Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.10.1998
Aktenzeichen: I ZR 164/96
Rechtsgebiete: CMR


Vorschriften:

CMR Art. 17 Abs. 2
CMR Art. 17 Abs. 2

Zur Frage, ob der bewaffnete Raub eines mit Zigaretten beladenen LKW, der nach Betriebsschluß auf einem beleuchteten, aber unbewachten und ungesicherten Parkplatz vor dem Firmengelände des Zigarettenimporteurs auf Korsika abgestellt war, für den Frachtführer ein i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR unabwendbares Ereignis darstellt.

BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 - I ZR 164/96 - OLG München LG München II


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am: 8. Oktober 1998

Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

I ZR 164/96

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck und Pokrant

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Juli 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, Transportversicherer der M. Deutschland GmbH (im folgenden: Versicherungsnehmerin), macht gegen die Beklagte aus abgetretenem und übergegangenem Recht Schadensersatz wegen des Verlustes von Transportgut geltend.

Die Versicherungsnehmerin beauftragte im März 1993 die T. GmbH (im folgenden: Auftragnehmerin) mit der Beförderung von 10.368 kg Zigaretten von München nach Korsika, wobei ein Teil der Ladung für die Niederlassung des dortigen Importeurs in Bastia bestimmt war und ein weiterer Teil in dessen Niederlassung in Ajaccio entladen werden sollte. Die Auftragnehmerin übertrug die Durchführung des Transports der Beklagten, die hierfür zwei Fahrer einsetzte. Am 11. März 1993 setzten die Fahrer gegen 10.00 Uhr vormittags mit der Fähre von Livorno/Italien nach Bastia über. Nach ihrer Ankunft in Bastia hängten sie zunächst den LKW-Anhänger bei der dortigen Niederlassung des Empfängers ab. Anschließend fuhren sie mit der Zugmaschine nach Ajaccio weiter, wo sie gegen 19.30 Uhr eintrafen. Das dortige Betriebsgelände war zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen, so daß die Ware am Ankunftstag nicht mehr entladen werden konnte. Die Fahrer stellten den LKW auf einem beleuchteten Firmenparkplatz unmittelbar vor der Hausmeisterwohnung ab, um dort die Nacht zu verbringen. Kurz nach dem Abstellen des Motors erschienen in einem PKW vier mit Maschinenpistolen und Schrotgewehren bewaffnete Männer, die die Fahrer überfielen und sie anschließend gefesselt in dem LKW mitnahmen. Die auf der Zugmaschine beförderten 4.320 kg Zigaretten im Rechnungswert von 113.078,07 DM wurden an einem unbekannten Ort abgeladen. Den LKW samt Fahrer ließen die Täter in der Nähe von Bastia zurück.

Die Versicherungsnehmerin und deren Auftragnehmerin haben etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aufgrund des streitgegenständlichen Schadensfalles an die Klägerin abgetreten.

Die Klägerin begehrt mit der Klage Erstattung eines Teils von 86.400,-- DM von dem ihrer Versicherungsnehmerin ersetzten Rechnungsbetrag (113.078,07 DM) sowie den auf den geraubten Teil der Ware entfallenden Anteil der an den französischen Zoll gezahlten Verbrauchssteuer in Höhe von 125.056,83 DM. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden nach Art. 17 Abs. 1 CMR. Insbesondere macht die Klägerin geltend, der relativ sicherste Parkplatz für das Verbringen der Nacht sei das Hafengelände von Bastia gewesen, weil dort - auch im März 1993 - Ein- und Ausfahrt verschlossen gewesen seien. Eine weitere Möglichkeit habe darin bestanden, die Empfängerin in Ajaccio vor der dortigen Ankunft telefonisch zu einer Entladung des LKW nach Geschäftsschluß zu veranlassen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat gemeint, eine Ersatzverpflichtung entfalle nach Art. 17 Abs. 2 CMR, da der Verlust des Transportgutes sowohl für sie als auch für ihre Fahrer selbst bei Anwendung äußerster Sorgfalt unvermeidbar gewesen sei. Der von den Fahrern gewählte beleuchtete Standplatz sei in der Vergangenheit - was unstreitig ist - wiederholt ohne Probleme benutzt worden. Der Hafen von Bastia sei in der fraglichen Zeit nicht verschlossen gewesen. Von den Fahrern habe auch nicht verlangt werden können, sie hätten versuchen müssen, mit der Empfängerin in Ajaccio eine Entladung nach Geschäftsschluß zu vereinbaren, da sie kein Französisch sprächen. Eine derartige Maßnahme hätte im übrigen ihrer, der Beklagten, Auftraggeberin oblegen. Die Benutzung der Fähre um 10.00 Uhr von Livorno nach Bastia sei ihr vorgeschrieben worden, so daß sie den Transport zeitlich nicht anders habe organisieren können. Überdies hat die Beklagte Einwendungen gegen die Höhe der Klageforderung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht eine Haftung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 CMR verneint, da sie sich auf Haftungsausschlüsse gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR berufen könne. Dazu hat es ausgeführt:

