Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.12.2004
Aktenzeichen: I ZR 48/02
Rechtsgebiete: HGB, PostG, BGB


Vorschriften:

HGB § 421 Abs. 1 Satz 2
HGB § 425
HGB § 425 Abs. 1
HGB § 425 Abs. 2
HGB § 428
HGB § 435
HGB § 449
HGB § 459
HGB § 466
PostG § 18 Abs. 1
BGB § 254
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 328
BGB § 334
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 48/02

Verkündet am: 2. Dezember 2004

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Januar 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Transportversicherer der P. AG (im folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Versicherungsnehmerin bestellte am 15. Juli 1998 bei der W. AG in B. (im folgenden: Versenderin) 1.200 Speichermodule. Die Versenderin stellte der Versicherungsnehmerin dafür am 17. Juli 1998 insgesamt 127.560 DM zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung. Der Versand der Ware erfolgte nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verkäuferin auf Gefahr des Käufers.

Die Versenderin beauftragte die Beklagte mit dem Transport der Ware. Sie übergab deren Abholfahrer am 17. Juli 1998 insgesamt drei Pakete zur Beförderung an die Versicherungsnehmerin, von denen eines bei der Empfängerin nicht ankam. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1998 teilte die Beklagte der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit, daß Nachforschungen nicht zum Wiederauffinden des abhanden gekommenen Paketes geführt hätten.

Die Klägerin hat behauptet, in dem verlorengegangenen Paket hätten sich die am 15. Juli 1998 von ihrer Versicherungsnehmerin bestellten 1.200 Mikrochips mit einem Wert von 127.560 DM befunden. Sie habe den ihrer Versicherungsnehmerin durch den Verlust der Sendung entstandenen Schaden ersetzt. Ferner hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen berufen, weil sie über keine wirksamen Organisations- und Kontrollmaßnahmen verfüge; dies führe zur unbeschränkten Haftung der Beklagten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 127.560 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hält ihre Kontrollmaßnahmen für ausreichend und macht ein Mitverschulden der Versenderin wegen unterlassener Wertdeklaration geltend.

Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus abgetretenem (§ 398 BGB) Recht ihrer Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 425 Abs. 1, § 421 Abs. 1 Satz 2, § 435 HGB zuerkannt. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Beklagte unterliege als Fixkostenspediteurin gemäß § 459 HGB der Frachtführerhaftung. Sie könne sich nicht mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen berufen, weil - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - davon auszugehen sei, daß der Verlustschaden durch ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten verursacht worden sei. An der unbeschränkten Haftung ändere auch der mit der Versenderin vereinbarte Verzicht auf die schriftliche Schnittstellendokumentation durch die Beklagte nichts.

Der Versicherungsnehmerin der Klägerin sei ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden. Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, daß sich in dem verlorengegangenen Paket die gekauften 1.200 Stück Mikrochips befunden hätten.

II. Die Revision hat nur hinsichtlich des Einwands des Mitverschuldens der Versenderin wegen unterlassener Wertdeklaration Erfolg.

1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten für den in Rede stehenden Verlust von Transportgut nach §§ 425, 421 Abs. 1 Satz 2 HGB bejaht.

Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von der Versenderin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - aufgrund vertraglicher Einbeziehung - ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt.

2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden unbeschränkt.

a) Nach § 435 HGB gelten die im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Beklagte an ihren Umschlagstellen keine bzw. unzureichende Eingangs- und Ausgangskontrollen durchführt. Dies habe die Beklagte selbst eingeräumt, indem sie in ihrer Berufungsbegründung vorgebracht habe, fehlende Schnittstellenkontrollen könnten ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Im übrigen sei das Fehlen von Schnittstellenkontrollen auch gerichtsbekannt.

bb) Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Bei dem Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, handelt es sich um einen besonders schadensanfälligen Bereich. Er muß deshalb so organisiert werden, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Dies erfordert im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- bzw. EDV-mäßig erfaßten Ware, da sonst ein verläßlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden kann (vgl. BGHZ 149, 337, 347).

