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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: I ZR 302/99
Rechtsgebiete: CMR


Vorschriften:

CMR Art. 12 Abs. 5 lit. a
Die Parteien eines CMR-Frachtvertrages können nach Vertragsschluß grundsätzlich formfrei vereinbaren, daß der Frachtführer eine erteilte Weisung als wirksam zu behandeln hat, obwohl ihm entgegen den Regelungen in Art. 12 Abs. 5 lit. a CMR die Absenderausfertigung des Frachtbriefes nicht vorgelegt wurde oder die Weisung nicht im Frachtbrief eingetragen war. An eine derartige Vereinbarung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 302/99

Verkündet am: 4. Juli 2002

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die erstinstanzliche Streithelferin der Klägerin, die N. GmbH & Co. KG (im folgenden: N. ), verkaufte an eine Firma L. in Athen 15 Tonnen Gewebestoffe. Mit der Organisation des Transports der Ware beauftragte die N. die H. Speditions-GmbH in Rheine (im folgenden: H. GmbH), die der Beklagten am 20. Juni 1995 einen "Beförderungsauftrag" über die in Rede stehende Warensendung erteilte. Die Beklagte betraute die in Athen ansässige S. S.A. (im folgenden: S.-S.A.) mit der Durchführung des Transports, die das Gut am 21. Juni 1995 bei der N. übernahm.

Am 23. Juni 1995 erteilte die H. GmbH der Beklagten telefonisch die Weisung, die Ware erst nach ihrer Freigabe durch die N. , die zwischenzeitlich erfahren hatte, daß ihre Vertragspartnerin in Athen Zahlungsschwierigkeiten habe und daß deshalb die Kaufpreiszahlung gefährdet sei, an die Käuferin auszuliefern. Die Beklagte gab diese Weisung noch am selben Tag gegen 13.30 Uhr per Telefax an die S.-S.A. weiter, die das Gut gleichwohl am 27. Juni 1995 bei der Käuferin ablieferte.

Die Klägerin hat behauptet, die Warensendung habe einen Wert von 194.929,-- DM gehabt, auf den die Käuferin lediglich 100.000,-- DM gezahlt habe, so daß ein Ausfallbetrag von 94.929,-- DM verblieben sei, zu dem noch Wechselprotestkosten für einen von der Käuferin begebenen, aber nicht eingelösten Wechsel in Höhe von 1.130,44 DM hinzukämen. Die H. GmbH habe zum Zeitpunkt des Schadensereignisses eine Verkehrshaftungsversicherung unterhalten, deren führender Versicherer ab 1. Januar 1994 die A. Versicherung AG gewesen sei. Dieses Versicherungsverhältnis habe sie, die Klägerin, betreut. Deshalb habe sie am 29. Dezember 1997 für die A. Versicherung AG an die N. 96.059,44 DM gezahlt. Die A. Versicherung AG habe sie ermächtigt, Regreßansprüche gegen Dritte im eigenen Namen geltend zu machen. Darüber hinaus hätten sowohl die N. als auch die H. GmbH ihre möglichen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an sie abgetreten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 96.059,44 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin in Abrede gestellt. Ferner hat sie behauptet, die H. GmbH habe sie lediglich mit der Besorgung des Transports zur Empfängerin in Athen beauftragt. Weder ihr noch der S.-S.A. sei es trotz Bemühungen zunächst gelungen, den Fahrer von der Weisung der H. GmbH zu unterrichten. Diese habe ihn erst am 27. Juni 1995 erreicht, als bereits etwa die Hälfte des Gutes ausgeladen gewesen sei. Der Fahrer habe daraufhin zunächst die weitere Entladung gestoppt. Wenig später habe dann jedoch die H. GmbH die Weisung erteilt, den LKW vollständig zu entladen. Die Beklagte hat zudem die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage mangels Prozeßführungsbefugnis der Klägerin teilweise als unzulässig (soweit die Klägerin als Prozeßstandschafterin vorgegangen ist) und teilweise als unbegründet (soweit die Klägerin aus abgetretenem Recht der N. und der H. GmbH geklagt hat) abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei unbegründet, weil die Klägerin nicht schlüssig dargelegt habe, daß Schadensersatzansprüche der H. GmbH bzw. der N. gemäß § 67 VVG oder § 398 BGB auf die A. Versicherung AG übergegangen seien. Zudem fehle es an einer schlüssigen Darlegung der Klägerin, daß die Beklagte für den streitgegenständlichen Schaden ersatzpflichtig sei. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Die Klägerin habe das erstinstanzliche Urteil nur insoweit mit einer zulässigen Berufung angefochten, als das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen habe. Gegenüber der Abweisung der Klage als unbegründet enthalte die Berufungsbegründung keine Berufungsgründe.

