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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.06.2008
Aktenzeichen: II ZR 210/06
Rechtsgebiete: BGB, VerkProspG


Vorschriften:

BGB § 276 Fa
BGB § 311 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 311 Abs. 3
VerkProspG § 13 (Fassung vom 9. September 1998)
Treten organschaftliche Vertreter einer kapitalsuchenden Gesellschaft Anlageinteressenten persönlich mit dem Anspruch gegenüber, sie über die für eine Anlageentscheidung wesentlichen Umstände zu informieren, so haften sie für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit ihrer Angaben nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 210/06

Verkündet am: 2. Juni 2008

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette, die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts vom 3. August 2006 wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision der Klägerin zu 6 wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts vom 3. August 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die zweitinstanzlich erweiterte Klage der Klägerin zu 6 abgewiesen worden ist, und insoweit erkannt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 6 weitere 398.870,81 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juni 2003, Zug um Zug gegen Übertragung von 88.636 Stammaktien der S. AG.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in sämtlichen Rechtszügen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz u.a. aus Prospekthaftung.

Die beiden Beklagten waren die alleinigen Vorstände der S. AG (im Folgenden: S-AG) und an ihrem Aktienkapital mit je 1 % beteiligt. Die S-AG hatte am 19. Juli 2000 die Vollbanklizenz erhalten und betrieb - nach Aufnahme ihres operativen Geschäfts am 21. September 2000 - den Handel mit Wertpapieren über das Internet (Internet-Brokerage) gegen eine volumenunabhängige Festgebühr (flat-fee) von 9,95 € pro Transaktion, wobei sie einen Gewinn von knapp 3 € pro Transaktion kalkulierte. Am 16. August 2000 beschloss ihre Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung um 12 Mio. DM auf 70 Mio. DM durch Zeichnung der neuen Aktien bis zum 31. Oktober 2000. Zwecks Einwerbung des Kapitalerhöhungsbetrages hielten die Beklagten am 24. Oktober 2000 in den Räumen einer Anwaltskanzlei eine Präsentationsveranstaltung ab, zu der eine von ihnen eingeschaltete So. AG finanzkräftige, den Beklagten bis dahin unbekannte Investoren eingeladen hatte. Zu den geladenen Personen, die sich bei der Präsentation zum Teil untereinander oder durch Mitarbeiter vertreten ließen, gehörten u.a. die Kläger zu 1 bis 5 sowie der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin zu 6. Bei der Präsentation lag zur Mitnahme für die Investoren eine von den Beklagten unterzeichnete "Equity-Story der S-AG" mit Datum vom "Oktober 2000" bereit. Sie umfasste auf insgesamt 24 zum Teil mehrfarbigen Druckseiten eine knappe Unternehmensdarstellung, ergänzt durch etliche Schaubilder und Tabellen, und war von den Beklagten bereits bei einer anderen (erfolgreichen) Präsentation gegenüber einem Hamburger Bankhaus im August 2000 verwendet worden. Die darin enthaltenen Daten waren am 24. Oktober 2000 zum Teil überholt. So wies die sog. "Viability"-Studie noch Einnahmen von 14,95 € (statt 9,95 €) pro Transaktion aus. Das prognostizierte "Cash-Flow-Development" basierte auf Zahlen vom Mai 2000. Nicht erwähnt waren darin Kosten für Werbung von 20 Mio. DM, deren Ausgabe bis Ende 2000 geplant war.

