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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 31.01.2000
Aktenzeichen: II ZR 189/99
Rechtsgebiete: GmbHG
Vorschriften:
GmbHG § 30 | |
GmbHG § 43 Abs. 2 | |
GmbHG § 3 |
Der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH haftet dieser grundsätzlich nicht für die von ihm durch eine Pflichtverletzung gegenüber Dritten verursachte Belastung des Gesellschaftsvermögens mit einer Schadensersatzverpflichtung. Das gilt auch dann, wenn es dadurch zu einer Beeinträchtigung des Stammkapitals oder zur Insolvenz der GmbH kommt.
BGH, Urteil vom 31. Januar 2000 - II ZR 189/99 - OLG Karlsruhe LG Freiburg
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 31. Januar 2000
Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht, die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Kraemer und die Richterin Münke
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom 12. Mai 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte war geschäftsführender Alleingesellschafter der Ende 1996 in Konkurs gefallenen H. B. GmbH, gegen die der Klägerin ein rechtskräftig titulierter Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung im Jahre 1993 in Höhe von 20.000,-- DM nebst Zinsen und Kosten zusteht. Aufgrund dieses Titels hat die Klägerin einen angeblichen Regreßanspruch der GmbH gegenüber dem Beklagten aus § 43 Abs. 2 GmbHG wegen der durch die Falschberatung bedingten Belastung des GmbH-Vermögens mit der Schadensersatzpflicht gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen, den sie im vorliegenden Rechtsstreit gegenüber dem Beklagten - neben Ansprüchen aus eigenem Recht (aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG) - geltend macht.
Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, die das Berufungsgericht zur Klärung der Frage zugelassen hat, ob der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH sich über die in § 43 Abs. 3 GmbHG genannten Fälle hinaus gegenüber der GmbH schadensersatzpflichtig machen kann.
Entscheidungsgründe:
Die Revision, deren Zulassung nur wegen einer den angeblichen Anspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht der GmbH betreffenden Rechtsfrage erfolgt und daher auf diesen Anspruch beschränkt ist (vgl. BGHZ 48, 134), bleibt ohne Erfolg.
I. Entgegen der Ansicht der Revision besteht kein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht der GmbH, für die der Beklagte bei der (fehlerhaften) Anlageberatung der Klägerin handelte.
1. Wie der Senat mehrfach entschieden hat und die Revision im Ansatz auch nicht verkennt, haftet ein GmbH-Geschäftsführer, der eine Weisung der Gesellschafter befolgt oder selbst alleiniger Gesellschafter ist, der GmbH gegenüber - außerhalb der Fälle der §§ 30, 33, 43 Abs. 3, 64 Abs. 2 GmbHG - grundsätzlich nicht für eine durch ihn herbeigeführte Minderung des Gesellschaftsvermögens (vgl. BGHZ 31, 258, 278; 119, 257; 122, 333, 336; vgl. auch Sen.Urt. v. 21. Juni 1999 - II ZR 47/98, ZIP 1999, 1352). Dies folgt hinsichtlich weisungsgemäßen Handelns schon aus einem Umkehrschluß zu § 43 Abs. 3 GmbHG (vgl. BGHZ 31, 258, 278), dem ersichtlich die - erst recht für den Alleingesellschafter geltende - Erwägung zugrunde liegt, daß der Wille der GmbH durch denjenigen ihrer Gesellschafter gebildet wird und ein damit konformes Verhalten des Geschäftsführers deshalb auch keine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung gegenüber der GmbH darstellen kann (vgl. BGHZ 119, 257, 259 f.), soweit nicht spezielle, im Interesse des Gläubigerschutzes unverzichtbare Regeln der Kapitalerhaltung verletzt sind.
