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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.03.2008
Aktenzeichen: II ZB 30/07
Rechtsgebiete: KapMuG, ZPO
Vorschriften:
KapMuG § 1 | |
KapMuG § 1 Abs. 1 Satz 1 | |
KapMuG § 4 | |
ZPO § 551 Abs. 2 Satz 6 | |
ZPO § 575 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 | |
ZPO § 575 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 12. März 2008
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart
beschlossen:
Tenor:
1. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Senats für Kapitalanleger-Musterverfahren des Oberlandesgerichts München vom 24. August 2007 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 11. Oktober 2007 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
2. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.822,32 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Kläger machen gegen die Beklagte zu 1 - eine börsennotierte Aktiengesellschaft - und die Beklagten zu 2 und 3 - ehemalige Mitglieder des Vorstands der Beklagten zu 1 - Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen geltend. Im ersten Rechtszug haben sie mit Schriftsätzen vom 23. September 2006 und 18. Dezember 2006 zwei Musterfeststellungsanträge i.S. des § 1 KapMuG gestellt. Das Landgericht hat diese Anträge durch Beschluss zurückgewiesen. Die Klage hat es durch Urteil vom selben Tage abgewiesen. Die Kläger haben gegen den Beschluss sofortige Beschwerde und gegen das Urteil Berufung eingelegt. Mit der Beschwerde haben sie beantragt, den Beschluss des Landgerichts aufzuheben und festzustellen, dass die Musterfeststellungsanträge zulässig sind. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Kläger.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und rechtzeitig, nämlich innerhalb der einmonatigen Frist des § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO, eingelegt worden. Dass in der Rechtsbeschwerdeschrift vom 20. September 2007 als Rechtsbeschwerdeführerin eine Frau S. T. genannt ist und erst am 14. November 2007 eine Rechtsbeschwerde- und -begründungsschrift für M. und D. K. eingereicht worden ist, steht nicht entgegen. Denn auch in dem Beschluss des Beschwerdegerichts vom 24. August 2007 ist als Beschwerdeführerin Frau T. aufgeführt, und dieser Beschuss ist erst mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 hinsichtlich der Personen der Beschwerdeführer berichtigt worden. Danach kommt es nicht darauf an, dass durch die Zustellung eines Berichtigungsbeschlusses grundsätzlich keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt wird (BGHZ 89, 184; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 319 Rdn. 25, zur Ausnahme bei Parteiverwechslung aber BGHZ 17, 149). In entsprechender Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (Zöller/Gummer/Heßler aaO Vor § 511 Rdn. 30) hat eine Rechtsmittelschrift, die den in dem angefochtenen Beschluss genannten Namen verwendet, jedenfalls dieselben Wirkungen wie eine unter der richtigen Parteibezeichnung erstellte Rechtsmittelschrift. Die Rechtsbeschwerde ist auch rechtzeitig begründet worden, da die Begründungsfrist mit Verfügung vom 25. September 2007 gemäß § 575 Abs. 2, § 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO bis zum 3. Dezember 2007 verlängert worden ist.
III. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, ein Musterfeststellungsverfahren könne nur im ersten Rechtszug in Gang gesetzt werden, dieser sei aber durch das Urteil des Landgerichts beendet. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
Wie der Senat zwischenzeitlich mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 (II ZB 15/07, ZIP 2008, 137, Tz. 7 ff.) entschieden hat, ist ein Musterfeststellungsantrag u.a. dann zurückzuweisen, wenn der Rechtsstreit nach Einlegung der Berufung nicht mehr in der ersten Instanz anhängig ist.
Ein Musterfeststellungsantrag kann gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur im ersten Rechtszug gestellt werden. Er soll in einem möglichst frühen Stadium des Prozesses dazu führen, dass eine verallgemeinerungsfähige Tatsachen- oder Rechtsfrage i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG mit Bindungswirkung auch für andere, gleichartige Verfahren geklärt wird. Der Antrag ist nach Wortlaut und Systematik der Norm unzulässig, wenn er erst in der Berufungsinstanz gestellt wird. Nach § 4 KapMuG muss nämlich auf einen zulässigen Musterfeststellungsantrag hin die Sache, sofern mindestens neun weitere Anträge fristgerecht gestellt worden sind, dem zuständigen Oberlandesgericht mit bindendem Beschluss vorgelegt werden. Das setzt ein noch anhängiges erstinstanzliches Verfahren voraus.
Hier haben die Kläger zwar die Musterfeststellungsanträge im ersten Rechtszug gestellt. Über diese Anträge kann aber nicht mehr in jenem Rechtszug entschieden werden, nachdem der Rechtsstreit mittlerweile durch Einlegung der Berufung in der Rechtsmittelinstanz anhängig geworden ist. Auch eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung im Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren kommt bei dieser Prozesslage nicht in Betracht. Denn auch dafür gilt der Grundsatz, dass nach dem Ende der Anhängigkeit des Rechtsstreits in erster Instanz ein Musterverfahren nicht mehr eingeleitet werden kann.
Ende der Entscheidung
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