Bis zum Beginn der Präsentation hatten die geladenen Investoren wegen verspäteten Eintreffens des Beklagten zu 1 30 bis 40 Minuten Zeit, die "Equity-Story" einzusehen. Bei der anschließenden Veranstaltung, die etwa drei Stunden dauerte, stellten die Beklagten die S-AG per Computerpräsentation vor und erläuterten einen mittels Beamer an die Wand projizierten Businessplan vom 23. Oktober 2000, der u.a. prognostizierte Einnahmen und Ausgaben sowie eine Liquiditätsvorausschau enthielt und den Veranstaltungsteilnehmern - nach Beklagtenvortrag aus Geheimhaltungsgründen - nicht ausgehändigt wurde. Unstreitig bezeichneten die Beklagten die S-AG im Verlauf der Präsentation wiederholt als "voll durchfinanziert" bis zum Erreichen der Gewinnzone ("break-even"). Sie bezifferten dabei das Eigenkapital der S-AG mit 58 Mio. DM zuzüglich des einzuwerbenden Kapitalerhöhungsbetrages von 12 Mio. DM und wiesen darauf hin, dass eine bis zum Jahresende 2000 durchzuführende Werbekampagne für 20 Mio. DM bereits in Auftrag gegeben sei. Weiter wurde die Möglichkeit erörtert, das gesamte Unternehmen noch im Jahr 2000 zu verkaufen ("trade sale"). Am Tag nach der Präsentation erwarben die Kläger zu 1 bis 4 je 42.614 Aktien zum Ausgabebetrag von je 191.763,00 €, der Kläger zu 5 250.000 Aktien zum Ausgabebetrag von 1.125.000,00 € und der Rechtsvorgänger der Klägerin zu 6 100.000 Aktien zum Ausgabebetrag von 450.000,00 €.

Unter dem 17. Januar 2001 lud die S-AG zu einer Hauptversammlung wegen angeblich "planmäßigen" weiteren Kapitalbedarfs. In der außerordentlichen Hauptversammlung vom 22. Februar 2001 wurde wegen dringenden Finanzierungsbedarfs eine Kapitalerhöhung um 5 Mio. € beschlossen, deren Durchführung jedoch unterblieb. Mit Schreiben vom 27. März 2001 zeigten die Beklagten den Verlust von mehr als der Hälfte des Grundkapitals an (§ 92 Abs. 1 AktG) und forderten die Aktionäre auf, durch den Erwerb weiterer Aktien im Wert von insgesamt 10 Mio. DM die Liquiditätslage der S-AG zu entspannen, um den Fortbestand der Bank zu sichern. Am 12. April 2001 zog die D. AG ihre Offerte zum Erwerb der S-AG für 21 Mio. € mit der Begründung zurück, dass die S-AG nur 4.102 aktive Kunden habe und sie illiquide sowie überschuldet sei. Am 20. April 2001 ordnete das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Schließung der S-AG für den Kundenverkehr an und beantragte am 7. Mai 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 46 b KWG), das am 22. Mai 2001 eröffnet wurde und zum Verkauf des Unternehmens der S-AG an eine Investmentbank führte.

Mit ihrer Klage verlangen die Kläger von den Beklagten Schadensersatz für die von ihnen investierten Kapitalbeträge, wobei die Klägerin zu 6 in erster Instanz nur einen Teilbetrag von 51.129,19 € (100.000,00 DM) geltend gemacht hat. Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Klagen der Kläger zu 1 bis 5 in voller Höhe und der Klage der Klägerin zu 6 in ursprünglicher Höhe entsprochen; die zweitinstanzlich um 398.870,81 € erhöhte Klage der Klägerin zu 6 hat es abgewiesen. Mit ihren - von dem Berufungsgericht unbeschränkt zugelassenen - Revisionen erstreben die Beklagten und die Klägerin zu 6 die Beseitigung ihrer jeweiligen Beschwer.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Revision der Klägerin zu 6 führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten in Höhe der erweiterten Klage.

I. Das Berufungsgericht hält Ansprüche der Kläger aus Prospekthaftung der Beklagten i.e.S. für gegeben, weil die Beklagten die zum Teil veralteten Angaben in der - als "Prospekt" anzusehenden - "Equity-Story" entgegen ihrer Prospektberichtigungspflicht (vgl. BGHZ 71, 284, 291; 123, 106, 110) bei der Präsentation vom 24. Oktober 2000 nicht richtig gestellt, sondern - im Gegenteil - den Klägern anhand des präsentierten "Bussinessplans" den unrichtigen Eindruck vermittelt hätten, die S-AG verfüge über ein sicheres "Polster" von 20 Mio. DM und sei mit einer Kapitaldecke von insgesamt 70 Mio. DM bis zur Erreichung der Rentabilitätsschwelle "voll durchfinanziert". Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife lediglich gegenüber den von der Klägerin zu 6 in zweiter Instanz klageerweiternd geltend gemachten Prospekthaftungsansprüchen durch.

