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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.04.2004
Aktenzeichen: II ZR 154/02
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 76
AktG § 118
AktG § 119
AktG § 179

Entscheidung wurde am 25.05.2004 korrigiert: unter II. 2. erster Absatz 2. Satz muß es richtig "66,4 %" heißen
a) Ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bei Maßnahmen, die das Gesetz dem Vorstand als Leitungsaufgabe zuweist, sind nur ausnahmsweise und in engen Grenzen anzuerkennen. Sie kommen allein dann in Betracht, wenn eine von dem Vorstand in Aussicht genommene Umstrukturierung der Gesellschaft an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen, rührt, weil sie Veränderungen nach sich zieht, die denjenigen zumindest nahe kommen, welche allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden können.

b) Außer für Fälle von Ausgliederungen kann diese Ausnahmezuständigkeit jedenfalls für die Umstrukturierung einer Tochter- in eine Enkelgesellschaft wegen des mit ihr verbundenen weiteren Mediatisierungseffekts in Betracht kommen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre liegt aber auch in diesen Fällen erst dann vor, wenn die wirtschaftliche Bedeutung der Maßnahme in etwa die Ausmaße wie in dem Senatsurteil BGHZ 83, 122 erreicht.

c) Ist die Hauptversammlung danach ausnahmsweise zur Mitwirkung berufen, bedarf ihre Zustimmung wegen der Bedeutung für die Aktionäre einer Dreiviertel-Mehrheit.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 154/02

Verkündet am: 26. April 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und Caliebe

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. März 2002 werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Das 25 Mio. € betragende Grundkapital der beklagten Aktiengesellschaft halten zu rund 10 % eine Reihe von Minderheitsaktionären, während es im übrigen, nämlich zu insgesamt 29,7589 % (270.805 Stückaktien) bei den vier Klägern und zu rund 60 % bei der Stiefmutter des Klägers zu 1, ihrer Tochter und einem Neffen des Klägers zu 1 liegt.

Die Satzung der Beklagten bestimmt in § 2:

"Gegenstand

(1) Gegenstand des Unternehmens sind die Herstellung und der Vertrieb von Gelatine und Gelatineerzeugnissen einschließlich Sonderprodukten sowie anderen chemischen Erzeugnissen.

(2) Die Gesellschaft ist berechtigt, alle Geschäfte einzugehen, die geeignet sind, den Geschäftszweck der Gesellschaft zu fördern. Sie kann im In- und Ausland Zweigniederlassungen errichten, sich bei anderen Unternehmen des In- und Auslands beteiligen, solche Unternehmen erwerben oder gründen und solche Unternehmen ganz oder teilweise unter einheitlicher Leitung zusammenfassen."

Über das Stimmrecht und die Beschlußfassung in der Hauptversammlung bestimmt § 19 folgendes:

"(1) In der Hauptversammlung gewährt je eine Stückaktie eine Stimme.

(2) Die Beschlüsse der Hauptversammlung werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen und, soweit eine Kapitalmehrheit erforderlich ist, mit einfacher Mehrheit des vertretenen Kapitals gefaßt, falls nicht die Satzung oder das Gesetz zwingend etwas anderes vorschreiben.

(3) ..."

Das wesentliche Geschäftsfeld der Beklagten ist die Herstellung und der Vertrieb von Gelatine und deren Nebenprodukten. Sie ist auf diesem Gebiet selbst operativ tätig, verfolgt ihr Unternehmensziel aber auch über verschiedene andere Gesellschaften, an denen sie beteiligt ist. U.a. an der R. S. GmbH & Co. KG und deren Komplementärin, der R. S. Verwaltungs GmbH, hält die Beklagte einen Anteil von 49 %, während der andere Gesellschafter ein US-amerikanischer Konzern ist. Die KG produziert und vertreibt Gelatinekapseln für die Pharmaindustrie; sie hat damit im Jahr 1998 ein Ergebnis von 18,6 Mio. € und 1999 von 27 Mio. € erwirtschaftet. Die Beklagte und die KG, die die für ihr Unternehmen erforderlichen Rohprodukte in großem Umfang von der Beklagten bezieht, stehen in vielfältigen Beziehungen zueinander, über die sich der Vorstand der Beklagten in seinem Bericht vom März 2000 u.a. wie folgt geäußert hat:

"...

2. Bedeutung der Beteiligung im Gesamtkonzern

Es bestehen enge Verflechtungen zwischen der ... (Beklagten) und der R. S. GmbH & Co. KG. Die Betriebe beider Gesellschaften befinden sich auf einem gemeinsamen Gelände. Gelände und Gebäude stehen im alleinigen Eigentum der ... (Beklagten). Die von der R. S. GmbH & Co. KG benutzten Räumlichkeiten sind langfristig von der ... (Beklagten) gemietet. Die Betriebe beider Gesellschaften unterhalten eine gemeinsame Frischwasseraufbereitung und eine gemeinsame Abwasseraufbereitung sowie eine gemeinsame Energieversorgung."