Der Beklagten könne nicht angelastet werden, daß die Fahrer die Fähre am 11. März 1993 um 10.00 Uhr und nicht eine Nachtfähre benutzt hätten, da der Beklagten von ihrer Auftraggeberin die zu benutzende Fähre vorgegeben worden sei. Unter diesen Umständen sei es rechtlich unerheblich, ob die Versicherungsnehmerin mit einer Verschiebung des Transports auf einen Tag einverstanden gewesen wäre, an dem eine Nachtfähre hätte benutzt werden können. Ebensowenig könne der Beklagten entgegengehalten werden, die erteilte Weisung zur Benutzung der am Vormittag auslaufenden Fähre beruhe auf deren Verschulden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte über größere einschlägige Erfahrungen verfügte als ihre Auftraggeberin und deshalb Anlaß gehabt hätte, geeignete Empfehlungen zu geben oder Warnungen zu äußern.

Für die Fahrer sei der Raubüberfall ebenfalls unabwendbar gewesen. Sie hätten keine Möglichkeit zur Abwehr des Überfalls gehabt. Ebensowenig habe eine sinnvolle Alternative für eine größere Sicherung der Ladung gegen Raub bestanden. Ein Anruf der Fahrer bei der Empfängerin sei nicht veranlaßt gewesen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß die Empfängerin in Ajaccio gegebenenfalls zu einer Entladung noch Stunden nach dem üblichen Betriebsschluß bereit gewesen wäre. Im übrigen sei es nicht Sache des Frachtführers, sich um eine Entladung zu unüblichen Tageszeiten zu bemühen. Die Forderung der Klägerin nach Beauftragung eines Bewachungsunternehmens überspanne die einem Frachtführer zumutbaren Sorgfaltsanforderungen bei weitem.

Ein höheres Maß an Sicherheit wäre auch nicht durch eine Übernachtung auf einem Parkplatz des Hafengeländes von Bastia erreicht worden. Das Gegenteil wäre vielmehr der Fall gewesen. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob Ein- und Ausfahrt des Hafengeländes zur Tatzeit für LKW nachts passierbar gewesen seien, da es nicht um die Entwendung des Fahrzeugs, sondern um dessen Ladung gehe. Die Ware hätte im Hafen entladen und in geeigneter Weise beiseite geschafft werden können, auch wenn dies angesichts der Menge mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen wäre; für den Abtransport wäre nicht zuletzt der Wasserweg in Betracht gekommen. Eine Gefahr für Diebe, bei ihrem Handeln beobachtet zu werden, sei nicht ersichtlich, da die Beweisaufnahme nichts für eine nächtliche Überwachung des Hafens in der fraglichen Zeit ergeben habe. Daß das Hafengelände von Bastia als Abstellplatz für mit diebstahlsgefährdetem Gut beladene LKW wenig geeignet gewesen sei, ergebe sich zudem aus der Aussage des Havariekommissars von Bastia, wonach Diebstähle von LKW-Ladungen häufiger vorgekommen seien. Unter diesen Umständen hätten die Fahrer der Beklagten geradezu mit der hohen Wahrscheinlichkeit eines Verlustes rechnen müssen, wenn sie das Hafengelände von Bastia als nächtlichen Parkplatz gewählt hätten. Da sich der tatsächlich ausgesuchte Standplatz in der Vergangenheit mehrfach bewährt gehabt habe, hätten die Fahrer den sinnvollsten Weg für die Verbringung der Nachtruhe gewählt.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, daß ein Beförderungsvertrag vorliegt, auf den das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 19. Mai 1956 anzuwenden ist (Art. 1 Abs. 1 CMR).

Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Frachtführerin grundsätzlich für den zwischen Übernahme und Ablieferung des Transportgutes eingetretenen Verlust. Von dieser Haftung ist der Frachtführer nur dann befreit, wenn die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluß nach Art. 17 Abs. 2 CMR vorliegen. Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, die Beklagte sei von der Haftung für den streitgegenständlichen Schaden befreit, weil der Verlust des Gutes zum einen durch eine nicht von ihr verschuldete Weisung des Verfügungsberechtigten (Art. 17 Abs. 2, 2. Altern. CMR) verursacht worden sei und der Raub zudem für die Fahrer der Beklagten unabwendbar i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR gewesen sei. Auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hält diese Beurteilung der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Revision macht mit Recht geltend, daß die Beklagte nicht gemäß Art. 17 Abs. 2, 2. Altern. CMR von ihrer Haftung für den streitgegenständlichen Schaden befreit ist. Nach diesem Ausnahmetatbestand ist die Haftung des Frachtführers ausgeschlossen, wenn der Schaden durch eine nicht von ihm verschuldete Weisung des Verfügungsberechtigten verursacht worden ist. Eine Haftungsbefreiung des Frachtführers tritt danach aber nur dann ein, wenn die Weisung des Verfügungsberechtigten für den Schadenseintritt auch ursächlich war (vgl. Koller, Transportrecht, 3. Aufl., CMR Art. 17 Rdn. 32). Welches Kausalitätsverständnis in diesem Zusammenhang zugrunde zu legen ist, läßt sich Art. 17 Abs. 2 CMR nicht entnehmen. Jede noch so entfernte Ursache kann für eine Haftungsbefreiung jedenfalls nicht ausreichen. Es muß zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, daß der Schaden gerade durch die in Rede stehende Weisung des Verfügungsberechtigten herbeigeführt worden ist.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann davon im Streitfall nicht ausgegangen werden. Dem Berufungsurteil läßt sich nicht entnehmen, daß der Raub der Zigaretten in Ajaccio erst durch die behauptete Weisung der Auftragnehmerin, die im Verhältnis zur beklagten Unterfrachtführerin als (verfügungsberechtigte) Absenderin anzusehen ist, mit der Fähre am 11. März 1993 um 10.00 Uhr vormittags von Livorno/Italien nach Bastia überzusetzen, ermöglicht wurde. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich, die Täter könnten den mit Zigaretten beladenen LKW bereits bei der Ankunft im Hafen von Bastia erwartet und ihn anschließend bis zum Tatort in Ajaccio verfolgt haben.

2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Raubüberfall - und damit der Verlust des Transportgutes - sei für die Fahrer der Beklagten unabwendbar i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR gewesen.

a) Unvermeidbarkeit im Sinne der vorgenannten Bestimmung ist nur anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist (vgl. BGH, Urt. v. 28.2.1975 - I ZR 40/74, VersR 1975, 610, 611; Herber/Piper, CMR, Art. 18 Rdn. 7 m.w.N.), daß der Schaden auch bei Anwendung der äußersten, dem Frachtführer möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1981 - I ZR 92/79, VersR 1981, 1030; Urt. v. 16.2.1984 - I ZR 197/81, TranspR 1984, 182 f. = VersR 1984, 551; Urt. v. 13.11.1997 - I ZR 157/95, TranspR 1998, 250). Diesen Nachweis hat die Beklagte, die nach Art. 3 CMR für das Verhalten ihrer Fahrer einzustehen hat, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht erbracht.