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

II. Revision der Beklagten

1. Im Ergebnis ohne Erfolg meint die Revision, eine Haftung der Beklagten nach den von dem Berufungsgericht angewandten Grundsätzen der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung i.e.S. (vgl. dazu BGHZ 71, 284; 123, 106 u. st. Rspr.) habe schon deshalb auszuscheiden, weil die den Klägern bei der Präsentation vom 24. Oktober 2000 übergebene "Equity-Story" wegen ihres beschränkten Adressatenkreises und wegen ihres für eine Anlageentscheidung ersichtlich unzureichenden Inhalts nicht den Anforderungen genügt habe, welche an einen "Prospekt" im Sinne der genannten Haftungsgrundsätze zu stellen seien.

Entgegen der Ansicht der Revision kommt es auf die in Einzelheiten umstrittenen und in Rechtsprechung und Schrifttum noch nicht abschließend geklärten Kriterien des Prospektbegriffs (vgl. dazu Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts 3. Aufl. § 6 Rdn. 66 ff.; Ehricke in Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung S. 195 ff.; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 3. Aufl. § 45 Rdn. 47 ff.) hier nicht an. Die Beklagten trifft nicht nur eine "Prospekthaftung i.e.S." nach den Grundsätzen, welche an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben anknüpfen (vgl. dazu BGHZ 71, 284 u. st. Rspr.). Das hat auch das Berufungsgericht nicht richtig erfasst. Denn abgesehen davon, dass die von dem Berufungsgericht als haftungsbegründend unrichtig angesehenen Angaben der Beklagten anhand des bei der Präsentation gezeigten Bussinessplans gar nicht in der "Equity-Story" als etwaigem Prospekt enthalten waren und daher schwerlich eine "Prospekthaftung" auslösen konnten, haben die Beklagten im Rahmen der von ihnen als Vorständen der S-AG selbst geleiteten, dreistündigen Informationsveranstaltung nicht nur das durch einen Prospekt vermittelte und sie als etwaige Prospektverantwortliche treffende typisierte Vertrauen, sondern ein darüber hinausgehendes persönliches Vertrauen der potentiellen Anleger auf die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Informationen über das Anlageobjekt in Anspruch genommen. Die Beklagten haften deshalb jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.).

a) Die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis treffen zwar grundsätzlich den Vertretenen. Anders ist es aber und war es auch schon vor Inkrafttreten des § 311 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BGB, wenn der Vertreter in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und der Verhandlungsgegner ihm das auch entgegengebracht hat. Dann muss der Vertreter selbst für die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten einstehen (vgl. BGHZ 56, 81, 83; 74, 103, 108). Der erkennende Senat hat diesen allgemeinen - normalerweise auf Erklärungen im Vorfeld einer Garantiezusage des Vertreters zugeschnittenen (vgl. BGHZ 126, 181, 189 m.Nachw.) - Grundsatz für den Bereich der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung i.e.S. dahin weiterentwickelt, dass Grundlage einer derartigen Vertrauenshaftung nicht nur das von einem bestimmten Menschen ausgehende persönliche, sondern auch ein typisiertes Vertrauen sein kann, das sich aus einer Garantenstellung der für die Geschicke der kapitalsuchenden Gesellschaft und damit ggf. auch für die Herausgabe eines Anlageprospekts verantwortlichen Personen herleitet. Zu diesen gehören insbesondere die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen (BGHZ 71, 284, 287 ff.; 72, 284, 287; 79, 337, 340 f.; 83, 222, 223 f.; 123, 106, 109 f.). Von ihnen darf ein Anlageinteressent erwarten, dass sie den Prospekt mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft haben und ihn über alle Umstände informieren werden, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind (BGHZ 71, 284, 287 f.). Eine daran anknüpfende Haftung der genannten Garanten und Vertrauensadressaten setzt - abweichend von den sonst für die Vertrauenshaftung geltenden Regeln - nicht voraus, dass sie mit dem Anlageinteressenten bei der Vertragsanbahnung in sozialen Kontakt getreten oder ihm auch nur namentlich bekannt geworden sind; als Anknüpfungspunkt für die sie persönlich treffende Vertrauenshaftung genügt ihre Garantenstellung (vgl. BGHZ 79, 337, 342; 83, 222, 224). Entsprechende Grundsätze hat der Senat (BGHZ 123, 106) auch bei Verwendung von Prospekten angewandt, mit denen für den Erwerb von Aktien außerhalb der geregelten Aktienmärkte geworben wird.