Die gegenwärtige wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung an der R. S. GmbH & Co. KG zeigt der nachfolgende Vergleich der Kennzahlen:

 R. S. GmbH & Co. KGBeklagteGesamtkonzern
Umsatz u. sonstige Erträge (in TEuro)155.584167.935357.091
Bilanzsumme (in TEuro)121.384333.904391.086
Mitarbeiter (31.12.1999)1.009893 1.826

Der Vorstand der Beklagten stellte in der auf den 5. Mai 2000 einberufenen Hauptversammlung neben einem von den Aktionären nicht gebilligten Plan, der die Umstrukturierung der Beklagten zu einer Holdinggesellschaft zum Ziel hatte, unter TOP 11 den Vorschlag zur Abstimmung, den Vorstand zu ermächtigen, mit Zustimmung des Aufsichtsrates die Beteiligungen der Beklagten an der genannten KG und ihrer Komplementärin - außerdem eventuell auch den von den S.-Gesellschaften benutzten Teil des Grundstücks - in eine ihrer zu 100 % gehaltenen Tochtergesellschaften einzubringen. Begründet wurde dieser Vorschlag mit steuerlichen Erwägungen, die an den zu jener Zeit diskutierten Regierungsentwurf zur Unternehmenssteuerreform 2001 anknüpften; der Vorstand wollte der Hauptversammlung der Beklagten die Möglichkeit eröffnen, künftig Beteiligungsbesitz steuerfrei oder -begünstigt zu veräußern, sofern dies zu gegebener Zeit im Interesse der Gesellschaft liegen sollte. Für den Vorschlag stimmten 66,4 %, die Gegenstimmen von 30,02 % des vertretenen Kapitals stammen außer von einigen Minderheitsaktionären von den Klägern. Diese haben Widerspruch zur Niederschrift des amtierenden Notars erhoben, weil sie der Auffassung sind, der Beschluß sei entgegen der Feststellung des Versammlungsleiters nicht wirksam gefaßt worden, weil er einer Mehrheit von Dreivierteln des vertretenen Kapitals bedurft hätte. Die Einbringung der Beteiligung der Beklagten an der R. S. GmbH & Co. KG und deren Komplementärin sei nämlich - nicht zuletzt nach den Darlegungen des Vorstandes der Beklagten über die wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung - eine Maßnahme von so erheblichem Gewicht für die Aktionäre der Muttergesellschaft, daß die Grundsätze der sog. "Holzmüller"-Entscheidung des Senats (BGHZ 83, 122) beachtet werden müßten.

Das Landgericht hat der Anfechtungsklage entsprochen, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Der Beschluß der Hauptversammlung der Beklagten vom 5. Mai 2000 zu TOP 11 ist wirksam zustande gekommen. Er bedurfte nicht, wie die Kläger meinen, einer Dreiviertel-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die vorgesehene Einbringung der Beteiligung der Beklagten an der R. S. GmbH & Co. KG und deren Komplementärin sei von dem in § 2 Abs. 2 der Satzung niedergelegten Unternehmensgegenstand gedeckt, so daß der von den Klägern angegriffene Beschluß nicht wegen einer erforderlichen Änderung der Satzung einer qualifizierten Mehrheit nach § 179 Abs. 2 AktG bedurft habe. Auch unter dem Gesichtspunkt einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit nach den sog. "Holzmüller"-Grundsätzen (BGHZ 83, 122 ff.) sei ein mit Dreiviertel-Mehrheit gefaßter Beschluß der Hauptversammlung nicht erforderlich gewesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen der Vorstand der Beklagten verpflichtet gewesen wäre, die Zustimmung der Hauptversammlung für die von ihm beabsichtigte Maßnahme einzuholen, seien nicht erfüllt gewesen, weil die andere Zuordnung des Beteiligungsbesitzes der Beklagten zu einer ihr allein gehörenden Tochtergesellschaft nicht in den Kernbereich des Unternehmens eingreife, die Unternehmensstruktur nicht von Grund auf und die Aktionäre der Beklagten nicht in ihren mitgliedschaftlichen und Vermögensrechten betreffe. Davon abgesehen hätte ein etwa doch erforderlicher Zustimmungsbeschluß, da er eine Maßnahme der Geschäftsführung betreffe, lediglich einer einfachen Mehrheit bedurft, die im vorliegenden Fall unzweifelhaft erreicht worden sei.