b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß den Fahrern im Vergleich zu dem Abstellen des beladenen LKW auf dem unbewachten und ungesicherten Firmenparkplatz in Ajaccio keine sinnvolleren Möglichkeiten zur Sicherung des Transportgutes gegen Entwendung zur Verfügung gestanden hätten. Diese Annahme hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Das Berufungsgericht hat gemeint, es könne nicht festgestellt werden, daß durch ein Abstellen der (beladenen) Zugmaschine auf dem Hafengelände von Bastia ein höheres Maß an Sicherheit hätte erreicht werden können. Es hat dabei offengelassen, ob Ein- und Ausfahrt des Hafengeländes zu dem hier in Rede stehenden Zeitpunkt für LKW nachts ohne weiteres passierbar waren. Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist somit der von der Beklagten bestrittene Vortrag der Klägerin zugrunde zu legen, wonach im März 1993 Ein- und Ausfahrt des Hafengeländes zur Nachtzeit verschlossen gewesen seien.

Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung maßgeblich darauf abgestellt, daß das Transportgut mit einem Gewicht von über vier Tonnen auch bei verschlossener Ein- und Ausfahrt des Hafengeländes aus dem LKW hätte entwendet und - beispielsweise - auf dem Wasserweg abtransportiert werden können. Das wird von der Revision mit Recht beanstandet. Sie weist zutreffend darauf hin, daß das Berufungsgericht keinerlei Feststellungen dazu getroffen hat, ob und unter welchen Bedingungen ein Abtransport von Diebesgut in dem streitgegenständlichen Umfang auf dem Wasserweg tatsächlich möglich gewesen wäre. Eine derartige Möglichkeit zum Wegschaffen entwendeter Ware hatte - wie die Revision mit Recht geltend macht - noch nicht einmal die Beklagte behauptet, die nach Art. 18 Abs. 1 CMR für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Haftungsausschlusses gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR darlegungs- und beweispflichtig ist.

Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, das Hafengelände von Bastia habe zur Tatzeit keine Sicherheit gegen Raub oder Diebstahl von Transportgut geboten, läßt sich zudem nicht damit begründen, daß "die Beweisaufnahme nichts dafür ergeben habe, daß der Hafen in der fraglichen Zeit nachts überwacht worden wäre ... und daß in dort abgestellten LKW Personen über Nacht bleiben". Die Revision rügt mit Recht, daß die Entscheidungsgründe nicht erkennen lassen (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO), aufgrund welchen Beweisergebnisses das Berufungsgericht zu seiner Feststellung gelangt ist. Die Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen vermögen die Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu tragen. Der Zeuge K. (Fahrer der Beklagten zur Tatzeit) hat bekundet, er habe sich am 11. März 1993 bei Ankunft in Bastia nicht davon überzeugt, ob das Hafengelände überwacht werde. Der Zeuge J. hat zur Frage der Bewachung des Hafengeländes oder dort zur Nachtzeit anwesenden Personen keine Angaben gemacht. Demgegenüber hat der Zeuge R. ausgesagt, seiner Meinung nach habe es das jetzt vorhandene Wachpersonal auch schon zum Tatzeitpunkt gegeben. Er hat ferner bekundet, daß viele ortsansässige Speditionen das Hafengelände schon immer als sicheren Parkplatz benutzten. In dem von der Klägerin vorgelegten Bericht der Firma C. P. B. und Partner vom 13. Dezember 1994, der nach Darstellung der Klägerin von dem Zeugen R. angefertigt wurde, heißt es überdies, der Sachverständige der genannten Firma habe im Rahmen seiner jahrelangen Tätigkeit als Havariekommissar in Bastia keinen Diebstahlschaden im Hafengelände zu bearbeiten gehabt. Dieselbe Antwort habe er von der Hafenmeisterei in Bastia erhalten. Der Hafenkapitän von Bastia habe das Hafengelände gegenüber dem Sachverständigen als relativ sicher beurteilt und dem Gutachter bestätigt, daß die Gittertore des Hafengeländes nach Abfahrt des letzten Schiffes abgeschlossen würden. Das Hafengelände würde nachts von fünf Wächtern, die sich abwechselten, im Auftrag der Handelskammer bewacht. Danach entbehrt die Annahme des Berufungsgerichts, das Hafengelände sei zur fraglichen Zeit nachts nicht überwacht worden, einer hinreichenden Tatsachengrundlage.

