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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.04.2005
Aktenzeichen: II ZR 195/04
Rechtsgebiete: KWG, BGB, AktG, RBerG, HGB, StGB
Vorschriften:
KWG § 32 | |
BGB § 134 | |
BGB § 278 | |
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 | |
BGB § 823 Abs. 2 | |
BGB § 826 | |
AktG § 292 Abs. 1 Nr. 2 | |
AktG § 293 Abs. 3 | |
AktG § 293 Abs. 1 | |
AktG § 294 | |
RBerG § 1 | |
HGB § 230 | |
StGB § 263 | |
StGB § 264 a |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 18. April 2005
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2005 durch die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Strohn
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 14. Juli 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die zu 1. beklagte Aktiengesellschaft (im folgenden: Beklagte) beschäftigt sich - ebenso wie es ihre Rechtsvorgängerin G. Vermögensanlagen AG getan hatte - u.a. mit dem Erwerb, der Verwaltung und der Verwertung von Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen. Der Kläger beteiligte sich mit Erklärung vom 3. März 1995 als stiller Gesellschafter an der G. Vermögensanlagen AG. Seine Einlage hatte er in monatlichen Raten zu je 735,00 DM über 10 Jahre zu zahlen. Am Ende der Laufzeit sollte das Auseinandersetzungsguthaben über einen Zeitraum von 10 Jahren in monatlichen Raten ausgezahlt werden. Aufgrund einer Vollmacht des Klägers schloß die G. Vermögensanlagen AG in seinem Namen mit der Beklagten unter dem 1. Januar 1998 einen weiteren stillen Gesellschaftsvertrag, wonach der Kläger die monatlichen Raten für noch 86 Monate an die Beklagte - bezogen auf deren Unternehmenssegment VII - zu zahlen hatte bei sonst gleichen Bedingungen wie in dem ersten Vertrag.
Mit Anwaltsschreiben vom 26. März 2001 erklärte der Kläger die Anfechtung des Vertrages vom 1. Januar 1998 und verlangte von der Beklagten die Rückzahlung seiner auf alle Verträge geleisteten Einlagen. Unter dem 29. Mai 2001 erklärte er die Kündigung wegen Fehlens einer bankrechtlichen Erlaubnis nach § 32 KWG und wegen mangelhafter Aufklärung über die Risiken der Anlage. Am 19. November 2002 schließlich ließ er durch seinen Anwalt hinsichtlich aller Verträge seine Vertragserklärungen wegen Mängeln bei der Genehmigung der Verträge durch die Hauptversammlung der Beklagten und bei der Eintragung der Verträge in das Handelsregister widerrufen und verlangte erneut Rückerstattung aller Einlagezahlungen.
Mit der Klage begehrt er die Verurteilung der Beklagten - die Klage gegen den zu 2. mitverklagten Anlagevermittler ist zurückgenommen worden - zur Rückzahlung der an sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin gezahlten Einlagen in der zuletzt behaupteten Höhe von 19.165,77 € sowie - im zweiten Rechtszug - die Feststellung, daß er nicht verpflichtet ist, auf die Gesellschaftsverträge weitere Zahlungen vorzunehmen. Die Beklagte hat den Feststellungsantrag insoweit anerkannt, als davon Einlagezahlungen betroffen sind. Mit diesem Inhalt hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Im übrigen ist die Klage in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Entgegen der Auffassung des Klägers komme es nicht darauf an, ob die Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten und die Handelsregistereintragungen wirksam seien, ob mit den eingescannten Unterschriften unter dem Folgevertrag die erforderliche Schriftform gewahrt sei und ob der Kläger im Zusammenhang mit dem ersten Vertragsschluß fehlerhaft beraten worden sei. Jedenfalls seien die Verträge nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam zu behandeln. Der Ursprungsvertrag sei durch Unterzeichnung des Klägers und Gegenzeichnung der Mitarbeiterin Gr. der G. Vermögensanlagen AG zustande gekommen. Frau Gr. habe jedenfalls mit Duldungsvollmacht gehandelt, im übrigen sei ihr Handeln von den Vorstandsmitgliedern durch Vorlage der Verträge zur Abstimmung in der Hauptversammlung konkludent genehmigt worden. Damit könne der Kläger allenfalls - was er nicht tue - Zahlung der Auseinandersetzungsguthaben verlangen, nicht aber Rückzahlung seiner Einlagen.
II. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Gesellschaftsverträge wirksam sind, so daß dem Kläger keine Ansprüche aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung seiner Einlagen zustehen.
a) Auf eine stille Gesellschaft sind die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anwendbar. Danach ist ein fehlerhafter Gesellschaftsvertrag grundsätzlich als wirksam zu behandeln, wenn er in Vollzug gesetzt worden ist. Lediglich für die Zukunft können sich die Vertragspartner von dem Vertrag lösen. Bei einem - wie hier - als Teilgewinnabführungsvertrag i.S. des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG zu wertenden stillen Gesellschaftsvertrag mit einer Aktiengesellschaft bedarf es für die Invollzugsetzung nicht der Zustimmung der Hauptversammlung und der Eintragung des Vertrages in das Handelsregister. Es genügt, daß der stille Gesellschafter Einlagezahlungen leistet (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteile vom 21. März 2005 - II ZR 140/03 und II ZR 310/03, z.V.b.).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Parteien haben die Verträge als wirksam behandelt. Der Kläger hat zunächst die Einlageraten vertragsgemäß bezahlt. Damit kommt es nicht darauf an, ob die Mitarbeiterin Gr. bei der Annahme des Vertragsangebots des Klägers eine Vollmacht der G. Vermögensanlagen AG hatte - woran im übrigen aber auch keine ernsthaften Zweifel bestehen.
b) Entgegen der Auffassung der Revision besteht kein Anlaß, die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Diese Grundsätze kommen nur dann nicht zur Anwendung, wenn ausnahmsweise die rechtliche Anerkennung des von den Parteien gewollten und tatsächlich vorhandenen Zustands aus gewichtigen Belangen der Allgemeinheit oder bestimmter besonders schutzwürdiger Personen unvertretbar ist. Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls hat das Berufungsgericht zu Recht als nicht erfüllt angesehen. Insbesondere reichen dafür etwaige Mängel bei der Einhaltung der nach § 293 Abs. 3 AktG erforderlichen Schriftform, bei der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 Abs. 1 AktG und bei der Eintragung der Verträge in das Handelsregister nach § 294 AktG nicht aus. Ebensowenig kommt es darauf an, ob die Vollmacht zum Abschluß der Folgeverträge nach § 134 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG nichtig ist. Das alles hat der Senat bereits in den Urteilen vom 21. März 2005 (aaO) ausgeführt.
2. Das Berufungsgericht hat aber verkannt, daß ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu einem Erfolg der auf die Rückzahlung der Einlagen und auf - ergänzende - Feststellung, nicht zu Zahlungen an die Beklagte verpflichtet zu sein, gerichteten Klage führen würde.
a) Wie der Senat in seinen nach Erlaß des angefochtenen Urteils verkündeten Entscheidungen vom 19. Juli 2004, 29. November 2004 und 21. März 2005 (II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 256 und II ZR 140/03 sowie II ZR 310/03, z.V.b.) ausgeführt hat, stehen die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegen, wenn der Vertragspartner des stillen Gesellschafters - der Inhaber des Handelsgeschäfts i.S. des § 230 HGB - verpflichtet ist, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und seine Einlage nicht geleistet.
b) Danach kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgängerin eine Verletzung von Aufklärungspflichten vorzuwerfen ist. Dann würde sie dem Kläger wegen Verschuldens bei Vertragsschluß (jetzt § 280 Abs. 1, 3, § 282, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F.) zum Schadensersatz verpflichtet sein, wobei sie ggf. für ein Fehlverhalten des Vermittlers F. - früherer Beklagter zu 2 - nach § 278 BGB einstehen müßte. In Betracht kommt auch eine Haftung nach § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 264 a StGB.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muß einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muß über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (zuletzt Urteile vom 21. März 2005 - II ZR 140/03 und II ZR 310/03, z.V.b.). Dazu hat der Kläger bereits im ersten Rechtszug unter Beweisantritt vorgetragen: Er habe als selbständiger Gastwirt im Alter von 58 Jahren den Vertrag abgeschlossen, um sich eine zusätzliche Altersversorgung zu schaffen. Auf Risiken der Anlage, insbesondere auf die Gefahr eines Totalverlusts der Einlage und auf die Möglichkeit einer Nachschußpflicht, sei er bei dem Vertragsanbahnungsgespräch nicht hingewiesen worden. Ihm sei vielmehr gesagt worden, es handele sich um eine äußerst sichere Anlage. Ihm sei eine monatliche Rente i.H.v. 800,00 DM versprochen worden. Nur deshalb habe er das gesamte Geld, das er habe beiseite legen können, bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin angelegt. Seine Altersrente betrage lediglich 576,48 €.
Das Berufungsgericht ist diesem substantiierten Vortrag nicht nachgegangen, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, er halte den Vortrag auch nach der Rücknahme der Klage gegen den Beklagten zu 2 aufrecht, und das Berufungsgericht von der Anwendung der allein in Betracht kommenden Verspätungsvorschriften abgesehen hat. Für das Revisionsverfahren ist damit dieser zu berücksichtigende Vortrag als richtig zu unterstellen. Dann aber besteht kein Zweifel, daß der Kläger - ungeachtet des Textes des Zeichnungsscheins - über die Risiken der Anlage nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist.
3. Der Rechtsstreit ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Ende der Entscheidung
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