b) Vermag sonach schon ein durch einen Prospekt vermitteltes, typisiertes und anonymes Vertrauen des Anlageinteressenten eine persönliche Haftung der genannten Garanten bzw. Vertrauensadressaten für unrichtige oder unvollständige Informationen über das Anlageobjekt zu begründen, so muss das erst recht und in höherem Maße dann gelten, wenn solche Garanten - wie hier die Beklagten als Vorstände der S-AG - einem oder mehreren Anlegern bei Anbahnung des Vertrages persönlich gegenübertreten und etwa einen Prospekt oder sonstige Unterlagen mit der Autorität ihres Amtes und ihrer besonderen Sachkunde des Anlageobjekts erläutern oder dazu ergänzende Angaben machen (vgl. auch MünchKommBGB/Emmerich, 5. Aufl. § 311 Rdn. 210). Es wäre völlig ungereimt, wenn sie in solchem Fall nur für Prospektmängel, nicht aber für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit ihrer zusätzlichen Angaben nach vorvertraglichen Grundsätzen als Vertreter oder Sachwalter der Anlagegesellschaft haften müssten. So, wie ein Prospektverantwortlicher eine Haftung für Unrichtigkeiten eines Prospekts durch Prospektberichtigung oder auch durch entsprechende mündliche Hinweise gegenüber den Anlegern vor Abschluss des Vertrages vermeiden kann (vgl. zur Prospektberichtigungspflicht BGHZ 71, 284, 291; 123, 106, 110; Sen.Urt. v. 15. Dezember 2003 - II ZR 244/01, ZIP 2004, 312; v. 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 f. Tz. 7; Kiethe, ZIP 2000, 216, 218 zu II 1.3; vgl. auch § 11 VerkProspG a.F. sowie nunmehr § 16 WpPG für Wertpapieremissionen), so sind umgekehrt einem aufklärungspflichtigen Garanten unmittelbar gegenüber Anlegern erteilte mündliche Informationen unrichtigen oder unvollständigen Inhalts als ein Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.) persönlich anzulasten. Dies rechtfertigt sich daraus, dass er in solchem Fall als aufklärungspflichtiger Garant nicht nur ein typisiertes und für eine persönliche Haftung bereits ausreichendes, sondern ein darüber hinausgehendes, im Vergleich dazu "besonderes", persönliches Vertrauen der Anleger in Anspruch genommen hat.

c) Anders als das Berufungsgericht unter Hinweis auf das BGH-Urteil vom 3. Oktober 1989 (XI ZR 157/88, WM 1989, 1715 = NJW 1990, 389) meint, kann dem nicht entgegengehalten werden, dass das Verhandlungsvertrauen des künftigen Vertragspartners einer Gesellschaft grundsätzlich nur ihr, nicht aber ihrem Geschäftsleiter persönlich entgegengebracht werde. Das gilt für normale Verkehrsgeschäfte (unter Einschluss der Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft als Anlagevermittlerin; dazu BGH aaO), bei denen nicht dem jeweiligen Geschäftsleiter persönlich die vorvertragliche Verpflichtung obliegt, potentielle Vertragspartner der Gesellschaft über die von ihr angebotenen Leistungen oder über ihre wirtschaftliche Lage richtig und vollständig zu informieren, mag er sich auch eines Prospektes über die angebotenen Produkte oder Leistungen bedienen. Im Gegensatz dazu trifft u.a. die Geschäftsleiter einer kapitalsuchenden Anlagegesellschaft, wie schon dargelegt, eine Informationspflicht gegenüber Anlageinteressenten, welche nicht eine Leistung der Gesellschaft in Anspruch nehmen, sondern ihr Kapital gewinnbringend investieren wollen (zu der Unterscheidung vgl. Sen.Urt. v. 4. Mai 1981 - II ZR 193/80, WM 1981, 1021). Da es sich um Risikokapital handelt, das nicht - wie bei Kreditgeschäften üblich - durch Sicherheiten vor einem Verlust geschützt werden kann, und die Anlageinteressenten die wirtschaftlichen Verhältnisse der Anlagegesellschaft nicht kennen, sind sie insoweit auf wahrheitsgemäße Informationen von Gewährspersonen der Gesellschaft angewiesen (vgl. auch BGHZ 71, 284, 287).

