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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.06.1999
Aktenzeichen: I ZR 52/97
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG § 1 | |
UWG § 3 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 24. Juni 1999
Torka Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Starck, Dr. Bornkamm und Pokrant
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 16. Januar 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin auch hinsichtlich des mit "insbesondere" eingeleiteten Klageantrags zu 1 sowie hinsichtlich der auf diesen Teil des Antrags zu 1 rückbezogenen Teile der Klageanträge zu 2 und zu 3 zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin und die Beklagte zu 1 sind Wettbewerber im Vertrieb von Telefonverzeichnissen auf CD-ROM. Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, bietet u.a. eine solche CD unter dem Titel "Tele-Info Fax-Auskunft" an.
Die Klägerin hat es als irreführend beanstandet, daß sich auf der Hülle der CD ein Hinweis auf eine (Fax-)Software "und viele Programme mehr!" finde und daß auf der Rückseite u.a. die Programme "Netto" und "Routenplaner" aufgeführt seien, obwohl es sich bei den mitgelieferten Programmen jeweils nur um die sog. Shareware-Version handele und der Benutzer beim Programmlauf zur kostenpflichtigen Registrierung aufgefordert werde. Darüber hinaus verstoße es gegen § 1 UWG, daß die Beklagten Software anpriesen, jedoch kostenfrei bezogene Shareware lieferten. Die Beklagten ersparten auf diese Weise Kosten für den Erwerb der Software, stellten sich als besonders leistungsstark heraus und verschafften sich auf diese Weise einen wettbewerbswidrigen Vorsprung.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken CD-ROM mit dem Hinweis "(Fax-)Software" und/oder "... und viele Programme mehr!" zu bewerben und/oder zu vertreiben, soweit sich auf den so beworbenen CD-ROM nicht die Vollversionen dieser Software befinden, insbesondere die CD-ROM "Tele-Info Fax-Auskunft" (ISBN) mit dem Hinweis "FAX Software" und/oder "und viele Programme mehr!" zu bewerben und/ oder zu vertreiben, soweit sich auf dieser CD lediglich die Shareware-Versionen (Prüfversionen) der Programme "WinMap" und/oder "Pro 2.51" und/oder "Faxline" befinden und für den Erwerb oder die Nutzung der Vollversionen zusätzliche Zahlungen erforderlich sind;
2. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter 1. geschilderte Wettbewerbshandlung entstanden ist und noch entsteht;
3. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, mit welcher Auflage sie CDs gemäß Ziffer 1 verkauft und beworben haben, wobei die Werbung nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger und Kalendervierteljahren aufzuschlüsseln ist.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben eine Irreführung in Abrede gestellt und insbesondere bestritten, daß die fraglichen Programme die in der Werbung angesprochenen Funktionen nicht erfüllen könnten. Auf die Vollversionen "WinMap", "Nettoeinkommen Pro 2.51" und "FaxLine" werde nicht auf der CD-Hülle, sondern nur auf der CD selbst hingewiesen, so daß der Verkehr diese Programme auch nicht zu erwerben erwarte.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (vgl. das in einer Parallelsache im Verfügungsverfahren ergangene Urteil OLG Hamburg NJW-RR 1997, 1269).
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die der Senat nur insoweit angenommen hat, als sich die Klageabweisung auch auf die Unterlassung der konkreten Verletzungsform (also auf den mit dem Wort "insbesondere" eingeleiteten Teil des Antrags) sowie auf die hierauf rückbezogenen Teile der anderen Anträge bezieht. Im Umfang des angenommenen Teils ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin auch hinsichtlich der konkreten Verletzungsform verneint und zur Begründung ausgeführt:
Der geltend gemachte Anspruch sei weder aus § 3 noch aus § 1 UWG herzuleiten. Die beanstandeten Angaben auf der CD-Hülle "FAX Software" sowie "... und viele Programme mehr!" seien weder irreführend noch sonst unlauter. Ein Hinweis auf die - nicht in Vollversion gelieferten - Programme "WinMap", "Nettoeinkommen Pro 2.51" und "FaxLine" finde sich nicht auf der Hülle, sondern erst auf der CD selbst. Der Verkehr könne daher auch nicht erwarten, daß die Vollversionen der genannten Programme zum Lieferumfang gehörten. Der Klageantrag ziele auch nicht darauf ab, daß die auf der Hülle aufgeführten Programme unvollständig oder nicht in dem erwarteten Umfang gebrauchstauglich seien; auf die behaupteten Mängel oder Einschränkungen der Gebrauchstauglichkeit der Programme komme es daher nicht an. Beanstandet werde vielmehr nur, daß die auf der CD-ROM befindlichen Programme inhaltlich Shareware-Versionen (Prüfversionen) der Programme "WinMap", "Nettoeinkommen Pro 2.51" und "FaxLine" seien. Hierin liege jedoch kein Mangel, über den die Kunden vor dem Kauf der CD hätten aufgeklärt werden müssen.
