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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.10.2003
Aktenzeichen: II ZB 38/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 269 Abs. 3 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 27. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 27. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Graf und Dr. Strohn
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. November 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 934,00 €
Gründe:
I. Die Klägerin hat durch Mahnbescheide einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagten geltend gemacht. Nach Widerspruch und Anspruchsbegründung haben die Beklagten die Klageforderung beglichen. Daraufhin hat die Klägerin zunächst den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und dann die Klage zurückgenommen. Ihren Antrag, den Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, hat das Landgericht zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Kostengrundentscheidung zu Lasten der Beklagten sind nicht erfüllt. Vielmehr ist die Klägerin nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
1. a) Nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO trifft im Falle einer Klagerücknahme den Kläger die Kostenlast. Diese Regel ist eine Ausprägung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zugrundeliegenden Prinzips, daß die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Nimmt der Kläger die Klage zurück, begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen (BGH NJW-RR 1995, 495). Ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimmt, ist ohne Bedeutung. Letzteres betrifft allein den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, nicht aber die davon zu unterscheidende prozessuale Kostenlast (BGHZ 45, 251, 256 f.; BGHZ 111, 168, 170 f.; Belz in MünchKommZPO, 2. Aufl. 2000, vor § 91 Rdn. 9; Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl. 2002, vor § 91 Rdn. 10 f.).
b) Von diesem Grundsatz läßt das Gesetz zwar Ausnahmen zu, die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalles sind hier aber nicht erfüllt. Insbesondere ergibt sich eine Kostenlast der Beklagten nicht aus § 269 Abs. 3 S. 2, 2. Alt. ZPO.
Nach dieser Vorschrift hat der Kläger bei einer Klagerücknahme diejenigen Kosten nicht zu tragen, die dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Anlaß für diese Ausnahmeregelung war die Neufassung des § 93 d ZPO durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltsgesetz) vom 6. April 1998 (BGBl. I S. 666). Danach können die Kosten des Rechtsstreits abweichend von § 269 Abs. 3 ZPO der beklagten Partei auferlegt werden, wenn sie zu einem Unterhaltsprozeß Anlaß gegeben hat, indem sie ihre Auskunftspflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt hat. Damit verbunden war eine Ergänzung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO dahingehend, daß von der Kostentragungspflicht des Klägers im Falle der Klagerücknahme die Kosten ausgenommen waren, die "dem Beklagten aufzuerlegen" waren. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Kindesunterhaltsgesetz war damit allein der Fall des § 93 d ZPO gemeint (BT-Drucks. 13/7338, S. 33). Eine sachliche Änderung über diesen Bereich hinaus war nicht beabsichtigt.
Durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-Reformgesetz) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert. Vielmehr ist § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO nur redaktionell geändert worden. Von der Kostenlast des Klägers sind danach die Kosten ausgenommen, die dem Beklagten "aus einem anderen Grund" aufzuerlegen sind. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-Reformgesetz sollte damit klargestellt werden, daß dem Kläger die Kosten nicht auferlegt werden können, wenn einer der schon bisher von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vorliegt (BT-Drucks. 14/4722, S. 80).
Durch diese Gesetzesänderung ist dagegen nicht die Möglichkeit geschaffen worden, bei der Kostenentscheidung nach Klagerücknahme auch die materiell-rechtliche Kostenerstattungspflicht zu berücksichtigen (Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, Rdn. 9; a.A. Schneider, ZPO-Reform 2002, Rdn. 160). Die Kostenvorschriften der ZPO befassen sich nach wie vor nur mit dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch. Die Kostenpflicht muß sich aus der Prozeßsituation ergeben. Materiell-rechtliche Erwägungen dürfen dabei grundsätzlich keine Rolle spielen. Das Gericht soll nicht gezwungen sein, im Rahmen der Kostenentscheidung - von den gesetzlich begründeten Ausnahmefällen abgesehen - materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen zu prüfen.
Im vorliegenden Fall besteht für eine ausweitende Auslegung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO auch kein Anlaß. Die Klägerin hätte es bei ihrer Erledigungserklärung belassen können. Dann wäre die Erledigung, falls die Beklagten sich der Erklärung nicht noch angeschlossen hätten, durch Urteil festgestellt worden. Die Unannehmlichkeiten, die mit der Wahrnehmung des Verhandlungstermins verbunden sind, rechtfertigen nicht die Durchbrechung der kostenrechtlichen Grundsätze im Wege der Gesetzesauslegung. Hier Abhilfe zu schaffen, ist Sache des Gesetzgebers. Das ist auch bereits geplant. In dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung der Justiz ist vorgesehen, § 91 a Abs. 1 ZPO durch folgenden Satz zu ergänzen: "Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht ..." (BR-Drucks. 378/03). Damit könnte auch ohne mündliche Verhandlung über die Kosten nach § 91 a ZPO entschieden werden, wenn der Beklagte - wie hier - zu der Erledigungserklärung des Klägers schweigt.
2. Schließlich scheidet auch eine analoge Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO aus (a.A. Bonifacio, MDR 2002, 499). Danach sind die Kosten wie bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung zu verteilen, wenn der Anlaß zur Klageerhebung vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurücknimmt. Nach bisheriger Rechtslage hatte der Kläger in diesen Fällen keine Möglichkeit, in dem laufenden Verfahren eine für ihn ungünstige Kostenentscheidung zu vermeiden. Deshalb hat das ZPO-Reformgesetz diesen Sonderfall abweichend von dem Grundsatz des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO geregelt. Die vorliegende Fallgestaltung ist damit nicht vergleichbar. Denn hier kann die klagende Partei durch eine Erledigungserklärung eine für sie günstige Kostenentscheidung erwirken.
Ende der Entscheidung
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