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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.03.1998
Aktenzeichen: I ZR 185/95
(1)
Rechtsgebiete: ZPO, UWG
Vorschriften:
ZPO § 3 | |
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2 | |
UWG § 23a | |
UWG § 23b |
ZPO § 3; UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2, §§ 23a, 23b
a) Das bei Unterlassungsklagen für die Streitwertbemessung nach § 3 ZPO maßgebliche Klägerinteresse entspricht bei einem Verband nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG im allgemeinen dem Interesse eines Mitbewerbers an der begehrten Unterlassung.
b) Eine Streitwertherabsetzung nach § 23a Altern. 2 UWG kommt zugunsten eines Wettbewerbsvereins in der Regel nur in Betracht, wenn der nach § 3 ZPO festzusetzende Streitwert die Revisionssumme deutlich übersteigen würde.
c) Eine Streitwertbegünstigung nach § 23b UWG zugunsten eines Wettbewerbsvereins setzt in Fällen, in denen der nach § 3 ZPO i.V. mit § 23a UWG festgesetzte Wert die Revisionssumme nicht erheblich übersteigt, voraus, daß der Antragsteller außergewöhnliche Umstände aufzeigt, die die Belastung mit den vollen Kosten als eine besondere Härte erscheinen lassen.
BGH, Beschl. v. 5. März 1998 - I ZR 185/95 - OLG Frankfurt a.M. LG Frankfurt a.M.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
5. März 1998
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck und Dr. Bornkamm
am 5. März 1998
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 90.267,50 DM festgesetzt.
Der Antrag der Klägerin, ihre Verpflichtung zur Zahlung von Prozeßkosten gemäß § 23b UWG nach einem geringeren Streitwert zu bemessen, wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hatte eine Anzeige der Beklagten, einer Arzneimittelherstellerin, mit der Begründung beanstandet, es fehlten die nach dem Heilmittelwerbegesetz vorgeschriebenen Pflichtangaben. Ihre auf § 1 UWG i.V. mit § 4 Abs. 1 HWG gestützte, in den Vorinstanzen erfolgreiche Klage, mit der sie Unterlassung sowie die Zahlung einer Abmahngebühr verlangt hatte, ist durch Senatsurteil vom 30. Oktober 1997 abgewiesen worden (BGH WRP 1998, 502 - Monopräparate). Zuvor hatte der Senat den vom Berufungsgericht auf 30.267,50 DM festgesetzten Wert der Beschwer der Beklagten auf 90.267,50 DM heraufgesetzt.
Die Beklagte regt an, den Streitwert des Revisionsverfahrens auf 90.000 DM festzusetzen. Die Klägerin beantragt, im Rahmen einer Streitwertbegünstigung nach § 23b UWG den maßgeblichen Wert mit allenfalls 30.000 DM zu bemessen.
II. Der Streitwert des Revisionsverfahrens ist auf 90.267,50 DM festzusetzen. Es besteht keine Veranlassung anzuordnen, daß sich die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Gerichtskosten lediglich nach einem Teil dieses Streitwerts bemißt.