Eine ausreichende Kontrolle des Warenumschlags wird entgegen der Annahme der Revision nicht durch den Einsatz des Tracking-Informationssystems der Beklagten erreicht. Die im Rahmen dieses Systems vorgenommene Scannung von Paketsendungen führt nicht dazu, den exakten Schadensort innerhalb des Beförderungssystems zu lokalisieren. Der gebotene körperliche Abgleich der EDV-mäßig erfaßten Ware mit den abgehenden Sendungen findet gerade nicht statt. Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, daß das Tracking-Informationssystem der Beklagten es lediglich erlaubt, im nachhinein festzustellen, ob eine Sendung abgeholt wurde bzw. in einem Umschlagzentrum aufgetaucht ist. Ein Verlust der Sendung fällt erst auf, wenn - wie hier - der Empfänger deren Ausbleiben beanstandet. Dann besteht aber in Anbetracht des unbekannten Schadensortes nach der allgemeinen Lebenserfahrung kaum mehr die Möglichkeit, mit Aussicht auf Erfolg nach dem Verbleib der Sendung zu forschen. Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht eine ausreichende Überwachung des Versendungsweges vermißt und daher die Kontrollmaßnahmen der Beklagten nicht als genügende Kontrolle des Warenumschlags angesehen hat.

Dem steht nicht entgegen, daß die erforderlichen Ein- und Ausgangskontrollen nach der Rechtsprechung des Senats nicht zwingend lückenlos alle umzuschlagenden Sendungen erfassen müssen, um den Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens auszuschließen. Im Einzelfall kann vielmehr auch eine stichprobenartige Kontrolle genügen, sofern auf diese Weise eine hinreichende Kontrolldichte gewährleistet wird, um der Gefahr des Abhandenkommens von Sendungen wirksam entgegenzuwirken (BGHZ 129, 345, 350 f.; 149, 337, 348). Das setzt jedoch voraus, daß die Umstände der Stichprobenkontrolle, ihr genauer Ablauf, ihre Häufigkeit und Intensität nachvollzogen werden können. Daran fehlt es hier aber gerade.

b) Auf der vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Grundlage ist der Beklagten in bezug auf den streitgegenständlichen Verlust ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 435 HGB anzulasten.

Die aufgrund des Transportrechtsreformgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1588) mit Wirkung vom 1. Juli 1998 in Kraft getretene Neufassung des § 435 HGB ist Ausdruck des schon bis dahin im gesamten Transportrecht geltenden Prinzips, daß dem Frachtführer die ihm wegen vertragstypischer Risiken eingeräumten Haftungsprivilegien nicht zugute kommen sollen, wenn ihn oder eine Person, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, ein qualifiziertes Verschulden trifft (vgl. § 430 Abs. 3 HGB a.F.; § 607a Abs. 4, § 660 Abs. 3 HGB, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 CMR, Art. 44 CIM, Art. 25 WA 1955; s. auch die Begr. z. Gesetzentwurf d. Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, S. 71).

aa) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen (vgl. BGHZ 145, 170, 183; BGH, Urt. v. 25.3.2004 - I ZR 205/01, TranspR 2004, 309, 310, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, TranspR 2004, 399, 401). Das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGH TranspR 2004, 309, 310; TranspR 2004, 399, 401). Danach ist im vorliegenden Fall von einem qualifizierten Verschulden der Beklagten i.S. von § 435 HGB auszugehen.

bb) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei einer Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich hierbei um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt (vgl. BGH TranspR 2004, 309, 311; TranspR 2004, 399, 401).

cc) Entgegen der Ansicht der Revision kann aus der Organisation des Warenumschlags durch die Beklagte auch auf deren Bewußtsein geschlossen werden, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Wer - wie die Beklagte im Streitfall - elementare Sorgfaltsvorkehrungen unterläßt, handelt in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann. Wer gebotene Schnittstellenkontrollen nicht oder nur unzureichend durchführt, obwohl er weiß oder hätte wissen müssen, daß es darauf entscheidend ankommt, hat das Bewußtsein, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden an dem anvertrauten Gut entstehen, ohne daß dabei das Verhältnis der Schadensfälle zur Anzahl der umgeschlagenen Sendungen von Bedeutung ist (vgl. BGH TranspR 2004, 309, 312; TranspR 2004, 399, 401, jeweils m.w.N.).

c) Der Revision kann auch insofern nicht beigetreten werden, als sie meint, geringere Anforderungen an ein bewußt leichtfertiges Organisationsverschulden nach dem jetzt geltenden Transportrecht ließen sich aus einem Vergleich mit den die postalische Paketbeförderung betreffenden Regelungen herleiten.

