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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.03.1998
Aktenzeichen: I ZR 202/95
Rechtsgebiete: UWG, BGB
Vorschriften:
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2 | |
BGB § 780 | |
BGB § 812 Abs. 2 |
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2; BGB §§ 780, 812 Abs. 2
Das in der Unterwerfungserklärung liegende Schuldanerkenntnis kann nicht wegen ungerechtfertigter Bereicherung herausverlangt werden, wenn die Sachbefugnis des Gläubigers aufgrund einer späteren Gesetzesänderung für die Zukunft entfällt.
BGH, Urt. v. 5. März 1998 - I ZR 202/95 - OLG Dortmund LG Hamm
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL
Verkündet am: 5. März 1998
Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle i n dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck und Dr. Bornkamm
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Mai 1995 insoweit aufgehoben, als die Feststellung des Fehlens der vertraglichen Unterlassungsverpflichtung sich auf die Zeit vom 1. bis 18. August 1994 bezieht.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 19. August 1994 - unter Abweisung der Klage im übrigen - weiter abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß der Beklagte aus dem mit Schreiben vom 9. Dezember und 14. Dezember 1993 geschlossenen Unterlassungsvertrag keine Rechte herleiten kann, soweit es um die vertragliche Unterlassungsverpflichtung seit dem 19. August 1994 geht.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte vier Fünftel und die Klägerin ein Fünftel zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, ein Warenhausunternehmen, gab am 9. Dezember 1993 gegenüber dem beklagten Verein eine Erklärung ab, mit der sie sich verpflichtete,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in Werbeschriften, Computer-Bildschirme mit der Einheit »Zoll« und/oder dem Kürzel »"« zu bewerben, ohne dabei die gesetzliche Einheit »m« oder »cm« hervorgehoben anzugeben.
Ferner versprach sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Zahlung einer Vertragsstrafe. Der Beklagte nahm diese Unterwerfungserklärung mit Schreiben vom 14. Dezember 1993 an.
Da andere Unternehmen vom Beklagten ebenfalls abgemahnt worden waren und sich an die zuständige Eichbehörde gewandt hatten, erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Meß- und Eichwesen am 7. Dezember 1993, daß den betroffenen Wirtschaftskreisen die Möglichkeit gegeben werden solle, sich auf die Vorschriften des Gesetzes über Einheiten im Meßwesen einzustellen, und daß daher die zuständigen Eichbehörden der Länder bis Ende September 1994 die vom Beklagten beanstandeten Verstöße nicht verfolgen würden.
Nachdem die Klägerin hiervon Kenntnis erlangt hatte, wandte sie sich - ohne Erfolg - an den Beklagten mit der Aufforderung, auf die Rechte aus der Unterlassungserklärung vom 9. Dezember 1993 zu verzichten.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, in dem beanstandeten Verhalten liege kein Verstoß gegen das Eichgesetz. Jedenfalls sei die Werbung mit Zollangaben nicht wettbewerbswidrig. Ihre im Februar 1994 erhobene Klage hat sie nach dem Inkrafttreten des UWG-Änderungsgesetzes zusätzlich darauf gestützt, daß dem Beklagten mangels einer entsprechenden Mitgliederstruktur die Klagebefugnis fehle.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß der Beklagte aus dem mit Schreiben vom 9. und 14. Dezember 1993 geschlossenen Unterlassungsvertrag keine Rechte herleiten kann;
hilfsweise
festzustellen, daß der zwischen den Parteien durch Schreiben vom 9. Dezember 1993 und Annahmeerklärung vom 14. Dezember 1993 geschlossene Unterlassungsvertrag nichtig ist;
äußerst hilfsweise
den Beklagten zu verurteilen, gegenüber der Klägerin zu erklären, auf die Rechte aus dem mit Schreiben vom 9. und 14. Dezember 1993 geschlossenen Unterlassungsvertrag zu verzichten.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat die Ansicht vertreten, daß die Werbung mit Zollangaben nach wie vor wettbewerbswidrig sei.
Das Landgericht hat der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung die vom Landgericht ausgesprochene Feststellung auf die Zeit seit dem 1. August 1994 beschränkt und die Klage im übrigen abgewiesen (OLG Hamm OLG-Report 1995, 187).
