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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: I ZR 209/96
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 387
BGB § 387

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Spediteur, der von einem anderen Speditionsunternehmen mit der Beförderung von Transportgut und der Einziehung des Wertes der beförderten Waren bei den Empfängern beauftragt worden ist, gegen den Anspruch des Auftraggebers auf Herausgabe der vereinnahmten Beträge mit eigenen Ansprüchen auf Transportvergütung aufrechnen darf, wenn der Auftraggeber seinerseits verpflichtet ist, die bei den Warenempfängern eingezogenen Beträge an die Warenversender weiterzuleiten.

BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 - I ZR 209/96 - OLG Nürnberg LG Nürnberg-Fürth


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 209/96

Verkündet am: 21. Januar 1999

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Dr. Bornkamm und Pokrant

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14. Februar 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin und die Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagte), deren Komplementärin die Beklagte zu 2 ist, betreiben Speditionsunternehmen. Sie unterhielten bis 1995 langjährige Geschäftsbeziehungen, innerhalb deren sie gegenseitig Transport- und Speditionsleistungen erbrachten, wobei die jeweils geschuldeten Entgelte nicht einzeln beglichen, sondern in unregelmäßigen Abständen saldiert und die sich daraus ergebenden Guthaben ausgeglichen wurden.

Im Januar und Februar 1995 führte die Beklagte im Auftrag der Klägerin mehrere Transporte durch. Den Warenwert der beförderten Güter von insgesamt 73.748,-- DM zog sie bei den Empfängern per Nachnahme ein. Die eingenommenen Beträge verrechnete die Beklagte mit eigenen offenen Forderungen gegen die Klägerin.

Die Klägerin hält diese Handlungsweise für unzulässig, weil die Beklagte die verrechneten Beträge im Rahmen eines Treuhandverhältnisses eingenommen habe und eine Verrechnung mit anderen Forderungen überdies nicht vereinbart worden sei.

Sie hat - nach teilweiser Rücknahme der Klage - beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an sie gesamtschuldnerisch 69.123,-- DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben im wesentlichen behauptet, die Klägerin und die Beklagte hätten - unter Einbeziehung der von den Empfängern der Warensendungen zu zahlenden Nachnahmebeträge - ein Kontokorrentverhältnis vereinbart, das auch tatsächlich durchgeführt worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in dem zuletzt noch geltend gemachten Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet, weil die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen durch Aufrechnung erloschen seien. Dazu hat es ausgeführt:

Es könne offenbleiben, ob zwischen den Parteien eine Verrechnungsvereinbarung unter Einbeziehung der von der Beklagten vereinnahmten Nachnahmebeträge geschlossen worden sei; die streitgegenständlichen Ansprüche seien jedenfalls durch Aufrechnung der Beklagten erloschen. Dieser Annahme stehe nicht entgegen, daß die Beklagte die an die Klägerin abzuführenden Beträge im Rahmen von Einziehungsaufträgen der Klägerin erlangt habe. Zwar könne gegen die Herausgabeansprüche der Auftraggeberin nicht uneingeschränkt aufgerechnet werden, wie sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebe. Das bedeute aber nicht, daß jede Aufrechnung ausgeschlossen sei. Sie sei zumindest dann zulässig, wenn die Aufrechnungsforderung Aufwendungen betreffe, die mit der Einziehung des Geldes im Zusammenhang stünden. Hiervon sei auch im Streitfall auszugehen.

