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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.07.1997
Aktenzeichen: I ZR 201/95
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 7 Abs. 1, 2 und 3 Nr. 2
Geburtstags-Angebot

Preist ein Handelsunternehmen im Innern eines zwölfseitigen Prospekts, in dem eine Vielzahl von Artikeln beworben wird, einen einzelnen Gegenstand als "Geburtstags-Angebot" an, so kann darin nicht die Ankündigung eines unzulässigen Jubiläumsverkaufs gesehen werden.

BGH, Urt. v. 10. Juli 1997 - I ZR 201/95 LG Düsseldorf


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 201/95

Verkündet am: 10. Juli 1997

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 1997 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Starck, Dr. Bornkamm und Pokrant

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf, 12. Zivilkammer, vom 21. Juni 1995 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist eine Vereinigung von Gewerbetreibenden zur Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen. Die Beklagte betreibt u.a. in D. den Einzelhandel mit Computern und Computerbedarf. Sie ließ am 13. Januar 1995 als Beilage zur "R. " einen mehrseitigen, als "Denkzettel" bezeichneten Prospekt verteilen, in dem sie für EDV-Geräte und Computerbedarf warb. Auf der Titelseite des "Denkzettels" wird mit dem Hinweis "Unser Geburtstags-Sonderangebot auf der S. 7! - 20 Jahre V. " das Firmenjubiläum der Beklagten erwähnt. Auf Seite 7 findet sich das nachstehend wiedergegebene "Geburtstags-Angebot":

Der Kläger hat die Beklagte wegen dieser Werbung, in der er die Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung sieht, auf Unterlassung in Anspruch genommen. Dem ist die Beklagte entgegengetreten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Mit der (Sprung-)Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Landgericht hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 7 Abs. 1 UWG bejaht und zur Begründung ausgeführt:

Im Hinblick auf Wortlaut, Text- und Bildanordnung sowie drucktechnischer Aufmachung der beanstandeten Werbung gewinne das angesprochene Publikum den Eindruck, die Beklagte unterbreche aus Anlaß ihres 20-jährigen Bestehens ihren regelmäßigen Geschäftsverkehr und biete aus diesem Anlaß und abweichend von den üblichen Sonderangeboten vorübergehend besondere Kaufvorteile. Der "Geburtstag" der Beklagten sei in dem Prospekt mehrfach und deutlich herausgestellt. Die mit dem Blickfang "Geburtstags-Angebot" überschriebene Seite 7 zeige u.a. einen Bildschirm, auf dem ein Feuerwerk vor einem schwarzen Hintergrund zu sehen sei, während sich auf den sonst in dem Prospekt abgebildeten Bildschirmen lediglich die Herstellermarke befinde. Außerdem hebe sich die in rotem Fettdruck gehaltene Preisangabe größenmäßig von den übrigen Preisangaben des Prospekts ab. Der bereits durch diese Merkmale hervorgerufene Eindruck einer Durchbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs werde dadurch verstärkt, daß der Rand der Seite 7 - im Gegensatz zum roten Rand der übrigen Seiten - entsprechend dem Rand der Titelseite in gelber Farbe gehalten sei. Dadurch entstehe der Eindruck einer unwiederholbaren und einmaligen Kaufgelegenheit. Daß die beanstandete Werbung der Beschleunigung des Warenabsatzes diene, bedürfe im Hinblick auf das akzentuierte Ziel der Absatzbeschleunigung und den durch die Werbung verursachten Eindruck einer das normale Maß übersteigenden Verkaufstätigkeit keiner näheren Erläuterung. Aufgrund der beanstandeten Werbung entstehe auch die Vorstellung, es würden besondere Kaufvorteile gewährt.

Aus den genannten Gründen handele es sich schließlich auch nicht um ein Sonderangebot i.S. von § 7 Abs. 2 UWG, sondern um eine übersteigerte Werbung mit einer als einmalig dargestellten Einkaufsgelegenheit, die den Eindruck vermittele, daß ein solches Angebot nicht alle Tage wiederkehre, so daß es gelte, rasch zuzugreifen.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Mit Recht ist das Landgericht allerdings von der Prozeßführungsbefugnis des klagenden Verbandes und insbesondere davon ausgegangen, daß diesem eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben räumlichen Markt wie die Beklagte vertreiben (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F.). Zu den Mitgliedern des Klägers zählen unstreitig neben mehreren großen Warenhausunternehmen acht rheinische Einzelhandelsverbände sowie die Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. Damit steht außer Frage, daß der Kläger - mittelbar oder unmittelbar - die Interessen einer großen Zahl von Gewerbetreibenden vertritt, die mit der Beklagten in unmittelbarem Wettbewerb stehen.

2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 7 Abs. 1, § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG begründet hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die beanstandete Werbung der Beklagten ist nicht wettbewerbswidrig; in ihr ist insbesondere nicht die Ankündigung einer Sonderveranstaltung zu sehen; vielmehr handelt es sich um ein zulässiges Sonderangebot (§ 7 Abs. 2 UWG).

a) Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß es einem Unternehmen durch § 7 Abs. 1 UWG nicht verwehrt ist, auch außerhalb des 25-Jahres-Rhythmus des § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu Werbezwecken auf ein Firmenjubiläum hinzuweisen und dies gegebenenfalls auch mit einer Werbung für die angebotenen Waren zu verbinden. Allerdings ruft eine Werbung mit besonderen Angeboten im Zusammenhang mit dem Hinweis auf ein Firmenjubiläum beim Publikum häufig den Eindruck hervor, als handele es sich um eine außergewöhnliche, auf die Zeit des Begehens des Jubiläums beschränkte Veranstaltung mit einem aus dem Rahmen des Üblichen fallenden, aus dem gegebenen Anlaß im Preis reduzierten Angebot (BGH, Urt. v. 6.7.1977 - I ZR 174/75, GRUR 1977, 794, 795 = WRP 1977, 706 - Geburtstagswerbung I; Urt. v. 4.7.1980 - I ZR 120/78, GRUR 1980, 1000, 1001 = WRP 1980, 62l - 10-Jahres-Jubiläum II; Urt. v. 14.11.1996 - I ZR 164/94, GRUR 1997, 476, 477 = WRP 1997, 439 - Geburtstagswerbung II). Vermittelt ein Wettbewerber durch seine Werbung den Eindruck, als unterbreche er zur Feier des Firmenjubiläums den gewöhnlichen Verkauf und biete aus diesem Anlaß und abweichend von den üblichen Sonderangeboten vorübergehend besondere Kaufvorteile, so ist in dieser Werbung die Ankündigung einer Sonderveranstaltung zu sehen, die nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG zulässig ist (BGH, Urt. v. 8.12.1978 - I ZR 57/77, GRUR 1979, 474 f. - WRP 1979, 197 - 10-Jahres-Jubiläum I; GRUR 1997, 476, 477 - Geburtstagswerbung II).

b) Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das Landgericht dem Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen, daß die Beklagte nur eines der zahlreichen in dem fraglichen Prospekt enthaltenen Angebote mit dem Firmenjubiläum in Beziehung gesetzt und als "Geburtstags-Angebot" beworben hat. Dieser Umstand schließt zwar eine Sonderveranstaltung nicht schlechthin aus. Das Gesetz geht jedoch grundsätzlich von einem Gegensatz zwischen der aus dem branchenüblichen Rahmen fallenden Sonderveranstaltung (§ 7 Abs. 1 UWG) und den sich in den jeweiligen Geschäftsbetrieb eingliedernden Sonderangeboten (§ 7 Abs. 2 UWG) aus: Während sich eine Sonderveranstaltung im Regelfall zumindest auf ganze Warengruppen erstreckt, bleiben Sonderangebote typischerweise auf einzelne Waren beschränkt. Dies schließt es nicht aus, daß auf der einen Seite je nach Branchenübung und Größe des Gesamtsortiments auch eine Werbung mit massierten Angeboten zulässig ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1979 - I ZR 128/77, GRUR 1979, 781 = WRP 1979, 715 - radikal gesenkte Preise; Urt. v. 23.6.1961 - I ZR 124/60, GRUR 1962, 36, 38 = WRP 1961, 277 - Sonderangebot; Urt. v. 8.2.1980 - I ZR 58/78, GRUR 1980, 722, 723 = WRP 1980, 540 - Einmalige Gelegenheit) und sich auf der anderen Seite schon die Werbung für einzelne Waren ausnahmsweise als Ankündigung einer den normalen Geschäftsbetrieb unterbrechenden Sonderveranstaltung darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 4.3.1977 - I ZR 122/75, GRUR 1977, 791, 793 = WRP 1977, 399 - Filialeröffnung). Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein einzelnes, aus besonderem Anlaß herausgestelltes Angebot ganz im Mittelpunkt der Ankündigung oder des Verkaufs steht.

Im Streitfall läßt sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen, daß sich das in Rede stehende "Geburtstags-Angebot" hinreichend aus dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb der Beklagten löst, um eine Sonderveranstaltung bejahen bzw. ein Sonderangebot verneinen zu können. Die in die andere Richtung zielende Schlußfolgerung, die das Landgericht aufgrund der getroffenen Feststellungen zieht, steht - was auch im vorliegenden Verfahren der Sprungrevision (§ 566 Abs. 3 Satz 2 ZPO) als Fehler des materiellen Rechts zu berücksichtigen ist (vgl. BGHZ 106, 101, 104 ff. - Dresdner Stollen I) - nicht in Einklang mit der Lebenserfahrung. Das Landgericht hat zwar darauf hingewiesen, daß die Prospektseite, auf der sich das Angebot findet, in einigen Punkten anders gestaltet ist als die übrigen Seiten. Es handelt sich hierbei indessen um Kleinigkeiten, die das Angebot ersichtlich nicht prägen. Es findet sich dort erst auf Seite 7 des zwölfseitigen Prospekts und gliedert sich in die große Zahl anderer Angebote ein, die dort ohne Bezug auf das Firmenjubiläum der Beklagten beworben werden. Bei der gebotenen Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Werbung insgesamt (vgl. BGH GRUR 1997, 476, 477 - Geburtstagswerbung II) hebt sich das fragliche Angebot auch nicht besonders von den - durch Bezugnahme in die Feststellungen des Landgerichts aufgenommenen - Angeboten ab, die die Beklagte üblicherweise in ihren Prospekten ankündigt. Zwar kommt es - worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist - im Rahmen des § 7 Abs. 1 UWG nicht auf die betriebliche Übung des Inanspruchgenommenen, sondern auf die Branchenüblichkeit an (vgl. BGH, Urt. v. 16.6.1971 - I ZR 11/70, GRUR 1972, 125, 126 = WRP 1971, 517 - Sonderveranstaltung III); für die Frage, ob es sich bei der angegriffenen Werbung um ein nach § 7 Abs. 2 UWG privilegiertes Sonderangebot handelt, ist aber auf die individuellen Verhältnisse des Betriebs des Werbenden abzustellen (vgl. BGH GRUR 1962, 36, 39 - Sonderangebot; GRUR 1997, 476, 477 - Geburtstagswerbung II).

III. Stellt sich somit die angegriffene Werbung als ein wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstandendes Sonderangebot dar, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Erdmann Mees Starck Bornkamm Pokrant

Ende der Entscheidung

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