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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.03.2009
Aktenzeichen: II ZR 138/08
Rechtsgebiete: BGB, GenG, InsO


Vorschriften:

BGB § 139
BGB § 358
BGB § 359
BGB § 499
GenG § 7 Nr. 1
GenG § 22 Abs. 4 S. 2
GenG § 81
InsO § 80
a) Gestattet eine Genossenschaft dem beitretenden Genossen, die geschuldete Pflichteinlage in Raten zu leisten, verstößt die Ratenzahlungsvereinbarung nicht gegen § 22 Abs. 4 Satz 2 GenG. Eine Ratenzahlungsvereinbarung ist keine verbotene Kreditgewährung.

b) Eine Ratenzahlungsvereinbarung ist wegen Verstoßes gegen § 7 Nr. 1 GenG unwirksam, wenn in der Satzung der Genossenschaft keine Regelung enthalten ist, nach der die Einzahlung der Pflichteinlage in Raten erfolgen darf.

c) Wird über das Vermögen der Genossenschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, fallen fällige, rückständige Pflichteinzahlungen der Genossen in die Insolvenzmasse und können vom Insolvenzverwalter eingefordert werden.


Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat

am 16. März 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und

die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 23. April 2008 durch Beschluss nach § 552 a ZPO zurückzuweisen.

Gründe:

Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor; die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

I.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt der von ihm formulierten Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Es entspricht bereits seit RGZ 57, 292, 297 ff. ständiger Rechtsprechung (siehe insoweit Sen.Urt. v. 11. März 1976 - II ZR 127/74, WM 1976, 475 f. [...] Tz. 7, zuletzt bestätigt durch Sen.Beschl. v. 5. Mai 2008 - II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 ff.), dass auf den Beitritt zu einer Genossenschaft die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bzw. des fehlerhaften Beitritts anzuwenden sind. Diese Rechtsprechung ist von den Gemeinsamen Senaten des Reichsgerichts gerade im Fall des Beitritts zu einer Genossenschaft entwickelt worden (RGZ 57 aaO). Die Rechtsfolgen eines fehlerhaften Beitritts zu einer Genossenschaft unterscheiden sich nicht von denen des fehlerhaften Beitritts zu einer BGB-Gesellschaft, einer Personenhandelsgesellschaft oder einem Verein.

Soweit das Berufungsgericht gemeint haben sollte, die Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze des fehlerhaften Beitritts und seiner Folgen rechtfertigten hinsichtlich der speziellen Ausgestaltung der vorliegenden "Genossenschaft" die Zulassung, fehlt es der Rechtssache mangels Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsfrage an der erforderlichen grundsätzlichen Bedeutung. Der Umstand allein, dass es eine Vielzahl von Klagen gegen Mitglieder der Genossenschaft (im Folgenden: Schuldnerin) bzw. Klagen von Mitgliedern gegen die Schuldnerin gibt und deshalb wegen der Befassung unterschiedlicher Gerichte mit den Klagen die Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht, rechtfertigt als solche die Zulassung nicht (vgl. Sen.Beschl. v. 9. Juli 2007 - II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074 Tz. 2 m.w.Nachw.).

II.

Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung des rückständigen Genossenschaftsbeitrags in der geltend gemachten Höhe zusteht.

1.

Im Ergebnis zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Beitritt des Beklagten zu der Schuldnerin im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Ratenzahlungsvereinbarung gemäß § 139 BGB nichtig ist.

a)

Die Unwirksamkeit der Ratenzahlungsvereinbarung folgt jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht aus § 22 Abs. 4 Satz 2 GenG i.V.m. § 17 Abs. 5 der Satzung der Schuldnerin. Die Ratenzahlungsvereinbarung ist keine Kreditgewährung i.S. des § 22 Abs. 4 Satz 2 GenG. Hierunter fällt nur die Darlehenshingabe seitens der Genossenschaft aus ihren Mitteln zwecks vorschussweiser Finanzierung des geschuldeten Mitgliedsbeitrags (BGH, Urt. v. 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 ff.; Lang/Weidmüller/ Schulte, GenG 36. Aufl. § 22 Rdn. 16 f.; Beuthien, GenG 14. Aufl. § 22 Rdn. 14). Die Genossenschaft wendet keine eigenen Mittel auf, wenn sie dem Genossen die Einzahlung seiner Pflichteinlage in Raten gestattet.

b)

Die Ratenzahlungsvereinbarung ist jedoch wegen Verstoßes gegen § 7 Nr. 1 GenG unwirksam. Zwar enthält das Genossenschaftsgesetz (im Gegensatz zu § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG) kein Stundungsverbot (RGZ 135, 55, 60; Lang/Weidmüller/Schulte aaO Rdn. 15 m.w.Nachw.). Zulässigkeitsvoraussetzung einer Stundung der Pflicht zur Einzahlung des Mitgliedsbeitrags und damit - wegen der mit ihr verbundenen Stundungswirkung - jeder Ratenzahlungsvereinbarung ist jedoch im Hinblick auf § 7 Nr. 1 GenG, dass in der Satzung der Genossenschaft eine Regelung enthalten ist, nach der die Einzahlung der Pflichteinlage in Raten erfolgen darf. Ohne eine derartige satzungsmäßige Grundlage sind Ratenzahlungsvereinbarungen zwischen der Genossenschaft und dem einzelnen Mitglied unwirksam (Lang/Weidmüller/Schulte aaO m.w.Nachw. und § 7 Rdn. 13; Beuthien aaO § 7 Rdn. 8).