2. Zu Unrecht meint die Revision, der Ausschluß eines Schadensersatzanspruchs gegenüber dem Beklagten nach obigen Grundsätzen laufe auf eine gemäß §§ 30, 43 Abs. 3 GmbHG verbotene Auszahlung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der GmbH hinaus. Zwar kann auch der Verzicht einer GmbH auf ein - entstandenes und zur Deckung des Stammkapitals erforderliches - Forderungsrecht gegenüber einem ihrer Gesellschafter als "Auszahlung" i.S.v. § 30 GmbHG zu qualifizieren sein (vgl. BGHZ 122, 333, 338; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 30 Rdn. 8). Demgegenüber geht es aber hier um die Frage, ob ein Anspruch der GmbH, der als Gegenstand einer Vermögensverlagerung zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführers in Betracht käme, überhaupt entstanden ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt. Entgegen der Ansicht der Revision erfassen die zwingenden Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30 f., 43 Abs. 3 Satz 1, 3 GmbHG nicht jede (zu einer Unterbilanz oder Überschuldung führende) Minderung des Gesellschaftsvermögens, sondern nur "Auszahlungen" an Gesellschafter. Darunter fällt die bloße Belastung des Gesellschaftsvermögens mit Ansprüchen Dritter nicht. Deshalb widerspricht auch die Haftungsfreistellung des geschäftsführenden Alleingesellschafters in diesem Fall nicht der Regelung des § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG, der eine unverzichtbare Erstattungspflicht des Geschäftsführers, soweit zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich, nur bei verbotenen Auszahlungen an Gesellschafter (Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 30 GmbHG) vorsieht. Die Haftungsfreistellung des Alleingesellschafters in Fällen der vorliegenden Art entspricht im Ergebnis dem Prinzip der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG, die nicht nur für das Gesellschaftsvermögen oberhalb der Stammkapitalziffer gilt und mit der von der Revision verfochtenen Konstruktion eines - durch Gesellschaftsgläubiger pfändbaren - Regreßanspruchs der Gesellschaft unterlaufen würde.
3. Der Senat hat allerdings bisher offengelassen, ob eine Haftung auch des Alleingesellschafters gegenüber der GmbH dann in Betracht kommt, wenn es sich um eine die Existenz der GmbH gefährdende Maßnahme handelt (BGHZ 122, 333, 336). Diese Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Denn zum einen hat die Klägerin nach den insoweit von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dargetan, daß durch die (fehlerhafte) Beratungstätigkeit des Beklagten im Jahre 1993 die Existenz der GmbH schon damals erkennbar gefährdet worden sei. Zum anderen kommt als existenzgefährdende Maßnahme in dem hier maßgebenden Sinn nicht schon die durch eine Pflichtverletzung gegenüber Dritten bedingte Belastung des Gesellschaftsvermögens mit Schadensersatzverbindlichkeiten in Betracht, selbst wenn dies zum Konkurs der GmbH führt und sich damit für den Dritten das Risiko der beschränkten Haftungsmasse seiner Schuldnerin verwirklicht, soweit die Voraussetzungen einer deliktischen Außenhaftung der für die Gesellschaft tätig gewordenen Person (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen, § 826 BGB) nicht vorliegen. Vielmehr hat der Senat (aaO) eine Haftung wegen existenzgefährdender Maßnahmen in Zusammenhang mit gezielten Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen in Betracht gezogen. Gemeint sind damit in erster Linie Maßnahmen, durch die der Gesellschaft zum Nachteil ihrer Gläubiger unter Mißachtung der Regeln einer geordneten Liquidation die für ihr Überleben wesentlichen Vermögenswerte entzogen werden, oder auch Geschäfte mit spekulativem Charakter, deren Risiken außer Verhältnis zu den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft stehen und deshalb im Verwirklichungsfall die Gläubiger treffen müssen (vgl. Senat aaO). Derartiges ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
II. Da nach allem ein Regreßanspruch der GmbH gegenüber dem Beklagten nicht besteht, ging dessen Pfändung durch die Klägerin ins Leere. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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