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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.06.1998
Aktenzeichen: I ZR 62/96
Rechtsgebiete: RBeratG, UWG
Vorschriften:
RBeratG Art. 1 § 1 Abs. 1 | |
UWG § 1 |
RBeratG Art. 1 § 1 Abs. 1; UWG § 1
Wer für (anonym bleibende) Dritte Titelschutzanzeigen in den dafür üblichen Veröffentlichungsblättern schaltet, besorgt damit keine fremde Rechtsangelegenheit i.S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBeratG.
BGH, Urt. v. 25. Juni 1998 - I ZR 62/96 - LG Köln
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 25. Juni 1998
Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 1998 durch die Richter Prof. Dr. Ullmann, Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck und Dr. Bornkamm
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 22. Februar 1996 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin einer bibliographischen Agentur. Sie befaßt sich mit der Auswertung angemeldeter und in Gebrauch genommener Titel. Sie schaltet im Auftrag von Kunden anonymisierte Titelschutzanzeigen. In der Zeitschrift "Titelschutzanzeiger" Nr. 173 veröffentlichte sie im Auftrag des Verlages G. die nachstehend wiedergegebene Anzeige:
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, hat in dieser Tätigkeit der Beklagten einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz und zugleich gegen § 1 UWG gesehen und Unterlassung von Veröffentlichungen der vorbezeichneten Art begehrt.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat in Abrede gestellt, durch die Veröffentlichung von Titelschutzanzeigen fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen; die Veröffentlichungen hätten für ihre Auftraggeber nur wirtschaftliche Bedeutung.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, Titelschutzanzeigen der vorstehend wiedergegebenen Art zu schalten.
Mit der (Sprung-)Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Landgericht hat den Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 Abs. 1 RBeratG für begründet gehalten und dazu ausgeführt: Die Beklagte besorge durch das Veröffentlichen der Titelschutzanzeigen für ihre Auftraggeber fremde Rechtsangelegenheiten, ohne im Besitz einer dafür erforderlichen Erlaubnis zu sein. Die Veröffentlichung bewirke eine Vorverlagerung der Priorität des geschützten Titels für ein später zu veröffentlichendes Werk und gestalte daher das auf dem späteren Erscheinen des Werks beruhende Recht des Auftraggebers aus § 15 MarkenG. Daß sich die Wirkungen einer Titelschutzanzeige nicht in einer besonderen Form der Marktsondierung erschöpften, werde schon daraus ersichtlich, daß sich der (künftige) Titelinhaber bereits nach der Veröffentlichung, aber noch vor der eigentlichen Benutzungsaufnahme auf sein Recht aus § 15 MarkenG berufen könne. Die Titelschutzanzeige sei auch keine bloße Wirtschaftsangelegenheit, die ihrer Art nach nicht als eine Betätigung auf rechtlichem Gebiet angesehen werde, da die wirtschaftlichen Vorteile der Veröffentlichung nicht unmittelbar einträten, sondern erst durch den rechtlichen Effekt vermittelt würden, worauf zur Beurteilung der Frage, ob eine Rechtsangelegenheit vorliege, maßgeblich abzustellen sei. Auch wenn die mit derartigen Geschäften regelmäßig befaßten Verkehrskreise die Schaltung von Titelschutzanzeigen wegen der Vertrautheit mit der Materie diese nicht als eine Betätigung auf rechtlichem Gebiet ansähen, könne hierauf zur Begrenzung des Anwendungsbereichs des Rechtsberatungsgesetzes nicht abgestellt werden, da dies zu einer bedenklichen Rechtsunsicherheit führen könne. Auf das Interesse der Auftraggeber der Beklagten, im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Titelschutzanzeigen noch nicht nach außen erkennbar werden zu wollen, komme es nicht an, da das Rechtsberatungsgesetz auch die reibungslose Abwicklung des Geschäftsverkehrs und den Schutz der Anwaltschaft bezwecke und deshalb nicht zur Disposition der beteiligten Verkehrskreise stehe. Weiter sei in der Veröffentlichung keine bloße Wirtschaftsangelegenheit zu sehen, weil sich die unmittelbaren Wirkungen zunächst im rechtlichen Bereich entwickelten und - anders als bei Bargeschäften des täglichen Lebens - die wirtschaftlichen Folgen erst mittelbar einträten, wenn das - unter Einsatz erheblicher Mittel noch zu schaffende Werk - zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werde. Für eine Einordnung der Veröffentlichung von Titelschutzanzeigen als Rechtsangelegenheit spreche ferner, daß die Patentanwaltsordnung in ihrer neuen Fassung zu den diesen übertragenen Aufgaben auch die Angelegenheiten zur Erlangung gewerblicher Schutzrechte zähle. In der veröffentlichten Anzeige werde zudem ausdrücklich auf § 16 UWG bzw. § 5 MarkenG Bezug genommen.
