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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.05.1999
Aktenzeichen: I ZR 84/97
Rechtsgebiete: BGB, ADSp
Vorschriften:
BGB § 387; | |
ADSp § 32, Fassung 1. März 1989 |
Für die Beurteilung, ob sich ein Kläger, der für im Güternahverkehr erbrachte Transportleistungen eine Vergütung geltend macht, auf das Aufrechnungsverbot gemäß § 32 ADSp a.F. berufen kann, ist das Regelwerk der Klageforderung und nicht dasjenige der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung maßgebend.
BGH, Urt. v. 6. Mai 1999 - I ZR 84/97 - OLG Hamm LG Essen
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 6. Mai 1999
Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Dr. Bornkamm und Pokrant
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Februar 1997 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Spediteure und standen miteinander in Geschäftsbeziehungen. Auf ihren Geschäftspapieren wiesen sie wechselseitig darauf hin, daß sie auf der Grundlage der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) tätig werden.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten - neben Ersatz von Mahn- und Inkassokosten - Zahlung von Frachtentgelt in Höhe von 11.331,79 DM für im Juni 1995 erbrachte Transportleistungen, die nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin im Güternahverkehr durchgeführt wurden. Grund und Höhe dieser Forderung sind unstreitig. Die Beklagte hat jedoch die Aufrechnung mit einer behaupteten Schadensersatzforderung gegen die Klägerin erklärt und dazu vorgetragen:
Die Klägerin habe in ihrem Auftrag am 2. Mai 1995 u.a. drei Paletten mit jeweils 48 Paketen Zigaretten im Güterfernverkehr von Herten nach Seevetal (bei Hamburg) befördert. Der Fahrer habe das Transportgut auf ihrem, der Beklagten, Betriebsgelände in Herten vollständig übernommen. Bei der Entladung am Empfangsort hätten 17 Kartons Zigaretten gefehlt. Die Versenderin der Zigaretten habe ihr deshalb 11.331,79 DM als Schaden in Rechnung gestellt. Diesen Betrag mache sie gegen die Klägerin als Schadensersatz geltend und rechne damit gegen die Klageforderung auf.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten und hat behauptet, die drei Paletten, die in Folie eingeschweißt gewesen seien, unversehrt und wie übernommen bei der Empfängerin abgeliefert zu haben. Ferner hat sie sich auf das Aufrechnungsverbot nach § 32 ADSp in der Fassung vom 1. März 1989 (im folgenden: ADSp a.F.) berufen.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der geltend gemachten Frachtvergütung stattgegeben und sie hinsichtlich der weiter verlangten Mahn- und Inkassokosten abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit der (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten erklärte Aufrechnung als unbeachtlich angesehen, da ihr das Aufrechnungsverbot gemäß § 32 ADSp a.F. entgegenstehe. Dazu hat es ausgeführt:
Die ADSp seien Vertragsinhalt geworden. Gegen die Vereinbarkeit von § 32 ADSp a.F. mit § 9 AGBG bestünden keine Bedenken. Das Aufrechnungsverbot sei allerdings einschränkend dahin auszulegen, daß es u.a. nicht gelte, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung ohne weitere Beweisaufnahme entscheidungsreif sei oder im Rahmen der Beweiserhebung über die Begründetheit der Klageforderung ohne Verzögerung auch die Beweise über das Bestehen der Gegenforderung erhoben werden könnten. Im Streitfall sei keiner dieser Ausnahmetatbestände gegeben.
Der teilweise vertretenen Auffassung, ein Aufrechnungsverbot entfalle auch dann, wenn das Gericht durch isolierte Beweiserhebung zur Begründetheit der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung den Streit der Parteien insgesamt entscheidungsreif machen könne, sei zwar im Ansatz beizutreten. Das setze aber voraus, daß das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, durch vorbereitende Ladung und anschließende Vernehmung von Zeugen den Streit über die Gegenforderung abschließend entscheiden zu können. Daran fehle es im Streitfall, weil das Landgericht die vorbereitend geladenen Zeugen nicht vernommen habe. Der Klägerin sei es daher nicht wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf das wirksam vereinbarte Aufrechnungsverbot zu berufen, da dessen Sinn, eine Zahlungsverzögerung zu verhindern, wenn der Schuldner die Aufrechnung mit einer zweifelhaften Gegenforderung erkläre, nicht entfallen sei.
