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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.05.2004
Aktenzeichen: I ZR 261/01
Rechtsgebiete: UWG, LMBG


Vorschriften:

UWG § 1
LMBG § 2 Abs. 1
LMBG § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
LMBG § 11 Abs. 1 Nr. 2
Nach dem Zweck des § 2 Abs. 1 LMBG ist ein Stoff, der einem Lebensmittel beigefügt wird, nicht als Zusatzstoff anzusehen, wenn er nach allgemeiner Verkehrsauffassung zweifelsfrei ein gebräuchliches, "normales" Lebensmittel ist, das regelmäßig dazu bestimmt ist, als solches verzehrt zu werden. Zu beurteilen ist dies nach einer auf den Stoff als solchen bezogenen Betrachtungsweise.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 261/01

Verkündet am: 13. Mai 2004

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2004 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. August 2001 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II, 1. Kammer für Handelssachen, vom 29. März 2000, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte produziert und vertreibt das nicht als Arzneimittel zugelassene Mittel "B. " als "Vitalstoff-Komplex zur täglichen Nahrungsergänzung". Der Vertrieb erfolgt in Packungen zu 15 oder 30 Trinkfläschchen mit je 10 ml Inhalt über Apotheken. Ein Fläschchen enthält einen Extrakt aus 3.000 mg multifloralen Gebirgsblütenpollen, 1.000 mg Weizenkeim-Extrakt, 700 mg Hagebutten-Konzentrat, 200 mg Gelee Royale, 100 mg Holunderbeer-Konzentrat und 15 mg Hefe-Autolysat. Diese Bestandteile sind in Honigwein (Met) gelöst, wodurch das Produkt einen Alkoholgehalt von 17,5 Vol.-% hat. Honigwein ist ein durch Vergären einer Honig-Wasser-Lösung mit Hilfe von Reinzuchthefen unter kontrollierten Bedingungen hergestelltes weinähnliches Getränk, das bei Anwendung geeigneter Herstellungsverfahren einen Alkoholgehalt von ca. 18 Vol.-% erreicht. Alkohol tötet in hohen Konzentrationen Mikroorganismen ab und wirkt daher als Zusatz zu Lebensmitteln konservierend.

Nach dem Vorbringen des klagenden Wettbewerbsverbandes handelt es sich bei dem Mittel "B. " ungeachtet dessen, daß von seiner Wirkungslosigkeit auszugehen sei, insbesondere nach dem Inhalt der Produktinformation und nach seinem Preis - eine Packung mit 15 Fläschchen kostete im Jahr 2001 79,75 DM - um ein Stärkungs- und Kräftigungsmittel, d.h. um ein Tonikum und damit um ein Arzneimittel. Sein Vertrieb verstoße daher gegen § 1 UWG i.V. mit § 21 Abs. 1 AMG. Zumindest sei das Produkt als Spirituose einzustufen. Wenn es ein Lebensmittel sei, sei sein Vertrieb unzulässig, da Honigwein ein nicht zugelassener Zusatzstoff sei.

Der Kläger hat vor dem Landgericht beantragt,

der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr das Mittel "B. ", welches einen Alkoholgehalt von 17,5 Vol.-% aufweist und dabei als "Vitalstoff-Komplex" in den Verkehr gebracht wird, ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben,

hilfsweise,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das von ihr unter der Bezeichnung "B. " vertriebene Produkt als Nahrungsergänzungsmittel (Lebensmittel) zu vertreiben und/oder zu bewerben.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Sie hat vor dem Landgericht zunächst vorgebracht, das Produkt "B. " sei nach Inhalt, Aufmachung, Text der Produktinformation und Werbung weder ein Arzneimittel noch ein alkoholisches Getränk, sondern als Lebensmittel eigener Art mit erhöhtem Gehalt an Vitaminen ein Nahrungsergänzungsmittel. Der Honigwein bilde für dieses wegen seiner konservierenden Wirkung eine optimale Grundlage und sei zur Stabilisierung/Haltbarmachung des Produkts technisch notwendig.

Später hat die Beklagte dann behauptet, der Honigwein sei als weinähnliches Getränk und damit als Genußmittel eine zum Geschmack ihres Produkts beitragende gewöhnliche Zutat ohne technologische Wirkung. Er stelle daher - zumal unter Berücksichtigung der Richtlinie 89/107/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Zusatzstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen (v. 21.12.1988, ABl. Nr. L 40 v. 11.2.1989, S. 27, geändert durch die Richtlinie 94/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.6.1994, ABl. Nr. L 237 v. 10.9.1994, S. 1) - keinen Zusatzstoff dar.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers hat zur Verurteilung der Beklagten nach dem im zweiten Rechtszug als Hauptantrag gestellten erstinstanzlichen Hilfsantrag geführt (OLG München ZLR 2002, 90 = LRE 42, 102).