Diese Besonderheit zeigt sich auch in den spezialgesetzlichen Haftungstatbeständen des § 13 VerkProspG i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BörsG. Diese Vorschrift bestimmt eine Prospekthaftung derjenigen, "von denen der Prospekt ausgeht" und trifft damit u.a. die Verwaltungsmitglieder der emittierenden Gesellschaft (vgl. BGHZ 79, 337, 342; Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar BörsG § 45 Rdn. 9). Andererseits setzt § 13 VerkProspG - hier in seiner im Jahr 2000 geltenden Fassung vom 9. September 1998 (BGBl. I 2701) - eine persönliche Mitwirkung der genannten Haftungsadressaten bei den Vertragsverhandlungen mit dem Anleger nicht voraus und schließt eine Haftung aus c.i.c. nicht aus (vgl. § 47 Abs. 2 BörsG; Schwark aaO § 45 Rdn. 72 f.; Assmann in Assmann/Lenz/Ritz, VerkProspG [2001] § 13 Rdn. 70 m.w.Nachw.; ebenso zu § 13 VerkProspG n.F. Fleischer, BKR 2004, 339, 343 mit Fn. 67). Ohnehin erfasste § 13 VerkProspG a.F. nur Verkaufsprospekte, welche der zuständigen Stelle gemäß § 6 oder § 8 VerkProspG zur Prüfung vorgelegt worden waren (vgl. Heidelbach in Schwark aaO § 13 VerkProspG Rdn. 9 m.w.Nachw.). Das ist hier nicht ersichtlich.

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren die Angaben der Beklagten bei der Präsentation vom 24. Oktober 2004 in entscheidenden Punkten haftungsbegründend unrichtig.

a) Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, sind die erstinstanzlich vernommenen Zeugen, die an der Präsentation vom 24. Oktober 2000 teilgenommen haben, aufgrund der Erklärungen der Beklagten davon ausgegangen, dass die S-AG zum damaligen Zeitpunkt über 58 Mio. DM verfügen konnte. Die zusätzlich einzuwerbenden 12 Mio. DM wurden nicht als notwendig für das wirtschaftliche Überleben der S-AG, sondern als "zusätzliches Polster" dargestellt, um die Gesellschaft für den beabsichtigten Verkauf attraktiver zu machen. Insgesamt gingen die Anleger angesichts eines in dem Businessplan vom 23. Oktober 2000 dargestellten Kapitalverbrauchs von rund 46,23 Mio. DM bis September 2001 von einem "Polster" i.H.v. 20 Mio. DM aus und durften nach den Erklärungen der Beklagten hiervon auch ausgehen. Dementsprechend "durften und mussten die Kläger auf der Grundlage des präsentierten Businessplans und der Erläuterungen der Beklagten davon ausgehen", dass die bei der Präsentation genannten, bereits verplanten Werbeaufwendungen von 20 Mio. DM bis Ende 2000 in den insgesamt ausgewiesenen "Anlaufkosten" von 26,75 Mio. DM enthalten waren, wie das Berufungsgericht im Einzelnen ausführt. Tatsächlich verfügte die S-AG nach eigenen Angaben des Beklagten zu 1 am 31. Oktober 2000 unter Hinzurechnung der aufgrund der Präsentation eingeworbenen 12 Mio. DM nur noch über eine Liquidität von 40,4 Mio. DM, von denen 20 Mio. DM bereits für die Werbung bis Ende 2000 ausgegeben waren, so dass die S-AG zum Jahresende nur noch mit einer Liquidität von 20,4 Mio. DM rechnen konnte. Hingegen suggerierte der bei der Präsentation gezeigte Businessplan per Ende 2000 noch vorhandene Mittel von rund 40,5 Mio. DM.