Die auf vollständige Klageabweisung gerichtete Revision des Beklagten hat der Senat nur insoweit angenommen, als die vom Berufungsgericht ausgesprochene Feststellung, der Beklagte könne keine Rechte aus dem Unterlassungsvertrag vom 9./14. Dezember 1993 herleiten, auch die Zeit vom 1. bis 18. August 1994 betrifft. Im Umfang der Annahme verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter. Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß durch die am 1. August 1994 in Kraft getretene Änderung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG die Geschäftsgrundlage der Unterlassungsverpflichtung entfallen sei. Da der Beklagte keine Angaben zu seinen Mitgliedern gemacht habe, sei davon auszugehen, daß ihm keine erhebliche Zahl an Mitgliedern angehöre, die wie die Klägerin im Bereich des Computerhandels tätig seien. Der Beklagte sei daher seit dem 1. August 1994 nicht mehr befugt, Wettbewerbsverstöße im Bereich des Computerhandels zu verfolgen.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Prüfung insoweit nicht stand, als sie dem Beklagten auch für die Zeit vor dem 19. August 1994 Rechte aus der Unterwerfungserklärung abspricht. Der Unterlassungsvertrag ist von der Klägerin durch Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 10. August 1994 wirksam gekündigt worden, so daß der Beklagte aus diesem Vertrag für die Zeit seit dem 19. August 1994 keine Rechte mehr herleiten kann. Die vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin sind dagegen nicht bereits durch die am 1. August 1994 erfolgte Änderung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG entfallen. Soweit die Revision angenommen worden ist, führt sie daher zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß dem Beklagten seit dem Inkrafttreten des UWG-Änderungsgesetzes vom 25. Juli 1994 (BGBl. I S. 1738) mangels einer erheblichen Zahl von auf dem hier einschlägigen Markt tätigen Mitgliedern die Befugnis fehle, den dem Unterlassungsvertrag zugrundeliegenden gesetzlichen Anspruch - falls er bestehen sollte - geltend zu machen, greift die Revision nicht an. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen insofern auch keinen Rechtsfehler erkennen.
Fehlt dem Beklagten die Klagebefugnis, so steht gleichzeitig fest, daß ihm wegen der beanstandeten Werbung ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch nicht mehr zur Seite steht. Infolge der Doppelnatur der Verbandsklagebefugnis als Prozeßführungsrecht und als materielle Anspruchsvoraussetzung fehlt einem Verband, der nach dem Inkrafttreten des UWG-Änderungsgesetzes nicht (mehr) über die notwendige Zahl von Mitgliedern verfügt, für die Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes nicht nur die Prozeßführungs-, sondern auch die Sachbefugnis (vgl. zuletzt BGHZ 133, 316, 319 - Altunterwerfung I). Das Berufungsgericht konnte unter diesen Umständen offenlassen, ob das fragliche Verhalten der Klägerin geeignet war, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.
2. Wie der Senat in den Entscheidungen »Altunterwerfung I und II« (BGHZ 133, 316, 319 ff.; 133, 331, 335 ff.) im einzelnen dargelegt hat, läßt es der Umstand, daß der Beklagte einen aufgrund des beanstandeten Verhaltens in Betracht kommenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch wegen Wegfalls der Sachbefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F. nicht mehr verfolgen könnte, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) grundsätzlich gerechtfertigt erscheinen, daß die Klägerin sich von der vertraglichen Unterlassungs- und Zahlungsverpflichtung lösen kann. Ihr ist ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zuzubilligen, das allerdings nur für die Zukunft wirkt.
Im Streitfall hat die Klägerin den Unterlassungsvertrag gekündigt. Mit Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 10. August 1994 (GA 166) - beim Landgericht am Tage darauf eingegangen und dem Beklagtenvertreter am 19. August 1994 in der mündlichen Verhandlung ausgehändigt (GA 170) - hat sie sich auf den Standpunkt gestellt, daß »nunmehr auch unter (dem) Gesichtspunkt« der entfallenen Klagebefugnis »die Unwirksamkeit des seinerzeit geschlossenen Unterlassungsvertrages festzustellen« sei. Hierin ist eine aus wichtigem Grund erfolgte fristlose Kündigung des Unterwerfungsvertrags zu sehen. Denn die Klägerin hat damit deutlich gemacht, daß sie ihr Begehren, sich von dem Unterlassungsvertrag zu lösen, jedenfalls auch auf den Wegfall der Klagebefugnis stützt.
