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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.06.2007
Aktenzeichen: II ZB 23/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 69
ZPO § 101 Abs. 2
ZPO § 100

Entscheidung wurde am 17.07.2007 korrigiert: im Leitsatz muß es statt "§ 100 Abs. 1 ZPO" richtig "§ 101 Abs. 1 ZPO" und statt "§ 100 Abs. 2" richtig "§ 101 Abs. 2" heißen
Der in § 101 Abs. 1 ZPO geregelte Grundsatz der Kostenparallelität gilt nur in Fällen einfacher Nebenintervention. Handelt es sich um eine streitgenössische Nebenintervention (§ 69 ZPO, hier: Beitritt von Aktionären zu einer von anderen Aktionären geführten Anfechtungs-/bzw. Nichtigkeitsklage), sind ausschließlich § 101 Abs. 2, § 100 ZPO anzuwenden, so dass über die Kosten des Nebenintervenienten eigenständig und unabhängig von der gegenüber der unterstützten Hauptpartei zu treffenden Kostenentscheidung zu befinden ist.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

II ZB 23/06

vom 18. Juni 2007

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Prof. Dr. Gehrlein, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2006 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten zu 2 gegen den Beschluss der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Der Nebenintervenient zu 2 trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.

Gegenstandswert: 5.000,00 €.

Gründe:

I. Die Kläger und die Nebenintervenienten sind Aktionäre der Beklagten. Die auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 7. Januar 2005 unter den Tagungsordnungspunkten 2 und 3.1 bis 3.11 gefassten Beschlüsse sind von dem Kläger zu 1 und die unter dem Tagungsordnungspunkt 3 gefassten Beschlüsse von den Klägern zu 2 bis 4 mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage angegriffen worden. Die Nebenintervenientin zu 1 ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers zu 1, der Nebenintervenient zu 2 auf Seiten der Klägerin zu 2 beigetreten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben die Kläger und die Beklagte einen Vergleich geschlossen, durch den sich die Kläger zur Rücknahme ihrer Klage und die Beklagte im Gegenzug zur Übernahme der den Klägern entstandenen Gerichtskosten sowie der Gebühren und Auslagen ihrer Prozessbevollmächtigten aus einem Streit- bzw. Gegenstandswert i.H.v. 100.000,00 € verpflichtetet haben. Nach Rücknahme der Klage haben die Nebenintervenienten beantragt, ihre außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Das Landgericht hat den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten zu 2 hat das Oberlandesgericht die durch seine Nebenintervention verursachten Kosten der Beklagten auferlegt. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts. Der Nebenintervenient zu 2 hat entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts keinen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten durch die Beklagte.

1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, aus § 101 Abs. 1 ZPO werde der allgemeine Rechtsgrundsatz hergeleitet, dass der Nebenintervenient hinsichtlich seiner Kosten genauso zu behandeln sei wie die von ihm unterstützte Partei ("Kostenparallelität") und eine von der Hauptpartei durch Vergleich getroffene Regelung auch dann für den Streithelfer maßgeblich sei, wenn er an dem Vergleich nicht teilgenommen habe oder die Kosten der Nebenintervention ausdrücklich ausgenommen worden seien. Es sei entgegen im Schrifttum vertretener Auffassung kein Grund erkennbar und von § 101 Abs. 2 ZPO nicht gefordert, den streitgenössischen Nebenintervenienten dort, wo sich seine gegenüber dem einfachen Nebenintervenienten abweichende Rechtsstellung nicht niederschlage, kostenmäßig anders zu behandeln als den "einfachen" Nebenintervenienten. Dieses Ergebnis stehe nicht in Widerspruch zu der Entscheidung BGH JZ 1985, 853, die maßgeblich auf das dort von der Beklagten erklärte Anerkenntnis gestützt worden sei, das, weil ein Fall des § 93 ZPO offenbar nicht vorgelegen habe, ohne die eingetretene Erledigung und die damit nach § 91 a ZPO zu treffende Kostenentscheidung zur Kostentragung der Beklagten nach § 91 ZPO geführt hätte.