b) Entgegen der Ansicht der Revision tragen schon diese - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen die Verurteilung der Beklagten, ohne dass es darauf ankommt, ob auch die von den Beklagten bei der Präsentation mehrfach wiederholte Behauptung, die S-AG sei "voll durchfinanziert", schuldhaft unrichtig war, wie von dem Berufungsgericht aufgrund des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens (zusätzlich) angenommen.

aa) Als Vertrauensadressaten der Kläger waren die Beklagten verpflichtet, die Kläger über alle Umstände, die für ihre Entschließung von wesentlicher Bedeutung sein konnten, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten (vgl. BGHZ 79, 337, 344; Sen.Urt. v. 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Tz. 7; st. Rspr.). Dieser Verpflichtung sind die Beklagten bei der Präsentation nicht nachgekommen, sondern haben bei den Klägern zumindest fahrlässig die unrichtige Vorstellung hervorgerufen, dass die S-AG nach ihrem Business- bzw. Finanzplan über ein "Polster" von ca. 20 Mio. DM verfüge, was im Übrigen geeignet ist, die rasche Entschlossenheit der Kläger zu erklären. Es liegt auf der Hand, dass es für einen Anleger einen Unterschied macht, ob die Anlagegesellschaft über ein solches Polster verfügt oder nicht, und dass für professionelle Anleger wie die Kläger harte Zahlen mehr bedeuteten als die interpretationsbedürftige Äußerung, die Gesellschaft sei "voll durchfinanziert". Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht es im Übrigen der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist (BGHZ 79, 337, 346; Sen.Urt. v. 3. Dezember 2007 aaO Tz. 16 m.w.Nachw.). Für unrichtige mündliche Informationen durch Personen, die für entsprechende Angaben in einem Prospekt verantwortlich wären, kann nichts anderes gelten.

bb) An sich zu Recht beanstandet die Revision zwar, dass das Berufungsgericht die gerichtlichen Sachverständigen, deren schriftliches Gutachten die Beklagten in vielerlei Hinsicht angegriffen hatten, zum Termin vom 27. April 2006 geladen hat, ohne die Parteien vor dem Termin hiervon zu benachrichtigen. Dies verstieß gegen § 273 Abs. 4 Satz 1 ZPO, was ausweislich des Sitzungsprotokolls von den "Parteivertretern" auch gemäß § 295 Abs. 1 ZPO gerügt wurde. Dass sämtliche Prozessparteien an der Anhörung der Sachverständigen teilgenommen und danach Sachanträge gestellt haben, rechtfertigt - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - nicht die Annahme einer rügelosen Einlassung. Auch die übereinstimmenden Anträge der Parteien, Ihnen Gelegenheit zu geben, zum Ergebnis der Anhörung der Sachverständigen schriftsätzlich Stellung zu nehmen, lassen zumindest nicht eindeutig einen Rügeverzicht erkennen, zumal die Beklagten in ihrem nachgelassenen Schriftsatz das Verfahren der Sachverständigenanhörung erneut gerügt und Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) beantragt haben. Richtigerweise hätte das Berufungsgericht die Verhandlung bzw. die Sachverständigenanhörung vertagen müssen, wenn es deren Ergebnis berücksichtigen wollte (vgl. BVerwG NJW 1980, 900). Eine entsprechende Verwertung ohne vorherige Benachrichtigung gemäß § 273 Abs. 4 ZPO verstößt auch gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG NJW 1994, 1210).

Im Ergebnis ist jedoch die Entscheidungserheblichkeit des von der Revision gerügten Verfahrensverstoßes nicht gegeben. Die o.g. Feststellungen des Berufungsgerichts zu dem von den Beklagten bei der Präsentation fälschlich erweckten Eindruck, es bestehe ein "Polster" von ca. 20 Mio. DM, beruhen nicht auf der mündlichen Sachverständigenanhörung, sondern einerseits auf den Zahlen des Businessplans und auf den übereinstimmenden Bekundungen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen, andererseits auf den eigenen Angaben des Beklagten zu 1 zur Liquiditätslage am 31. Oktober 2000. Zu den insoweit maßgeblichen, von dem Berufungsgericht festgestellten Zahlen schweigt die Revision sich aus.