Die Beklagte besorge durch Schalten der Anzeige eine fremde Rechtsangelegenheit im Sinne des Gesetzes, da sie damit die Rechtsposition ihrer Auftraggeber fördere. Diese Tätigkeit sei keine völlig untergeordnete, reine Hilfstätigkeit ohne jede eigene Gestaltungsmöglichkeit, wie sie etwa ein Bote zu erbringen habe. Die Beklagte habe eine einer Treuhänderin vergleichbare Stellung. Sie könne durch die Veröffentlichung selbst Unterlassungspflichten ausgesetzt sein. Vorgeblich besser Berechtigte würden sich an diese wenden, um eine Lösung des Konflikts zu suchen. Bei der Veröffentlichung handele die Beklagte geschäftsmäßig und selbständig.
Das Schalten der Anzeige sei auch nicht ausnahmsweise nach Art. 1 § 5 Nr. 1 RBeratG ohne Erlaubnis gestattet, da es sich nicht um eine Hilfstätigkeit im Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb der Beklagten, dem Erfassen von Titeln und Titelschutzanzeigen, handele. Es bestehe keine allgemeine Erwartung, die recherchierende Agentur werde auch die Ankündigung eines Titels übernehmen. Den im Verlauf des Rechtsstreits vorgelegten Veröffentlichungen sei zu entnehmen, daß im Regelfall Rechtsanwälte Titel für Dritte ankündigten.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg.
Das Schalten von Titelschutzanzeigen für Dritte stellt keine Rechtsbesorgung i.S. des Art. 1 § 1 RBeratG dar.
1. Eine - erlaubnispflichtige - Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S. des Art. 1 § 1 RBeratG liegt dann vor, wenn die betreffende geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten (BGHZ 38, 71, 75; 48, 12, 19 f.; BGH, Urt. v. 16.3.1989 - I ZR 30/87, GRUR 1989, 437, 438 = WRP 1989, 508 - Erbensucher; Urt. v. 18.5.1995 - III ZR 109/94, NJW 1995, 3122). Zur Abgrenzung erlaubnisfreier wirtschaftlicher Tätigkeit von Rechtsbesorgung ist, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist, auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen. Es ist danach zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht (BGHZ 102, 128, 130; BGH, Urt. v. 24.6.1987 - I ZR 74/85, GRUR 1987, 714, 715 = WRP 1987, 726 - Schuldenregulierung; BGH NJW 1995, 3122 m.w.N.).
Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann in Anbetracht der Tatsache, daß nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und kaum eine wirtschaftliche Betätigung ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden (vgl. auch BVerfG Mitt. 1998, 136, 139). Es bedarf vielmehr einer abwägenden Beurteilung der Merkmale des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich hierbei um Rechtsbesorgung handelt, die der einzelne Auftraggeber außer von Rechtsanwälten nur durch eigene Angestellte erhalten darf, oder ob es um eine Tätigkeit geht, welche von Selbständigen erfüllt werden kann, ohne daß die Qualität der Dienstleistung oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beeinträchtigt wird.
2. Entgegen der Beurteilung des Landgerichts kann das bloße Schalten von Titelschutzanzeigen, das die Beklagte im Auftrag ihrer Kunden vornimmt, nicht als eine Rechtsbesorgung i.S. des Art. 1 § 1 RBeratG angesehen werden.
Die Feststellung, daß die Veröffentlichung einer Titelschutzanzeige bei alsbaldigem Erscheinen eines Werkes mit diesem Titel dessen Zeitrang auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige vorverlegt (BGHZ 108, 89, 93 - Titelschutzanzeige), reicht nicht aus, um die Veröffentlichung der Titelschutzanzeige durch einen Dritten als die Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit zu qualifizieren. Es handelt sich bei der Schaltung der Titelschutzanzeige wie bei der Ingebrauchnahme des Werktitels selbst um einen tatsächlichen Vorgang, der rechtliche Wirkungen zeitigt. Während grundsätzlich die Veröffentlichung eines Werkes unter einem bestimmten Titel das Recht an diesem Werktitel entstehen läßt (§ 5 Abs. 3 MarkenG), verschafft die vorweggeschaltete Titelschutzanzeige dem angekündigten Titel auch den Schutz gegenüber erst nach der Veröffentlichung der Anzeige entstehenden Rechten Dritter. Unterbleibt die alsbaldige Veröffentlichung des Werkes unter dem angekündigten Titel, kommt der Titelschutzanzeige keinerlei rechtsbegründende Bedeutung zu.
