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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.12.2004
Aktenzeichen: II ZR 147/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StGB
Vorschriften:
ZPO § 563 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB §§ 249 ff. | |
BGB § 393 | |
BGB § 609 a.F. | |
BGB § 823 | |
BGB § 823 Abs. 2 | |
StGB § 266 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 6. Dezember 2004
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Kurzwelly, Münke, Dr. Gehrlein und Caliebe
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 21. März 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsverfahren, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem im Laufe dieses Rechtsstreits am 20. Juli 1999 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH & Co. KG (im folgenden: Gemeinschuldnerin). Geschäftsführer ihrer Komplementärin (im folgenden: GmbH) waren der Beklagte und W. M., die entweder gemeinsam oder jeweils einzeln zusammen mit einem Prokuristen vertretungsberechtigt waren. Bis März 1995 waren die Einlagen auf die von den Ehefrauen der beiden Geschäftsführer zu je 45 % gehaltenen Kommanditanteile an der Gemeinschuldnerin noch nicht vollständig eingezahlt. Weil nach der Behauptung des Klägers die restlichen Kommanditeinlagen vereinbarungsgemäß von dem Beklagten und W. M. zugunsten ihrer Ehefrauen aufgebracht werden sollten, wurden bei der M. & J. GbR angefallene Gewinne des Geschäftsjahres 1994 zunächst zu gleichen Teilen auf die Privatkonten des Beklagten und W. M. überwiesen, und zwar im März 1995 jeweils 60.000,00 DM und im Juli 1995 nochmals je 40.000,00 DM. Während W. M. die beiden Gewinnausschüttungen unmittelbar nach Erhalt an die Gemeinschuldnerin mit der Zweckbestimmung der Zahlung auf die ausstehende Resteinlage seiner Ehefrau weiterleitete, ist der Verwendungszweck der vom Beklagten ebenfalls im März und im Juli 1995 von seinem Privatkonto an die Gemeinschuldnerin überwiesenen Beträge von 60.000,00 DM und 40.000,00 DM umstritten. Nach dem Klägervortrag hat der Beklagte insoweit vereinbarungsgemäß auf die ausstehende Restkommanditeinlage seiner (früheren) Ehefrau geleistet. Demgegenüber behauptet der Beklagte, er habe der (späteren) Gemeinschuldnerin am 15. März 1995 ein Darlehen von 60.000,00 DM und am 21. Juli 1995 ein solches von 40.000,00 DM gewährt; zum Beweis beruft er sich auf von ihm selbst erstellte und sowohl für sich als Darlehensgeber als auch zugleich namens der Gemeinschuldnerin als Darlehensnehmerin unterzeichnete Darlehensurkunden, in denen u.a. bestimmt ist, daß die Darlehen mit 8 % p.a. zu verzinsen sind und ihre Rückführung "auf Anforderung" erfolgt.
Anfang 1997 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen dem Beklagten und W. M., die darin gipfelten, daß M. den Beklagten aus seinen Positionen in mehreren von ihnen gemeinsam geführten Gesellschaften zu verdrängen versuchte. Am 25. März 1997 schlug allerdings der von M. initiierte Versuch einer Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer der Komplementärin der Gemeinschuldnerin fehl. Daraufhin überwies der Beklagte noch an demselben Tag einen Gesamtbetrag von 115.191,10 DM von dem Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin auf sein Privatkonto, wobei er auf dem Überweisungsträger als Verwendungszweck angab: "Darlehen + Zinsen 95 = DM 5.191,10 96 = DM 8.000 97 = DM 2.000".
Die auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB) gestützte Klage der Gemeinschuldnerin, die der Kläger nach Insolvenzeröffnung weitergeführt hat, hatte zunächst in beiden Tatsacheninstanzen Erfolg. Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof (Urt. v. 10. Juli 2001 - VI ZR 206/00, ZIP 2001, 1451) das Urteil des Berufungsgerichts (nachfolgend: erstes Berufungsurteil) aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, weil nach den bis dahin getroffenen Feststellungen die Überweisung des Beklagten vom Konto der Gemeinschuldnerin wegen Verstoßes gegen die in ihrer Satzung festgelegte Gesamtvertretungsregelung unwirksam sei; in diesem Fall könne die Gemeinschuldnerin von der Bank die ("Wieder"-) Gutschrift des abgebuchten Betrages verlangen, so daß ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten ausscheide. Allerdings müsse der Tatrichter noch aufklären, ob dem Beklagten aufgrund der Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung der Gemeinschuldnerin unter dem Gesichtspunkt der Ermächtigung eines Gesamtvertreters wirksam Einzel-Bankvollmacht erteilt gewesen sei.