Auf die von der Revision unter Bezugnahme auf ein von den Beklagten nach der vorinstanzlichen Sachverständigenanhörung eingeholtes Privatgutachten in den Vordergrund gestellte Streitfrage, ob die S-AG "voll durchfinanziert" war, kommt es, wie schon erwähnt, nicht entscheidend an. Ebenso unerheblich ist in diesem Zusammenhang die auf das Privatgutachten gestützte These der Revision, die gerichtlichen Sachverständigen hätten diese Frage nicht direkt beantwortet und bei ihrer Begutachtung die Alleinstellungsmerkmale der S-AG auf dem Internet-Broker-Markt außer Acht gelassen. Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht gerade mit diesem Einwand befasst und rechtsfehlerfrei darauf hingewiesen, dass die Beklagten im Oktober 2000 mit einer dauerhaften Konkurrenzlosigkeit der S-AG nicht rechnen konnten. Auch der Privatgutachter der Beklagten stellt fest, dass die in dem Businessplan der Beklagten unterstellte Marktentwicklung "aggressiv und ambitiös" war. Das haben die Beklagten den Klägern aber ersichtlich ebenfalls nicht mitgeteilt, sondern den Eindruck des Vorhandenseins eines sicheren "Polsters" erweckt, das mit den eigenen Zahlen nicht übereinstimmte. Unerheblich ist demgegenüber, ob sie die negative Marktentwicklung voraussehen und erkennen konnten, dass die prognostizierte Zahl von Transaktionen nicht erreicht werden könnte. Infolgedessen kommt es auch nicht auf die zu diesem Thema benannten Zeugen K. und N. an. Unerheblich ist schließlich der Hinweis der Revision darauf, dass die Beklagten ihre Erklärung, die S-AG sei bis zum Erreichen der Rentabilitätsschwelle voll durchfinanziert, ausdrücklich an den Vorbehalt geknüpft hätten, dass die dem Businessplan zugrunde liegenden Annahmen auch tatsächlich erreicht würden. Dies belegt nur die Plausibilität der - für das Revisionsgericht ohnehin bindenden und für das Prozessergebnis ausreichenden - Feststellung, dass die Kläger auf das ihnen suggerierte "Polster" von 20 Mio. DM vertraut haben. In diesem entscheidenden Punkt beruht das angefochtene Urteil nicht auf der verfahrensfehlerhaften Sachverständigenanhörung.

3. Die den Klägern zustehenden Schadensersatzansprüche - Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Aktien auf die Beklagten - sind entgegen der Ansicht der Revision auch nicht verjährt, ohne dass es auf die von den Beklagten bestrittene Wahrung der Verjährungsfrist für Prospekthaftungsansprüche i.e.S. von sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektmangels (BGHZ 83, 222) ankommt. Denn die Beklagten haften, wie bereits dargelegt, nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Anbahnung von Vertragsverhandlungen (c.i.c.) wegen Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens. Die Verjährungsfrist dafür betrug gemäß § 195 BGB a.F. bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des BGB (1. Januar 2002) 30 Jahre (vgl. BGHZ 83, 222, 227; st.Rspr.) und wurde spätestens durch die Klagezustellungen im September 2001 unterbrochen.

II. Revision der Klägerin zu 6

Die Revision richtet sich dagegen, dass das Berufungsgericht die mit der zweitinstanzlichen Klageerweiterung (Schriftsatz vom 19. Mai 2003) geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung weiterer 398.870,81 € wegen Verjährung abgewiesen hat.

Die Revision ist begründet. Für den Anspruchsgrund gilt das zu den Ansprüchen der Kläger 1 bis 5 Gesagte in gleicher Weise. Die ursprünglich 30-jährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB a.F.; vgl. oben I 5), die durch § 195 BGB n.F. auf drei Jahre verkürzt wurde, beginnend ab 1. Januar 2002 (Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB), war im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Klageerweiterung (im Juni 2003) nicht abgelaufen.

Ende der Entscheidung

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