1. Der Wert des Unterlassungsantrags ist nach § 3 ZPO i.V. mit § 23a UWG auf 90.000 DM festzusetzen.
a) In der Senatsrechtsprechung ist in der Vergangenheit bei der Bewertung von Verbandsklagen nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG unterschieden worden: Handelte es sich um einen die Interessen der Allgemeinheit verfolgenden Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs wurde von den - in der Regel niedrig bewerteten - Allgemeininteressen ausgegangen, auch wenn sich unter den Vereinsmitgliedern Mitbewerber des Beklagten befanden. Dagegen sollte bei Interessenverbänden (Fachverbänden) auf die Summe aller Interessen seiner Mitglieder abgestellt werden, wobei sich der Streitwert gegebenenfalls noch erhöhen sollte, wenn durch die Rechtsverfolgung auch die Belange von Nichtmitgliedern wahrgenommen wurden (BGH, Beschl. v. 5.7.1967 - Ib ZR 20/66, GRUR 1968, 106, 107 = WRP 1967, 405 - Ratio-Markt I; vgl. auch BGH, Beschl. v. 20.5.1977 - I ZR 17/76, GRUR 1977, 748, 749 = WRP 1977, 568 - Kaffeeverlosung II; Beschl. v. 26.4.1990 - I ZR 58/89, GRUR 1990, 1052, 1053 - Streitwertbemessung). Diese Unterscheidung kann im Hinblick auf die Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG durch das UWG-Änderungsgesetz vom 25. Juli 1994 (BGBl. I S. 1738) nicht aufrechterhalten werden. Denn das neue Recht setzt auch bei dem Allgemeininteresse verpflichteten Vereinen zur Förderung des lauteren Wettbewerbs, soweit sie Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geltend machen, voraus, daß sie die Interessen von Mitbewerbern verfolgen, die auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig sind wie der Beklagte. Sie unterscheiden sich daher in diesem Punkt nicht mehr von anderen Verbänden, die - beispielsweise als Fachverbände - schon immer die wirtschaftlichen Interessen bestimmter Gewerbetreibender wahrgenommen haben.
Aber auch gegen eine Addition der Interessen der betroffenen Verbandsmitglieder, die danach an sich für alle Verbandsklagen in Betracht zu ziehen wäre, sind in der Vergangenheit gewichtige Bedenken vorgebracht worden (vgl. Traub, WRP 1982, 557, 559 f.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 49 Rdn. 20; Großkomm.UWG/Jestaedt, vor §§ 23a, 23b Rdn. 25; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., Einl. Rdn. 515; vgl. ferner Gloy/Spätgens, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 65 Rdn. 14 ff.; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 2. Aufl., Rdn. 867). Sie sind insofern berechtigt, als selbst bei einer Klagenhäufung - wenn mehrere Kläger ein identisches Unterlassungsbegehren verfolgen - keine Zusammenrechnung erfolgt, sondern vom (höchsten) Interesse eines Klägers auszugehen ist (vgl. Teplitzky aaO Kap. 49 Rdn. 24; Zöller/Herget, ZPO, 20. Aufl., § 5 Rdn. 8; MünchKomm.ZPO/Lappe, § 5 Rdn. 10). Im Rahmen der Verbandsklage nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist das Interesse des klagenden Verbandes nach § 3 ZPO selbständig zu bewerten. Es mag in einem Fall mehr, im anderen Fall weniger mit den Interessen einzelner Mitglieder übereinstimmen; in manchen Fällen mag auch ein Interessenverband stärker von einem übergeordneten Allgemeininteresse an der Vermeidung von Mißständen als von einer Verfolgung von Einzelinteressen bestimmt sein. Derartige Motivationen liegen im allgemeinen nicht offen zutage und können daher nicht zur Grundlage der Streitwertbemessung gemacht werden. Vielmehr erscheint es gerechtfertigt, für den Regelfall das Interesse eines Verbandes nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ebenso zu bewerten wie das Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers.
b) Wird auf dieses Interesse abgehoben, so stellt sich die Bewertung des Unterlassungsantrags mit 30.000 DM durch das Berufungsgericht in jedem Fall als zu niedrig dar. Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, hat sie mit dem Arzneimittel, auf das sich die von der Klägerin beanstandeten Anzeigen bezogen, im Jahre 1993 1,256 Mio. DM, im Jahre 1994 2,263 Mio. DM und in den Monaten Januar bis Juli 1995 1,624 Mio. DM umgesetzt. Dem standen Aufwendungen für die Anzeigenwerbung in Höhe von 909.000 DM (1993), 243.000 DM (1994) und 15.000 DM (1-7/1995) gegenüber. Im Hinblick auf die durch diese Zahlen dokumentierte, in der Zeit nach der Markteinführung besonders intensive Anzeigenwerbung für das fragliche Präparat wäre das Unterlassungsbegehren, das die Klägerin mit der bereits 1993 erhobenen Klage geltend gemacht hat, mit deutlich mehr als 100.000 DM zu bewerten gewesen.
