweis verfolgen und auf die weitere Aufklärung stoßen. Da die Koppelung von Mobiltelefon und Netzkartenvertrag nicht branchenfremd sei und zwischen beiden Elementen des Pakets eine unmittelbare Gebrauchsnähe bestehe, liege auch kein unzulässiges Vorspannangebot vor.

Die Klägerin habe auch nicht gegen § 1 ZugabeVO verstoßen. In dem Mobiltelefon sei gegenüber der im Netzkartenvertrag liegenden Hauptleistung keine Nebenware zu sehen. Hiergegen spreche zum einen der hohe Warenwert des Telefons, zum anderen sei die Verbindung von Telefon und Kartenvertrag nicht branchen- oder betriebsfremd.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht zugesprochen.

1. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen das Zugabeverbot des § 1 Abs. 1 ZugabeVO mit zutreffender Begründung verneint.

a) Für das Vorliegen einer Zugabe i.S. von § 1 Abs. 1 ZugabeVO ist der Umstand ohne Bedeutung, daß der Kartenvertrag mit dem "Service Provider" zustande kommen, das Mobiltelefon dagegen bei der Klägerin erworben werden sollte. Denn derjenige, der die Zugabe gewährt, muß nicht mit dem Anbieter der Hauptleistung identisch sein (BGH, Urt. v. 7.12.1962 - I ZR 68/61, GRUR 1963, 322, 324 = WRP 1963, 140 - Mal- und Zeichenschule; Urt. v. 6.10.1992 - KZR 21/91, GRUR 1993, 137, 141 - Zinssubvention).

b) Eine Zugabe liegt vor, wenn eine Leistung ohne besondere Berechnung neben einer entgeltlich angebotenen Hauptware gewährt wird, der Erwerb der Nebenleistung vom Abschluß des Geschäfts über die Hauptware abhängig ist und dabei in der Weise ein innerer Zusammenhang besteht, daß die Nebenleistung mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware gewährt wird und das Angebot wegen dieser Abhängigkeit objektiv geeignet ist, den Kunden in seiner Entschließung zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1994 - I ZR 166/92, GRUR 1994, 656, 657 = WRP 1994, 540 - Stofftragetasche; Urt. v. 25.9.1997 - I ZR 84/95, GRUR 1998, 500, 501 = WRP 1998, 388 - Skibindungsmontage). Eine Zugabe kann danach immer nur eine von der Hauptware verschiedene, zusätzlich in Aussicht gestellte oder gewährte Nebenleistung sein. Werden dagegen die beiden in Rede stehenden Waren oder Leistungen vom Verkehr als eine Einheit angesehen, ist eine Zugabe begrifflich ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1979 - I ZR 89/77, GRUR 1979, 482, 483 = WRP 1979, 456 - Briefmarken-Auktion; Urt. v. 11.5.1989 - I ZR 132/87, GRUR 1989, 697, 698 = WRP 1989, 654 - Vertrauensgarantie; Urt. v. 28.4.1994 - I ZR 68/92, GRUR 1994, 743, 744 = WRP 1994, 610 - Zinsgünstige Kfz-Finanzierung durch Herstellerbank; BGH GRUR 1998, 500, 501 - Skibindungsmontage; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., § 1 ZugabeVO Rdn. 2).

c) Das Berufungsgericht hat angenommen, das angebotene Mobiltelefon stelle im Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise keine Neben- oder Mitgehware im Verhältnis zu dem gleichzeitig angebotenen Kartenvertrag dar. Dagegen sprächen sowohl der hohe Warenwert des Mobiltelefons als auch die fehlende Branchen- und Betriebsfremdheit. Nach der Verkehrsauffassung liege eine sinnvolle Koppelung zweier Hauptwaren bzw. -leistungen vor, da vor allem in der derzeitigen Phase der Markteinführung das eine kaum ohne das andere nutzbar sei. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

Allerdings wird - was auch das Berufungsgericht nicht verkennt - die Verkehrsauffassung durch die Art und Weise beeinflußt, in der das fragliche Angebot in der Werbung präsentiert wird. Die Herausstellung des günstigen Preises für das Mobiltelefon in der beanstandeten Werbung legt insofern den Eindruck eines einheitlichen Angebots zunächst nicht nahe. Dennoch ist das Berufungsgericht im Hinblick auf die beworbenen Waren und Leistungen mit Recht davon ausgegangen, daß der Verkehr das Angebot von Telefon und Karte - trotz der Gestaltung der beanstandeten Anzeige - als eine untrennbare wirtschaftliche Einheit versteht. Hierfür sind zwei Gesichtspunkte maßgeblich.

Zum einen spricht die Funktionseinheit von Telefon und Netzzugang dagegen, das eine als Hauptleistung und das andere als Nebenware anzusehen. Auch wenn es möglich ist, Mobiltelefone ohne Kartenvertrag zu erwerben und Kartenverträge ohne gleichzeitigen Erwerb eines Mobiltelefons abzuschließen, verfügen doch die meisten Erwerber eines Mobiltelefons noch nicht über einen Netzzugang und benötigen daher einen Netzkartenvertrag, um das Telefon überhaupt in der beabsichtigten Weise einsetzen zu können. Dies hat in der Praxis dazu geführt, daß in der Regel das eine nicht ohne das andere angeboten wird. Unter diesen Umständen liegt die Annahme einer Gesamtleistung bestehend aus dem Mobiltelefon und dem für den Betrieb notwendigen Netzzugang nahe.