aa) Der Senat hat bereits entschieden, daß sich ein Absenken der für die Paketbeförderung geltenden Sorgfaltsanforderungen nicht im Blick auf die in der Vergangenheit gültigen Haftungsbeschränkungen bei postalischer Briefbeförderung im Postgesetz von 1969 und auf die nunmehr mögliche Haftungsfreizeichnung zugunsten des Frachtführers/Spediteurs bei der Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen nach §§ 449, 466 HGB rechtfertigen läßt (vgl. BGHZ 149, 337, 349 f.). Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.

bb) Nichts anderes gilt aber auch für die früher gültig gewesenen gesetzlichen Regelungen für die postalische Paketbeförderung und das nunmehr für die Paketbeförderung geltende Recht (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2004 - I ZR 120/02, Umdr. S. 14 f.).

Bis zur Neufassung des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3294) war die Haftung der Deutschen Bundespost (später der Deutschen Bundespost POSTDIENST und noch später des Nachfolgeunternehmens der Deutschen Bundespost POSTDIENST) für Schäden durch den Verlust oder die Beschädigung von gewöhnlichen Paketen auf einen Höchstbetrag und für Schäden durch den Verlust oder die Beschädigung von Sendungen mit Wertangabe auf den Betrag der Wertangabe beschränkt (vgl. zuletzt § 12 Abs. 3 u. 4 PostG in der Fassung v. 14.9.1994, BGBl. I S. 2325). Seit der Privatisierung der Postdienste bestimmt sich die Haftung des Erbringers postalischer Dienste gegenüber den Kunden und damit auch die Haftung der Post AG bei der Beförderung von Paketen nach dem im Handelsgesetzbuch geregelten Allgemeinen Transportsrecht. Denn das geltende Postgesetz enthält keine eigenen vertraglichen Haftungsvorschriften mehr und der Verordnungsgeber hat von der in § 18 Abs. 1 PostG enthaltenen Ermächtigung, Haftungsbeschränkungen in einer Rechtsverordnung zu regeln, bislang keinen Gebrauch gemacht (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2004 - I ZR 120/02, Umdr. S. 15 m.w.N.).

3. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich das Unterlassen der Wertdeklaration bei der in Verlust geratenen Sendung nicht als Mitverschulden der Versenderin anrechnen lassen.

a) Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Frage des Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklaration ausschließlich auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen, die es für zutreffend erachtet hat. Das Landgericht hat seine Auffassung, die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf ein Mitverschulden der Versenderin berufen, darauf gestützt, die Beklagte habe in ihren Beförderungsbedingungen klargestellt, daß bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit alle Haftungsbeschränkungen entfielen. An den klaren Wortlaut dieser Beförderungsbedingung müsse sich die Beklagte festhalten lassen. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

b) Ein Versender gerät in einen nach § 254 Abs. 1 BGB bzw. - unter der Geltung des neuen Transportrechts - § 425 Abs. 2 HGB beachtlichen Selbstwiderspruch, wenn er trotz Kenntnis, daß der Spediteur die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration absieht und gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt. Mit seinem Verzicht auf die vom Spediteur angebotenen weitergehenden Schutzvorkehrungen setzt er das Transportgut bewußt einem erhöhten Verlustrisiko aus mit der Folge, daß ihm der eingetretene Schaden bei wertender Betrachtung gemäß § 254 Abs. 1 BGB, § 425 Abs. 2 HGB anteilig zuzurechnen ist (vgl. BGHZ 149, 337, 353; BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 471 m.w.N.; TranspR 2004, 399, 401). Auch gegenüber einem qualifizierten Verschulden des Schädigers kann der Einwand des Mitverschuldens des Anspruchsberechtigten gerechtfertigt sein. Die Vorschrift des § 435 HGB zur verschärften Haftung des Frachtführers schließt eine Mithaftung des Versenders oder Empfängers gemäß § 425 Abs. 2 HGB aufgrund von schadensursächlichen Umständen aus deren Bereich nicht aus (vgl. BGH TranspR 2003, 467, 471; TranspR 2004, 399, 401).

