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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.07.2009
Aktenzeichen: I ZR 171/08
Rechtsgebiete: HGB
Vorschriften:
HGB § 354 Abs. 1 | |
HGB § 407 | |
HGB § 429 Abs. 2 | |
HGB § 432 | |
HGB § 432 Satz 2 |
Der Frachtführer kann vom Absender und Empfänger Lagergeld für die Aufbewahrung des Gutes nach der Beendigung des Transports nur unter den Voraussetzungen des § 354 Abs. 1 HGB verlangen.
Die Bestimmung des § 432 Satz 2 HGB steht nicht Ersatzansprüchen wegen Schadensformen entgegen, die in den §§ 407 ff. HGB nicht geregelt sind. Nicht ausgeschlossen sind daher unter dem Gesichtspunkt des Verzugs begründete Schadensersatzansprüche gegen Frachtführer, die gemäß §§ 429 ff. HGB geschuldete Entschädigungsleistungen nicht rechtzeitig erbracht haben.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
im schriftlichen Verfahren, in dem bis zum 28. Mai 2009 Schriftsätze eingereicht werden konnten,
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz - 6. Zivilkammer - vom 29. September 2008 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Abweisung der Klage in Höhe von 2.150 EUR zuzüglich Zinsen bestätigt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des Amtsgerichts Stollberg vom 25. April 2008 auf die Berufung der Klägerin abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.150 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Januar 2007 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 13/50 und die Beklagte 37/50 zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist die Absenderin eines von der Beklagten als ausführendem Frachtführer durchgeführten inländischen Straßengütertransports, bei dem das Transportgut - zehn Paletten mit von der Klägerin hergestelltem und in Glasflaschen abgepacktem Mundwasser der Marke "e. " - durch einen Verkehrsunfall zu Schaden gekommen ist. Der Lkw der Beklagten war von der Fahrbahn abgekommen und auf die Seite gekippt. Die Ladung war dabei durcheinandergewirbelt worden.
Die Klägerin nimmt die Beklagte, deren Haftung dem Grunde nach außer Streit steht, auf Ersatz des vom Haftpflichtversicherer der Beklagten nicht regulierten Restschadens in Anspruch. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien noch darüber, ob die vom Versicherer vorgenommenen Abzüge für den Restwert des Gutes - 2.000 EUR - sowie für Lagerkosten auf Seiten der Beklagten - 150 EUR für die Zeit der Aufbewahrung des Gutes zwischen seiner möglichen Abholung durch einen Aufkäufer und seiner Entsorgung - berechtigt sind. Darüber hinaus beansprucht die Klägerin von der Beklagten Ersatz der Anwaltskosten in Höhe von 766,25 EUR, die ihr nach ihrer Darstellung infolge der verzögerten und nur unvollständigen Regulierung des Schadens durch den Haftpflichtversicherer der Beklagten entstanden sind.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin die Klageansprüche in dem vorstehend bezeichneten Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Zwar habe die Klägerin mit guten Gründen vorgetragen, dass ihr eine Zustimmung zur beabsichtigten Weiterveräußerung der beförderten Mundwasserflaschen nicht zumutbar gewesen sei und daher auch die von ihr geltend gemachten Folgekosten für deren Zwischenlagerung und Entsorgung entstanden seien. Hierin liege aber kein von der Beklagten nach § 429 Abs. 2 HGB zu ersetzender Schaden. Die Klägerin könne weder ein den gemeinen Wert des beschädigten Gutes übersteigendes Interesse ersetzt verlangen noch sich darauf berufen, der Verkauf von beschädigter Ware schade ihrem Renommee als Markenhersteller. Ihre Behauptung, die beschädigte Ware habe keinen Marktpreis bzw. sei nicht mehr verkehrsfähig, sei durch die vom Amtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme widerlegt. Die Klägerin könne auch nicht mit Erfolg geltend machen, es sei ihr nicht zuzumuten, dem ungeprüften Inverkehrbringen der Ware zuzustimmen oder den mit der erforderlichen Prüfung verbundenen unvertretbaren Aufwand zu erbringen. Es liege zwar nahe, dass unter Produkthaftungsgesichtspunkten eine Untersuchung beispielsweise auf Absplitterungen im Inneren der Flaschen erforderlich sein könne. Der Ersatzfähigkeit des insoweit bestehenden Überprüfungsaufwandes stehe aber das bei § 429 HGB geltende objektive Wertersatzprinzip entgegen.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung insoweit nicht stand, als das Berufungsgericht den vom Haftpflichtversicherer der Beklagten vorgenommenen Abzug für den Restwert des Gutes als gerechtfertigt angesehen (dazu unten unter II 1) und die von der Beklagten in Ansatz gebrachten Lagerkosten zu Lasten der Klägerin berücksichtigt hat (dazu unten unter II 2). Im Ergebnis keinen Erfolg hat die Revision dagegen, soweit das Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten verneint hat (dazu unten unter II 3).
