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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: I ZR 148/06
Rechtsgebiete: UrhG, EG, Informationsgesellschafts-Richtlinie
Vorschriften:
UrhG § 15 Abs. 1 Nr. 2 | |
UrhG § 17 | |
UrhG § 17 Abs. 1 | |
UrhG § 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 | |
UrhG § 17 Abs. 2 | |
UrhG § 96 Abs. 1 | |
UrhG § 97 | |
UrhG § 97 Abs. 1 | |
EG Art. 28 | |
Informationsgesellschafts-Richtlinie Art. 4 Abs. 1 |
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Streithelferin der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Juli 2006 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin wird das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23. November 2005 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht, produziert Polstermöbel. Ihre Kollektion enthält Möbelstücke, die nach Entwürfen von Charles Edouard Jeanneret, genannten Le Corbusier, gefertigt sind. Dazu gehören die Sessel und Sofas der Reihe "LC 2".
Zwischen der Klägerin und der Fondation Le Corbusier in Paris, die die Recht des verstorbenen Urhebers wahrnimmt, bestehen seit 1965 urheberrechtliche Exklusivverträge. Die Beklagte, eine Zigarrenherstellerin, richtete in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in B. eine Zigarren-Lounge ein. Sie erwarb bei ihrer in Italien geschäftsansässigen Streithelferin Nachbildungen von Sesseln und Sofas der Modellreihen "LC 2" der Le-Corbusier-Möbel und stellte diese in der Lounge auf. Die Streithelferin nimmt nicht in Anspruch, dass ihr urheberrechtliche Nutzungsrechte an den von Le Corbusier geschaffenen Möbelmodellen eingeräumt sind. In der Vergangenheit stand urheberrechtlicher Schutz für Werke der angewandten Kunst in Italien nicht zur Verfügung.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, unerlaubte Nachbildungen (Plagiate) urheberrechtlich geschützter Le-Corbusier-Möbelmodelle, und zwar des Sessels LC 2 und des zweisitzigen Sofas LC 2, in der Bundesrepublik Deutschland zu verwerten, insbesondere in der Zigarren-Lounge in der Bundeskunsthalle in B. , aufzustellen und gewerblich zu benutzen.
Die Beklagte, die der Klage entgegengetreten ist, hat behauptet, die in Rede stehende Zigarren-Lounge in der Bundeskunsthalle werde von einem von ihr unabhängigen Gastronomen betrieben; sie habe die Lounge nur ausgestattet.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Köln ZUM-RD 2006, 256). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen (OLG Köln GRUR-RR 2007, 1).
Mit der Revision verfolgt die Streithelferin der Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch nach § 97 UrhG i.V. mit § 17 UrhG als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Die fraglichen Möbelmodelle von Le Corbusier wiesen die erforderliche Gestaltungshöhe auf, um als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt zu sein. Der Klägerin stehe aufgrund des Vertrages vom 20. November 2002 mit der Fondation Le Corbusier das alleinige Verbreitungsrecht an den nach den Entwürfen von Le Corbusier gefertigten Möbelstücken zu.
Die Beklagte habe mit dem Aufstellen der Nachbildungen der LC2-Möbel in der Zigarren-Lounge der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in B. das Verbreitungsrecht der Klägerin verletzt. Von einem Inverkehrbringen von Vervielfältigungsstücken des Werkes i.S. von § 17 Abs. 1 UrhG sei auch auszugehen, wenn Nachbildungen der allgemeinen Öffentlichkeit zur Benutzung zugänglich gemacht würden. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der Bestimmung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UrhG, die Werke der angewandten Kunst von der Regelung des Vermietrechts ausnehme. Die Vorschrift sei nur eine Rückausnahme zu der in § 17 Abs. 2 UrhG vom Erschöpfungstatbestand ausgenommenen Vermietung. Das Verbot der Verbreitung stelle auch keine unzulässige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG dar. Betroffen sei nur eine dem Erwerbsvorgang nachfolgende Verwertungshandlung im Inland, die von dem Erwerbsgeschäft getrennt sei und dieses weder verhindere noch erschwere.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG nicht zu. Die Beklagte hat das urheberrechtliche Verbreitungsrecht der Klägerin i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 UrhG durch das Aufstellen der Möbelstücke in der Lounge der Kunsthalle nicht verletzt und auch nicht gegen das Verwertungsverbot nach § 96 UrhG verstoßen.
1.
Die Klägerin begehrt mit ihren Klageanträgen Schutz für das Inland. Nach dem Schutzlandprinzip sind daher die Vorschriften des deutschen Urheberrechtsgesetzes anwendbar (BGHZ 171, 151 Tz. 24 - Wagenfeld-Leuchte; vgl. auch Art. 8 Abs. 1 der am 11. Januar 2009 in Kraft getretenen ROM-II-Verordnung).
2.
Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werks in der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1 UrhG). Da es sich bei dem Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie um harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 17 UrhG richtlinienkonform auszulegen (vgl. BGHZ 171, 151 Tz. 32 f. - Wagenfeld-Leuchte; Loewenheim in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2003, § 20 Rdn. 19; Hermann, ELR 2008, 212, 215; Haberstumpf in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, § 17 UrhG Rdn. 2). Nach der Bestimmung der Richtlinie sehen die Mitgliedstaaten vor, "dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten".
Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie über das Verbreitungsrecht begründet nicht nur einen Mindestschutz, hinter dem die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung ihres Schutzniveaus nicht zurückbleiben dürfen, sondern stellt eine verbindliche Regelung des Verbreitungsrechts auch im Sinne eines Maximalschutzes dar (a.A. Schulze in Dreier/ Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Aufl., § 17 Rdn. 4a; Heerma in Wandtke/ Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 17 Rdn. 11; v. Welser, GRUR Int. 2008, 596, 597; Walter, Medien und Recht 2008, 246, 248). Dies folgt aus dem Zweck der Richtlinie, unterschiedliche einzelstaatliche Rechtsvorschriften über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im Interesse der Rechtssicherheit und der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts anzupassen und ein uneinheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten zu vermeiden (Erwägungsgründe 1, 4 und insbesondere 6 und 7 der Richtlinie). Dementsprechend wird in den Erwägungsgründen verschiedentlich die Zielsetzung der Informationsgesellschafts-Richtlinie hervorgehoben, ein harmonisiertes Urheberrecht zu schaffen (Erwägungsgründe 1, 4, 6, 7, 9, 23 und 31), und betont, durch die Rechtsharmonisierung zur Verwirklichung der Freiheiten des Binnenmarkts beizutragen (Erwägungsgrund 3). Daraus wird zu Recht die Konsequenz gezogen, dass Art. 4 der Informationsgesellschafts-Richtlinie das Verbreitungsrecht allgemeingültig regelt (Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 17 Rdn. 5; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 3. Aufl., § 17 Rdn. 1; Dreyer in HK-UrhR, 2. Aufl., § 17 Rdn. 5 und 12). Damit ist die Annahme nicht vereinbar, die Richtlinie bestimme nur einen Mindestschutz und räume den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, ein weiterreichendes Schutzniveau zu begründen oder aufrechtzuerhalten. Abweichendes ist, soweit ersichtlich, vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. April 2008 - C-456/06, GRUR 2008, 604 - Peek & Cloppenburg/Cassina auch nicht vertreten worden (vgl. Walter in Europäisches Urheberrecht, 2001, S. 1044 f.; Schricker/Loewenheim aaO § 17 Rdn. 1; Loewenheim/Lehmann aaO § 54 Rdn. 41; Wandtke, EWiR 2007, 189 f.).
Die zum Teil im Schrifttum vertretene gegenteilige Ansicht stellt darauf ab, dass die Regelungen des Verbreitungsrechts im WCT-Vertrag (Urheberrechtsvertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum) und im WPPT-Vertrag (WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger) nur Mindestrechte gewähren und es den Vertragsstaaten unbenommen bleibt, über diesen Mindestschutz hinauszugehen (Schulze in Dreier/Schulze aaO § 17 Rdn. 4a; v. Welser, GRUR Int. 2008, 596). Die sich daraus ergebenden Folgerungen betreffen aber nur die Auslegung der Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie und damit die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften beantwortete Frage, ob eine Verbreitung im Sinne dieser Richtlinienbestimmung nur bei einer Übertragung des Eigentums vorliegt oder ob die Richtlinie über den in den völkerrechtlichen Verträgen vorgesehenen Schutz hinausgeht. Für die Frage, ob die Informationsgesellschafts-Richtlinie ihrerseits den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, ein höheres Schutzniveau vorzusehen, ist dies jedoch ohne Belang.
3.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat die Frage, ob von einer Verbreitung ausgegangen werden kann, wenn der Öffentlichkeit nur der Gebrauch von Werkstücken eines urheberrechtlich geschützten Werkes überlassen wird, verneint. Er hat angenommen, dass eine Verbreitung auf andere Weise als durch Verkauf i.S. des Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie nur vorliegt, wenn eine Übertragung des Eigentums an dem Gegenstand erfolgt (EuGH GRUR 2008, 604 Tz. 41 - Peek & Cloppenburg/ Cassina). Ein Dritter greift daher nicht in das ausschließlich dem Urheber nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 UrhG zustehende Verbreitungsrecht ein, wenn er Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Modelle von Möbeln der Öffentlichkeit zum Gebrauch zugänglich macht. Von einer Verbreitung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auch nicht auszugehen, wenn einem Dritten der Besitz des Originals oder eines Vervielfältigungsstücks übertragen wird (EuGH GRUR 2008, 604 Tz. 36 und 41 - Peek & Cloppenburg/Cassina).
Im Streitfall hat die Beklagte danach das der Klägerin zustehende Verbreitungsrecht nicht verletzt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte der Öffentlichkeit die Möbelstücke zur Benutzung zur Verfügung gestellt hat oder sie den Besitz an den Werkstücken auf den die Lounge betreibenden Gastronomen übertragen hat. In beiden Sachverhaltskonstellationen ist eine Verbreitung i.S. von Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie und § 17 Abs. 1 UrhG nicht erfolgt, weil die Möbelstücke weder verkauft worden sind noch das Eigentum an ihnen übertragen worden ist.
4.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung stehen der Klägerin die begehrten Ansprüche auch nicht wegen Verletzung des Verwertungsverbots aus § 96 Abs. 1 UrhG zu. Nach dieser Vorschrift dürfen rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke nicht verbreitet werden. Eine unmittelbare Anwendung des § 96 Abs. 1 UrhG scheidet aus, weil der Begriff der Verbreitung demjenigen des § 17 UrhG entspricht und dessen Voraussetzungen nicht vorliegen (s. oben unter II 3).
Eine analoge Anwendung der Bestimmung, für die sich die Revisionserwiderung ausspricht, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es fehlt an einer für eine analoge Anwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften hat der Gemeinschaftsgesetzgeber das Verbreitungsrecht bewusst auf Sachverhalte beschränkt, die mit der Übertragung des Eigentums des Originals des Werks oder eines Vervielfältigungsstücks verbunden sind (EuGH GRUR 2008, 604 Tz. 38 - Peek & Cloppenburg/Cassina).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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