II. Das hält in seinen entscheidenden Teilen den Angriffen der Revision stand.

1. Der Ermächtigungsbeschluß zu TOP 11 bedurfte nicht der in § 179 Abs. 2 AktG bestimmten qualifizierten Mehrheit, weil er von dem in § 2 der Satzung der Beklagten festgelegten Unternehmensgegenstand umfaßt war und nicht - wie die Revision zur Überprüfung stellt - eine tatsächliche Änderung der Satzung enthielt. § 2 Abs. 2 der Satzung läßt es ausdrücklich zu, daß der in Abs. 1 dieser Bestimmung festgelegte Unternehmensgegenstand nicht allein auf dem Wege eigener operativer Tätigkeit der Beklagten, sondern auch durch Beteiligung an oder durch Gründung bzw. durch Erwerb von anderen Unternehmen verfolgt wird und daß diese Unternehmen ganz oder teilweise unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt werden. Der Satzungsgeber, der 1989 bei der Umwandlung des seit Jahrzehnten als GmbH bestehenden Unternehmens in die jetzige Aktiengesellschaft umfangreichen Beteiligungsbesitz vorgefunden hatte, hat damit - der bestehenden Doppelfunktion der Beklagten als operativ wie als Holdinggesellschaft tätigen Unternehmens Rechnung tragend - die Grenzen abgesteckt, innerhalb deren der Vorstand in Ausübung der ihm übertragenen Leitungsmacht in eigener Verantwortung (§ 76 AktG) die Geschäfte zu führen hat (vgl. Röhricht in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 23 Rdn. 83; Pentz in Münch.Komm.z.AktG 2. Aufl. § 23 Rdn. 78). Ob Beteiligungsbesitz von der Beklagten selbst zu halten und dementsprechend die Führung des Tochterunternehmens in größerem Maße in den Händen des Vorstands der Muttergesellschaft liegen oder die Geschäfte der Beteiligungsunternehmen besser auf einer tieferen hierarchischen Ebene innerhalb des Konzerns geführt werden sollen, ist damit nach der Satzung eine von dem Vorstand allein verantwortungsbewußt zu treffende Entscheidung. Dies gilt insbesondere auch, wenn der Vorstand - wie hier von ihm erläutert - mit seiner in Aussicht genommenen Änderung der Zuordnung des Beteiligungsbesitzes an den beiden Gesellschaften die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen will, daß die Hauptversammlung zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden kann, ob die Gesellschaft von der Möglichkeit einer steuerfreien oder steuerbegünstigten Veräußerung dieser Beteiligungen Gebrauch machen soll.

2. Die Anfechtungsklage ist auch im übrigen nicht begründet. Der Versammlungsleiter hat mit Recht angenommen, daß der angefochtene Genehmigungsbeschluß einer qualifizierten Mehrheit des vertretenen Kapitals - was die Kläger unter Berufung auf die sog. "Holzmüller"-Grundsätze für erforderlich halten - nicht bedurfte, und ihn folgerichtig als mit einem erzielten Quorum von 66,4 % der Stimmen als wirksam zustande gekommen festgestellt.

a) Der Senat hat ausgesprochen (BGHZ 83, 122), daß bestimmte Entscheidungen einer Aktiengesellschaft, die - anders als dies in den in § 119 Abs. 1 AktG genannten Fällen oder z.B. für die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Vermögens der Gesellschaft (§ 179 a AktG), für Unternehmensverträge (§§ 293, 295 AktG), für die Fassung eines Fortsetzungsbeschlusses (§ 274 AktG) oder für Eingliederungsbeschlüsse (§§ 319, 320 AktG) bestimmt ist - eine Mitwirkung der Aktionäre nach dem Gesetz nicht erfordern, ausnahmsweise der von dem Vorstand einzuholenden, intern wirkenden Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen. Anerkannt hat der Senat diese "ungeschriebene" Hauptversammlungszuständigkeit in einem Fall, in dem eine Aktiengesellschaft zwar nicht ihr ganzes Gesellschaftsvermögen, jedoch einen Betrieb, welcher den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens ausmachte, auf eine zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft ausgegliedert hat (BGHZ 83, 122). Er hat dabei das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung nicht auf die Ausgliederungsmaßnahme selbst beschränkt (BGHZ 83, 122, 131 f.), sondern auf die spätere Entscheidung über eine Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft erweitert (BGHZ 83, 122, 141 ff.). Die Pflicht des Vorstands, in diesen beiden Fallgestaltungen die Aktionäre der Muttergesellschaft an der Entscheidungsfindung zu beteiligen, hat der Senat nicht aus einer Anlehnung an die gesetzlich festgelegten Tatbestände hergeleitet, nach denen die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ist; vielmehr hat er - mit Blick darauf, daß die hier in Rede stehende Pflicht zur Beteiligung der Aktionäre ausschließlich das Innenverhältnis des Vorstandes zur Gesellschaft betrifft, seine Handlungsfähigkeit im Außenverhältnis aber unberührt läßt - § 119 Abs. 2 AktG als die maßgebende Norm bezeichnet, aus welcher sich die intern wirkende Beschränkung der Handlungsmacht des Vorstandes ableitet (BGHZ 83, 122, 131).

