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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.03.2008
Aktenzeichen: II ZB 24/07
Rechtsgebiete: KapMuG, ZPO


Vorschriften:

KapMuG § 1
KapMuG § 1 Abs. 1 Satz 1
KapMuG § 1 Abs. 3 Satz 2
KapMuG § 4
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

II ZB 24/07

vom 12. März 2008

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Senats für Kapitalanleger-Musterverfahren des Oberlandesgerichts München vom 10. Juli 2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 615,19 € festgesetzt.

Gründe:

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte zu 1 - eine börsennotierte Aktiengesellschaft - und die Beklagten zu 2 und 3 - ehemalige Mitglieder des Vorstands der Beklagten zu 1 - Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen geltend. Im ersten Rechtszug hat er mit Schriftsätzen vom 23. September 2006 und 18. Dezember 2006 zwei Musterfeststellungsanträge i.S. des § 1 KapMuG gestellt. Das Landgericht hat durch Urteil "den" Antrag als unzulässig zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen das Urteil sofortige Beschwerde und Berufung eingelegt. Mit der Beschwerde hat er beantragt, das landgerichtliche Urteil hinsichtlich der Zurückweisung des Musterfeststellungsantrags aufzuheben und festzustellen, dass die Musterfeststellungsanträge vom 23. September 2006 und 18. Dezember 2006 zulässig sind. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat zu Recht die sofortige Beschwerde als das statthafte Rechtsmittel angesehen, obwohl das Landgericht durch Urteil entschieden hatte. Ein unzulässiger Musterfeststellungsantrag ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KapMuG durch Beschluss zurückzuweisen. Das gilt auch dann, wenn gleichzeitig die zugrunde liegende Klage abgewiesen wird. Damit konnte der Kläger das Urteil, soweit darin der Musterfeststellungsantrag zurückgewiesen worden war, mit der sofortigen Beschwerde anfechten (vgl. Gummer/Heßler in Zöller, ZPO 26. Aufl. Vor § 511 Rdn. 30).

2. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, ein Musterfeststellungsverfahren könne nur im ersten Rechtszug in Gang gesetzt werden, dieser sei aber durch das Urteil des Landgerichts beendet, und den zweiten Musterfeststellungsantrag habe das Landgericht inzident zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

Wie der Senat zwischenzeitlich mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 (II ZB 15/07, ZIP 2008, 137, Tz. 7 ff.) entschieden hat, ist ein Musterfeststellungsantrag u.a. dann zurückzuweisen, wenn der Rechtsstreit nach Einlegung der Berufung nicht mehr in der ersten Instanz anhängig ist.

Ein Musterfeststellungsantrag kann gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur im ersten Rechtszug gestellt werden. Er soll in einem möglichst frühen Stadium des Prozesses dazu führen, dass eine verallgemeinerungsfähige Tatsachen- oder Rechtsfrage i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG mit Bindungswirkung auch für andere, gleichartige Verfahren geklärt wird. Der Antrag ist nach Wortlaut und Systematik der Norm unzulässig, wenn er erst in der Berufungsinstanz gestellt wird. Nach § 4 KapMuG muss nämlich auf einen zulässigen Musterfeststellungsantrag hin die Sache, sofern mindestens neun weitere Anträge fristgerecht gestellt worden sind, dem zuständigen Oberlandesgericht mit bindendem Beschluss vorgelegt werden. Das setzt ein noch anhängiges erstinstanzliches Verfahren voraus.

Hier hat der Kläger zwar die Musterfeststellungsanträge im ersten Rechtszug gestellt. Über diese Anträge kann aber nicht mehr in jenem Rechtszug entschieden werden, nachdem der Rechtsstreit mittlerweile durch Einlegung der Berufung in der Rechtsmittelinstanz anhängig geworden ist. Auch eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung im Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren kommt bei dieser Prozesslage nicht in Betracht. Denn auch dafür gilt der Grundsatz, dass nach dem Ende der Anhängigkeit des Rechtsstreits in erster Instanz ein Musterverfahren nicht mehr eingeleitet werden kann.

Schließlich ist auch nichts gegen die Annahme des Berufungsgerichts zu erinnern, der zweite Musterfeststellungsantrag vom 18. Dezember 2007 sei in schlüssiger Weise durch das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen worden.

Ende der Entscheidung

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