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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.09.1997
Aktenzeichen: I ZR 156/95
Rechtsgebiete: ADSp


Vorschriften:

ADSp § 51 Buchst. b Satz 2
ADSp § 51 Buchst. b Satz 2

Zum Umfang der Darlegungspflicht des Spediteurs zu seiner Lagerorganisation, wenn der Anspruchsteller wegen des bei der speditionellen Tätigkeit und Lagerhaltung eingetretenen Verlustes von Transportgut grobes Organisationsverschulden des Spediteurs geltend macht.

BGH, Urt. v. 25. September 1997 - I ZR 156/95 - OLG München LG München I


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 156/95

Verkündet am: 25. September 1997

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 1997 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Ullmann, Dr. Bornkamm und Pokrant

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. März 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, Transportversicherer der K. (Europa) GmbH (im folgenden: K. ), nimmt die Beklagte, die ein Speditionsgewerbe betreibt und in mehreren deutschen Städten Zweigniederlassungen mit Warenumschlagslagern unterhält, aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz für den Verlust von Speditionsgut in Anspruch.

Die Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragt die Beklagte seit über zehn Jahren mit dem gesamten speditionellen Handling (Lagerhaltung, Kommissionierung, Versendung und Auslieferung) der von ihr in die Bundesrepublik Deutschland importierten Waren. Zu diesem Zweck unterhielt die Beklagte für K. in dem hier maßgeblichen Zeitraum (März 1990 bis Mai 1992) in München ein Zentrallager, in das die Importsendungen zunächst verbracht wurden. Die Auslieferung der Waren im Fernverkehr erfolgte über die von der Beklagten in ihren Zweigniederlassungen unterhaltenen Warenumschlagslagern. Im Nahverkehr wurde die Auslieferung direkt vom Zentrallager aus abgewickelt.

Im Zeitraum von März 1990 bis Mai 1992 kam es im Zentrallager sowie in den Umschlagslagern München, Mannheim, Frankfurt/Main und Wuppertal zu Warenverlusten. Die Beklagte hat 37 Schadensfälle eingeräumt, bei vier weiteren ist streitig, ob der Schaden im Gewahrsam der Beklagten eingetreten ist. Die Beklagte leistete auf der Grundlage der Haftungshöchstgrenze des § 54 lit. a Nr. 1 ADSp für sämtliche von der Klägerin behaupteten Verluste Ersatz an K. .

Der von K. darüber hinaus bezifferte Schaden in Höhe von 162.609,70 DM wurde von der Klägerin reguliert, die diesen Betrag nebst Zinsen von der Beklagten ersetzt verlangt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für die von ihr geltend gemachten 41 Verlustfälle uneingeschränkt, weil ihr grob fahrlässiges Organisationsverschulden vorzuwerfen sei. Sie habe es unterlassen, ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen vorzunehmen, was sich schon daraus ergebe, daß sie für die streitgegenständlichen Verluste keine Dokumente vorlegen könne. Überdies lasse die Beklagte in ihren Lagern die Selbstbeladung durch Nahverkehrsfahrer zu, ohne diese ausreichend zu beaufsichtigen. Erforderliche Stichproben der von den Nah- und Fernverkehrsfahrern beladenen Fahrzeuge nehme sie ebenfalls nicht vor. Hinsichtlich des in Verlust geratenen Gutes stelle die Beklagte nicht die gebotenen Nachforschungen an. Soweit es im Zentrallager zu Verlusten gekommen sei, habe die Beklagte die erforderlichen Verlustmeldungen gegenüber den Zollbehörden unterlassen, so daß eine Revision des Lagers durch die zuständigen Stellen unterblieben sei.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat den Vorwurf grob fahrlässigen Organisationsverschuldens unter Darlegung der Organisationsabläufe in ihrem Zentrallager sowie in den Umschlagslagern zurückgewiesen. Sie hat geltend gemacht, einer derartigen Annahme stehe schon entgegen, daß die Schadensquote während eines Zeitraumes von mehr als zweieinhalb Jahren, in dem sie für die Versicherungsnehmerin der Klägerin mehr als 23.000 Aufträge ausgeführt habe, unter zwei Promille gelegen habe. In vier Fällen sei der Schaden durch Diebstahl entstanden. Hierfür brauche sie nicht zu haften, da sie die gegen derartige Taten gebotenen Sicherheitsmaßnahmen getroffen habe.