Der Senat setzt den Wert dieses Antrags jedoch nach § 23a Altern. 2 UWG auf 90.000 DM fest, weil eine Belastung der Klägerin mit den Prozeßkosten nach dem vollen Streitwert angesichts ihrer Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht tragbar erschiene. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist hierfür nicht darauf abzzustellen, ob es der Partei unmöglich wäre, diese Kosten aufzubringen; vielmehr ist abzuwägen zwischen der wirtschaftlichen Lage der Partei einerseits und der Höhe der Kostenbelastung andererseits (BGH, Beschl. v. 27.1.1994 - I ZR 276/91, GRUR 1994, 385 = WRP 1994, 305 - Streitwertherabsetzung, m.w.N.). Dabei ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, daß ein Verband nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, der sich - wie die Klägerin - die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zum Ziel gesetzt hat und fast ausschließlich dieser Tätigkeit nachgeht und Wettbewerbsverstöße jedenfalls auch im Interesse betroffener Gewerbetreibender verfolgt, grundsätzlich finanziell in der Lage sein muß, diese Aufgabe zu erfüllen, ohne zur sachgerechten Prozeßführung auf eine Streitwertherabsetzung nach § 23a UWG angewiesen zu sein. Bei Verfahren mit Streitwerten, die deutlich über der Revisionssumme liegen, ist dagegen auch bei einem solchen Wettbewerbsverein die Anwendung des § 23a UWG grundsätzlich angebracht. Denn den Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen ist die Prozeßführungsbefugnis zur Verfolgung unlauteren Wettbewerbs auch im öffentlichen Interesse gegeben (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.1989 - I ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 284 = WRP 1990, 255 - Wettbewerbsverein IV). Ohne eine Anwendung des § 23a UWG würde die - nach dem Zweck des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG gewollte - Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Verbände gerade in Fällen mit besonderem wirtschaftlichen Gewicht erheblich erschwert oder unmöglich gemacht (BGH GRUR 1994, 385 - Streitwertherabsetzung).
2. Für eine Streitwertbegünstigung nach § 23b UWG ist daneben im vorliegenden Fall kein Raum.
In Fällen, in denen der - unter Beachtung von § 23a UWG - bestimmte Wert die Revisionssumme nicht beträchtlich übersteigt, ist eine Streitwertbegünstigung zugunsten eines Wettbewerbsvereins wie der Klägerin im allgemeinen nicht angebracht. Insofern sind dieselben Gesichtspunkte maßgeblich, die bei Verfahren mit niedrigeren Streitwerten gegen eine Herabsetzung des Wertes nach § 23a UWG sprechen. Grundsätzlich muß ein solcher Verband finanziell so ausgestattet sein, daß er auch Verfahren mit Streitwerten um die oder nicht erheblich über der Revisionssumme aus eigener Kraft zu führen in der Lage ist (vgl. Teplitzky aaO Kap. 50 Rdn. 8; Großkomm.UWG/Jestaedt aaO § 23b Rdn. 16). Hinzu kommt, daß die Streitwertbegünstigung nach § 23b UWG zu Lasten des Gegners erfolgt, der seinem Prozeßbevollmächtigten sowie gegebenenfalls der Staatskasse (§ 49 Satz 1 GKG) Gebühren aus dem vollen Streitwert schuldet, die er im Falle des Obsiegens nur teilweise erstattet erhält. Eine Streitwertbegünstigung nach § 23b UWG zugunsten eines Verbandes nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG setzt daher in Verfahren mit Streitwerten, die die Revisionssumme nicht erheblich übersteigen, besondere Umstände voraus, die etwa in einer Häufung von Verfahren mit besonders hohem Kostenrisiko oder in einer ungewöhnlichen Anzahl von Passivprozessen liegen können und die bewirken, daß der an sich für die Führung derartiger Verfahren ausreichende Prozeßkostenfonds nunmehr ausgeschöpft wäre und die Belastung mit den Kosten aus dem vollen Streitwert für den Verband eine besondere Härte bedeuten würde. Derartige Umstände sind im Streitfall nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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