Die von der Beklagten in ihren Abrechnungen vom 11. April und 12. Juni 1995 unter Bezugnahme auf Rechnungsnummern und Rechnungsdaten konkretisierten Gegenforderungen, die die Klägerin nicht substantiiert bestritten habe, rührten teilweise aus den Transportaufträgen her, innerhalb deren die Beklagte die hier in Rede stehenden Nachnahmen eingezogen habe; im übrigen handele es sich um Forderungen aus anderen älteren Transportaufträgen der Klägerin.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Herausgabe der bei den Empfängern der Warensendungen vereinnahmten Nachnahmebeträge seien durch Aufrechnung der Beklagten mit Gegenforderungen aus Transportaufträgen der Klägerin erloschen, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht ist an sich zutreffend von dem aus § 242 BGB hergeleiteten Grundsatz ausgegangen, daß eine Aufrechnung über die gesetzlich geregelten und vertraglich vereinbarten Fälle hinaus ausgeschlossen ist, wenn der besondere Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses, die Natur der Rechtsbeziehungen oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. BGHZ 71, 380, 383; 95, 109, 113; 113, 90, 93; BGH, Urt. v. 14.7.1994 - IX ZR 110/93, NJW 1994, 2885, 2886; Urt. v. 23.2.1995 - IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425, 1426; Staudinger/Gursky, BGB, 13. Bearb., § 387 Rdn. 184; MünchKommBGB/v. Feldmann, 3. Aufl., § 387 Rdn. 40). Die Voraussetzungen eines solchen Aufrechnungsverbots hat es im Streitfall aber zu Unrecht verneint.

a) Soweit das Berufungsgericht seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß der Bundesgerichtshof die Aufrechnung eines Rechtsanwalts mit Gebührenforderungen gegen den Anspruch seines Auftraggebers auf Herausgabe eines bei Dritten eingezogenen Geldbetrages zugelassen hat (BGHZ 71, 380, 382 f.), weist die Revision mit Recht darauf hin, daß der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt mit demjenigen des Streitfalls nicht vergleichbar ist. Der maßgebliche Unterschied besteht darin, daß die Klägerin die von der Beklagten bei Auslieferung der Warensendungen vereinnahmten Gelder nach Herausgabe an sie nicht für sich behalten darf. Sie muß die Geldbeträge vielmehr an die Versender des Transportgutes, die die Klägerin nicht nur mit dem Transport der Waren, sondern auch mit dem Einzug des Warenwertes bei den Empfängern beauftragt haben, weiterleiten.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dürfen insbesondere Treuhänder gegen den Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nicht beliebig aufrechnen; es sei denn, die Gegenforderungen haben ihren Grund in dem Treuhandverhältnis oder dem Auftrag und den damit verbundenen Aufwendungen (vgl. BGHZ 95, 109, 113; 113, 90, 93 f.).

Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht genügend beachtet. Bei den von der Beklagten eingenommenen Nachnahmebeträgen handelt es sich - anders als in der vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 71, 380, 383 a.E.) - um zweckgebundene Fremdgelder. Dies folgt aus dem Zweck des der Klägerin erteilten Auftrags, das Gut nur gegen Zahlung des jeweiligen Nachnahmebetrages an den Empfänger auszuliefern. Dadurch sollte das berechtigte Interesse des Versenders am Erhalt des Kaufpreises für die Ware gesichert werden. Die materielle Berechtigung an den von der Beklagten eingezogenen Warengegenwerten steht daher nicht der Klägerin, sondern deren Auftraggebern zu. Als Inkassoberechtigte hat die Klägerin im Verhältnis zu ihren Auftraggebern die Stellung einer Treuhänderin (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 398 Rdn. 26 f.). Die Revision weist mit Recht darauf hin, daß der Sicherungszweck vereitelt oder doch erheblich gefährdet würde, wenn die Beklagte auch beliebig mit solchen Forderungen gegen den Anspruch der Klägerin auf Herausgabe (Auszahlung) der eingenommenen Nachnahmebeträge aufrechnen könnte, die ihren Grund nicht in einem Vertragsverhältnis haben, innerhalb dessen die Beklagte einen Nachnahmebetrag eingezogen hat.

