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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 04.02.2002
Aktenzeichen: II ZR 214/01
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 Fassung/ 3. Dezember 1976 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 4. Februar 2002
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Juni 2001 wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils desselben Gerichts vom 12. Oktober 2000 mit der Maßgabe auf Kosten des Klägers zurückgewiesen, daß seine Berufung gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 6. Oktober 1999 als unzulässig verworfen wird.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien lebten vom 8. Oktober 1992 bis zum 14. Mai 1998 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einem der Beklagten gehörenden Wohnhaus in S.. Als sie im Jahre 1996 die Sanierung dieses Hauses durchführen wollten, schlossen sie am 24. Mai 1996 eine Vereinbarung, in welcher sie den Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft näher regelten.
Der Kläger hat nach dem Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft u.a. eine Forderung über insgesamt 30.358,50 DM geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit Versäumnisurteil vom 12. Oktober 2000 hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf seinen Einspruch hin hat es das Versäumnisurteil mit der Begründung aufrechterhalten, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht entsprechend § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO begründet worden sei. Mit seiner Revision begehrt der Kläger von der Beklagten, an ihn 13.740,00 DM zu zahlen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Revision des Klägers ist zulässig. § 547 a.F. ZPO findet Anwendung.
II. Die Revision des Klägers bleibt mit der Maßgabe ohne Erfolg, daß seine Berufung als unzulässig verworfen wird.
1. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts als unzulässig behandelt, weil der Kläger mit seiner Begründung des Rechtsmittels die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht in Frage stellt, sondern im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch in den Prozeß eingeführt hat. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.
2. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 a.F. ZPO muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie die neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden. Gericht und Gegner sollen schnell und sicher erfahren, wie der Berufungsführer den Streitfall beurteilt wissen will, damit sie sich auf die Angriffe erschöpfend vorbereiten können. Demnach muß die Berufungsbegründung jeweils auf den Streitfall zugeschnitten sein und im einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st.Rspr. des BGH; BGH, Urt. v. 6. Mai 1999 - III ZR 265/98, BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 - Anfechtungsgründe 7 m.w.N.).
Hieraus folgt, daß ein Rechtsmittel nur dann zulässig ist, wenn der Rechtsmittelkläger mit ihm die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Ein Rechtsmittel ist unzulässig, wenn es den in der Vorinstanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also - im Falle der vorinstanzlichen Klageabweisung - deren Richtigkeit gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein; vielmehr setzt ein derartiges Prozeßziel ein zulässiges Rechtsmittel voraus (BGH, Urt. v. 25. Februar 1999 - III ZR 53/98, NJW 1999, 1407, 1408 m.w.N.).
3. Die Berufung des Klägers erweist sich danach als unzulässig.
a) Der Kläger hat in erster Instanz sein Zahlungsbegehren darauf gestützt, die Parteien hätten gemeinsam für 19.000,00 DM eine Einbauküche gekauft, wozu er den Erlös aus dem Verkauf seines Kraftfahrzeuges in Höhe von 9.500,00 DM beigesteuert habe. Dementsprechend hat er den halben Wertanteil gemäß der Vereinbarung vom 24. März 1996 verlangt; es handele sich um einen Teil des Hausrats. Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers bestritten. Der Betrag von 9.500,00 DM sei für diverse Instandhaltungsarbeiten verwandt worden. Diese Darstellung hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung übernommen.
Der Kläger hat des weiteren seinen Anspruch, an ihn 4.240,00 DM zu zahlen, in erster Instanz daraus hergeleitet, dieser Betrag sei als Einzahlung auf den Bausparvertrag der Beklagten verwendet worden. Die Beklagte hat diesen Vortrag wiederum bestritten. Nach ihrer Darstellung wurde der Betrag zur Sanierung der Fenster aufgewendet. Diesen Vortrag hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung übernommen.
b) Die in der Berufungsbegründung zur Entscheidung gestellten Ansprüche bilden gegenüber den Ursprungsforderungen einen anderen Streitgegenstand.
aa) Nach der prozeßrechtlichen Auffassung vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, die auch der Bundesgerichtshof vertritt, wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht; vielmehr ist Gegenstand des Rechtsstreits der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefaßte eigenständige prozessuale Anspruch (BGHZ 117, 1, 5 m.w.N.). Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. In diesem Sinne geht der Klagegrund über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt "seinem Wesen nach" erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGH, Urt. v. 25. Februar 1999 - III ZR 53/98, NJW 1999, 1407).
bb) In diesem Sinne handelt es sich sowohl bei dem Vortrag, die Parteien hätten den Betrag von 9.500,00 DM zum Kauf einer Einbauküche genutzt, als auch bei dem Vortrag, der Betrag von 4.240,00 DM sei in den Bausparvertrag geflossen, um einen anderen Lebenssachverhalt als die in der Berufungsbegründung auftauchende Darstellung, die Beträge von 9.500,00 DM und 4.240,00 DM seien für diverse Instandsetzungsarbeiten und die Fenstersanierung aufgebracht worden. Deshalb liegt eine echte Klageänderung vor. Da die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im übrigen nicht in Frage gestellt wird, hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel des Klägers zu Recht als unzulässig gewertet.
Ende der Entscheidung
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