Wie bereits dargelegt, ist insofern allerdings die Verkehrsauffassung maßgeblich, die wiederum durch das Geschäftsgebaren des Werbenden beeinflußt und bestimmt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.5.1991 - I ZR 172/89, GRUR 1991, 933, 934 = WRP 1991, 648 - One for Two; Urt. v. 29.4.1993 - I ZR 92/91, GRUR 1993, 774, 775 = WRP 1993, 758 - Hotelgutschein). Ohne Bedeutung ist dabei die Aufspaltung in zwei Rechtsgeschäfte; denn mit rechtlichen Erwägungen hält sich der Verkehr nicht auf. Die Revision möchte in diesem Zusammenhang darauf abstellen, daß die Klägerin selbst durch ihr Werbeverhalten den Eindruck einer Gesamtleistung zerstört habe. Die beanstandete Werbung, die den Preis des Mobiltelefons gesondert herausstelle, stehe der Annahme entgegen, der Verbraucher werde erkennen, daß er mit den Zahlungen auf den Netzkartenvertrag auch die Gegenleistung für das Mobiltelefon erbringe. Doch wird auch durch diese in der Werbung vorgenommene Aufspaltung die für den Verbraucher im Vordergrund stehende Funktionseinheit von Mobiltelefon und Netzzugang letztlich nicht in Frage gestellt.

Maßgebend hierfür ist der zweite Gesichtspunkt: Da dem Publikum geläufig ist, daß Mobiltelefone einen nicht unerheblichen Wert haben und ein Kaufmann ein solches Gerät nicht ohne weiteres verschenkt, erkennt es auch, daß der Erwerb des Mobiltelefons letztlich mit den Gegenleistungen finanziert werden muß, die im Rahmen des Netzkartenvertrags zu erbringen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Verkehr in der Werbung seit Jahren Angeboten begegnet, mit denen für den Abschluß eines Netzkartenvertrages bei gleichzeitigem Erwerb eines Mobiltelefons zu einem besonders günstig erscheinenden Preis geworben wird. Die Fülle derartiger Angebote macht dem Publikum deutlich, daß es nicht um das Verteilen von Geschenken, sondern nur um einen Anreiz zum Abschluß eines langfristigen Netzkartenvertrags geht.

2. Ebenfalls mit Recht hat das Berufungsgericht in der beanstandeten Werbung kein übertriebenes Anlocken nach § 1 UWG gesehen.

Handelt es sich bei dem mit dem Abschluß eines Netzkartenvertrages gekoppelten Erwerb eines Mobiltelefons aus der Sicht des Verkehrs ungeachtet der Gestaltung der beanstandeten Werbeanzeige um ein Gesamtangebot, kann in der Ankündigung eines besonders günstigen Preises für einen Teil der zu erbringenden Gesamtleistung kein unsachliches Mittel erblickt werden. Denn die Werbung mit der fast kostenlosen Abgabe des Mobiltelefons stellt sich als ein legitimer Hinweis auf den günstigen, durch verschiedene Bestandteile geprägten Preis der angebotenen Gesamtleistung und damit als ein Hinweis auf die eigene Leistungsfähigkeit dar. Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs (BGH GRUR 1994, 743, 744 - Zinsgünstige Kfz-Finanzierung durch Herstellerbank; BGH GRUR 1998, 500, 501 - Skibindungsmontage).

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Klägerin stelle mit dem Angebot eines Mobiltelefons für 1 DM nicht ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis, sondern verschleiere nur den Umstand, daß im Rahmen der Netzkartenverträge überhöhte Entgelte verlangt würden. Ist die Klägerin, die keinen unmittelbaren Einfluß auf die Tarife der "Service Provider" hat, verstärktem Wettbewerb ausgesetzt, kann sie lediglich durch eine Herabsetzung des Preises für das Mobiltelefon reagieren, nicht dagegen durch eine Änderung der Tarifstruktur bei den Netzkartenverträgen. Werden ihr auf der anderen Seite für jede Vermittlung eines Netzkartenvertrages hohe Provisionen gezahlt, so kann sie mit Hilfe dieser Provisionen die Anschaffung des Mobiltelefons "subventionieren". Würde der Klägerin die (nahezu) unentgeltliche Abgabe von Mobiltelefonen untersagt, würde mit Hilfe des § 1 UWG in diesen Marktmechanismus, dem durchaus vernünftige wirtschaftliche Erwägungen zugrunde liegen, eingegriffen.

3. Die Frage, ob die oben wiedergegebene Werbung - ungeachtet eines Verstoßes gegen die Zugabeverordnung oder gegen das Verbot eines übertriebenen Anlockens - unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung oder eines Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung als wettbewerbswidrig beanstandet werden könnte (vgl. dazu Senatsurteil vom heutigen Tage - I ZR 187/97, Umdruck S. 12 ff. unter II.3. - Handy für 0,00 DM), stellt sich im Streitfall nicht. Denn die Beklagte hat durch ihre Antragstellung deutlich gemacht, daß ihr Widerklagebegehren auf ein umfassendes Verbot der Werbung für ein Mobiltelefon zum Preis von 1 DM in Verbindung mit dem Abschluß eines entgeltlichen Netzkartenvertrags gerichtet ist. Die konkrete Verletzungsform ist dagegen nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden.

III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.



Ende der Entscheidung

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