1.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die vom Amtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass das Frachtgut nach dem Unfall noch 2.000 EUR wert gewesen sei und dieser Betrag daher auf den nach § 437 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB zu berechnenden Schadensersatzanspruch der Klägerin anzurechnen sei. Dem kann nicht zugestimmt werden.
a)
Die Frage, ob ein Schadensereignis im Haftungszeitraum gemäß § 425 Abs. 1 HGB zum Verlust des Gutes i.S. des § 429 Abs. 1 HGB oder lediglich zu seiner Beschädigung i.S. des § 429 Abs. 2 HGB geführt hat, hängt, wie sich aus § 429 Abs. 2 Satz 1 HGB ergibt, davon ab, ob das Gut im beschädigten Zustand am Ort und zur Zeit seiner Übernahme noch einen Wert gehabt hätte. Dabei ist vom Beschaffungswert auszugehen und daher zu prüfen, was der Empfänger hätte zahlen müssen, wenn er sich das Gut in dem durch das Schadensereignis veränderten Zustand beschafft hätte (Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 429 HGB Rdn. 22). Wegen der bei § 429 HGB gebotenen abstrakten Schadensberechnung müssen in diesem Zusammenhang individuelle, nicht marktbezogene Besonderheiten aus der Sphäre des Geschädigten unberücksichtigt bleiben (OLG Hamm TranspR 1994, 61 zu Art. 23 CMR; Koller aaO § 429 HGB Rdn. 22; Oetker/Paschke, HGB, § 429 Rdn. 10; a.A. LG Hamburg TranspR 2001, 302, 303 zu Art. 23 CMR; vgl. auch OLG Köln TranspR 1995, 387, 391 zur KVO). Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit des Beschaffungswerts ist aber auf die Verhältnisse auf dem Teilmarkt und der Handelsstufe abzustellen, auf denen sich der Empfänger das Gut beschafft hat (Koller aaO § 429 HGB Rdn. 22).
b)
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, dass das Frachtgut nach dem Unfall keinen auf den Wert des unbeschädigten Gutes anrechenbaren Restwert mehr besaß. Nach den getroffenen Feststellungen waren die Glasflaschen mit dem Mundwasser in Kartons verpackt, ohne dass sie in irgendeiner Weise gepolstert oder durch Zwischenkartons voneinander getrennt waren. Durch das Umkippen des LKW und das Durcheinanderwirbeln der Ware im Laderaum bestand daher das Risiko, dass es zu Haarrissen und zu Absplitterungen im Innern der Glasflaschen gekommen ist, ohne dass dies ohne weiteres zu erkennen gewesen wäre. Die Gefahr, dass Verbraucher, die die Restware erworben hätten, infolge der möglichen Beschädigungen bei Benutzung des Mundwassers Gesundheitsschäden erlitten hätten, war danach nicht von der Hand zu weisen. Unter diesen Umständen hätte das Havariegut nicht ohne vorherige sorgfältige Kontrolle in Verkehr gebracht werden dürfen. Auch die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass das Angebot des Restwertaufkäufers, das Havariegut für 2.000 EUR zu erwerben, eine solche Kontrolle eingeschlossen hätte.
