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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.01.2001
Aktenzeichen: II ZR 127/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 313 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 127/99

Verkündet am: 15. Januar 2001

Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. Oktober 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Gemeinschuldnerin befaßte sich mit der organisatorischen, technischen und finanziellen Planung und Durchführung von Bauvorhaben. Der Beklagte war Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. in der Gemarkung U. . Am 23. Januar 1995 gingen er und die Gemeinschuldnerin eine "Partnerschaft" zur Verwertung dieses Grundstücks ein. Dabei wurden die zu erbringenden Leistungen festgelegt. Die Gemeinschuldnerin sollte als Generalunternehmerin sämtliche Leistungen kalkulatorischer und juristischer, planungstechnischer, abwicklungstechnischer, bautechnischer und organisatorischer Art erbringen. Der Vertrag sollte beurkundet werden; dies unterblieb jedoch. Im April 1995 verkaufte der Beklagte das Grundstück an Dritte.

Die Gemeinschuldnerin hat vorgetragen, die Vertragsparteien hätten im Jahre 1996 einen Aufhebungsvergleich über 400.000,-- DM geschlossen. Diesen Betrag hat sie eingeklagt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Gemeinschuldnerin neben dem Hauptantrag hilfsweise beantragt, den Beklagten zu Schadensersatz in Höhe von 349.908,66 DM aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu verurteilen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Gemeinschuldnerin ihren Hilfsantrag weiter; die Abweisung des Hauptantrags nimmt sie hin.

Am 13. Dezember 2000 hat das Amtsgericht München das Insolvenzverfahren über das Vermögen der früheren Klägerin eröffnet. Zum Insolvenzverwalter hat es den Kläger bestellt. Dieser hat das Verfahren aufgenommen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat den Hilfsantrag mit der Begründung abgewiesen, es sei nicht substantiiert vorgetragen worden, worauf der geltend gemachte Schaden beruhe. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.

1. Im Rahmen der Vertragsfreiheit hat jeder Verhandlungspartner bis zum Vertragsabschluß grundsätzlich das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertragsschluß Abstand zu nehmen; aus diesem Grunde erfolgen Aufwendungen, die in Erwartung des Vertragsschlusses gemacht werden, auf eigene Gefahr. Nur wenn der Vertragsschluß nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluß gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen zu erstatten sein, wenn er den Abschluß des Vertrages später ohne triftigen Grund ablehnt (BGHZ 76, 343, 349; BGH, Urt. v. 29. März 1996 - V ZR 332/94, BGHR BGB vor § 1 - Verschulden bei Vertragsschluß, Vertrauensschaden 9 m.w.N.). Dies gilt erst recht, wenn die Abschlußbereitschaft von vorneherein nur vorgetäuscht war (vgl. MüKo-Emmerich, BGB 3. Aufl. vor § 275 Rdn. 161 m.w.N.) oder wenn sich im Laufe der Verhandlungen die feste Entschlossenheit des Verhandlungspartners, den Vertrag abzuschließen, verflüchtigt, er jedoch der Gegenseite weiterhin seine unbedingte Bereitschaft vorspiegelt und sie damit täuscht (vgl. auch BGH, Urt. v. 10. Januar 1996 - VIII ZR 327/94, WM 1996, 738, 740 m.w.N.).

2. Diese Voraussetzungen für die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß hat die Klageseite substantiiert dargelegt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt für die Schlüssigkeit der Klage der Vortrag von Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen (Sen.Urt. v. 6. November 2000 - II ZR 67/99, ZIP 2001, 28).

b) Die frühere Klägerin hat in der Berufungsbegründung vorgetragen, der Beklagte habe "höchst arglistig" das Vertrauen auf das Zustandekommen des Grundlagenvertrages über ein Jahr lang nach bereits erfolgtem anderweitigem Verkauf weitergenährt und sie bewußt wahrheitswidrig in dem Glauben gelassen, die Parteien würden noch zusammenkommen. Manifestiert habe sich dies durch zahlreiche Besprechungen zwischen den Parteien, in Telefonaten und Telefax-Schreiben, letztlich dann in der feierlichen Handschlagsvereinbarung zwischen dem Beklagten und Rechtsanwalt S. am 25. März 1996, verbunden mit der Aufforderung des Beklagten, nun den Beurkundungstermin beim Notar zu vereinbaren. Nicht nur, daß der Beklagte den schon längst erfolgten Verkauf an die O. GmbH verschwiegen habe, habe er auch dann, als sie das Aufstellen der Bautafeln und sodann den Bauaushub bemerkt und ihn darauf angesprochen habe, dies mit Unkenntnis und eigenmächtigem Verhalten seines Vaters erklärt; er habe sie dann weiter hingehalten und angekündet, er werde eine einstweilige Verfügung gegen die O. GmbH erwirken.

c) Die frühere Klägerin hat auch detailliert aufgeschlüsselt, welche Aufwendungen sie durch das fehlgeschlagene Projekt gehabt habe. Sie hat insbesondere die angefallenen Anwalts- und Notarkosten im einzelnen dargelegt und erläutert. Die erbrachten Leistungen hat sie unter Beweis gestellt.

d) Es trifft im übrigen nicht zu, daß der Beklagte, wie das Berufungsgericht anmerkt, im Schriftsatz vom 3. Februar 1998 auf die angeblich fehlende Substantiierung hingewiesen habe. Der Beklagte befaßt sich dort vor allem mit der - nach seiner Auffassung fehlenden - Anspruchsgrundlage. Die Höhe der einzelnen Forderungen werde "teilweise bestritten". Der größte Teil der Ausführungen des Beklagten bezieht sich auf gebührenrechtliche Fragen der vorgelegten Abrechnungen, wobei der Beklagte ebenso wie die Klageseite für die Angemessenheit der Gebühren ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer anbietet.

2. § 313 Satz 1 BGB steht dem - anders als die Revisionserwiderung meint - nicht entgegen.

Eine etwa begründete Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens kann einem indirekten Zwang zum Vertragsabschluß nahekommen. Dieser Zwang läuft dem Zweck der Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB zuwider, nach der wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstandes eine Bindung ohne Einhaltung der Form verhindert werden soll (BGHZ 116, 251, 257). Im Bereich der nach § 313 Satz 1 BGB zu beurkundenden Rechtsgeschäfte löst der Abbruch von Vertragsverhandlungen, deren Erfolg als sicher anzunehmen ist, durch einen Verhandlungspartner grundsätzlich auch dann keine Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund für den Abbruch fehlt (BGH, Urt. v. 29. März 1996 - V ZR 332/94, BGHR BGB vor § 1 - Verschulden bei Vertragsschluß, Vertrauensschaden 9 m.w.N.). Die Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen die Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB hat indessen zurückzutreten, wenn sie nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben schlechthin nicht zu vereinbaren ist, etwa weil sie die Existenz des anderen Verhandlungspartners gefährdet oder ihre Geltendmachung eine besonders schwerwiegende Treupflichtverletzung bedeutet (BGH, Urt. v. 29. März 1996 - V ZR 332/94 aaO).

Legt man den Vortrag der Klägerin zugrunde, so hat sich der Beklagte in schwerwiegendem Maße treuwidrig verhalten. Deshalb kann dahinstehen, ob der von den Parteien beabsichtigte Vertrag der Form des § 313 Satz 1 BGB bedurft hätte. Feststellungen in dieser Richtung, insbesondere ob die Partner gemeinsam Eigentümer des Grundstücks werden sollten, sind abschließend nicht getroffen worden, aber auch nicht erforderlich.



Ende der Entscheidung

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