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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.09.1997
Aktenzeichen: II ZR 113/96
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB 1986, BGB


Vorschriften:

ZPO § 24
ZPO § 293
EGBGB 1986 Art. 27, nach Art. 38 (internationales Sachenrecht)
BGB § 677
BGB § 678
BGB § 743 Abs. 1
ZPO §§ 24, 293 EGBGB 1986 Art. 27, nach Art. 38 (internationales Sachenrecht) BGB §§ 677, 678, 743 Abs. 1

a) Das deutsche internationale Privatrecht ist von Amts wegen zu beachten, wenn bei der Beurteilung eines Rechtsverhältnisses (hier: Übertragung eines Miteigentumsanteils und Ansprüche aus Miteigentum an einem ausländischen Grundstück) die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt.

b) Zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Rechtsverhältnisses zwischen Miteigentümern einer in Spanien belegenen Eigentumswohnung.

BGH, Urt. v. 25. September 1997 - II ZR 113/96 - OLG Braunschweig LG Braunschweig


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 113/96

Verkündet am: 25. September 1997

Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 1997 durch den Vorsitzenden Richter Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Dr. Kapsa, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 29. März 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Aufgrund eines von einem deutschen Notar beurkundeten Kaufvertrages vom 11. Dezember 1984 erwarb der Beklagte vom Kläger das hälftige Miteigentum an einer diesem gehörenden Eigentumswohnung in der Ferienanlage "M. " auf L. /Spanien. Nach § 10 des Vertrages sollte der Kläger zur Veräußerung der "verkauften Wohnung" an Dritte berechtigt bleiben und dem Beklagten für diesen Fall ein Anteil am Erlös oder ein Vorkaufsrecht zustehen. In § 2 des Vertrages heißt es, dem Käufer sei bekannt, daß die Wohnung vermietet sei; er trete in den Mietvertrag ein. Gemäß § 5 des Vertrages sollten die Mieteinnahmen bis 31. Dezember 1985 dem Verkäufer verbleiben und dieser dem Käufer dafür eine monatliche Nutzungsentschädigung von 255,-- DM bezahlen.

Bis Mitte 1985 befand sich in der Wohnung das Büro einer mit der Vermietung der Wohnungen in der Ferienanlage befaßten Firma H. S.L., deren Geschäftsführer der Kläger war. Mit Schreiben vom 25. Juli 1985 teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß er wegen Ausbleibens geschuldeter Zahlungen mit dieser Art von Eigennutzung nicht mehr einverstanden sei und eine Frau B. beauftragt habe, das Appartement ab sofort in die Vermietung einzubeziehen. Der Kläger verwahrte sich dagegen in mehreren Schreiben ab 10. Januar 1986, verlangte seinen Mietanteil und Schadensersatz wegen Mietausfällen seitens der H. S.L. Mit Schreiben vom 15. Oktober 1989 teilte er dem Beklagten unter Hinweis auf § 10 des notariellen Vertrages vom 11. Dezember 1984 mit, er habe dessen Miteigentumsanteil zum Kaufpreis von 78.000,-- DM an eine Frau Se. in Br. verkauft. Er hat dazu im Rechtsstreit einen privatschriftlichen, in spanischer Sprache abgefaßten Vertrag vom 13. Oktober 1989 vorgelegt und unter Vorlage einer Abtretungsvereinbarung vom 6. März 1993 geltend gemacht, daß Frau Se. ihren "Mietanspruch" für die Zeit ab 1. November 1989 an ihn abgetreten habe.