Die Anerkennung einer solchen, nur das Innenverhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft betreffenden ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit durch den Senat wird heute im Schrifttum überwiegend gebilligt (vgl. Nachw. bei Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht 3. Aufl. vor § 311 Rdn. 33 Fn. 143). Keine Einigkeit besteht indessen über den Anwendungsbereich dieser Grundsätze im einzelnen (vgl. schon BGHZ 83, 122, 140; zusammenfassend Mülbert in Großkomm.z.AktG aaO § 119 Rdn. 20; Habersack aaO vor § 311 Rdn. 33; Reichert in Beck'sches Handb. der AG § 5 Rdn. 27 ff. je m.w.Nachw.), weil Schutzzweck (dazu unten aa) und Rechtsgrundlage (unten bb) ebenso umstritten sind, wie das Erfordernis und die Festlegung einer "Wesentlichkeits-" bzw. "Bagatellgrenze" (unten cc) und das Quorum (unten b), mit dem die Hauptversammlung für den Fall ihrer ungeschriebenen Zuständigkeit Beschluß zu fassen hat.

aa) In Teilen des Schrifttums ist die "Holzmüller"-Entscheidung von Anfang an begrüßt worden, weil man ihr über den konkret entschiedenen Fall einer strukturändernden Ausgliederung hinaus eine Bestätigung für die Lehre entnommen hat, nicht nur in der Aktiengesellschaft, sondern auch in dem von ihr geführten Konzern gebe es einen weiten Bereich grundlegender Geschäftsführungsaufgaben, an denen mitzuwirken die Aktionäre durch die Hauptversammlung der herrschenden Gesellschaft berufen seien (vgl. in diesem Sinn vor allem Lutter, FS Stimpel S. 825, 833 ff.; ähnlich Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze S. 135 ff., 165 ff.; U.H. Schneider, FS Bärmann S. 873, 881 ff.; ablehnend Mertens in Kölner Komm.z.AktG 2. Aufl. § 76 Rdn. 51; Hüffer, AktG 6. Aufl. § 119 Rdn. 18; ders. FS Ulmer S. 279, 286 ff.).

Für diese Lehre kann die genannte Entscheidung des Senats nicht in Anspruch genommen werden. Dies ist sich schon aus seiner äußerst zurückhaltenden Bemerkung zu ersehen, der Senat sei nicht gehalten, umfassend zu erörtern, "inwieweit dieses Modell einer 'konzernspezifischen Binnenordnung' nach geltendem Recht begründbar, mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten zu vereinbaren und praktisch durchführbar" sei (BGHZ 83, 122, 138). Es ist zwar nicht zu verkennen, daß das Erfordernis, die Hauptversammlung in bestimmten gesetzlich nicht geregelten Fällen intern an der Entscheidung zu beteiligen, deren Einfluß auf eine Konzernbildung und -leitung zu stärken vermag. Diese Wirkung tritt indessen lediglich als Reflex der von dem Senat für erforderlich erachteten Beteiligung der Aktionäre ein. Die - angesichts der wohlaustarierten Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft (zur Entwicklung s. etwa Assmann in Großkomm.z.AktG aaO Einl. Rdn. 133, 156 f., 164; 1. Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht bei Schubert, Protokolle des Ausschusses für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht S. 485 f.; 2. Bericht aaO S. 503 ff.; Amtl. Begründung zum AktG 1937, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937, Nr. 28 S. 3; Kropff, AktG 1965 S. 95 f. und 165 zu § 119; Mertens in Kölner Komm.z.AktG aaO § 76 Rdn. 9; Hefermehl/Spindler in Münch.Komm.z.AktG 2. Aufl. § 76 Rdn. 21 ff.) nur ausnahmsweise in Betracht kommende - Einschaltung der Hauptversammlung bei derartigen Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes soll nämlich der bei der Verabschiedung des Gesetzes nicht erkannten (Geßler, FS Stimpel S. 771, 780; Hüffer aaO § 119 Rdn. 18 a "Anschauungslücke") besonderen Fallgestaltung Rechnung tragen, daß das Handeln des Vorstandes zwar durch seine Vertretungsmacht, den Wortlaut der Satzung und die nach § 82 Abs. 2 AktG im Innenverhältnis begrenzte Geschäftsführungsbefugnis formal noch gedeckt ist, die Maßnahmen aber "so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen" (vgl. BGHZ 83, 122, 131), daß diese Auswirkungen an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen. Durch diese notwendige Mitwirkung der Hauptversammlung soll der mit der Ausgliederung entscheidend wichtiger Teile des Unternehmens der Gesellschaft auf nachgelagerte Beteiligungsgesellschaften notwendigerweise verbundenen Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre (vgl. dazu BGHZ 153, 47, 54; hierauf maßgeblich abstellend z.B. Habersack aaO vor § 311 Rdn. 34; s. auch Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht S. 53 ff.; ablehnend, allein auf den Schutz der Vermögensinteressen abstellend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt S. 416 ff.; ders. in Großkomm.z.AktG aaO § 119 Rdn. 33), denen es als Satzungsgeber zukommt, Gegenstand und Grenzen des Handelns der für die Gesellschaft tätigen Leitungsorgane zu bestimmen, begegnet werden (BGHZ 83, 122, 136, 139). Zugleich soll der Schutz der Anteilseigner vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintretenden nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung gewährleistet werden (BGHZ 83, 122, 142 f.; vgl. Kubis in Münch.Komm.z.AktG 2. Aufl. § 119 Rdn. 44 ff.; Zimmermann/Pentz, FS Welf Müller S. 151, 163). Den berechtigten Belangen der Aktionäre wird damit - anders als wenn sie, was natürlich bei Anerkennung eines weiten Gestaltungsspielraums des Vorstandes unberührt bleibt, ausschließlich auf die Verfolgung von Schadenersatzansprüchen gegen den Vorstand wegen pflichtwidriger Ausübung seiner Leitungsmacht verwiesen würden - schon präventiv Rechnung getragen.