Somit kann, wie vom Berufungsgericht zugrunde gelegt, nicht davon ausgegangen werden, daß der Abtransport von Ware, die auf dem Hafengelände von Bastia aus dort abgestellten LKW entwendet wurde, ohne weiteres auf dem Wasserweg hätte erfolgen können; ebensowenig ist erwiesen, daß das Hafengelände zum hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht bewacht wurde. Danach erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, bei einer Übernachtung auf einem Parkplatz des Hafengeländes von Bastia wäre im Streitfall keine höhere Sicherheit gegen eine Entwendung des Transportgutes erreicht worden, als nicht tragfähig. Denn es kommt hinzu, worauf die Revision zutreffend hinweist, daß es für einen zum Diebstahl oder Raub entschlossenen Täter unschwer auszumachen war, daß der auf dem unbewachten und ungesicherten Parkplatz vor dem Firmengelände eines Zigarettenvertriebsunternehmens abgestellte LKW Zigaretten oder andere Tabakwaren geladen hatte. Auf einem "neutralen" Parkplatz innerhalb des Hafengeländes von Bastia wäre dies nicht ohne weiteres erkennbar gewesen, da dem LKW von außen nicht anzusehen war, womit er beladen war. Es kann, wie unter II. 1. dargelegt, nicht davon ausgegangen werden, daß die Täter den LKW schon seit der Ankunft auf Korsika verfolgt hatten, so daß für sie nach dem Abstellen des Anhängers bei der Zigarettenimportfirma in Bastia ohne weiteres abzuschätzen war, woraus die Ladung auf dem Motorwagen bestand.

In dem wiedereröffneten Berufungsrechtszug wird daher zu klären sein, welche konkreten Sicherheitsvorkehrungen gegen Diebstahl von Transportgut zum Tatzeitpunkt auf dem Hafengelände von Bastia vorhanden waren.

bb) Dem Berufungsgericht kann ferner nicht darin beigetreten werden, daß es grundsätzlich nicht Sache des Frachtführers ist, dafür Sorge zu tragen, daß die Ladung auch zu unüblichen Tageszeiten abgeliefert werden kann. Das kann in dieser Allgemeinheit jedenfalls dann nicht gelten, wenn es aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse während der Transportdurchführung, die bei der zeitlichen Planung des Transportablaufs nicht berücksichtigt werden konnten, zu erheblichen Zeitverzögerungen kommt. Ob es den Fahrern der Beklagten, wie die Revision geltend macht, im Streitfall allerdings zuzumuten war, sich durch einen Anruf bei der Empfängerin in Ajaccio darum zu bemühen, daß die Ladung nach Betriebsschluß entweder noch abgeliefert werden konnte oder daß zumindest ein Abstellen des beladenen LKW auf dem gesicherten Betriebsgelände ermöglicht wurde, läßt sich auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht abschließend beurteilen. Nach den Bekundungen des Zeugen K. war das verspätete Eintreffen bei der Empfängerin auf einen Stau während der Fahrt von Bastia nach Ajaccio zurückzuführen. Den im angefochtenen Urteil enthaltenen Feststellungen läßt sich nicht entnehmen, daß es den Fahrern - abgesehen von den seitens der Beklagten behaupteten fehlenden französischen Sprachkenntnissen - unter den seinerzeit gegebenen Umständen möglich war, die Empfängerin von ihrer verspäteten Ankunft in Ajaccio entweder selbst oder über die Beklagte in Kenntnis zu setzen. Die Parteien haben in dem wiedereröffneten Berufungsrechtszug Gelegenheit, hierzu ergänzend Stellung zu nehmen.

cc) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte die Möglichkeit, ein privates Bewachungsunternehmen zur Verhinderung des Raubes einzuschalten, nicht ohne Beweiserhebung über die damit verbundenen Kosten verwerfen dürfen, ist allerdings unbegründet. Es ist einem Frachtführer jedenfalls grundsätzlich nicht zuzumuten, zur Sicherung des Transportgutes gegen Entwendung ein Bewachungsunternehmen zu beauftragen. Dem Klagevorbringen lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, daß dies unter den im Streitfall gegebenen Umständen anders sein könnte.

III. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

Zurück