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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.10.1998
Aktenzeichen: II ZR 164/97
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 286 Abs. 1 B |
Zur verfahrensfehlerhaften vorweggenommenen Beweiswürdigung.
BGH, Urt. v. 12. Oktober 1998 - II ZR 164/97 - OLG Köln LG Köln
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 12. Oktober 1998
Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 1998 durch die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. April 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte gründete zusammen mit H. S. am 30. August 1991 die Klägerin; Gegenstand des Unternehmens war u.a. der Handel und Vertrieb von Transport- und Aufliegersystemen, darunter die Vermarktung eines vom Beklagten entwickelten Anhängerkupplungssystems für das Geländewagen (G)- Modell von D.. Vom Stammkapital der Gesellschaft von 404.000,-- DM übernahm der Beklagte eine Einlage von 200.000,-- DM, die er vereinbarungsgemäß durch Übertragung des auf seinen Sohn eingetragenen Gebrauchsmusterrechts für die Kupplung auf die Klägerin erbrachte; dessen Wert hatte der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater B. in einem Gutachten vom 29. August 1991 auf 200.000,-- DM geschätzt. Nach § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages sollte der Beklagte im Falle einer Überbewertung zum Ausgleich der Differenzschuld durch Geldleistung verpflichtet sein, während bei Unterbewertung kein Ausgleich stattfinden sollte. In der Folgezeit verkaufte die Klägerin zwar eine Anzahl von Aufliegern der Firma F. , jedoch kein einziges Kupplungssystem nach dem vom Beklagten entwickelten Gebrauchsmuster. Die mittlerweile in Liquidation befindliche Klägerin hält das eingebrachte Gebrauchsmuster für von Anfang an technisch und wirtschaftlich wertlos und verlangt vom Beklagten Zahlung von 199.999,-- DM. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Ohne durchgreifenden Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings die von der Klägerin behauptete Übernahme einer Garantiehaftung durch den Beklagten für jegliche, auch nachträglich eintretende Wertminderung oder vollständige Entwertung des Gebrauchsmusters verneint, weil dem Wortlaut und Gesamtzusammenhang des § 3 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages eine über § 9 GmbHG hinausgehende Haftung nicht zu entnehmen ist. Hinreichend konkreter Sachvortrag der Klägerin zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit dieser vertraglichen Haftungsklausel - insbesondere zu den Anknüpfungskriterien und zur weiteren inhaltlichen Ausgestaltung einer Garantieübernahme - fehlt; dementsprechend hat das Berufungsgericht ohne Verfahrensfehler insoweit von einer Zeugenvernehmung abgesehen.
2. Hinsichtlich einer Differenzhaftung des Beklagten nach § 9 GmbHG bzw. - inhaltsgleich - nach § 3 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß sich eine Überbewertung des Gebrauchsmusters im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der Klägerin zum Handelsregister nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht aus einer technischen und damit zugleich wirtschaftlichen Wertlosigkeit des vom Beklagten erfundenen Aufliegersystems ableiten läßt. Das von der Klägerin als Konkurrenzprodukt bezeichnete System C. war technisch überhaupt nicht vergleichbar, weil es nicht für das G-Modell von D. - für das allein die Kupplung des Beklagten die allgemeine Werkszulassung hatte -, sondern nur für Sattelzugmaschinen geeignet war. Eine weitere Aufklärung durch zweitinstanzliches Sachverständigengutachten war insoweit nicht geboten, weil selbst nach dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten das System C. nur bei kostenträchtigen Umrüstungsmaßnahmen - insbesondere im Hinblick auf die Pkw-Kombi-Eigenschaft des Zugfahrzeugs - für das G-Modell von D. in Betracht käme.
Gleichwohl hat das angefochtene Urteil keinen Bestand, weil das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft schlüssiges und unter Beweis gestelltes Vorbringen der Klägerin zu einer Überbewertung der Sacheinlage des Beklagten im Sinne des § 9 GmbHG (bzw. § 3 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages) übergangen hat. In beiden Tatsacheninstanzen hat die Klägerin nämlich behauptet und durch Zeugnis des Wertgutachters B. unter Beweis gestellt, daß sowohl der Beklagte als auch sein Sohn als damaliger Geschäftsführer der Klägerin dem Gutachter im Zusammenhang mit der Wertermittlung unter Hinweis auf einen Aktenordner mit angeblich 200 Anfragen von Interessenten erklärt hätten, entsprechende Umsatzzahlen seien ohne Probleme zu erreichen; nur deshalb sei B. von einer optimistischen Schätzung von 150 und einer pessimistischen Schätzung von 50 zu verkaufenden Einheiten pro Jahr ausgegangen und habe daraus den Mittelwert von 100 Exemplaren gebildet. Keinesfalls hätte der Wertgutachter diese Durchschnittszahl seinem Gutachten zugrunde gelegt, falls ihm vom Beklagten wahrheitsgemäß mitgeteilt worden wäre, es hätten seinerzeit lediglich 20 Anfragen - so der eigene Vortrag des Beklagten - vorgelegen. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin könne die von ihr behauptete Überbewertung durch diesen Sachvortrag nicht beweisen, weil sich im Wertgutachten B. kein entsprechender Hinweis auf derartige Zahlenangaben finde, stellt eine unzulässige antezipierte Beweiswürdigung dar. Auch die weitere Erwägung, es sei davon auszugehen, daß der Gutachter selbständig die ihm vorgelegten Unterlagen auf ihre Plausibilität überprüft habe, ist eine bloße Hypothese, die sich nicht auf unstreitigen Sachvortrag der Parteien gründet; in dem Gutachten finden sich keine Zahlenangaben, die die zugrunde gelegten optimistischen und pessimistischen Schätzungen näher belegen würden.
3. Aus den vorgenannten Gründen durfte das Oberlandesgericht auch nicht eine Gründungshaftung nach § 9 a Abs. 1 GmbHG ohne Beweiserhebung verneinen, weil es sich sowohl bei der übertriebenen Behauptung von ca. 200 Interessenten als auch bei einem Verschweigen einer Mindestzahl von nur 20 Verkaufschancen um wissentlich falsche Angaben gegenüber dem Wertgutachter im Zusammenhang mit dem Gründungsverfahren handeln würde.
4. Gemäß § 565 Abs. 1 ZPO ist daher die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die noch erforderlichen ergänzenden Feststellungen treffen kann.
Ende der Entscheidung
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