Der zur Entscheidung stehende Streitfall gibt dem Senat keinen Anlaß, abschließend darüber zu befinden, bei welchen einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen der Vorstand, obwohl er dazu nach dem geschriebenen Gesetz nicht verpflichtet ist, aus dem Gesichtspunkt eines tiefgreifenden Eingriffs in die mitgliedschaftlichen Befugnisse der Aktionäre intern gehalten ist, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen. Jedenfalls aber kann ein Mediatisierungseffekt (vgl. Liebscher, Konzernbildungskontrolle S. 65 ff., 74 f.; Wiedemann, Unternehmensgruppe S. 53 f.; Kubis aaO § 119 Rdn. 74; Habersack aaO vor § 311 Rdn. 35; ferner allgemein BGHZ 153, 47, 54), den der Vorstand angesichts der von ihm ausgehenden tiefgreifenden Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Aktionäre, deren ihm anvertrautes Geld der Vorstand bei seiner Leitungstätigkeit zu verwalten hat (vgl. dazu schon 1. Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht bei Schubert, Protokolle aaO S. 485), nicht ohne deren Zustimmung herbeiführen darf, nicht nur wie im Fall "Holzmüller" (BGHZ 83, 122) von der Ausgliederung eines wichtigen Betriebs auf eine dazu gegründete Tochtergesellschaft ausgehen. Er kann wegen der hier ebenfalls eintretenden (weiteren) Machtverschiebung zu Lasten der Aktionäre der Muttergesellschaft auch bei Umstrukturierungen des Beteiligungsbesitzes, wie sie etwa den Anlaß für den vorliegenden Rechtsstreit bilden, auftreten und den Vorstand deshalb intern zur Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung verpflichten.

bb) In der "Holzmüller"-Entscheidung hat der Senat die Rechtsgrundlage für die Einbeziehung der Hauptversammlung in den Entscheidungsprozeß aus § 119 Abs. 2 AktG hergeleitet (BGHZ 83, 122, 131): Das nach dieser Vorschrift grundsätzlich bestehende Ermessen des Vorstandes, ob er die Hauptversammlung ausnahmsweise über eine Geschäftsführungsmaßnahme abstimmen lassen wolle, bestehe in Fällen eines tiefgreifenden Eingriffs in Mitgliedschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre, wie sie etwa die Ausgliederung eines den wesentlichen Teil des Gesellschaftsvermögens ausmachenden Betriebs der Gesellschaft darstelle, nicht mehr, sondern verdichte sich für einen sorgfältig handelnden Vorstand zu einer Pflicht zur Beteiligung der Aktionäre.

Im Schrifttum hat diese Herleitung der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit überwiegend Kritik erfahren (vgl. für alle nur Habersack aaO vor § 311 Rdn. 36; Mülbert in Großkomm.z.AktG aaO § 119 Rdn. 21 je m.w.Nachw.; a.A. aber Hüffer aaO § 119 Rdn. 18; Sympathien auch bei Reichert, Beiheft 68 der ZHR S. 45). Auch wenn anzuerkennen ist, daß der Gesetzgeber mit § 119 Abs. 2 AktG keine auch nur indirekte Verpflichtung des Vorstandes hat begründen wollen, die Hauptversammlung über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus an der Geschäftsführung zu beteiligen (vgl. zur Entstehungsgeschichte Geßler, FS Stimpel S. 771, 773 ff.), wird bei der Kritik nicht immer hinreichend berücksichtigt, daß der Senat sich vor allem deswegen an § 119 Abs. 2 AktG angelehnt hat, weil er deutlich machen wollte, daß die von ihm angenommene Pflicht allein das Innenverhältnis zur Hauptversammlung betrifft, die uneingeschränkte Außenvertretungsmacht des Vorstandes hiervon aber nicht berührt wird (h.M. vgl. statt aller Habersack aaO vor § 311 Rdn. 48; Koppensteiner in Kölner Komm.z.AktG aaO vor § 291 Rdn.22; a.A. Hübner, FS Stimpel S. 791, 798). Die in der Literatur überwiegend befürwortete Analogie zu allen oder einzelnen aktienrechtlichen Vorschriften, die die Mitwirkung der Hauptversammlung bei bestimmten Maßnahmen anordnen (vgl. m.w.Nachw. Habersack aaO vor § 311 Rdn. 36, Fn. 154; Mülbert in Großkomm.z.AktG aaO § 119 Rdn. 23), mag zwar auf der tatbestandlichen Seite eher geeignet sein, die in Betracht kommenden Fälle einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit festzulegen, sie sieht sich aber dem Einwand ausgesetzt, daß die gesetzlich geregelten Fälle von der Rechtsfolge her nicht passen, weil sie dem Vorstand nicht nur die Geschäftsführungsbefugnis nehmen, sondern die von ihm getroffenen Maßnahmen wegen fehlender Vertretungsmacht als nichtig behandeln.