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, daß der Verkehr deren Mittel nach seiner Zweckbestimmung und seiner Aufmachung weder als Arzneimittel noch als Spirituose, sondern als Nahrungsergänzungs- und damit als Lebensmittel ansehe. Seine Bewerbung und sein Vertrieb seien auch unter dieser Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 LMBG und damit zugleich gemäß § 1 UWG unzulässig, weil der in dem Mittel enthaltene Honigwein nach der allgemeinen Verkehrsauffassung primär einen Konservierungsstoff und damit einen nicht zugelassenen Zusatzstoff darstelle. Die Ausschlußbestimmung des § 2 Abs. 1 Halbsatz 2 LMBG greife nicht ein. Honigwein sei weder ein Stoff natürlicher Herkunft noch mit einem solchen chemisch gleich; auch lasse sich keine Verkehrsauffassung feststellen, daß Honigwein wenigstens in einem im Verkehr vorkommenden Produkt zumindest überwiegend wegen seines Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes oder als Genußmittel zugesetzt werde. Das damit gewonnene Ergebnis sei sachgerecht und auch nicht im Hinblick auf die Richtlinie 89/107/EWG zu korrigieren. Diese sei nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nur auf die in ihrem Anhang I aufgeführten Kategorien von Lebensmittelzusatzstoffen anzuwenden, zu denen Honigwein und sonstige Genußmittel nicht gehörten.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Da sich die angefochtene Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, führt die Revision zu ihrer Aufhebung und zur Abweisung der Klage.

1. Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts hat die Klägerin keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V. mit § 11 Abs. 1 Nr. 2 i.V. mit Nr. 1 Buchst. a LMBG, weil Honigwein nicht i.S. des § 2 Abs. 1 Halbsatz 1 LMBG dazu bestimmt ist, Lebensmitteln zugesetzt zu werden.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 LMBG grenzt mit einer teils positiv, teils negativ formulierten Begriffsbestimmung "Zusatzstoffe" von den "Nicht-Zusatzstoffen" ab (vgl. BVerwG, Buchholz 418.711 LMBG Nr. 21; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 100, Stand November 2002, § 2 LMBG Rdn. 16). Abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts ist nach dem Zweck dieser Vorschrift ein Stoff, der einem Lebensmittel beigefügt wird, nicht als Zusatzstoff anzusehen, wenn er nach allgemeiner Verkehrsauffassung zweifelsfrei ein gebräuchliches, "normales" Lebensmittel ist, das regelmäßig dazu bestimmt ist, als solches verzehrt zu werden. Zu beurteilen ist dies nach einer auf den Stoff als solchen bezogenen Betrachtungsweise.

Danach ist Honigwein kein Zusatzstoff i.S. des § 2 Abs. 1 LMBG, weil er als solcher unstreitig ein herkömmliches Genußmittel ist.

2. Das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot stellt sich nach den getroffenen Feststellungen auch nicht aus anderen Gründen als gerechtfertigt dar (§ 563 ZPO a.F.).

a) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann nicht auf § 1 UWG i.V. mit § 21 Abs. 1 AMG gestützt werden. Das Produkt der Beklagten ist kein mangels Zulassung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5, § 21 Abs. 1 AMG verkehrsunfähiges Arzneimittel, sondern ein Lebensmittel i.S. der § 1 Abs. 1 LMBG, § 2 Abs. 3 AMG.

Für die Einordnung eines Produkts als Arznei- oder Lebensmittel ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung entscheidend, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2000 - I ZR 97/98, GRUR 2000, 528, 529 = WRP 2000, 510 - L-Carnitin; BGHZ 151, 286, 291 - Muskelaufbaupräparate; BGH, Urt. v. 6.5.2004 - I ZR 275/01, Umdr. S. 15 - Sportlernahrung II). Die Verkehrsauffassung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung des Produkts kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflußt sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie durch die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt (BGH GRUR 2000, 528, 529 f. - L-Carnitin; BGHZ 151, 286, 292 - Muskelaufbaupräparate; BGH, Urt. v. 6.5.2004 - I ZR 275/01, Umdr. S. 15 - Sportlernahrung II). Ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im allgemeinen nicht annehmen, daß ein Präparat, das wie "B. " als Nahrungsergänzungsmittel angeboten wird, tatsächlich ein Arzneimittel sei, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat (vgl. BGHZ 151, 286, 292 - Muskelaufbaupräparate). Trotz des dazu vom Berufungsgericht gegebenen rechtlichen Hinweises hat der Kläger nichts vorgetragen, was eine gegenteilige Beurteilung rechtfertigen könnte.

b) Die Bewerbung und der Vertrieb von "B. " verstoßen entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen § 1 UWG i.V. mit § 57 Nr. 1 Buchst. b LMBG, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Alkoholhaltige Getränke-Verordnung (AGeV, BGBl. 2003 I S. 1256; früher: § 8 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung über Spirituosen). Dieses Produkt ist keine Spirituose i.S. der in § 12 Abs. 2 Nr. 2 AGeV in Bezug genommenen Verordnung (EG) Nr. 1576/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Begriffsbestimmung, Bezeichnung und Aufmachung von Spirituosen (ABl. Nr. L 160 vom 12.6.1989, S. 1). Nach der Definition in Art. 1 Abs. 2 der europäischen Verordnung enthalten Spirituosen durch Destillation gewonnenen Alkohol, d.h. Spirituosen sind Destillate oder Mischungen von Destillaten mit anderen Getränken. Honigwein wird dagegen ohne Destillation durch das Vergären von Honigwasser erzeugt (vgl. Eggers, ZLR 2002, 98 f.; Marx in: Zipfel/Rathke aaO, C 120, Stand Juni 2001, § 2 ZZulV Rdn. 329).

III. Danach war auf die Revision der Beklagten das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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