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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: II ZB 32/07
Rechtsgebiete: KapMuG, ZPO
Vorschriften:
KapMuG § 1 | |
KapMuG § 1 Abs. 1 Satz 1 | |
KapMuG § 1 Abs. 3 Satz 2 | |
KapMuG § 4 | |
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 23. April 2008
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart
beschlossen:
Tenor:
1. Die Rechtsbeschwerde der Kläger zu 1, 3, 4, 6, 7 und 8 gegen den Beschluss des Senats für Kapitalanleger-Musterverfahren des Oberlandesgerichts München vom 23. August 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention tragen die Klägerin zu 1 zu 8 %, der Kläger zu 3 zu 34 %, der Kläger zu 4 zu 3 %, die Klägerin zu 6 zu 30 % und die Kläger zu 7 und 8 als Gesamtschuldner zu 25 %.
2. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 66.769,23 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Kläger machen gegen die Beklagte zu 1 - eine börsennotierte Aktiengesellschaft - und die Beklagten zu 2 und 3 - ehemalige Mitglieder des Vorstands der Beklagten zu 1 - Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen geltend. Im ersten Rechtszug haben sie mit Schriftsätzen vom 24. Oktober 2006, 15. Dezember 2006 und 18. Dezember 2006 Musterfeststellungsanträge i.S. des § 1 KapMuG gestellt. Das Landgericht hat durch Urteil die Anträge als unzulässig zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Die Kläger zu 1, 3, 4, 6, 7 und 8 haben gegen das Urteil sofortige Beschwerde und - zusammen mit dem Kläger zu 5 - Berufung eingelegt. Mit der Beschwerde haben sie beantragt, das landgerichtliche Urteil hinsichtlich der Zurückweisung der Musterfeststellungsanträge aufzuheben und festzustellen, dass die Musterfeststellungsanträge zulässig sind. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Kläger zu 1, 3, 4, 6, 7 und 8. Mittlerweile hat das Oberlandesgericht auch die Berufung zurückgewiesen. Insoweit ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Senat anhängig (II ZR 65/08).
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zu Recht die sofortige Beschwerde als das statthafte Rechtsmittel angesehen, obwohl das Landgericht durch Urteil entschieden hatte. Ein unzulässiger Musterfeststellungsantrag ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KapMuG durch Beschluss zurückzuweisen. Das gilt auch dann, wenn gleichzeitig die zugrunde liegende Klage abgewiesen wird. Damit konnten die Kläger das Urteil, soweit darin die Musterfeststellungsanträge zurückgewiesen worden waren, mit der sofortigen Beschwerde anfechten (vgl. Gummer/Heßler in Zöller, ZPO 26. Aufl. Vor § 511 Rdn. 30).
2. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, ein Musterfeststellungsverfahren könne nur im ersten Rechtszug in Gang gesetzt werden, dieser sei aber durch das Urteil des Landgerichts beendet. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
Wie der Senat zwischenzeitlich mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 (II ZB 15/07, ZIP 2008, 137, Tz. 7 ff.) entschieden hat, ist ein Musterfeststellungsantrag u.a. dann zurückzuweisen, wenn der Rechtsstreit nach Einlegung der Berufung nicht mehr in der ersten Instanz anhängig ist.
Ein Musterfeststellungsantrag kann gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur im ersten Rechtszug gestellt werden. Er soll in einem möglichst frühen Stadium des Prozesses dazu führen, dass eine verallgemeinerungsfähige Tatsachen- oder Rechtsfrage i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG mit Bindungswirkung auch für andere, gleichartige Verfahren geklärt wird. Der Antrag ist nach Wortlaut und Systematik der Norm unzulässig, wenn er erst in der Berufungsinstanz gestellt wird. Nach § 4 KapMuG muss nämlich auf einen zulässigen Musterfeststellungsantrag hin die Sache, sofern mindestens neun weitere Anträge fristgerecht gestellt worden sind, dem zuständigen Oberlandesgericht mit bindendem Beschluss vorgelegt werden. Das setzt ein noch anhängiges erstinstanzliches Verfahren voraus.
Hier haben die Kläger zwar die Musterfeststellungsanträge im ersten Rechtszug gestellt. Über diese Anträge kann aber nicht mehr in jenem Rechtszug entschieden werden, nachdem der Rechtsstreit mittlerweile durch Einlegung der Berufung in der Rechtsmittelinstanz anhängig geworden ist. Auch eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung im Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren kommt bei dieser Prozesslage nicht in Betracht. Denn auch dafür gilt der Grundsatz, dass nach dem Ende der Anhängigkeit des Rechtsstreits in erster Instanz ein Musterverfahren nicht mehr eingeleitet werden kann.
Ende der Entscheidung
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