Vorzugswürdig - zumal der Gesetzgeber in Kenntnis der lang anhaltenden Diskussion Initiativen zur Regelung des Problems nicht ergriffen hat (vgl. Hüffer, FS Ulmer S. 279, 301 f.) - erscheint es deswegen, die Grundlage für ein ungeschriebenes Mitwirkungsrecht der Aktionäre bei Geschäftsführungsmaßnahmen weder aus § 119 Abs. 2 AktG noch aus einer Gesetzesanalogie herzuleiten, sondern die zutreffenden Elemente beider Ansätze, nämlich die bloß das Innenverhältnis betreffende Wirkung einerseits und die Orientierung der in Betracht kommenden Fallgestaltungen an den gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen auf der anderen Seite, aufzunehmen und diese besondere Zuständigkeit der Hauptversammlung als Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung anzusehen (vgl. schon Geßler, FS Stimpel S. 771, 780).

cc) Daß nicht jede die Rechtsstellung der Aktionäre beeinträchtigende Maßnahme des Vorstandes das Mitwirkungsrecht der Hauptversammlung auslöst, wird auch von dem Teil des Schrifttums anerkannt, der prinzipiell für eine weitestmögliche Ausdehnung der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit eintritt. Von diesem Ansatz aus ist es konsequent, allenfalls nach Bagatellgrenzen zu suchen, ohne deren Überschreiten der Vorstand bei seinem Handeln frei ist.

Dem ist indessen nach dem oben beschriebenen Schutzzweck der vom Senat entwickelten Rechtsfigur nicht zu folgen. Recht und Pflicht zur eigenverantwortlichen, an objektiven Sorgfaltsmaßstäben orientierten Geschäftsführung hat das Aktiengesetz allein dem - bei seinem Handeln der Überwachung durch den von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsrat unterworfenen - Vorstand zugewiesen; der Hauptversammlung dagegen ist, von den gesetzlich geregelten Fällen abgesehen, die Mitwirkung an und die Einflußnahme auf Geschäftsführungsmaßnahmen versagt. In Auswertung der bis zum Ende der Weimarer Republik gewonnenen Erkenntnisse hat der Gesetzgeber bewußt die bis dahin bestehende zentrale Stellung der Hauptversammlung als des für die Geschicke der Aktiengesellschaft maßgebenden Organs, von dem Aufsichtsrat und Vorstand ihre Befugnisse herleiten, zurückgenommen, weil sie nach ihrer ganzen Struktur typischerweise die ihr bis dahin zugedachte Aufgabe nicht sachgerecht erfüllen konnte. Nach der über Jahre sich hinziehenden Diskussion mit Wissenschaft und Praxis (vgl. Nachw. bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik 1926 - 1931 und Protokolle des Ausschusses für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht; Assmann in Großkomm. z.AktG aaO Einl. Rdn. 133, 156 f., 164) hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Hauptversammlung in Anbetracht ihrer inhomogenen, dem Zufall ausgelieferten Zusammensetzung und ihrer Ferne zu den jeweils zu treffenden Geschäftsführungsmaßnahmen ihrer ganzen Struktur nach für die Mitwirkung an der Leitung einer Aktiengesellschaft ungeeignet ist, daß ihr aber die Grundlagenkompetenz für die "Verfassung", nämlich die Aufstellung und Änderung der Satzung, einschließlich der Entscheidung über eine Kapitalerhöhung, sowie für die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrats und die Entlastung der Geschäftsführung zugewiesen bleiben müsse (vgl. 1. und 2. Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Aktienrecht bei Schubert, Protokolle aaO S. 486, 503 ff.; Begründung zum AktG 1937 aaO S. 3). Diese mit § 70 AktG 1937 eingeführten Regeln hat der Gesetzgeber des geltenden Aktienrechts, ohne nach der konkreten Struktur der Gesellschaft zu differenzieren (so aber Liebscher, Konzernbildungskontrolle S. 100 ff.), ausdrücklich übernommen und die Befugnisse der Hauptversammlung lediglich in einzelnen Geschäftsführungsfragen erweitert, von denen er - wie etwa beim Abschluß von Unternehmensverträgen - annahm, sie seien so wesentlich für die weitere Entwicklung der Gesellschaft, daß sie dem Vorstand nicht allein überlassen bleiben könnten (Kropff, AktG vor § 76 S. 95 f.). In einer global vernetzten Wirtschaftsordnung, in der es darauf ankommt, sich bietende Chancen umgehend zu nutzen oder aufkommenden Gefahren sogleich zu begegnen, wäre eine zu enge Bindung an jeweils einzuholende Entschließungen der nicht ständig präsenten, sondern regelmäßig nur mit erheblichem Aufwand an Zeit und Kosten einzuberufenden Hauptversammlung gänzlich unpraktikabel und hätte eine Lähmung der Gesellschaft zur Folge.