Dem Aufrechnungsverbot stünden auch sonstige gesetzliche Bestimmungen nicht entgegen. Die Vorschriften der Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (KVO) sagten nichts über ein Aufrechnungsverbot und dessen Zulässigkeit aus. Die KVO gehe zwar - wie deren § 40 Abs. 5 zeige - von der grundsätzlichen Aufrechenbarkeit einer jeden Gegenforderung aus; sie habe damit im Grundsatz die Regelung des § 387 BGB übernommen. Daraus könne aber nicht der Rückschluß gezogen werden, die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes sei ausgeschlossen. Denn § 387 BGB schließe dies auch nicht aus.
Ebensowenig lasse sich die Unzulässigkeit der Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes aus § 26 GüKG 1995 herleiten, wonach die dem Unternehmer obliegende Haftung durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden könne. Denn bei der Frage, ob ein Aufrechnungsverbot zulässig sei, gehe es nicht um die Haftung des Unternehmers, sondern lediglich um die Art der Durchsetzung eines bestehenden Anspruchs des Versenders.
Schließlich stehe auch § 22 GüKG 1995, der bestimme, daß die Vorschriften der KVO zwingend seien und eine abweichende Abrede nicht möglich sei, einem Aufrechnungsverbot nicht entgegen, weil die Bestimmungen der KVO die Vereinbarung eines derartigen Verbots nicht ausschlössen. Die Vorschrift des § 22 GüKG 1995 wolle lediglich Abreden verhindern, mit denen die besonderen Regelungen der KVO abbedungen würden. Der Bestimmung sei dagegen nicht zu entnehmen, daß auch ergänzend heranzuziehendes, dispositives Gesetzesrecht zwingend sein solle und durch Parteivereinbarung nicht abgeändert werden könne.
II. Die Revision hat keinen Erfolg.
Die unstreitige Klageforderung in Höhe von 11.331,79 DM aus Transporten, die die Klägerin im Juni 1995 für die Beklagte durchgeführt hat, ist nicht durch Aufrechnung erloschen. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der von der Beklagten erklärten Aufrechnung das in § 32 ADSp a.F. enthaltene Aufrechnungsverbot entgegensteht.
1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß die ADSp Inhalt der den streitgegenständlichen Frachtvergütungsansprüchen zugrundeliegenden Transportverträge geworden sind, da beide Parteien als Spediteure Kaufleute sind, für die die ADSp ohne besondere Vereinbarung kraft stillschweigender Unterwerfung gelten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 1.6.1979 - I ZR 103/78, VersR 1979, 901, 902; Urt. v. 10.5.1984 - I ZR 52/82, TranspR 1984, 283, 285 f.; Urt. v. 24.10.1996 - I ZR 133/94, TranspR 1997, 161, 162 = VersR 1997, 473). Damit ist grundsätzlich auch das in § 32 ADSp a.F. enthaltene Aufrechnungsverbot Bestandteil der Transportverträge geworden, aus denen die Klägerin ihre nach Grund und Höhe unstreitigen Ansprüche herleitet.
Zutreffend hat das Berufungsgericht die Regelung des § 32 ADSp a.F. mit den Bestimmungen des AGBG, insbesondere § 9 AGBG, für vereinbar gehalten (vgl. BGH, Urt. v. 26.2.1987 - I ZR 110/85, TranspR 1987, 287, 288; Urt. v. 14.12.1988 - I ZR 235/86, VersR 1989, 309, 310). Die Revision erhebt insoweit auch keine Beanstandungen.
2. Das Berufungsgericht hat geprüft, ob dem von der Klägerin geltend gemachten Aufrechnungsverbot nach § 32 ADSp a.F. Bestimmungen der KVO entgegenstehen und hat dabei an den von der Klägerin für die Beklagte im Güterfernverkehr durchgeführten Transport angeknüpft, auf den es die KVO für anwendbar gehalten hat. Hierbei hat das Berufungsgericht jedoch verkannt, daß es für die Beurteilung des Aufrechnungsverbots nicht auf den im Güterfernverkehr von Herten nach Seevetal durchgeführten Transport, sondern - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - auf die von der Klägerin unstreitig im Güternahverkehr für die Beklagte erbrachten Transportleistungen ankommt, für die sie die mit der Klage geltend gemachte Vergütung beansprucht. Denn es geht darum, ob die von der Beklagten erklärte Aufrechnung gegenüber diesen Forderungen gemäß § 32 ADSp a.F. ausgeschlossen ist. Hierfür ist das Regelwerk der Klageforderung maßgebend.