Die Beklagte hat zudem die Auffassung vertreten, die Versicherungsnehmerin der Klägerin verhalte sich widersprüchlich, wenn sie ihr, der Beklagten, einerseits den Vorwurf grob fahrlässigen Organisationsverschuldens mache, andererseits jedoch die Zusammenarbeit mit ihr uneingeschränkt fortsetze.

Die Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten als Spediteurin nach § 407 Abs. 1, § 390 Abs. 2 HGB i.V. mit § 51 lit. a ADSp für den in ihrem Gewahrsam eingetretenen Schaden dem Grunde nach bejaht. Die Beklagte könne sich jedoch auf die Haftungshöchstgrenzen nach § 54 lit. a Nr. 1 ADSp berufen. Eine weitergehende Haftung scheide aus. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Die Beklagte hafte nicht nach § 51 lit. b Satz 2 ADSp infolge grob fahrlässigen Organisationsverschuldens unbeschränkt, da die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin die Voraussetzungen hierfür nicht bewiesen habe. Die Beklagte habe ihren prozessualen Mitwirkungspflichten im erforderlichen Umfang genügt, da sie den Organisationsablauf betreffend ihrer speditionellen und ihrer Lagerhaltungstätigkeit dargelegt und ihre Betriebsorganisation und Sicherungssysteme in den betroffenen Lagern substantiiert vorgetragen habe. Ein grober Organisationsmangel der Beklagten habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden können. Die von ihr getroffenen Vorkehrungen gegen Warenverlust während der Lagerung des Gutes seien ausreichend. Die Lagerkontrolle finde durch zuverlässiges und ausreichend vorhandenes Personal statt. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich auch, daß nach der Feststellung von Verlusten die notwendigen Maßnahmen ergriffen würden.

Der Vorwurf grob fahrlässigen Organisationsverschuldens könne auch nicht auf die von der Beklagten eingeräumten drei Fälle von Falschauslieferungen an die von ihr eingesetzten Spediteure gestützt werden, da insoweit nach der Organisationsstruktur in ihrem Zentrallager von einem Einzelversagen auszugehen sei. Schließlich stehe der Annahme eines groben Organisationsverschuldens auch die von der Beklagten dargelegte Schadensrate von zwei Promille, welche die Klägerin nicht substantiiert bestritten habe, entgegen.

II. Die hiergegen gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein grobes Organisationsverschulden der Beklagten und damit deren erweiterte Haftung nach § 51 lit. b Satz 2 ADSp sei zu verneinen, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob der Beklagten grob fahrlässige Organisationsmängel anzulasten sind, so daß eine Haftung über die Haftungshöchstgrenze des § 54 lit. a Nr. 1 ADSp hinaus nicht ausgeschlossen werden kann.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß die Klägerin, die die vom Berufungsgericht angenommene Geltung der ADSp nicht beanstandet hat, nach § 51 lit. b Satz 2 ADSp über die gemäß § 54 lit. a Nr. 1 ADSp bereits gezahlte Entschädigung hinaus nur dann weiteren Ersatz verlangen könnte, wenn sie der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast für grobe Fahrlässigkeit der Beklagten genügt hätte. Die Vorschrift des § 51 lit. b Satz 2 ADSp enthält eine Beweislastregelung zu Lasten des Anspruchstellers, gegen deren Wirksamkeit keine durchgreifenden Bedenken nach dem AGB-Gesetz (§§ 5 und 9) bestehen (BGHZ 127, 275, 277 ff.; 129, 345, 347 ff.; BGH, Urt. v. 14.12.1995 - I ZR 138/93, TranspR 1996, 121; Urt. v. 13.6.1996 - I ZR 45/94, TranspR 1997, 61, 63; Urt. v. 7.11.1996 - I ZR 111/94, TranspR 1997, 291, 292; Urt. v. 27.2.1997 - I ZR 221/94, TranspR 1997, 440, 442 = VersR 1997, 1513).