Danach kann eine im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene Mitwirkung der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands nur in engen Grenzen, nämlich dann in Betracht kommen, wenn sie an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann. Die Überschreitung der im Schrifttum in diesem Zusammenhang genannten Schwellenwerte - sie beziehen sich auf unterschiedliche Parameter und schwanken zwischen 10 % und 50 % (s. Nachw. bei Habersack aaO vor § 311 Rdn. 41; Kubis aaO § 119 Rdn. 55; Krieger in Münch.Handb.d.Gesellschaftsrechts Bd. 2, 2. Aufl. § 69 Rdn. 7 f.) - kann danach nicht ausreichen; die beschriebenen Voraussetzungen, die zur Durchbrechung der vom Gesetz vorgesehenen Kompetenz- und Arbeitsteilung führen, werden vielmehr regelmäßig erst dann erfüllt sein, wenn der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung in dem vom Senat entschiedenen "Holzmüller"-Fall erreicht.

b) Ist danach - ausnahmsweise - die Zustimmung der Hauptversammlung für eine Geschäftsführungsmaßnahme einzuholen, bedarf diese einer Dreiviertel-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals, wie dies im Ergebnis der inzwischen herrschenden Auffassung im Schrifttum entspricht (vgl. z.B. Hübner, FS Stimpel S. 791, 795 f.; Priester, ZHR 163 [1999], 187, 199 f.; Joost, ZHR 162 [1999], 164, 172; Altmeppen, DB 1998, 49, 51; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften 3. Aufl. § 16 Rdn. 15; Habersack aaO vor § 311 Rdn. 45 m.w.Nachw.; a.A. Hüffer, FS Ulmer S. 279, 297 ff.; Semler in Münch.Handb.d. Gesellschaftsrechts Bd. 2, 2. Aufl. § 34 Rdn. 42). Dagegen spricht nicht, daß es sich bei der ausnahmsweise der Zustimmung der Hauptversammlung unterstellten Maßnahme - worauf das Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung abgestellt hat (ähnlich Liebscher aaO S. 92 f.) - um eine Geschäftsführungsangelegenheit und nicht um eine Satzungsänderung handelt. Entscheidend ist vielmehr, daß Gegenstand der Beschlußfassung eine Maßnahme ist, die zwar noch keine Satzungsänderung erfordert, ihr aber angesichts der tief in die mitgliedschaftliche Stellung der Aktionäre eingreifenden Wirkung so nahe kommt, daß die an sich gegebene Gestaltungsmacht des Vorstandes hinter der gebotenen Mitwirkung der Hauptversammlung zurücktreten muß. In diesem Sinn hat der Gesetzgeber auch für andere nicht die Verfassung, sondern Geschäftsführungsmaßnahmen im weiteren Sinn betreffende Angelegenheiten - etwa für den Abschluß von Unternehmensverträgen (vgl. diesen Beispielsfall herausstellend Kropff aaO S. 96) oder für die inhaltlich verwandten Umstrukturierungen nach dem Umwandlungsgesetz 1994 - nicht nur die Zustimmung der Hauptversammlung überhaupt angeordnet, sondern bestimmt, daß eine qualifizierte Mehrheit hierfür erreicht werden muß.

Hiervon ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch dann nicht abzugehen, wenn die Satzung eine sog. Konzernklausel enthält (ebenso Habersack aaO vor § 311 Rdn. 45; a.A. Lutter, FS Stimpel S. 825, 847 f.; Wiedemann, Unternehmensgruppe aaO S. 57) oder wenn - wie hier in § 19 Abs. 2 der Satzung geschehen - bestimmt ist, daß alle Beschlüsse der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit gefaßt werden können, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung zwingend anderes bestimmen. Mit der Aufnahme einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel in die Satzung erweitern die Aktionäre lediglich den Handlungsspielraum des Vorstandes, der dementsprechend nicht gehalten ist, den Unternehmensgegenstand ausschließlich durch eigene operative Tätigkeit der Aktiengesellschaft zu verwirklichen, sondern dafür auch zu gründende oder zu erwerbende Gesellschaften oder Beteiligungen einsetzen darf. Des mit der Anerkennung ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten bezweckten Schutzes begeben sich die Aktionäre dadurch nicht; das hat der Senat der Sache nach bereits in der "Holzmüller"-Entscheidung (BGHZ 83, 122, 141 ff.) angenommen, indem er für die Hauptversammlung der Muttergesellschaft ein Mitwirkungsrecht auch bei grundlegenden Maßnahmen in der Tochtergesellschaft nach Durchführung einer der Zustimmung der Aktionäre bedürfenden Ausgliederungsmaßnahme anerkannt hat.