2. Dies begegnet, wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) § 101 Abs. 1 ZPO regelt die Frage, wer für die durch eine unselbständige Nebenintervention (§ 67 ZPO) verursachten Kosten aufzukommen hat, in der Weise, dass sie dem Gegner der unterstützten Hauptpartei aufzuerlegen sind, soweit er nach §§ 91 bis 98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Wegen des danach maßgeblichen Grundsatzes der Kostenparallelität entspricht der Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten inhaltlich dem Kostenerstattungsanspruch, den die von ihm unterstützte Hauptpartei gegen den Gegner hat (BGHZ 154, 351, 354; Sen.Beschl. v. 14. Juli 2003 - II ZB 15/02, NJW 2003, 3354). Übernimmt der Gegner durch einen Vergleich die Kosten der Hauptpartei, kann auch der unselbständige Nebenintervenient von ihm Erstattung seiner Kosten verlangen (BGH, Beschl. v. 23. Januar 1967 - III ZR 15/64, NJW 1967, 983 f.).

b) Diese Kostengrundsätze finden jedoch - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet - im Streitfall keine Anwendung, weil es sich wegen der durch §§ 248, 249 AktG angeordneten Rechtskrafterstreckung (Sen.Urt. v. 1. März 1999 - II ZR 305/97, ZIP 1999, 580 f.) um eine streitgenössische Nebenintervention (§ 69 ZPO) handelt und mithin nicht § 101 Abs. 1, sondern § 101 Abs. 2 ZPO einschlägig ist, so dass über die außergerichtlichen Kosten der Partei und ihres streitgenössischen Nebenintervenienten eine jeweils eigenständige Entscheidung zu ergehen hat. Dem Nebenintervenienten zu 2 steht nach Rücknahme der Klage durch die von ihm unterstützte Klägerin zu 2 wegen der Kostenvorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu.

aa) Für die streitgenössische Nebenintervention gilt "ausschließlich" die Kostenregelung des § 101 Abs. 2, § 100 ZPO (Musielak/Wolst, ZPO 5. Aufl. § 101 Rdn. 1; MünchKommZPO/Belz, 2. Aufl. § 101 Rdn. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 27. Aufl. § 101 Rdn. 9; HK-ZPO/Gierl § 101 Rdn. 15; Andreas Sturm, NZG 2006, 921, 924), die den streitgenössischen Nebenintervenienten - wie es bereits dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprach (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen Band 2, 2. Aufl., Nachdruck der Ausgabe Berlin 1981, 1983, S. 202) - kostenrechtlich uneingeschränkt einem Streitgenossen der Hauptpartei gleichstellt. Die in der Verweisung des § 101 Abs. 2 ZPO auf § 100 ZPO zum Ausdruck kommende Unanwendbarkeit des Grundsatzes der Kostenparallelität im Verhältnis zwischen Hauptpartei und streitgenössischem Nebenintervenienten beruht auf dessen im Vergleich zu einem einfachen Streitgenossen rechtlich selbständigeren Stellung (Sen. Beschl. v. 3. Juni 1985 - II ZR 284/84, JZ 1985, 853 f.). Der von dem Oberlandesgericht und der Rechtsbeschwerdeerwiderung befürwortete ergänzende Rückgriff auf § 101 Abs. 1, § 98 ZPO ist daher mit der eindeutigen Gesetzeslage nicht zu vereinbaren (Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 101 Rdn. 8). Der Kostenerstattungsanspruch des einzelnen Streitgenossen bestimmt sich entsprechend den aus § 100 ZPO hergeleiteten Kostengrundsätzen nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner. Daran anknüpfend ist auch über die Kosten eines streitgenössischen Nebenintervenienten eigenständig und unabhängig von der für die unterstützte Hauptpartei getroffenen Kostenentscheidung auf der Grundlage der für ihn maßgeblichen Umstände zu befinden. Aus dieser Erwägung hat der Senat im Rahmen einer nach § 91 a ZPO ergangenen Kostentscheidung das von der unterstützten Hauptpartei abgegebene Anerkenntnis bei der ihr gegenüber zu treffenden Kostenentscheidung berücksichtigt, es aber - was das Oberlandesgericht verkannt hat - nicht zum Nachteil des streitgenössischen Nebenintervenienten gewertet, sondern insoweit auf die mutmaßlichen Erfolgsaussichten der Klage abgestellt (Beschl. v. 3. Juni 1985 aaO).

bb) Über die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten zu 2 ist danach ohne Rückgriff auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich, der hierfür keine Regelung enthält, gesondert zu entscheiden. Infolge der Rücknahme der Klage durch die von ihm unterstützte Klägerin zu 2 hat der Nebenintervenient zu 2 gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen (OLG Köln MDR 1986, 503; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 269 Rdn. 18 a).

Ende der Entscheidung

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