Die Klägerin habe in der Berufungsinstanz zwar schlüssig ihre Befugnis dargelegt, die angeblich der A. Versicherung AG zustehenden Schadensersatzansprüche im eigenen Namen geltend machen zu dürfen, so daß die Klage insoweit nunmehr zulässig sei. Es fehle jedoch an einem substantiierten Vortrag der Klägerin, daß die A. Versicherung AG die zum Schadenszeitpunkt führende Versicherung in dem mit der H. GmbH unterhaltenen Versicherungsverhältnis gewesen sei. Denn nur dann wäre die A. Versicherung AG gemäß § 67 VVG berechtigt, den gesamten Transportschaden geltend zu machen.

Ebensowenig habe die Klägerin schlüssig dargelegt, daß der geltend gemachte Schadensersatzanspruch durch Abtretung der H . GmbH gemäß § 398 BGB auf die A. Versicherung AG übergegangen sei.

Im übrigen sei die Klage aber auch deshalb unbegründet, weil es an einem schlüssigen Vortrag der Klägerin fehle, daß die Beklagte für den in Rede stehenden Schaden ersatzpflichtig sei. Ein Schadensersatzanspruch aus Art. 12 Nr. 7 CMR scheide aus, weil dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden könne, daß der Beklagten eine wirksame Anweisung erteilt worden sei. Daß die Beklagte gleichwohl versucht habe, die Weisung zu befolgen, führe zu keiner anderen Beurteilung, weil die Nichtausführung einer nicht wirksam erteilten Weisung nicht pflichtwidrig sei. Die Beklagte habe durch ihre konkludent erklärte Bereitschaft, die unwirksame Weisung zu befolgen, gegenüber der H. GmbH bzw. der N. auch keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, die unwirksam erteilte Weisung werde befolgt und die Ablieferung des Gutes an den frachtbriefmäßigen Empfänger werde unterbleiben.

Mangels einer wirksamen Weisung i.S. von Art. 12 CMR habe die Auslieferung der Sendung an die frachtbriefmäßige Empfängerin nicht zu einem Verlust des Gutes i.S. von Art. 17 CMR geführt, so daß sich der geltend gemachte Ersatzanspruch auch nicht aus dieser Anspruchsgrundlage ergeben könne. Der Beklagten sei es im Streitfall nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Weisung zu berufen. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte sich nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung des Vertragsverhältnisses so behandeln lassen müßte, als sei die Weisung unter Vorlage des Originalfrachtbriefes erfolgt. Das könne hier nicht angenommen werden.

II. Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das erstinstanzliche Urteil sei nur insoweit durch eine zulässige Berufung angefochten worden, als das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen habe.

Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß die Klägerin in der Berufungsbegründung auf ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen einschließlich der Beweisantritte Bezug genommen habe. Das reiche aus für die Feststellung, daß das erstinstanzliche Urteil auch insoweit angefochten worden sei, als das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen habe. Mit diesem Vorbringen vermag die Revision jedenfalls im Ergebnis nicht durchzudringen.

a) Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung sowie die neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Demnach muß die Berufungsbegründung jeweils auf den Streitfall zugeschnitten sein und die einzelnen Punkte tatsächlicher oder rechtlicher Art deutlich machen, auf die sich die Angriffe erstrecken sollen; es reicht hingegen nicht aus, die Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Nicht erforderlich ist allerdings, daß die angeführten Berufungsgründe schlüssig und rechtlich haltbar sind (st. Rspr.; vgl. BGHZ 143, 169, 170 f.; BGH, Urt. v. 18.6.1998 - IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126; Urt. v. 6.5.1999 - III ZR 265/98, NJW 1999, 3126; Urt. v. 24.1.2000 - II ZR 172/98, VersR 2001, 1303, 1304; Urt. v. 18.7.2001 - IV ZR 306/00, VersR 2001, 1304, 1305). Im Falle der uneingeschränkten Anfechtung muß die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muß sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (BGH, Urt. v. 25.6.1992 - VII ZR 8/92, NJW-RR 1992, 1340, 1341; Urt. v. 13.11.1997 - VII ZR 199/96, NJW 1998, 1081, 1082).

b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung nur, soweit die Klägerin die Abweisung der Klage als unzulässig angegriffen hat. Denn sie hat in ihrer Berufungsbegründung im einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen sie die Beurteilung des Landgerichts für unrichtig hält, sie habe die Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozeßstandschaft nicht schlüssig dargelegt und in geeigneter Weise unter Beweis gestellt.