Das Treuhandverhältnis zwischen der Klägerin und ihren Auftraggebern wirkt auch in die mit der Beklagten geschlossenen Transportverträge hinein, soweit darin eine Auslieferung der Warensendungen nur gegen Bezahlung des jeweiligen Nachnahmebetrages vereinbart worden ist. Denn es war für die Beklagte als Speditionsunternehmen ohne weiteres erkennbar, daß die Inkassoabrede dem Interesse der Versender am Erhalt des Warengegenwertes diente und daß die eingenommenen Gelder nach Herausgabe an die Klägerin von dieser an ihre Auftraggeber weitergeleitet werden müssen.

c) Entgegen der Auffassung der Revision ist es allerdings nicht gerechtfertigt, der Beklagten die Aufrechnung auch insoweit zu versagen, als die Gegenforderung aus einem Transportauftrag herrührt, innerhalb dessen die Beklagte einen Nachnahmebetrag eingezogen hat. Die Beklagte braucht sich nicht schlechterstellen zu lassen als die Klägerin selbst. Diese hätte aber - jedenfalls bei Anwendung deutschen Rechts - gegen den Anspruch ihres Auftraggebers auf Herausgabe des eingezogenen Warenwertes mit ihrem Vergütungsanspruch für die Durchführung des Auftrages aufrechnen können, weil die Gegenforderung ihren Grund gerade in dem dem Treuhandverhältnis zugrundeliegenden Auftrag hat und es sich bei der Transportvergütung um mit der Auftragsausführung verbundene Aufwendungen handelt.

Das Berufungsgericht hat bislang - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit die Beklagte mit Forderungen aus Transportaufträgen aufgerechnet hat, die keinen Inkassoauftrag zum Gegenstand hatten. Das wird es - jedenfalls bei Anwendung deutschen Rechts - in dem wiedereröffneten Berufungsrechtszug nachzuholen haben. Allerdings haben die Beklagten hierzu bislang noch nicht substantiiert vorgetragen. Sie haben dazu nach Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht indes noch Gelegenheit.

2. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts wäre nur dann entbehrlich, wenn die Revision mit ihren weiteren Rügen Erfolg hätte, was jedoch nicht der Fall ist.

a) Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe übersehen, daß die Klage auch auf abgetretenes Recht der jeweiligen Warenversender gestützt worden sei, läßt sie außer acht, daß die Klägerin derartige Ansprüche nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht hat.

b) Auch die weitere Rüge, das Berufungsgericht hätte einen eigenen Anspruch der Klägerin aus unerlaubter Handlung prüfen müssen, weil dagegen nach § 393 BGB nicht hätte aufgerechnet werden können, greift nicht durch. Der dazu vorgetragene Sachverhalt, die Beklagte habe einen von einem Warenempfänger erhaltenen Scheck im Wert von 36.917,-- DM nicht an die Klägerin oder den Warenversender herausgegeben, sondern eingelöst, erfüllt weder den Untreuetatbestand des § 266 StGB noch den der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB. Einer derartigen Annahme steht entgegen, daß die Entgegennahme eines Schecks bei einer Nachnahmesendung nach deutschem Recht grundsätzlich keine ordnungsgemäße Einziehung der Nachnahme darstellt, weil die Annahme eines Schecks dem Sicherungsbedürfnis des Versenders nicht hinreichend Rechnung trägt und die Hingabe des Schecks entgegen dem auf Erfüllung durch Zahlung gerichteten Zweck der Nachnahmevereinbarung grundsätzlich nur zahlungshalber und nicht an Zahlungs Statt erfolgt (vgl. BGHZ 83, 96, 101). Dementsprechend haben die Beklagten in der Berufungserwiderung auch unwidersprochen vorgetragen, daß die Sendung dem Empfänger erst nach Einlösung des Schecks ausgeliefert worden ist, weil der Auftrag lautete "Nachnahme in Höhe von 36.917,-- DM bei Zustellung einkassieren".

3. Auf die nach II. 1. c) an sich erforderlichen Feststellungen käme es dann nicht an, wenn die Parteien - was das Berufungsgericht bislang offengelassen hat (BU 6 oben) - eine wirksame Verrechnungsabrede getroffen hätten.

III. Danach war das angefochtene Urteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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