Mit seiner Klage hat der Kläger vom Beklagten Erstattung hälftiger Mieteinnahmen für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis 31. Oktober 1991 in Höhe von 71.400,-- DM mit dem Vortrag verlangt, daß er die Wohnung durch Mietvertrag vom 19. Juli 1982 bis zum 30. Juni 1992 zu einem Mietzins von 120.000,-- Ptas. an die H. S.L. vermietet habe und der Beklagte durch Vermietung des Appartements an Dritte monatlich mindestens 120.000,-- Ptas. vereinnahmt habe. Weiter hat der Kläger vom Beklagten begehrt, dieser habe ihm, hilfsweise ihm und Frau Se. , den Zutritt zu der Eigentumswohnung zu verschaffen und die Wohnungsschlüssel auszuhändigen. Der Beklagte hat hilfsweise mit einer ihm aus dem Weiterverkauf seines Miteigentumsanteils an Frau Se. zustehenden Forderung von 37.200,-- DM aufgerechnet.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 20.691,60 DM nebst Zinsen und zur Herausgabe der Wohnung nach dem Hilfsantrag verurteilt. Mit seiner Berufung hat der Beklagte weiterhin Klageabweisung begehrt. Der Kläger hat sein Klagebegehren im Wege der Anschlußberufung um Ansprüche aus eigenem Recht für den Zeitraum vom 1. November 1991 bis 31. Dezember 1992 sowie um Ansprüche aus abgetretenem Recht der Frau Se. für die Zeit vom 16. Oktober 1989 bis 31. Dezember 1992 erweitert. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und ihn auf die Anschlußberufung des Klägers zur Zahlung von 77.199,60 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte weiterhin vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist gem. §§ 13, 39 ZPO auch für den - auf § 985 BGB gestützten - Anspruch auf "Zutrittverschaffung" zu der in Spanien gelegenen Wohnung gegeben. Aus dem ausschließlichen Gerichtsstand gem. § 24 ZPO, der nur für inländische Grundstücke gilt, kann die Unzuständigkeit deutscher Gerichte zur Entscheidung über ausländische Grundstücksstreitigkeiten der in § 24 ZPO genannten Art nicht (vgl. RGZ 32, 414), jedenfalls dann nicht gefolgert werden, wenn sich der Beklagte - wie hier - im Sinne von § 39 ZPO rügelos eingelassen hat (vgl. insoweit auch Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 24 Rdn. 3). Eine ausschließliche Zuständigkeit spanischer Gerichte nach Art. 16 Nr. 1 lit. a EuGVÜ greift nicht ein, weil das Übereinkommen im Verhältnis zwischen Deutschland und Spanien erst seit 1. Dezember 1994 in Kraft ist (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 62 EuGVÜ Rdn. 4; Dietze/Schnichels NJW 1995, 2274) und die vorliegende Klage schon im Jahr 1991 erhoben worden ist (vgl. Art. 54 Abs. 1 EuGVÜ). Ob die Entscheidung gem. Art. 54 Abs. 2 EuGVÜ i.V.m. dem deutsch-spanischen Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen usw. vom 14. November 1983 (BGBl. 1987 II 35) in Spanien anerkannt und vollstreckt werden könnte, ist für die internationale Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren nicht entscheidend (vgl. BGH, Urt. v. 30. Januar 1980 - VIII ZR 197/78, WM 1980, 410, 412; Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl., IZPR Rdn. 53).

II. Das Berufungsgericht hat den vorliegenden Sachverhalt ohne Begründung nach deutschem Recht beurteilt, obwohl sich nach den Umständen des Falles die Frage der Anwendung spanischen Rechts aufdrängte. Das ist, wie die Revision zu Recht rügt, ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nötigt (vgl. Sen.Urt. v. 6. März 1995 - II ZR 84/94, WM 1995, 1060 m.w.N.; BGH, Urt. v. 21. September 1995 - VII ZR 248/94, WM 1995, 2113 = NJW 1996, 54).

1. a) Soweit das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe der Wohnung an den Kläger und Frau Se. (unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil) auf §§ 985, 1011, 432 BGB gestützt hat, ist das schon insofern rechtsfehlerhaft, als nach dem deutschen internationalen Privatrecht für sachenrechtliche Tatbestände und Verhältnisse unter Einschluß des dinglichen Herausgabeanspruchs das Recht des Lageortes der Sache (vgl. BGHZ 108, 353, 355; BGHZ 100, 321, 324 m.w.N.; Staudinger/Stoll, 13. Bearb., Int. SachenR. Rdn. 124), hier also spanisches Recht, gilt. Das für die Entscheidung eines Rechtsstreits maßgebende ausländische Recht hat der Tatrichter gem. § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BGHZ 118, 142, 162 m.w.N.; Sen.Urteile v. 6. März 1995 aaO; v. 29. Juni 1987 - II ZR 6/87, WM 1987, 1265).

b) Weiter vermißt die Revision in dem angefochtenen Urteil zu Recht Entscheidungsgründe zu der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage Frau Se. durch den privatschriftlichen, nur mit notarieller Unterschriftsbeglaubigung versehenen Kaufvertrag mit dem Kläger vom 13. Oktober 1989 den Miteigentumsanteil des Beklagten erworben haben soll. Die Frage eines Eigentumsübergangs ist nach spanischem Recht als lex rei sitae zu beurteilen. Dasselbe gilt für den Kaufvertrag, dessen Abfassung in spanischer Sprache darauf hindeutet, daß dessen Parteien ihn spanischem Recht unterstellen wollten (Art. 27 Abs. 2 EGBGB; vgl. im übrigen Art. 28 Abs. 3 EGBGB). Feststellungen zu dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden spanischen Recht fehlen. Der Pflicht zu dessen Ermittlung im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung des Klagbegehrens war das Berufungsgericht auch dadurch nicht enthoben, daß der Kläger in einem der Schriftsätze, die in dem angefochtenen Urteil pauschal in Bezug genommen werden, die Rechtsbehauptung aufgestellt hat, der Abschluß eines privaten Kaufvertrages genüge für den Eigentumsübergang nach spanischem Recht (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl., § 293 Rdn. 17 f.). Insbesondere wäre zu klären gewesen, ob die notarielle Beglaubigung für eine "escritura" als Übergabeersatz gem. Art. 1462 Abs. 2 Codigo Civil genügt (vgl. dazu BGHZ 73, 391, 395) oder in anderer Weise ein wirksamer Miteigentumswechsel stattgefunden hat, der hier außerdem davon abhängt, ob der Kläger aufgrund der Weiterveräußerungsermächtigung im Kaufvertrag der Prozeßparteien aus dem Jahr 1984 nach spanischem Recht über den Anteil des Beklagten im eigenen Namen wirksam verfügen konnte.