Unter diesen Umständen spricht bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise schon der Umstand, dass die Weiterveräußerung des Gutes ganz erhebliche Haftungsrisiken in sich barg, gegen die Annahme eines Restwertes. Jeder Erwerber hätte damit rechnen müssen, dass auch ohne den Eintritt eines Schadensfalls die Umstände, unter denen er die Ware in Verkehr gebracht hätte, bekannt geworden wären und ihn in Verruf gebracht hätten. Er hatte ferner zu gewärtigen gehabt, dass er wegen des Inverkehrbringens von gemäß § 26 Satz 1 Nr. 2 LFGB nicht verkehrsfähigen kosmetischen Mitteln von den zuständigen Behörden ordnungsrechtlich belangt worden wäre. Auch mit dem wettbewerbsrechtlichen Vorgehen eines Mitbewerbers hätte er rechnen müssen. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von dem Unfallgeschehen betroffenen Mundwasserflaschen noch einen bei der Schadensberechnung anrechenbaren Restwert besaßen (vgl. auch - zur Berücksichtigung des merkantilen Minderwerts bei der Berechnung von Transportschäden -OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 670 zu den AGNB; OLG Hamburg TranspR 1997, 275, 277 zur KVO). Das vorgelegte Angebot einer Verwertungsgesellschaft, die bereit gewesen sein soll, das Havariegut für 200 EUR pro Palette zu erwerben, vermag an diesen objektiven Gegebenheiten nichts zu ändern.
2.
Lagergeld für die Aufbewahrung des Gutes im nach der Beendigung des Transports und damit außerhalb des Anwendungsbereichs der frachtrechtlichen Bestimmungen liegenden Zeitraum zwischen der möglichen Abholung durch den von der Beklagten ermittelten Kaufinteressenten und der Entsorgung des Gutes hätte die Beklagte gemäß § 354 Abs. 1 HGB nur dann in Ansatz bringen können, wenn sie diese Leistung im Interesse der Klägerin erbracht, das heißt die Klägerin die Leistung als Nachfragerin einer entgeltlichen Leistung entgegengenommen hätte (vgl. BGHZ 95, 393, 398 ; 163, 332, 338 ; Münch-Komm.HGB/Karsten Schmidt, § 354 Rdn. 9 f., jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzung war im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin sich von vornherein mit der Begründung gegen die Verwertung des Gutes durch den Kaufinteressenten gewandt hatte, das Gut dürfe nicht mehr in den Handel gelangen, sondern müsse vernichtet werden.
3.
Keinen Erfolg hat die Revision dagegen, soweit sie sich gegen die Abweisung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung von Anwaltskosten richtet.
a)
Mit Recht haben Amtsgericht und Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Erstattung der ihr im Rahmen der Schadensregulierung entstandenen Anwaltskosten hat. Ein solcher Anspruch ist - wie auch die Revision nicht in Frage stellt - nach § 432 Satz 2 HGB ausgeschlossen.
b)
Die Voraussetzungen eines - durch § 432 Satz 2 HGB nicht ausgeschlossenen (Koller aaO § 432 HGB Rdn. 15 a.E.) - Anspruchs auf Erstattung des Verzugsschadens hat die Klägerin nicht dargetan. Laut der von ihr vorgelegten Honorarrechnung (Anlage K 7) sind die entsprechenden Leistungen im August 2006 erbracht worden, während der Verzug nach ihrem eigenen Vorbringen, auf das sich die Revision stützt, erst im September 2006 eingetreten ist.
III.
Der der Klägerin hinsichtlich der begründeten Klageansprüche zustehende Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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