Das Oberlandesgericht hat nach Beweiserhebung nunmehr durch Urteil vom 21. März 2002 (nachfolgend: zweites Berufungsurteil) der Klage erneut stattgegeben. Mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
Auch die erneute Revision des Beklagten hat Erfolg und führt zur Aufhebung des zweiten Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht; dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
I. Das Berufungsgericht nimmt nunmehr an, daß nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die vom Beklagten zu Lasten der Gemeinschuldnerin veranlaßte Banküberweisung wirksam sei, weil dieser durch seinen Mitgeschäftsführer M. insoweit zur Alleinvertretung der Komplementär-GmbH ermächtigt gewesen sei. Demnach bestehe auch ein Schadensersatzanspruch der Gemeinschuldnerin gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB, wie sich im einzelnen bereits aus dem - in Bezug genommenen - ersten Berufungsurteil ergebe. Dort hatte das Oberlandesgericht ausgeführt:
Zwar sei - trotz erheblicher Zweifel - zu Gunsten des Beklagten zu unterstellen, daß er der Gemeinschuldnerin im Jahr 1995 zwei Darlehen über insgesamt 100.000,00 DM gewährt habe, die "auf Anforderung" zurückzuführen gewesen seien. Gleichwohl habe der Beklagte mit der Rücküberweisung auf sein Privatkonto im März 1997 eine Untreue begangen, weil er die nach § 609 BGB a.F. geltende dreimonatige Kündigungsfrist nicht eingehalten und dadurch der Gemeinschuldnerin einen Vermögensschaden zugefügt habe. Der Beklagte, dem als Geschäftsführer eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gemeinschuldnerin oblegen habe, sei nicht berechtigt gewesen, sich wegen einer bestrittenen Forderung eigenmächtig und ohne Vorlage überprüfbarer Nachweise aus dem Vermögen der Gesellschaft "zu bedienen". Gegen die Klageforderung aus unerlaubter Handlung könne er gemäß § 393 BGB auch nicht mit seinem Darlehensrückzahlungsanspruch aufrechnen.
Diese Ausführungen halten zwar nunmehr hinsichtlich der Wirksamkeit der vom Beklagten zu Lasten des Girokontos der Gemeinschuldnerin vorgenommenen Überweisung vom 25. März 1997 (1.), nicht jedoch bezüglich der Annahme eines daraus entstandenen Vermögensschadens i.S. des § 823 BGB i.V.m. § 266 StGB (2.) der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
II. 1. Allerdings hat das Berufungsgericht - im Anschluß an das erste Revisionsurteil des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs - nunmehr revisionsrechtlich einwandfrei festgestellt, daß das Konto der Gemeinschuldnerin aufgrund der Überweisung des Beklagten wirksam belastet worden ist. Daraus folgt jedoch lediglich, daß die Gemeinschuldnerin keinen - die Entstehung eines Schadens hindernden - Anspruch gegen die Bank auf Berichtigung eines fehlerhaft ausgewiesenen Kontostandes hat.
2. Hingegen ergibt sich aus der Wirksamkeit der Überweisung - anders als das Oberlandesgericht offenbar meint - auf der Grundlage des ersten Berufungsurteils nicht zugleich die Berechtigung der auf unerlaubte Handlung gestützten Klageforderung. Die in jenem Urteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Annahme eines Schadensanspruchs der Gemeinschuldnerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB schon deshalb nicht, weil im Falle der (unterstellten) wirksamen Darlehensgewährung bei der gebotenen Differenzhypothese der vom Kläger geltend gemachte Schaden nicht besteht (a) und im übrigen das Oberlandesgericht seine gegenteilige Entscheidung auch auf widersprüchlicher Tatsachengrundlage getroffen hat (b).