Nach § 1 Abs. 1 KVO gelten die Bestimmungen dieser Verordnung nur für den gewerblichen Güterfernverkehr i.S. von § 3 GüKG. Auf die hier maßgeblichen Transportverträge, die unstreitig Beförderungen im Güternahverkehr zum Gegenstand hatten, finden sie mithin keine Anwendung.
Auf die gegen die Annahme des Berufungsgerichts gerichteten Angriffe der Revision, Vorschriften der KVO und die Regelung des § 22 GüKG 1995 i.V. mit § 20 GüKG 1995 stünden der Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots nicht entgegen, kommt es danach nicht an.
Die Bestimmungen der KVO sind auch nicht über § 26 GüKG 1995 anwendbar, da diese Vorschrift einen Transport im Güterfernverkehr voraussetzt.
3. Entgegen der Auffassung der Revision sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 32 ADSp a.F. erfüllt. Danach ist eine Aufrechnung nur mit fälligen Gegenansprüchen zulässig, denen ein Einwand nicht entgegensteht. Die Regelung soll verhindern, daß die Durchsetzung der Ansprüche des Spediteurs oder des Auftraggebers durch Aufrechnung mit Gegenforderungen verzögert wird, die nach Grund und Höhe streitig sind und der Aufklärung bedürfen (vgl. BGH TranspR 1987, 287). Wenn § 32 ADSp a.F. nur fällige Gegenansprüche zuläßt, denen kein Einwand entgegensteht, so ist das dahin zu verstehen, daß der Spediteur bzw. Aufftraggeber in der Lage sein muß, der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung mit Einwendungen im weitesten Sinne zu begegnen, die nicht ohne weiteres als unbegründet erkannt werden können und daher eine sofortige Entscheidung über den Aufrechnungseinwand zugunsten des Auftraggebers nicht zulassen (BGHZ 12, 136, 143).
Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Einwendungen der Klägerin gegen die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung eine Beweisaufnahme erfordern würden. Denn nach dem unter Zeugenbeweis gestellten Sachvortrag der Klägerin hat ihr Fahrer die bei der Beklagten in Empfang genommenen, mit Zigaretten beladenen Paletten der Empfängerin exakt in dem Zustand und mit derselben Anzahl an Kartons übergeben, wie er sie auf dem Betriebsgelände der Beklagten verladen hat. Danach würde ein Schadensersatzanspruch der Beklagten aus § 29 KVO nicht in Betracht kommen, weil der behauptete Verlust nicht während der Obhutszeit der Klägerin eingetreten wäre.
Entgegen dem Vorbringen der Revision kann es nicht aufgrund von unbestrittenen Urkunden als erwiesen angesehen werden, daß die Klägerin für den Verlust von 17 Kartons Zigaretten verantwortlich ist und deshalb Schadensersatz zu leisten hat. Die Beweiskraft von Privaturkunden erstreckt sich grundsätzlich nur darauf, daß entsprechende Erklärungen abgegeben worden sind (§ 416 ZPO). Ob die in der Privaturkunde enthaltenen Angaben zutreffen, unterliegt hingegen der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1993 - IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379, 1380 m.w.N.; Zöller/Geimer, ZPO, 21. Aufl., § 416 Rdn. 9). Der Annahme der Revision, aus der Gewichtsangabe für die drei mit Zigaretten beladenen Paletten im Ladeplan (1.133 kg) ergebe sich, daß bei Übernahme der Paletten durch den Fahrer der Klägerin jedenfalls keine Fehlmenge vorgelegen haben könne, wie sie bei der Ablieferung am Empfangsort festgestellt worden sei, hält die Revisionserwiderung mit Recht entgegen, daß die Beklagte nicht bewiesen hat, daß die Abweichung des im Ladeplan angegebenen Gesamtgewichts von 1.133 kg von dem auf der Grundlage der Versenderangabe im Schreiben vom 29. Februar 1996 errechneten Gesamtgewicht (1.054,2 kg) allein auf Verpackung und Feuchtigkeitsgehalt der Zigaretten beruhte. Danach erscheint es jedenfalls nicht unverständlich, daß das Berufungsgericht eine Zeugenvernehmung für erforderlich gehalten hat, zumal die Klägerin Beweis dafür angetreten hat, ihr Fahrer habe die Paletten im selben Zustand abgeliefert wie er sie empfangen habe.
Die Aufrechnung der Beklagten erweist sich nach alledem als unzulässig.
III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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