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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.10.2004
Aktenzeichen: II ZR 250/02
Rechtsgebiete: AktG, UmwG


Vorschriften:

AktG § 120 Abs. 1
AktG § 131 Abs. 1 Satz 1
AktG § 243 Abs. 1
AktG § 243 Abs. 3
UmwG § 2 Nr. 2
a) Soweit die Organmitglieder einer durch Verschmelzung entstandenen Aktiengesellschaft (§ 2 Nr. 2 UmwG) mit denjenigen der übertragenden Rechtsträger personengleich sind, kann sich das Informationsrecht eines Aktionärs (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG) des neuen Rechtsträgers im Rahmen eines Hauptversammlungsbeschlusses über ihre Entlastung (§ 120 Abs. 1 AktG) auch auf etwaige Fehlleistungen im Zusammenhang mit der Verschmelzung erstrecken.

b) Werden einem Aktionär in der Hauptversammlung Auskünfte vorenthalten, die aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs in der Fragesituation zur sachgerechten Beurteilung i.S. von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG des Beschlußgegenstandes "erforderlich" sind, so liegt darin zugleich ein "relevanter" Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des betreffenden Aktionärs bei der Beschlußfassung. Dieser Verstoß rechtfertigt die Anfechtbarkeit des Beschlusses, ohne daß es darauf ankommt, ob der tatsächliche Inhalt der in der Hauptversammlung verweigerten und später - evtl. erst im Anfechtungsprozeß - erteilten Auskunft einen objektiv urteilenden Aktionär von der Zustimmung zu der Beschlußvorlage abgehalten hätte.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 250/02

Verkündet am: 18. Oktober 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und Caliebe

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin zu 2 wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Juli 2002 aufgehoben, soweit die Anfechtungsklage der Klägerin zu 2 gegen die Entlastungsbeschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. Mai 2000 abgewiesen worden ist.

Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin zu 2 (künftig: die Klägerin) ist Aktionärin der Beklagten, die durch Verschmelzung im Wege der Neugründung (§ 2 Nr. 2 UmwG) aus der T. AG und der F. K. AG H.-K. (im folgenden: K. AG) hervorgegangen ist. Die Verschmelzung wurde am 17. März 1999 in das Handelsregister eingetragen. In der ersten ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 24. Mai 2000 wurde u.a. die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 1998/99 (TOP 3 und 4) mit Mehrheiten von über 99 % beschlossen.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin u.a. die beiden Entlastungsbeschlüsse angefochten und dazu geltend gemacht, die - mit den Organmitgliedern der übertragenden Rechtsträger weitgehend personenidentischen - Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten hätten im Zusammenhang mit der unternehmerisch verfehlten Verschmelzung ihre Sorgfaltspflichten verletzt, insbesondere die K. AG zu Lasten der Aktionäre der T. AG maßlos überbewertet. Die zur Rechtfertigung der Verschmelzung unterbreiteten Prognosen hätten sich in der Folge als völlig unrealistisch erwiesen. In der Hauptversammlung seien auf die Aufklärung dieses Sachverhalts zielende Auskunftsersuchen u.a. der Klägerin pflichtwidrig nicht beantwortet worden, um diese Fehlleistungen und Täuschungen zu verdecken. Die auch noch gegen weitere Hauptversammlungsbeschlüsse vom 24. Mai 2000 gerichtete Anfechtungsklage blieb in den Vorinstanzen insgesamt erfolglos. Der Senat hat die Revision der Klägerin insoweit zugelassen, als die Anfechtungsklage gegen die Entlastungsbeschlüsse abgewiesen worden ist. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I. Das Berufungsgericht meint, die Behauptungen der Klägerin über angebliche Fehlleistungen von Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen der Verschmelzung seien gegenüber den Entlastungsbeschlüssen "von vornherein unerheblich", weil die Hauptversammlung bei der Entscheidung über die Entlastung ein nahezu freies Ermessen habe und es ihr frei stehe, auch eine pflichtvergessene Verwaltung zu entlasten. Die Entlastungsbeschlüsse seien auch nicht wegen Verletzung des Auskunftsrechts der Klägerin (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG) anfechtbar. Die auf nachteilige Auswirkungen der Verschmelzung zielenden Auskunftsbegehren der Klägerin seien für die Entscheidung eines objektiv urteilenden Aktionärs über die Entlastung der Organe der Beklagten schon nicht erforderlich gewesen (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG), weil die Verschmelzung von den Organen der übertragenden Rechtsträger betrieben worden sei und diese trotz weitgehender Personengleichheit nicht mit den Organen der Beklagten identisch seien, über deren Entlastung durch die angefochtenen Beschlüsse allein entschieden worden sei. Darüber hinaus fehle es an der erforderlichen Kausalität der angeblichen Auskunftspflichtverletzung für die Beschlußergebnisse.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Zu weit geht die Ansicht des Berufungsgerichts, es liege im Ermessen der Hauptversammlung, auch pflichtvergessenen Verwaltungsmitgliedern Entlastung zu erteilen (§ 120 AktG), ohne daß dies zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (§ 243 Abs. 1 AktG) führe. Wie der Senat in seinem - nach Erlaß des angefochtenen Urteils ergangenen - Urteil vom 25. November 2002 (II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 52) klargestellt hat, ist ein Hauptversammlungsbeschluß, der den Verwaltungsmitgliedern trotz eines schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzes- oder Satzungsverstoßes Entlastung erteilt, selbst inhaltlich gesetzwidrig und deshalb nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Ein solcher Verstoß ist aber von dem Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Revision erhebt insoweit auch keine Aufklärungsrüge.