Die Anerkennung der Vorverlegung des Titelschutzes auf den Zeitpunkt der öffentlichen Titelankündigung entspricht dem Bedürfnis der beteiligten Verkehrskreise. Sowohl auf seiten des den Titel ankündigenden Verlegers als auch auf seiten seiner Mitbewerber besteht ein erhebliches (wirtschaftliches) Interesse daran, möglichst frühzeitig über den Titel eines geplanten Verlagsobjekts zu informieren bzw. informiert zu werden. Der Ankündigende ist im Hinblick auf die mit der Herausgabe eines neuen Verlagsobjekts in der Regel verbundenen beträchtlichen Investitionen vor allem daran interessiert, Dritte, die prioritätsältere Rechte an demselben oder einem verwechslungsfähigen Titel beanspruchen, zu einem baldigen Widerspruch zu veranlassen. Andererseits dient die Ankündigung aber auch dazu, Mitbewerber davon abzuhalten, bei der Wahl eigener Titel in den Verwechslungsbereich prioritätsälterer Titel zu geraten (BGHZ 108, 89, 93 - Titelschutzanzeige). Diese im Tatsächlichen begründeten Wirkungen der Titelschutzanzeige reichen aber nicht für die Beurteilung aus, die Beklagte nehme bei der Veröffentlichung der Anzeigen rechtliche Belange ihrer Auftraggeber wahr. Es liegen auch sonst keine auf eine Rechtsbesorgung hinweisenden Merkmale in dem beanstandeten Verhalten der Beklagten vor.
a) Verlage oder Privatpersonen, die eine Schaltung von Titelschutzanzeigen zum Zweck der Erlangung einer Priorität in Auftrag geben, bedürfen keiner Beratung, die auf der Grundlage von Kenntnissen und Fertigkeiten erfolgen müßte, die nur durch ein Studium oder langjährige Berufserfahrung vermittelt werden. Sie können selbst beurteilen, ob eine Titelschutzanzeige sinnvoll ist und zu welchem Zeitpunkt sie erscheinen soll. Die Entscheidung darüber, ob eine Titelschutzanzeige geschaltet werden soll, treffen die Auftraggeber unabhängig von einer beratenden Tätigkeit der Beklagten. Die Beklagte hat bei der Gestaltung der Anzeigen auch keinen Ermessensspielraum. Die notwendigen Angaben in dem Inserat ergeben sich ohne weiteres aus dessen Funktion, eine Priorität an einem Titel bei Anonymität des Verlegers oder des Autors des Werkes zu begründen. Es läßt sich kein Bedürfnis der Auftraggeber erkennen, insoweit fachlich beraten zu werden. Bei den vom Landgericht in diesem Zusammenhang hervorgehobenen rechtlichen Wirkungen der Anzeige und der aufgezeigten - allerdings eher fernliegenden - Möglichkeit, daß die Beklagte selbst von einem Berechtigten an einem prioritätsälteren Titel in eine Auseinandersetzung um den beanspruchten Titel einbezogen wird, handelt es sich lediglich um Reflexwirkungen, die das beanstandete Verhalten selbst aber nicht zu einer Rechtsbesorgung werden lassen.
b) Aus der Tatsache, daß das den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Verbot des Schaltens der Anzeige eine formalisierte Handlung zum Inhalt hat, bei der der Beklagten keine Gestaltungsmöglichkeiten bleiben, folgt auch, daß die von der Beklagten ausgeübte Tätigkeit die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht berührt.
c) Anders als der Kläger meint, ist es auch unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung eines leistungsfähigen Anwaltsstandes nicht geboten, das Schalten von Titelschutzanzeigen dieser Berufsgruppe vorzubehalten. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Mitt. 1998, 136, 140) in diesem Zusammenhang auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gesetzlich festgelegter Berufe Bedacht zu nehmen. Der Konkurrenzschutz als solcher gehört aber nicht zu den Belangen des Gemeinwohls. Das Landgericht hat zudem keine Feststellungen getroffen, daß eine fühlbare Beeinträchtigung der für eine ordnungsgemäße Rechtspflege benötigten Anwaltschaft zu besorgen wäre.
III. Danach war auf die Revision der Beklagten das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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