3. Für die Zeit vor Zugang der fristlosen Kündigung - in Rede steht nur noch der Zeitraum vom 1. bis 18. August 1994 - hat das Berufungsgericht die von der Klägerin begehrte Feststellung zu Unrecht ausgesprochen. Der Auffassung des Berufungsgerichts, daß durch die Gesetzesänderung die durch die Unterwerfung begründete Verpflichtung der Klägerin ohne weitere Gestaltungserklärung von selbst entfallen sei, kann nicht beigetreten werden.
a) Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage kann sich die Klägerin insoweit nicht mit Erfolg berufen. Denn eine Auflösung des Vertragsverhältnisses setzt auch in diesem Fall eine Gestaltungserklärung des Schuldners, also eine Kündigung, voraus (vgl. BGHZ 133, 316, 327 f. - Altunterwerfung I; 133, 331, 337 - Altunterwerfung II). Auf die Frage, ob die Änderung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage geführt hat, kommt es unter diesen Umständen nicht an.
b) Mit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. August 1994 ist auch nicht der rechtliche Grund des von den Parteien geschlossenen Unterlassungsvertrags nachträglich entfallen. Die Klägerin kann daher nicht das in der Unterwerfungserklärung liegende abstrakte Schuldanerkenntnis (vgl. BGHZ 130, 288, 292 - Kurze Verjährungsfrist) nach § 812 Abs. 2 i.V. mit § 780 BGB kondizieren oder im Falle der Inanspruchnahme durch den Beklagten die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erheben.
Im Schrifttum ist die Auffassung vertreten worden, der Rechtsgrund für die Abgabe der Unterwerfungserklärung sei in der wettbewerbsrechtlichen Verfolgungsbefugnis zu sehen; entfalle diese, so stehe dem Schuldner die condictio ob causam finitam nach § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB offen (Koblitz, WRP 1997, 382, 387). Dem kann nicht beigetreten werden. Der rechtliche Grund für die Abgabe der Unterwerfungserklärung ist regelmäßig der von den Parteien verfolgte Zweck, einen gesetzlichen Unterlassungsanspruch, dessen Bestehen häufig streitig ist, durch einen vereinfacht durchsetzbaren und strafbewehrten vertraglichen Anspruch zu ersetzen. Dieser auch dem Unterlassungsvertrag der Parteien zugrundeliegende Zweck ist im Streitfall bereits erreicht und durch die Gesetzesänderung nicht nachträglich entfallen (vgl. Köhler, Festschrift v. Gamm, 1990, S. 57, 65, 78; ders., GRUR 1996, 231 f.). Im übrigen entspricht eine ipso iure eintretende Auflösung der vertraglichen Unterlassungsverpflichtung nicht notwendig dem Parteiwillen: Wie der Senat in der Entscheidung »Altunterwerfung I« (BGHZ 133, 316, 328 f.) im einzelnen dargelegt hat, kann es durchaus im Interesse des Schuldners liegen, an einer vertraglichen Verpflichtung zur Unterlassung eines nach wie vor wettbewerbswidrigen Verhaltens festzuhalten, um auf diese Weise eine Inanspruchnahme durch Dritte zu vermeiden.
Dies bedeutet, daß der durch die Gesetzesänderung bewirkte Wegfall der Sachbefugnis des Beklagten, wie dargelegt, Anlaß für eine - ex nunc wirkende - fristlose Kündigung des Dauerschuldverhältnisses sein kann. Eine Kondizierung des in der Unterwerfungserklärung liegenden Schuldanerkenntnisses kommt dagegen nicht in Betracht.
III. Nach alldem ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben, als dort festgestellt worden ist, der Beklagte könne auch für die Zeit vom 1. bis 18. August 1994 keine Rechte aus dem Unterlassungsvertrag herleiten. Insoweit ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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