Nach den vorgenannten Entscheidungen des Senats wird die der Klägerin obliegende Darlegungs- und Beweislast aber dadurch gemildert, daß der Spediteur angesichts des unterschiedlichen Informationsstandes der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen aus seinem Betriebsbereich eingehend vorzutragen, wie es - den allgemeinen Organisationsablauf betreffend - vorliegend die Beklagte jedenfalls in gewissem Umfang getan hat.

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe der ihr obliegenden Vortragspflicht mit der substantiierten Darlegung ihrer Betriebsorganisation und Sicherungssysteme in den streitgegenständlichen Lagern sowie ihres Organisationsablaufs im speditionellen Bereich und der Lagerhaltung genügt, wird durch die angeführten Umstände nicht getragen. Das Berufungsgericht hat dabei das Beklagtenvorbringen nicht ausgeschöpft und bislang nur berücksichtigt, was die Beklagte allgemein zur Lagerorganisation vorgetragen hat. Das genügt nicht. Denn der Spediteur ist gehalten, die konkret eingerichteten Kontrollen so detailliert darzulegen, daß für den Anspruchsteller und das Gericht erkennbar wird, wie die einzelnen Maßnahmen in der Praxis geordnet, überschaubar und zuverlässig ineinandergreifen und welche Maßnahmen getroffen worden sind, um sicherzustellen, daß die theoretisch vorgesehenen Organisationsmaßnahmen auch praktisch durchgeführt werden (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1994 - I ZR 100/92, TranspR 1995, 253 = VersR 1995, 604, 606, insoweit in BGHZ 127, 275 nicht abgedruckt; BGHZ 129, 345, 350 f.; BGH, Urt. v. 6.7.1995 - I ZR 20/93, TranspR 1996, 70, 72; Urt. v. 9.11.1995 - I ZR 122/93, TranspR 1996, 303, 304 = VersR 1996, 782; TranspR 1997, 291, 293). Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er im Streitfall in Frage steht, um einen schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muß, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können (vgl. BGH TranspR 1996, 70, 72). Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht bislang berücksichtigten Beklagtenvorbringens läßt sich nicht abschließend beurteilen, ob die nach dem Vortrag der Beklagten in ihrem Zentrallager in München sowie in ihren Umschlagslagern in München, Mannheim, Frankfurt/Main und Wuppertal vorgesehenen und vorgenommenen Kontrollmaßnahmen ein tatsächlich funktionierendes und nicht nur ein theoretisch ausreichendes Sicherungssystem darstellen. Schwerwiegende Lücken in der Organisation der Beklagten können beim derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen werden.

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, von K. aus dem Ausland kommende Waren würden im Zentrallager in verplombten Containern angeliefert. Die Entplombung erfolge gemeinsam mit einer Zollhilfsperson. Der Eingang der Waren werde sodann computermäßig erfaßt und über die EDV würden die entsprechenden Listen erstellt. Bei Herausnahme der Waren aus dem Lager erfolge eine computermäßige Abschreibung. Soweit Nahverkehrsfahrer die vom Lagermeister zusammengestellte und verpackte Ware auf vorgesehenen Relationsplätzen abholten, geschehe dies unter der Aufsicht der Mitarbeiter der Beklagten, deren Zuverlässigkeit sie anhand eines polizeilichen Führungszeugnisses überprüft habe. Die Übergabe der Ware werde stets von dem betreffenden Fahrer auf dem Lieferschein quittiert.