a) Nach der - für die Revisionsinstanz verbindlichen (vgl. § 559 ZPO) - Unterstellung des Berufungsgerichts hat der Beklagte der Gemeinschuldnerin am 15. März und 21. Juli 1995 zwei mit 8 % p.a. verzinsliche Darlehen über insgesamt 100.000,00 DM gewährt, die "auf Anforderung" zurückzuführen waren. Durch die vom Beklagten namens der Gemeinschuldnerin am 25. März 1997 veranlaßte Rückzahlung des Gesamtbetrages dieser Darlehen nebst Zinsen auf sein Privatkonto - die auf einer wirksamen Bankanweisung beruhte - ist der Gemeinschuldnerin auf der Grundlage der sog. Differenzhypothese ein Vermögensschaden in Gestalt des Abflusses dieser Beträge nicht entstanden. Nach der Differenzhypothese liegt ein nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Schaden nur vor, wenn der tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde (vgl. BGHZ 86, 128, 130; 99, 182, 196). Das ist hier aber nicht der Fall, weil die Gemeinschuldnerin durch die vom Kläger veranlaßte Rücküberweisung zugleich von ihrer Verpflichtung zur Rückzahlung der beiden Darlehen nebst Zinsen befreit worden ist (§ 362 BGB). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Rückführung der Darlehen vorzeitig, d.h. hier schon gleichzeitig mit dem durch konkludente "Anforderung" ausgelösten Beginn der Kündigungsfrist von drei Monaten (§ 609 BGB a.F.) erfolgte; denn abgesehen davon, daß diese Frist jedenfalls schon vor Klageerhebung abgelaufen war, hätte die Erfüllungswirkung selbst innerhalb des Fristenlaufs nicht wieder beseitigt werden können (vgl. § 813 Abs. 2 BGB). Ein aus der - vom Kläger veranlaßten - vorzeitigen Erfüllung der Verbindlichkeit allenfalls resultierender Zinsdifferenzschaden der Gemeinschuldnerin wird mit der Klage nicht geltend gemacht.
Angesichts der Tatsache, daß der vom Kläger geltend gemachte Schaden infolge der durch die Überweisung gleichzeitig eingetretenen Befreiung von der Verbindlichkeit bereits nicht entstanden ist, gehen die - im übrigen schwer nachvollziehbaren - Ausführungen des Berufungsgerichts zu einem Aufrechnungsverbot gemäß § 393 BGB in bezug auf einen erst drei Monate nach Anforderung fällig gewordenen Rückzahlungsanspruch des Beklagten ersichtlich ins Leere.
b) Soweit das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Schadensfeststellung gemeint hat, dem Beklagten stünden keine einredefreien und schon gar keine unbestrittenen Forderungen zu, setzt es sich in unauflösbaren Widerspruch zu dem Ausgangspunkt seiner Feststellungen, d.h. der zuvor zugunsten des Beklagten vorgenommenen Unterstellung zweier wirksam vereinbarter und gewährter Darlehen.
III. Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und - da die Sache nicht endentscheidungsreif ist - zur erneuten Zurückverweisung.
In der neuen Berufungsverhandlung wird das Oberlandesgericht nunmehr durch Beweiserhebung die bisher aufgrund der Unterstellung zugunsten des Beklagten offengelassene Frage zu klären haben, ob der Beklagte - wie er behauptet - durch die Überweisungen im März und Juli 1995 der Gemeinschuldnerin wirksame Darlehen von insgesamt 100.000,00 DM gewährt hat oder ob entsprechend dem Klägervortrag dieser Gesamtbetrag zur Erfüllung einer entsprechenden Einlageverbindlichkeit der früheren Ehefrau des Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin geleistet wurde. Insoweit war jedenfalls nach den - auf einer Beweisaufnahme beruhenden - Feststellungen des den Beklagten freisprechenden Urteils des Amtsgerichts R. (6 Ds 288/98) vom 15. Mai 2000 bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages der Gemeinschuldnerin offenbar zwischen dem Beklagten, W. M. und deren Ehefrauen vereinbart, daß die Kommanditeinlagen der Ehefrauen durch die Ehemänner aufgebracht werden sollten. Bestand eine solche vertragliche Verbindlichkeit auch des Beklagten, so liegt es bei lebensnaher Würdigung dieses Umstandes nahe, daß die Weiterleitung der Gewinne aus der M. & J. GbR nicht nur von Seiten des W. M., sondern auch durch den Beklagten zur teilweisen Erfüllung jener vereinbarungsgemäß aufzubringenden Einlage seiner Ehefrau erfolgte. Die allein vom Beklagten erstellten Darlehensurkunden und die nachträglich veranlaßte Umbuchung dieser Beträge von dem Einlagekonto seiner Ehefrau in ein Darlehenskonto würden dann nur den Versuch des Beklagten darstellen, die ursprüngliche Tilgungsbestimmung nachträglich umzufunktionieren, um sich im Hinblick auf die bereits damals vollzogene Trennung von seiner Ehefrau der u.a. dieser gegenüber verbindlich übernommenen Verpflichtung zur Tilgung ihrer Einlageschuld zu entziehen.
Ende der Entscheidung
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