Angesichts der Schwere der möglichen Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre kann die Satzung zu ihren Lasten das Quorum für die Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme nicht absenken, vielmehr ist das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit hier nicht anders als z.B. in den Fällen der §§ 179 a Abs. 1 Satz 2, 293 Abs. 1 Satz 3, 319 Abs. 2 Satz 3 AktG zwingend.

3. Der unter TOP 11 zur Abstimmung gestellte und mit 66,4 % des vertretenen Grundkapitals angenommene Ermächtigungsbeschluß ist unter Zugrundelegung der vorstehend beschriebenen Kriterien nicht unwirksam. Er greift nicht derart tief in die mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre der Beklagten ein, daß die Hauptversammlung mit ihm hat befaßt werden und daß sie obendrein ihre Zustimmung mit qualifizierter Mehrheit hat erteilen müssen.

Zutreffend ist allerdings der Ansatzpunkt der Kläger, daß die hier in Aussicht genommene Einbringung der bisher von der Beklagten gehaltenen Beteiligung an der R. S. GmbH & Co. KG und deren Komplementärin in eine im alleinigen Besitz der Muttergesellschaft stehende Tochtergesellschaft eine Maßnahme ist, die einen Mediatisierungseffekt (s. dazu BGHZ 153, 47, 54) zu Lasten der Aktionäre zur Folge hat. Das ergibt sich hier - anders, als wenn die Geschäftsanteile lediglich von einer 100prozentigen auf eine andere ebenfalls 100prozentige Tochtergesellschaft (vgl. dazu Kubis aaO § 119 Rdn. 74) übertragen werden - schon daraus, daß mit der beabsichtigten Übertragung eine weitere hierarchische Ebene geschaffen und damit der Einfluß der herrschenden Obergesellschaft und deren Hauptversammlung auf die Führung der Geschäfte, aber auch auf die Entscheidung über die Gewinnverwendung und andere Maßnahmen dieses nunmehr zu einer Enkelgesellschaft gewordenen Unternehmens abnimmt. Denn die Leitungsorgane dieser Gesellschaft erhalten den Rahmen für ihr Handeln nunmehr nicht mehr durch den von der Hauptversammlung kontrollierten Vorstand der Muttergesellschaft, sondern von dem organschaftlichen Vertreter der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft vorgegeben, der seine Berufung einer nach § 76 AktG getroffenen Entscheidung des Vorstandes der Muttergesellschaft verdankt.

Die Strukturmaßnahme, zu der der Vorstand - offensichtlich nicht in der Absicht einer Selbstbindung, sondern geleitet von der die Praxis verunsichernden Diskussion um Grund und Grenzen einer über die ausdrücklich im Gesetz geregelten Fälle hinausgehenden notwendigen Mitwirkung der Hauptversammlung - die Zustimmung der Aktionäre eingeholt hat, greift jedoch nicht in dem oben beschriebenen wesentlichen Umfang in die Rechtsstellung der Aktionäre ein.

Schon nach dem eigenen Vortrag der Kläger, die deutlich geringere Anforderungen hinsichtlich der sog. "Wesentlichkeitsschwelle", dafür den Charakter der Umgliederung als "Strukturmaßnahme" in den Vordergrund stellen, ist die Beteiligung der Beklagten an den beiden S.-Gesellschaften zwar von nicht geringer Bedeutung. Nach den Parametern, die der Vorstand in seinem Bericht für die Hauptversammlung zusammengestellt hat und auf den sich die Revision wesentlich stützt, liegt die wirtschaftliche Bedeutung jedoch weit unter der Grenze, die überschritten sein muß, um eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit zu begründen. Danach trägt insbesondere die S.-Beteiligung zu nicht mehr als einem Viertel zum Konzernergebnis vor Steuern bei; daß diese Gesellschaften darüber hinaus - etwa wegen der Inhaberschaft von Schutzrechten, von Grundstücken oder Maschinen, auf welche die Beklagte für die Verfolgung ihres Unternehmensgegenstandes angewiesen wäre - eine darüber hinaus gehende Schlüsselstellung für die herrschende Gesellschaft hätte, zeigt die Revision nicht auf. Auch wenn die besonderen miet- und kaufrechtlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und diesen Beteiligungsgesellschaften - wie die Kläger für richtig halten - in die Prüfung der "Wesentlichkeit" einbezogen werden, ist eine andere Beurteilung nicht veranlaßt. Denn diese zwischen der Beklagten und den S.-Gesellschaften bestehenden Rechtsbeziehungen sind von der seitens der Kläger bekämpften Umstrukturierung, die an der Zugehörigkeit der S.-Gesellschaften zum Konzern der Beklagten nichts ändert, nicht betroffen.



Ende der Entscheidung

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