Soweit die im Zentrallager verpackte Ware in das unweit entfernte Münchener Umschlagslager verbracht werde, erfolge dies unter Beifügung der entsprechenden Transportpapiere. Die Sendung werde im Umschlagslager erfaßt. Im dortigen Büro würden die Ladelisten für den speziellen Fernzug erstellt, die der Lademeister für die Beladung des Lkws erhalte. Nachdem durch Abhaken der Positionen beim Beladen eine zusätzliche Kontrolle vorgenommen worden sei, werde die Ladeliste von dem jeweiligen Mitarbeiter unterzeichnet. Bei Fehlmengen, die sofort notiert und gemeldet würden, erfolge eine sofortige Suchmeldung an alle Niederlassungen der Beklagten und eine Nachsuchung im Umschlagslager. Die beladenen Fahrzeuge würden zudem wiederholt durch Stichproben kontrolliert. Die Organisation der Umschlagslager in den Niederlassungen Mannheim, Frankfurt/Main und Wuppertal entspreche derjenigen im Münchener Umschlagslager.

Die Entladung der Lkw am Empfangsort erfolge anhand einer Ladeliste, die abgehakt und gegengezeichnet werde. Unter Zugrundelegung der Darstellung der Beklagten könne auch angenommen werden, daß die Vorkehrungen gegen Warenverlust während der Lagerung des Gutes hinreichend seien, da die Lagerkontrolle durch zuverlässiges und ausreichend vorhandenes Personal stattfinde. Besonders diebstahlsgefährdete Ware werde in Sicherheitsverschlägen untergebracht. Die vorstehenden Darlegungen der Beklagten hätten die vom Berufungsgericht vernommenen Zeugen glaubhaft bestätigt.

bb) Der Beurteilung des Berufungsgerichts, diesem Vortrag der Beklagten lasse sich nicht entnehmen, daß es in ihren Betrieben an ausreichenden Vorsorgemaßnahmen gegen Verlust von Speditionsgut gefehlt habe, kann nicht beigetreten werden.

Die Beklagte hat allerdings - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - vor allem in der Klageerwiderung, in ihren Schriftsätzen vom 2. und 4. August 1993 sowie in der Berufungserwiderung zu jedem einzelnen Schadensfall und zu jedem Lager, in dem ein Schaden eingetreten ist, nämlich dem Zentrallager in München, in dem die meisten Verluste aufgetreten sind, sowie den Umschlagslagern München, Frankfurt/Main, Mannheim und Wuppertal, eingehend vorgetragen. Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht jedoch nicht hinreichend ausgeschöpft. Seine Ausführungen lassen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit erkennen, was die Beklagte im einzelnen vorgetragen hat. Ihr Vortrag wird lediglich in einer knappen Zusammenfassung wiedergegeben. Ebensowenig kann den Darlegungen des Berufungsgerichts zu einzelnen Schadensfällen (Fälle 1, 2, 6, 17, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40) entnommen werden, daß die Beklagte wirksame Vorkehrungen gegen das Abhandenkommen der in ihre Obhut gelangten Waren getroffen hat, die sie in den Stand setzten, den Eintritt der jeweiligen Schäden und den Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht einzugrenzen (vgl. BGHZ 129, 345, 350 f.).

Die Revision beanstandet mithin zu Recht, daß das Berufungsgericht nicht für jeden einzelnen Schadensfall festgestellt hat, bis zu welchem Ort und Zeitpunkt das in Verlust geratene Transportgut noch unversehrt vorhanden war, wann und von wem der Schaden entdeckt wurde und welche konkreten Maßnahmen nach Entdeckung der Verluste zum Wiederauffinden des Gutes veranlaßt wurden.