Die Klägerin hat ihre Aktivlegitimation aber auch auf den weiteren selbständigen Lebenssachverhalt gestützt, daß die N. und die H. GmbH ihre (vermeintlichen) Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an sie abgetreten hätten. Mit dieser Anspruchsbegründung hat sich das Landgericht gesondert auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb sie das Klagebegehren ebenfalls nicht rechtfertigt. Dementsprechend hätte die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung konkret vorbringen müssen, weshalb ihrer Ansicht nach die Beurteilung des Erstrichters, daß ihr der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus abgetretenem Recht zusteht, ebenfalls unrichtig ist. Das ist mit der bloßen Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen einschließlich der dortigen Beweisantritte nicht in der gebotenen Weise geschehen. Dementsprechend hätte das Oberlandesgericht die Berufung insoweit als unzulässig verwerfen müssen, was auch noch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen ist. Dem Senat ist deshalb eine Sachentscheidung darüber, ob der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht der N. oder der H. GmbH zusteht, verwehrt (vgl. BGHZ 6, 369, 370; BGH, Urt. v. 4.10.1990 - IX ZR 270/89, NJW 1991, 427, 429).

2. Das Berufungsgericht hat die Klage auch zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dabei kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, daß Schadensersatzansprüche der H. GmbH bzw. der N. gemäß § 67 VVG auf die A. Versicherung AG übergegangen seien, da das angefochtene Urteil jedenfalls von der weiteren selbständigen Begründung des Berufungsgerichts getragen wird, eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gemäß Art. 12 Abs. 7 CMR oder Art. 17 Abs. 1 CMR scheitere daran, daß die Beklagte nicht wirksam angewiesen worden sei, das Gut zunächst nicht an die Empfängerin in Athen auszuliefern.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte zumindest als Fixkostenspediteurin i.S. von § 413 Abs. 1 HGB (in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung) anzusehen ist und als solche der Haftung nach der CMR unterliegt (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 20 f. = VersR 1999, 254 m.w.N.). Dementsprechend ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht angenommen hat, die von der Beklagten mit der Transportdurchführung beauftragte S.-S.A. sei als Unterfrachtführerin für die Beklagte tätig geworden. Gemäß Art. 3 CMR haftet der Frachtführer für Handlungen und Unterlassungen aller Personen, deren er sich bei Ausführung der Beförderung bedient, wie für eigene Handlungen und Unterlassungen, wenn diese Personen in Ausübung ihrer Verrichtung handeln. Danach müßte die Beklagte grundsätzlich für eine weisungswidrige Ablieferung des Gutes durch die S.-S.A. an die Empfängerin in Athen haften. Es fehlt jedoch an einer wirksamen Weisung der Absenderin.

b) Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß für den streitgegenständlichen Transport ein Frachtbrief ausgestellt wurde, der den Aussteller allerdings nicht erkennen ließ. Wer die für den Absender bestimmte Ausfertigung des Frachtbriefes bei Erteilung der Weisung, die Ware noch nicht an die Käuferin auszuliefern, sondern bis zur Freigabe der Sendung durch die N. abzuwarten, in Händen gehalten hat, hat das Berufungsgericht nicht zu klären vermocht. Bei dieser Sachlage - so hat das Berufungsgericht angenommen - müsse davon ausgegangen werden, daß die Absenderin (N. ) am 23. Juni 1995 nur dann eine Weisung i.S. von Art. 12 CMR wirksam hätte erteilen können, wenn sie die Absenderausfertigung mit der darin enthaltenen (neuen) Weisung der Beklagten vorgelegt hätte. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, daß dies geschehen sei. Damit entfalle eine Haftung der Beklagten wegen Nichtbefolgung einer Weisung. Der Umstand, daß die Beklagte gleichwohl versucht habe, die Weisung zu befolgen, führe zu keiner anderen Beurteilung; denn die Nichtausführung einer nicht wirksam erteilten Weisung sei nicht pflichtwidrig. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