c) Ein Mitverschulden der Versenderin muß sich auch die Versicherungsnehmerin der Klägerin als Empfängerin des Gutes zurechnen lassen. Der Empfänger kann gemäß § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB die Ansprüche aus dem Frachtvertrag im eigenen Namen gegen den Frachtführer geltend machen, wenn das Gut verlorengegangen ist. Der Frachtvertrag ist insoweit als Vertrag zugunsten Dritter i.S. von § 328 BGB ausgestaltet (vgl. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 421 HGB Rdn. 1). Bei einem Vertrag zugunsten Dritter beruht das Recht des Dritten ausschließlich auf dem Vertragsverhältnis zwischen dem Versprechenden und dem Versprechensempfänger. Das hat nach § 334 BGB zur Folge, daß dem Schuldner alle Einwendungen, also auch der Einwand des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB, aus dem Vertrag mit dem Versprechensempfänger auch gegenüber dem Dritten zustehen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 334 Rdn. 3). Zudem bestimmt § 425 Abs. 2 HGB, der den Rechtsgedanken des § 254 BGB aufgreift (Koller aaO § 425 HGB Rdn. 1), daß die Verpflichtung zur Ersatzleistung sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon abhängen, inwieweit bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders oder des Empfängers mitgewirkt hat.

d) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die unterlassene Wertangabe auf der in Verlust geratenen Sendung den Schaden mitverursacht hat, weil die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann nicht zu dem Verlust gekommen wäre. Die Beklagte hat unter Vorlage ihrer Betriebsorganisation dargelegt, daß der Transportweg einer dem Wert nach deklarierten Sendung weiterreichenden Kontrollen als der Weg eine nicht wertdeklarierten Sendung unterliege. Diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzugehen haben.

Auch die Haftungsabwägung nach § 254 BGB, § 425 Abs. 2 HGB obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (BGHZ 149, 337, 355, m.w.N.; BGH TranspR 2004, 399, 402).

III. Danach war das angefochtene Urteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, daß der Einwand des Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklaration nicht bereits dann an der fehlenden Kausalität scheitert, wenn auch bei wertdeklarierten Sendungen ein Verlust nicht vollständig ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH TranspR 2004, 399, 401). Ein bei der Entstehung des Schadens mitwirkendes Verschulden der Versenderin kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn bei wertdeklarierten Sendungen ebenfalls Lücken in der Schnittstellenkontrolle verbleiben und nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Sendung gerade in diesem Bereich verlorengegangen ist und die Angabe des Wertes der Ware daher deren Verlust nicht verhindert hätte (vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2003 - I ZR 234/02, TranspR 2003, 317, 318 = VersR 2003, 1596).

Im vorliegenden Fall ist ungeklärt, in welcher Phase des Transports der Verlust eingetreten ist. Er kann also auch in einem Bereich eingetreten sein, in dem die Beklagte ihre Sorgfalt bei dem Transport von wertdeklarierter Ware nicht oder nicht in bewußt leichtfertiger Weise verletzt hat. Die Haftung wegen qualifizierten Verschuldens beruht auf dem Vorwurf unzureichender Kontrolle der Schnittstellen und der daraus folgenden Vermutung, daß die Ware in diesem besonders gefährdeten Bereich verlorengegangen ist (vgl. BGH TranspR 2004, 399, 401 m.w.N.). Das damit auf einer Vermutung beruhende Haftungsrisiko wird aber eingeschränkt, wenn der Weg der Ware - wie die Beklagte behauptet hat - im Falle einer Wertdeklaration weitergehend kontrolliert wird und sich daher bei einem Verlust genauer nachvollziehen läßt als bei einer nicht deklarierten Sendung. Denn dann erhöhen sich die Möglichkeiten der Beklagten, die Vermutung, daß ihr bewußt leichtfertiges Verhalten für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen sei, durch den Nachweis zu widerlegen, daß die Ware in einem gesicherten Bereich verlorengegangen ist (vgl. BGH TranspR 2003, 317, 318; BGH, TranspR 2004, 399, 402).

Im Rahmen der Haftungsabwägung stellt dabei die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die Bemessung des Mitverschuldensanteils relevanten Gesichtspunkt dar: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der Ware außerhalb des gesicherten Bereichs veranlaßt (vgl. BGH TranspR 2003, 317, 318).

Ende der Entscheidung

Zurück