II. Die Revision hat im Umfang der Annahme, also insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Abweisung der Klage auch hinsichtlich der konkreten Verletzungsform wendet. In diesem Umfang führt sie zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Mit Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht den Gegenstand des Rechtsstreits zu eng umschrieben hat. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, auf die Gebrauchstauglichkeit der fraglichen Programme komme es nicht an. Entscheidend sei allein die Frage, ob die Beklagten berechtigt seien, Programme ohne aufklärenden Hinweis zu vertreiben, die - ihre Gebrauchstauglichkeit unterstellt - nicht die Vollversion der jeweiligen Software darstellten. Eine solche Beschränkung des Streitgegenstandes läßt sich indessen allenfalls dem verallgemeinerten Teil des Klageantrags entnehmen, der nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist. Der mit dem Wort "insbesondere" eingeleitete, die konkrete Verletzungsform umschreibende Teil des Antrags enthält eine solche Einschränkung dagegen nicht. Sie läßt sich auch dem Klagevorbringen nicht entnehmen: Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren gerade auch darauf gestützt hat, daß die von der Beklagten zu 1 vertriebenen Programme nicht voll funktionsfähig seien (RB 25 unter Hinweis auf BU 8).
2. Im Streitfall kommt eine Irreführung danach aus zwei Gründen in Betracht: zum einen, weil der Erwerber der CD lediglich eine Shareware-Version der jeweiligen Programme erhält, und zum anderen, weil diese Programme nach dem Klagevorbringen in ihrer Funktionstauglichkeit eingeschränkt sind. Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann weder die eine noch die andere Möglichkeit der Irreführung verneint werden.
a) Das Berufungsgericht hat eine Irreführung der Erwerber der fraglichen Fax-Auskunft-CD mit der Begründung verneint, der Verkehr erwarte keinen Hinweis darauf, daß es zu den gelieferten Programmen noch andere Versionen gebe. Die angesprochenen Verbraucher stellten in Rechnung, daß die gelieferten Programme, die als solche brauchbar seien, von anderen Programmen noch übertroffen werden könnten; sie sähen sich daher durch die Hinweise, gegen Zuzahlung eines bestimmten Betrages noch umfangreichere Programmversionen erwerben zu können, nicht getäuscht. Das Berufungsgericht ist dabei davon ausgegangen, daß es sich bei der gelieferten Shareware um eine Programmversion handelt, die möglicherweise etwas einfacher ist als die ebenfalls angebotenen Vollversionen, die aber von dem Erwerber uneingeschränkt benutzt werden kann und daher - ihre Gebrauchstauglichkeit im übrigen unterstellt (dazu sogleich unter b) - einen aufklärenden Hinweis nicht erfordert. Mit Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht damit dem Klagevorbringen nicht gerecht geworden ist.
Nach dem unstreitigen Parteivorbringen, das mit den Hinweisen im Schrifttum über das Shareware-Vertriebskonzept übereinstimmt, zeichnet sich Shareware dadurch aus, daß sie vom Programmautor unentgeltlich oder gegen eine geringe Aufwandsvergütung zur Verfügung gestellt wird, um dem Verwender die Möglichkeit zu bieten, das Programm kennenzulernen, auszuprobieren und sich - falls er sich für den ständigen Einsatz entscheidet - registrieren zu lassen und damit eine Vollversion des Programms zu erwerben. Shareware ist danach zu unterscheiden von einfachen Programmversionen, wie sie häufig - als Light-Version bezeichnet - zum Lieferumfang eines Rechners oder anderer EDV-Geräte gehören. Beide Programmversionen haben gemein, daß sie zumindest auch der Werbung für die Vollversion dienen sollen. Anders als die Light-Version ist jedoch Shareware aus der Sicht des Programmautors nicht für den dauerhaften Einsatz beim Kunden, sondern nur als Anreiz für den Erwerb einer Vollversion gedacht. Dem Ziel des Programmautors, den dauerhaften Einsatz vom Erwerb einer Vollversion abhängig zu machen, können dabei rechtliche oder tatsächliche Beschränkungen dienen, sei es in der Form von vertraglich vereinbarten Verwendungsbeschränkungen oder sei es dadurch, daß die Shareware-Version nach der Installation nur für eine beschränkte Zahl von Tagen läuft, daß einzelne Funktionen gesperrt oder Warteschleifen in das Programm eingebaut sind (vgl. die Stellungnahme der S. GmbH, Anl. K 4). Durchweg wird aber der Verwender der Shareware beim Programmlauf auf die Notwendigkeit einer "Registrierung" im Falle des dauerhaften Einsatzes hingewiesen, um auf diese Weise - unabhängig von einer rechtlichen Notwendigkeit - zumindest einen moralischen Druck auszuüben, das zum Kennenlernen überlassene Programm im Falle der dauerhaften Nutzung zu bezahlen (vgl. dazu Marly, Softwareüberlassungsverträge, 2. Aufl. 1997, Rdn. 324 ff.; ders., jur-pc 1991, 940 f.; Haberstumpf in Lehmann, Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, 2. Aufl. 1993, Rdn. II 156 f.; Schulz, CR 1990, 296 f.; Heymann, CR 1991, 6, 7; Jahn, jur-pc 1995, 3286 f.; Werner, CR 1996, 727).