2. Das Berufungsgericht hat den Beklagten, soweit er in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1992 ihm nicht gebührende Mieteinnahmen aus der Wohnung gezogen habe, zu deren Erstattung gem. § 743 Abs. 1 BGB und, soweit er in diesem Zeitraum erzielbare Einnahmen bis zu 120.000 Ptas. monatlich nicht gezogen habe, zum Schadensersatz aus §§ 677, 678 BGB i.V.m. positiver Forderungsverletzung verurteilt. Auch insoweit beanstandet die Revision zutreffend das Fehlen einer kollisionsrechtlichen Prüfung.

a) Was die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche aus dem Miteigentum der Parteien angeht, so resultieren diese aus einem sachenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis, für das - jedenfalls primär - das Recht des Lageortes gilt (vgl. Mankowski RIW 1995, 364, 365 m.w.N.). Der schuldrechtliche Charakter des Anspruchs auf Früchte des gemeinschaftlichen Gegenstandes steht ebensowenig wie derjenige von Ansprüchen aus §§ 987 ff. BGB einer Anknüpfung an das Recht des Lageorts entgegen (vgl. BGHZ 108, 353, 355; Palandt/Heldrich, BGB, 56. Aufl., Anh. II zu Art. 38 EGBGB Rdn. 5; vgl. auch Staudinger/Stoll, 13. Bearb., Int. SachenR. Rdn. 163 sowie zum Meinungsstand Böhmer, Das deutsche Internationale Privatrecht des timesharing, 1993, S. 67). Eine andere Frage ist es, ob das auf sachenrechtlicher Grundlage bestehende Legalschuldverhältnis unter Miteigentümern einer Rechtswahl entsprechend Art. 27 EGBGB, der unmittelbar nur für vertragliche Schuldverhältnisse gilt, zugänglich ist (dafür Böhmer aaO S. 66-79; dagegen Mankowski aaO sowie IPrax. 1991, 305, 308 f.). Das ist zu bejahen, soweit das Recht des Lageortes Parteiautonomie und damit eine Rechtswahl gestattet (vgl. Stoll aaO). Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht ebensowenig getroffen wie zu der Frage eines übereinstimmenden, auf die Anwendung deutschen Rechts gerichteten Parteiwillens.

b) Für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gilt zwar nach h.M. - als Grundregel - das Recht des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet das Geschäft vorgenommen worden ist (vgl. OLG Koblenz, OLGZ 92, 330 m.krit. Anm. Wandt, VersR 1992, 614 und Brückner, IPrax 1992, 366; MünchKomm/Kreuzer, EGBGB, 2. Aufl., II vor Art. 38 Rdn. 2; Staudinger/Stoll aaO, Rdn. 269, 362; a. A. Palandt/Heldrich aaO, Art. 28 EGBGB Rdn. 16). Ob dieser Grundregel, die zahlreiche Ausnahmen kennt (vgl. Wandt aaO), zu folgen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist bei einer Fremdgeschäftsführung, die durch ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis veranlaßt oder ausgelöst wurde, primär das dieses Rechtsverhältnis beherrschende Recht anzuwenden (vgl. Kreuzer aaO; Soergel/Lüderitz, BGB, Einführungsgesetz, 12. Aufl., Anh. I zu Art. 38 EGBGB Rdn. 3). Das ist - von der Sachnähe zu diesem Recht abgesehen - schon deshalb geboten, weil sich aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis Rechte und Pflichten ergeben können, die eine Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließen und/oder im Falle einer Pflichtverletzung unmittelbar Schadensersatzansprüche auslösen. Infolgedessen können die vom Berufungsgericht angenommenen Schadensersatzansprüche des Klägers auch nach der Rechtsanwendungsverordnung vom 7. Dezember 1942 (RGBl. I 706; vgl. dazu Palandt/Heldrich aaO, Anh. I zu Art. 38 EGBGB Rdn. 3; Soergel/Lüderitz aaO Art. 38 EGBGB Rdn. 25) nicht unabhängig von dem auf das Miteigentümerverhältnis der Parteien anzuwendenden Recht aus den deutschen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) hergeleitet werden.

c) Soweit der Kläger Zahlungsansprüche aus abgetretenem Recht von Frau Se. geltend macht, setzt dies zumindest einen wirksamen Erwerb des Miteigentumsanteils des Beklagten durch Frau Se. voraus. Auf die obigen Ausführungen zu II 1 b wird verwiesen.

III. Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien, die erforderlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der Anforderungen des § 293 ZPO zu treffen.

Ende der Entscheidung

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