§ 17 Abs. 3 der Satzung der Schuldnerin bestimmt, dass jeder Geschäftsanteil sofort einzuzahlen und die Zahlung mit der Abgabe der Beitrittserklärung fällig ist. Eine Regelung über Stundungen oder Ratenzahlungsmöglichkeiten enthält die Satzung nicht.

c)

Die Unwirksamkeit der Ratenzahlungsvereinbarung führt nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichts gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des Genossenschaftsbeitritts des Beklagten. Der für die Anwendbarkeit des § 139 BGB erforderliche Einheitlichkeitswille (siehe dazu Palandt/Ellenberger, BGB 68. Aufl. § 139 m.w.Nachw.) folgt bereits aus der Tatsache, dass die Beitrittserklärung des Beklagten zu der Schuldnerin und die Vereinbarung über die Ratenzahlung sowie die Einziehungsermächtigung hinsichtlich der Raten in einem Formular zusammengefasst sind. Ist - wie hier - ein Teil eines teilbaren Rechtsgeschäfts unwirksam, ist gemäß § 139 BGB das gesamte Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den unwirksamen Teil vorgenommen sein würde. Derjenige, der sich auf den Ausnahmefall der Gültigkeit des an sich wirksamen Teils des Rechtsgeschäfts beruft, trägt für die Tatsachen, aus denen sich der Wille der Parteien zur Wirksamkeit des nicht von der Nichtigkeit oder sonstigen Unwirksamkeit betroffenen Teils des Rechtsgeschäfts (hier: des Genossenschaftsbeitritts) ergeben soll, die Beweislast (s. nur BGH, Urt. v. 24. September 2002 - KZR 10/01, NJW 2003, 347 f.). Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger keine Tatsachen vorgetragen hat, aus denen sich ergibt, dass der Beklagte der Schuldnerin auch ohne Vereinbarung der Ratenzahlungsmöglichkeit beigetreten wäre. Hiergegen wird von der Revision zu Recht auch nichts erinnert.

2.

Die Nichtigkeit des Genossenschaftsbeitritts führt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, zur Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Gesellschafts-/Genossenschaftsbeitritts mit der Folge, dass der Beklagte bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens seines als außerordentliche Kündigung zu behandelnden Widerrufs der Beitrittserklärung wie ein Genosse mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten behandelt wird; insbesondere ist er zur Leistung seiner Einlage verpflichtet, soweit er sie noch nicht vollständig erbracht hat (BGHZ 153, 214, 221; Sen.Beschl. v. 5. Mai 2008 - II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 Tz. 9 m.w.Nachw.).

a)

Ein Fall, in dem nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Anwendung der Grundsätze über den fehlerhaften Beitritt abzulehnen ist (siehe hierzu Sen.Beschl. v. 5. Mai 2008 aaO Tz. 12 f. m.w.Nachw.), liegt nicht vor.

Weder verstieß der Genossenschaftszweck gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) noch war der Zweck der Schuldnerin sittenwidrig (§ 138 BGB).

aa)

Die Tatsache, dass der reine Anlagezweck der Schuldnerin genossenschaftsrechtlich wegen § 1 Abs. 1 GenG a.F. unzulässig war (siehe hierzu Krohn/Schäfer, WM 2000, 112, 114), rechtfertigt nicht die Annahme eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot, sondern eröffnet lediglich den im Genossenschaftsgesetz geregelten Weg der Auflösungsklage gemäß § 81 GenG mit der mit diesem Verfahren bezweckten, im Gläubigerinteresse liegenden ordnungsgemäßen Abwicklung der Genossenschaft gemäß § 81 Abs. 2 GenG.

bb)

Der Genossenschaftszweck verstieß nicht gegen die guten Sitten i.S. des § 138 BGB. Im Zeitpunkt der Gründung der Schuldnerin und im Zeitpunkt des Beitritts des Beklagten bestand eine Gesetzeslücke, die es Genossen ermöglichte, durch den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer Wohnungsbaugenossenschaft die Eigenheimzulage in Anspruch zu nehmen unabhängig davon, ob sie eine genossenschaftliche Wohnung bewohnten oder zu erwerben beabsichtigten.

b)