Dem im Berufungsurteil dargestellten Vortrag der Beklagten läßt sich überdies nicht entnehmen, ob und auf welche Weise bei der datenmäßigen Erfassung der im Zentrallager und in den Umschlagslagern ankommenden Waren einer versehentlichen oder auch gewollten Nichtregistrierung von Packstücken hinreichend entgegengewirkt wurde (vgl. BGH TranspR 1996, 70, 72). Ferner bleibt offen, ob, von wem und auf welche Weise die Vollständigkeit der in Containern ankommenden Sendungen verläßlich geprüft wurde. Vor allem fehlt es auch an Feststellungen, wie das Umverpacken der Ware im Zentrallager, das vom Berufungsgericht nicht erwähnt wird, im einzelnen vorgenommen wurde. Nach der eigenen Darstellung der Beklagten sind die Verluste offensichtlich vor allem auf Fehler beim Umpacken der in größeren Gebinden und Umkartons ankommenden Ware für konkrete Bestellungen zurückzuführen, weil in Einzelfällen mehr Ware als die Bestellung umfaßte, ausgeliefert wurde. Das Umverpacken der Ware stellt sich daher als besonders schadensträchtig dar und erfordert besondere Sorgfaltsmaßnahmen und Sicherungsvorkehrungen. Dazu hat das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen. Ebensowenig hat es Einzelheiten zu den örtlichen Gegebenheiten in den Lagerhallen, insbesondere die jeweils konkret getroffenen Überwachungsmaßnahmen, festgestellt.

Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung vor allem auf die von der Beklagten geschilderten Ausgangskontrollen, insbesondere die Beaufsichtigung der von den Fahrern vorgenommenen Beladung ihrer Fahrzeuge und deren wiederholte stichprobenartige Kontrolle durch zuverlässige Mitarbeiter der Beklagten, abgestellt. Auch insoweit kann dem wiedergegebenen Vorbringen der Beklagten nicht entnommen werden, daß sie im gebotenen Umfang tatsächlich wirksame Vorkehrungen gegen das Abhandenkommen von in ihrer Obhut befindlicher Ware getroffen hat, so daß grobe Organisationsmängel nicht auszuschließen sind. Es bleibt offen - ebenso wie bei der Datenaufnahme beim Eingang des Transportgutes -, inwieweit einer versehentlichen oder bewußten Nichtregistrierung ausgehender Packstücke tatsächlich entgegengewirkt wurde. Die Beklagte räumt selbst Fehlauslieferungen ein und sieht darin eine wesentliche Verlustursache. Ebensowenig ist ersichtlich, ob, auf welche Weise und in welchem zeitlichen Abstand im Zentrallager eine Abgleichung zwischen Ein- und Ausgang vorgenommen wurde. Es fehlen zudem Feststellungen dazu, wie lange die umzuschlagende Ware im Regelfall im Lager verbleibt und wer Zugang zu den Sicherheitsverschlägen hat, aus denen offensichtlich auch wertvolle Kameras abhandengekommen sind.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die von ihm festgestellten Kontrollen der Fahrer und stichprobenartigen Überprüfungen der beladenen Fahrzeuge eine hinreichende Sicherung gegen Verlust, insbesondere Entwendung, des der Beklagten anvertrauten Gutes darstellten. Es hätte insoweit vor allem näherer Feststellungen zu dem über 1.000 m² großen Umschlagslager in München bedurft. Den Akten läßt sich entnehmen, daß das Be- und Entladen über sechs Lkw-Rampen und zwei Bahntore erfolgt. Die Größe der Halle, die Zugangsmöglichkeiten und der Umfang der Sendungen von täglich etwa 1.400 Stück lassen es naheliegend erscheinen, daß Waren außer Kontrolle geraten können. Hier bedarf es einer besonders sorgfältigen Organisation und einer eingehenden Kontrolle. Daß dieser Schadensquelle durch die vom Berufungsgericht festgestellten Kontrollen ausreichend entgegengewirkt wurde, kann nicht angenommen werden. Bislang fehlt es an der Feststellung konkreter Einzelheiten zu den von der Beklagten behaupteten und vom Berufungsgericht nur allgemein zugrundegelegten Kontrollen der Fahrer, die ihre Fahrzeuge selbst beladen. Daß der Gefahr von Diebstählen oder sonstigen Verlusten dadurch hinreichend entgegengewirkt wurde, daß beladene Fahrzeuge nach Abschluß des Beladevorgangs und vor Verlassen des Speditionsgeländes stichprobenartig überprüft wurden, kann ebenfalls nicht angenommen werden. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, wie, von wem und in welcher Häufigkeit die Stichproben vorgenommen wurden (vgl. BGHZ 129, 345, 351).