c) Nach Art. 12 Abs. 5 lit. a CMR setzt die Ausübung des Verfügungsrechts durch den Absender die Vorlage der ersten Ausfertigung des Frachtbriefes (Absenderausfertigung, Art. 5 Abs. 1 Satz 3 CMR) beim Frachtführer oder einer berechtigten oder bevollmächtigten Person voraus. Zu befolgende neue Weisungen müssen in dieser Ausfertigung eingetragen sein. Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 5 CMR dient damit dem Schutz des Frachtführers. Damit soll zum einen sichergestellt werden, daß nur der Verfügungsberechtigte eine Weisung erteilt (vgl. Art. 12 Abs. 3 CMR; die Verfügungsberechtigung des Empfängers kann bereits mit der Ausstellung des Frachtbriefes begründet werden; die Absenderfrachtbriefausfertigung kann schon an den Empfänger weitergegeben worden sein). Zum anderen soll der Inhalt der Weisung eindeutig festgelegt sein (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.1982 - I ZR 33/80, TranspR 1982, 105, 106 = VersR 1982, 669). Die Eintragung der (neuen) Weisung in die Absenderausfertigung soll den Frachtführer insbesondere vor der Gefahr schützen, wegen einer Falschauslieferung des Gutes haften zu müssen (vgl. Helm, Frachtrecht II: CMR, 2. Aufl., Art. 12 Rdn. 40). Die Anwendung des Art. 12 Abs. 5 CMR entfällt daher grundsätzlich nur dann, wenn es an einem Schutzbedürfnis für den Frachtführer fehlt. Das ist etwa der Fall, wenn der Empfänger die Annahme des Gutes verweigert (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 CMR). Ferner kann dies angenommen werden, wenn ein Frachtbrief nicht ausgestellt worden ist, weil dann ein Übergang der Verfügungsberechtigung auf den Empfänger nach Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 CMR nicht in Betracht kommt. Damit besteht auch nicht die Gefahr, daß ein nicht mehr verfügungsberechtigter Absender eine Weisung erteilt (vgl. BGH TranspR 1982, 105, 106). Ist dagegen - wie im Streitfall - ein Frachtbrief ausgestellt worden, hängt die Wirksamkeit einer vom Absender erteilten Weisung grundsätzlich von der Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 5 lit. a CMR ab. Einseitige Weisungen, die ohne Legitimation erfolgen und/oder nicht im Frachtbrief eingetragen sind, sind für den Frachtführer grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 12 CMR Rdn. 6). Denn andernfalls liefe der mit Art. 12 Abs. 5 CMR bezweckte Schutz gerade leer.

d) Den Parteien des Frachtvertrages steht es allerdings frei, von ihren ursprünglichen vertraglichen Abreden abzuweichen. Sie können vereinbaren, daß der Frachtführer eine erteilte Weisung als verbindlich behandelt, obwohl ihm die Absenderausfertigung des Frachtbriefes nicht vorgelegen hat oder die Weisung nicht im Frachtbrief eingetragen war (vgl. auch Koller aaO Art. 12 CMR Rdn. 6). An eine derartige Vereinbarung sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen, weil im allgemeinen davon ausgegangen werden muß, daß der Frachtführer auf den Schutz, den Art. 12 Abs. 5 lit. a CMR gewährt, nicht verzichten will. Ein bloßes einseitiges Entgegenkommen des Frachtführers reicht für die Annahme einer ihn bindenden Abrede jedenfalls nicht aus.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann im Streitfall nicht angenommen werden, daß die Beklagte mit der H. GmbH bzw. mit der N. verbindlich vereinbart hat, unter Abänderung der erteilten Weisung dafür einzustehen, daß das Gut erst nach Freigabe durch die N. an die Käuferin ausgeliefert werde. Dagegen spricht schon, daß die Beklagte die telefonisch erteilte Weisung der H. GmbH lediglich entgegengenommen und sie am selben Tag nur per Telefax an die S.-S.A. weitergegeben hat. Es handelt sich insoweit lediglich - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - um ein bloßes Entgegenkommen der Beklagten. Eine darüber hinausgehende verbindliche Zusage, daß die Weisung auch ausgeführt werde, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Im Streitfall muß zudem berücksichtigt werden, daß die Beklagte einen in Athen ansässigen Unterfrachtführer mit der Durchführung des Transports beauftragt hatte, dessen Fahrer sich im Zeitpunkt des Anrufes der H. GmbH bereits auf dem Weg zur frachtbriefmäßigen Empfängerin des Gutes befand. Die Beklagte konnte unter diesen Umständen nicht verläßlich überblicken, ob die Weisung den Fahrer auch bei deren sofortiger Weitergabe an den griechischen Unterfrachtführer noch rechtzeitig vor Ablieferung des Gutes bei der Empfängerin erreichen würde. Das mußte auch die H. GmbH erkennen, da ihr die Einschaltung des Unterfrachtführers bekannt war. Dementsprechend konnte sie nicht davon ausgehen, daß die Beklagte gemäß Art. 12 Abs. 7 CMR haften werde, wenn die Ausführung der nur mündlich erteilten Weisung fehlschlagen sollte.

Eine Haftung der Beklagten wegen positiver Forderungsverletzung ist ebenfalls nicht gegeben, weil diese Haftungsgrundlage bei bestehendem Frachtbrief jedenfalls durch die spezielle Regelung des Art. 12 Abs. 7 CMR verdrängt wird (vgl. Helm aaO Art. 12 Rdn. 54).

III. Danach war die Revision der Klägerin auf ihre Kosten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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