Die Anwendung der Grundsätze über den fehlerhaften Genossenschaftsbeitritt auf den hier vorliegenden Fall der Nichtigkeit des Beitritts ist - gemessen an Grund und Zielen dieser Lehre - sachgerecht. Die Rechtsfolge der Abwicklung des Beitritts nur für die Zukunft (ex nunc) anstelle einer vollständigen Rückabwicklung (ex tunc) trägt der Besonderheit des Verbandsrechts Rechnung, dass - nachdem die Organisationseinheit bzw. der Beitritt hierzu erst einmal, wenn auch auf fehlerhafter Grundlage, in Vollzug gesetzt worden sind -die Ergebnisse dieses Vorgangs, der regelmäßig mit dem Entstehen von Verbindlichkeiten verbunden ist, nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden können. In der Rechtsfolge der Auflösung für die Zukunft ist grundsätzlich ein gerechter Ausgleich zu sehen zwischen einerseits den Interessen der anderen Mitglieder am Bestand des Verbandes und der Gläubiger an der Erhaltung der Haftungsmasse, andererseits den Interessen ausscheidenswilliger Gesellschafter oder Genossen, die sich auf die Fehlerhaftigkeit des Beitritts berufen wollen (Sen.Beschl. v. 5. Mai 2008 aaO Tz. 11 m.w.Nachw.). Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter oder Genosse aufgrund einer arglistigen Täuschung zum Beitritt veranlasst worden ist (BGHZ 26, 330, 355; Sen.Beschl. v. 8. Mai 2008 aaO Tz. 14 m.w.Nachw.). Angesichts dessen ist die Anwendung der Lehre über den fehlerhaften Beitritt fraglos dann gerechtfertigt, wenn der Beitritt "nur" deshalb nichtig ist, weil eine im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Beitretenden liegende Regelung unwirksam ist und die Nichtigkeit des Genossenschaftsbeitritts nach sich zieht.

3.

Der Beklagte schuldet die rückständigen Mitgliedsbeiträge. Diese kann der Kläger als Insolvenzverwalter gemäß § 80 InsO geltend machen.

aa)

Die Unwirksamkeit der Ratenzahlungsvereinbarung hat zur Folge, dass sich die Fälligkeit des Mitgliedsbeitrags des Beklagten nach § 17 Abs. 3 der Satzung der Schuldnerin richtet. Danach ist der Beitrag seit seinem Beitritt in voller Höhe fällig. Wie ausgeführt (siehe oben II, 2) bleibt der Beklagte auch nach der außerordentlichen Kündigung seines Genossenschaftsbeitritts zur Leistung noch nicht erbrachter Pflichteinzahlungen/Einlagezahlungen verpflichtet.

bb)

Im eröffneten Insolvenzverfahren ist der Kläger als Insolvenzverwalter zur Geltendmachung des Anspruchs auf diese Pflichteinzahlungen nach § 80 InsO berechtigt. Fällige, rückständige Pflichteinzahlungen fallen in die Insolvenzmasse, müssen noch geleistet werden und können daher vom Insolvenzverwalter eingefordert werden (RGZ 135, 55, 60 f.; 141, 230, 232; BGHZ 96, 253, 258 - für Vereinsbeiträge; Sen.Urt. v. 15. Oktober 2007 - II ZR 216/06, ZIP 2007, 2416 Tz. 12 f.; vom 11. Februar 2008 - II ZR 171/06, ZIP 2008, 638 Tz. 10, 16, 19 - für die GmbH; Lang/Weidmüller/Cario aaO § 105 Rdn. 5).

4.

Eine Aussetzung des Verfahrens zwecks Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kommt, anders als die Revision meint, nicht in Betracht.

a)

Entgegen der Ansicht der Revision finden die Vorschriften der §§ 312, 355 BGB auf den Widerruf der Beitrittserklärung keine Anwendung. Der Beklagte hat den Beitritt nicht in einer so genannten Haustürsituation erklärt.

Unstreitig hat ein Mitarbeiter des Steuerberaters des Beklagten diesen angerufen und auf die Anlagemöglichkeit bei der Schuldnerin hingewiesen. Auf diesen Anruf hin hat sich der Beklagte in das Steuerberaterbüro begeben, ist dort informiert worden und hat im Anschluss daran dort seine Beitrittserklärung abgegeben. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, dass die telefonische Anbahnung, die sodann zu einem Vertragsschluss außerhalb einer Haustürsituation führt, nicht unter § 312 BGB fällt (siehe nur BGHZ 131, 385, 391; Palandt/Grüneberg aaO § 312 Rdn. 12 m.w.Nachw.). Aus der von der Revision herangezogenen Senatsentscheidung vom 18. Dezember 2004 (II ZR 352/02, ZIP 2004, 2319) ergibt sich nichts anderes. In dem dort zu entscheidenden Fall wurde der Vertragsschluss in einer Haustürsituation angebahnt und lediglich der Abschluss als solcher wurde in den Geschäftsräumen der Bank getätigt.

b)

Eine Anwendung der §§ 499, 358, 359 BGB auf die vorliegende Ratenzahlungsvereinbarung würde - auch unter Beachtung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG vom 21. Juni 2008 (ABl. L 133, S. 66 ff.) - ebenfalls zur Abwicklung des Beitritts des Beklagten nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft führen (acte claire).

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Ende der Entscheidung

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