Das Berufungsgericht hat ferner keine Feststellungen zum konkreten Ablauf der Eingangskontrolle bei Ankunft der Sendungen in den jeweiligen Niederlassungen der Beklagten getroffen. Ebenso fehlt es an Feststellungen, welche Vorkehrungen die Beklagte im einzelnen gegen Entwendungen durch Mitarbeiter getroffen hat, sowie dazu, ob sie die in ihren Lagern beschäftigten Mitarbeiter überprüft hat, in welchen Zeitabständen das geschehen ist und wer die Kontrollen durchgeführt hat. Hierzu hat die Beklagte bislang allerdings auch noch nicht hinreichend vorgetragen.

cc) Die noch fehlenden Feststellungen wird das Berufungsgericht in dem wiedereröffneten Berufungsrechtszug, in dem für die Parteien Gelegenheit zur Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens besteht, nachzuholen haben. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung widerlegt die von der Beklagten behauptete und vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Schadensrate von zwei Promille für sich allein nicht die Annahme eines grob fahrlässigen Organisationsverschuldens der Beklagten. Dem steht schon entgegen, daß die Beklagte verpflichtet ist, jeglichem Verlust des in ihre Obhut gelangten Gutes durch geeignete und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen entgegenzuwirken. Aus der vorerwähnten Schadensquote ergeben sich im übrigen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß in der theoretischen oder in der praktischen Durchführung der Organisation der Beklagten im hier maßgeblichen Zeitraum schwerwiegende Mängel nicht vorlagen.

Aus dem von der Revisionserwiderung angeführten Umstand, daß die Versicherungsnehmerin der Klägerin die Geschäftsbeziehung zur Beklagten aufrechterhalten hat, lassen sich keine Rückschlüsse ziehen.

2. a) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, soweit die Beklagte Verlust von Waren durch Einbruchdiebstahl bzw. Diebstahl vorgetragen habe (Fälle 34, 35, 39 und 40 teilweise), könne sie sich auf die Haftungsbeschränkungen nach § 54 lit. a ADSp bzw. § 57 Abs. 3 ADSp berufen, da ihr angesichts der geschilderten Vorkehrungen gegen Diebstahlstaten insoweit grobe Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen werden könne. Hier wäre es erforderlich gewesen, näher auf die in den betroffenen Lagern vorgenommenen Sicherheitsvorkehrungen gegen Diebstahl einzugehen. Die Beklagte hat dazu insbesondere im Schriftsatz vom 2. August 1993 und in der Berufungserwiderung konkrete Einzelheiten vorgetragen.

b) Entsprechendes gilt für die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Schadensfällen 1, 2, 6 und 38, die sich nach dem Vortrag der Klägerin ebenfalls im Gewahrsam der Beklagten ereignet haben. Die Beklagte hat insoweit zwar behauptet, die Ware sei an die bestimmungsgemäßen Empfänger ausgeliefert worden. Die Klägerin hat dies jedoch u.a. unter Bestreiten der Echtheit der Empfangsquittungen in Abrede gestellt. Dem hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen.

c) Schließlich kann auch die Annahme des Berufungsgerichts, angesichts der im Zentrallager praktizierten Organisationsstruktur sei in bezug auf die drei von der Beklagten eingeräumten Falschauslieferungen (Fälle 17, 36 und 37) von einem Einzelversagen in ihrem Betrieb auszugehen, keinen Bestand haben. Denn von einem Einzelversagen kann nicht gesprochen werden, wenn nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten auch die unaufgeklärt gebliebenen Verluste auf Falschauslieferungen beruhen.

III. Danach war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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