Bei Beachtung dieser Besonderheiten des Shareware-Vertriebs hätte das Berufungsgericht der Frage nachgehen müssen, ob der Verkehr die Hinweise auf die zusätzlichen Programme als das Angebot einer gebrauchstauglichen Software versteht, die bei Erwerb der Fax-Auskunft-CD mit erworben wird und für die im Falle dauerhaften Einsatzes nicht noch einmal ein Kaufpreis gefordert wird. Zwar kann das Verschweigen einer Tatsache nur dann als eine irreführende Angabe i.S. von § 3 UWG angesehen werden, wenn den Werbenden eine Aufklärungspflicht trifft. Eine solche Pflicht besteht, sofern sie nicht schon aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun begründet ist, im Wettbewerb nicht schlechthin. Denn der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres die Offenlegung aller - auch der weniger vorteilhaften - Eigenschaften einer Ware oder Leistung. Die Pflicht zur Aufklärung besteht jedoch in den Fällen, in denen das Publikum bei Unterbleiben des Hinweises in einem wesentlichen Punkt getäuscht würde, der den Kaufentschluß zu beeinflussen geeignet ist. Dabei deutet es im allgemeinen auf eine entsprechende Verkehrserwartung hin, wenn derartige Hinweise auf eine bestimmte negative Eigenschaft im Wettbewerb üblich sind (BGH, Urt. v. 3.12.1998 - I ZR 63/96, WRP 1999, 839 f. - Auslaufmodelle I, m.w.N.).
Daß vorliegend ein solcher Fall gegeben ist, liegt nicht fern. Denn der Verkehr wird bei einem gegen Entgelt angebotenen Datenträger, auf dem sich - neben der Datenbank - Anwendungsprogramme befinden, nicht ohne weiteres damit rechnen, daß diese im Preis für die CD enthaltenen Programme lediglich in einer in erster Linie Werbezwecken dienenden Fassung geliefert werden, die der Hersteller - ungeachtet der Möglichkeit, sie zunächst ohne oder nur mit geringen Einschränkungen einzusetzen - lediglich als eine Art Demonstrations- oder Prüfversion ansieht und die er daher den Interessenten im allgemeinen kostenlos oder gegen ein ganz geringes Entgelt für den Datenträger, auf dem sie sich befindet, zur Verfügung stellt, um ihnen den Erwerb der Vollversion nahezulegen.
b) Darüber hinaus kann sich die Irreführung im Streitfall auch daraus ergeben, daß die fraglichen Programme in ihrer Gebrauchstauglichkeit eingeschränkt waren. Denn der Verkehr rechnet - unabhängig von dem Umstand, daß es sich um Shareware-Versionen handelt - jedenfalls damit, daß die angebotenen Programme gebrauchstauglich sind, und erwartet einen Hinweis, wenn die üblichen Funktionen solcher Programme in einem wesentlichen Punkt eingeschränkt sind. Das Berufungsgericht hat hierzu - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Dem unstreitigen Parteivorbringen ist zu entnehmen, daß bei der Shareware-Version des Programms "WinMap" (auf der Hülle als Routenplaner beschrieben) die Druckfunktion fehlt und bei einem gleichwohl ausgeführten Druckbefehl eine Aufforderung erscheint, sich registrieren zu lassen ("Diese Funktion ist in der Shareware-Version von WinMap nicht enthalten! Bitte lassen Sie sich registrieren."). Allerdings haben die Beklagten gegenüber der Klägerin wegen der Werbung für das Programm "Routenplaner" ohne Hinweis auf die fehlende Druckfunktion eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, so daß die Wiederholungsgefahr entfallen sein dürfte. Bei dem Programm "Netto" erscheint bei Aufruf für zwanzig Sekunden eine Meldung, die den Benutzer darauf hinweist, daß es sich um eine Shareware-Version handelt und er sich registrieren lassen solle ("Dieses Programm ist eine Shareware! Dieser Hinweis dauert 20 Sekunden und ist die einzige Einschränkung zur Vollversion! Bitte lassen Sie sich registrieren!").
Auch wenn sich die Funktionsdefizite der Programme in dem beschriebenen Rahmen halten, kann eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Gegebenenfalls sind auch in diesem Punkt noch weitere Feststellungen zu treffen.
3. Das angefochtene Urteil kann danach in dem noch zur Überprüfung stehenden Umfang keinen Bestand haben.
Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung durch den Senat kommt nicht in Betracht, da Feststellungen zu der Frage fehlen, welche Erwartungen der Verkehr an Programme stellt, die - wie im Streitfall - zusätzlich neben einer Hauptleistung angeboten werden. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird Gelegenheit zur Klärung dieser Frage bestehen. Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht ausgeschlossen, daß das Berufungsgericht diese Frage auch ohne eine Verkehrsbefragung aufgrund eigener Sachkunde beantwortet.
III. Zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung der Irreführungsrichtlinie vom 10. September 1984 (84/450/EWG) bietet der Streitfall entgegen der Anregung der Revisionserwiderung keine Veranlassung.
Ende der Entscheidung
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