2. Von Rechtsirrtum beeinflußt ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Entlastungsbeschlüsse seien auch nicht wegen Verletzung des Auskunftsrechts der Klägerin (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG) anfechtbar.

a) Wie sich schon aus § 243 Abs. 4 AktG ergibt und von dem Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt wird, kann ein Hauptversammlungsbeschluß auch wegen Verletzung des Informationsrechts eines Aktionärs (§ 131 AktG) gesetzwidrig und daher gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar sein. Das Informationsrecht des Aktionärs gemäß § 131 AktG ist Teil seines (auch durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten) Mitgliedschaftsrechts und Voraussetzung für dessen sinnvolle Ausübung in der Hauptversammlung gemäß § 118 AktG (BVerfG, Beschl. v. 20. September 1999 - 1 BvR 636/95, NJW 2000, 349). Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Wie die Revision zu Recht rügt, läßt sich die Erforderlichkeit der von der Klägerin in der Hauptversammlung begehrten Auskünfte jedenfalls mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneinen.

aa) Das - mit dem Aktiengesetz 1965 eingeführte - Merkmal der Erforderlichkeit der Auskunft gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG zielt lediglich darauf ab, mißbräuchlich ausufernde Auskunftsbegehren zu verhindern, um die Hauptversammlung nicht mit überflüssigen, für eine sachgemäße Beurteilung des Beschluß- oder sonstigen Gegenstandes der Tagesordnung unerheblichen Fragen zu belasten (vgl. BegrRegE bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 185; Decher in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 131 Rdn. 132). Entsprechend der Funktion des Auskunftsrechts, das auch zur Meinungs- und Urteilsbildung anderer Aktionäre, insbesondere der Minderheitsaktionäre, in der Hauptversammlung beitragen soll (vgl. BGHZ 149, 158, 164; weitergehend Zöllner in Kölner Komm.z.AktG § 131 Rdn. 3, 81; Kubis in Münch.Komm.z.AktG 2. Aufl. § 131 Rdn. 3, 41), ist Maßstab für die "Erforderlichkeit" bzw. "Beurteilungserheblichkeit" (vgl. Kubis aaO Rdn. 44) eines Auskunftsverlangens der Standpunkt eines objektiv urteilenden Aktionärs (vgl. BGHZ 149, 158, 164), der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt (vgl. Decher aaO § 131 Rdn. 141; Hüffer, AktG 6. Aufl. § 131 Rdn. 12 jew. m.w.Nachw.).

bb) Für das Auskunftsrecht im Rahmen einer bevorstehenden Organentlastung gemäß § 120 AktG gilt im Grundsatz nichts anderes. Zu entscheiden haben die Aktionäre hier darüber, ob die Tätigkeit der Organmitglieder im abgelaufenen Geschäftsjahr zu billigen ist, sie in der Unternehmensführung eine "glückliche Hand" bewiesen haben und ihnen das Vertrauen auch für ihre künftige Tätigkeit auszusprechen ist (vgl. BGHZ 94, 324, 326; Mülbert in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 120 Rdn. 25 ff.). Weder die beschränkte Wirkung der Entlastung (§ 120 Abs. 2 Satz 2 AktG) noch das der Hauptversammlung bei dieser Entscheidung zustehende Ermessen (bis zu der oben I 1 genannten Grenze) rechtfertigen eine Einschränkung des Auskunftsrechts gemäß § 131 AktG oder eine Verschärfung seiner Anforderungen (vgl. Decher aaO § 131 Rdn. 188), wie das Berufungsgericht meint. Auch ein innerhalb der Ermessensgrenzen liegender Entlastungsbeschluß ist gemäß § 243 Abs. 1, 4 AktG anfechtbar, wenn einem Aktionär die zur Ermessensausübung erforderlichen Auskünfte unberechtigt verweigert werden (vgl. BGHZ 36, 121, 139 ff.), was freilich voraussetzt, daß das Auskunftsbegehren auf Vorgänge von einigem Gewicht gerichtet ist, die für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Verwaltung von Bedeutung sind. Für eine weitergehende Einschränkung besteht kein Anlaß, weil einem Aktionär nicht zuzumuten ist, die Tätigkeit der Verwaltung ohne die dazu erforderlichen Informationen "abzusegnen" und ihr das Vertrauen auszusprechen.

cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts waren die von der Klägerin begehrten Auskünfte über die Anteile der verschmolzenen Rechtsträger an dem insgesamt enttäuschenden Jahresergebnis nicht deshalb für die Entlastungsentscheidung "irrelevant", weil die Verschmelzung von den Organen der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten vorbereitet und durchgeführt worden ist. Abgesehen davon, daß die von der Klägerin gestellten Fragen zum Teil die Geschäftstätigkeit der Beklagten und damit die Tätigkeit ihrer Organe im abgelaufenen Geschäftsjahr betrafen, verkennt das Berufungsgericht, daß die Entlastung gemäß § 120 Abs. 1 AktG sich nicht auf die institutionellen "Organe", sondern - auch bei der üblichen Form der Gesamtentlastung (vgl. dazu Hüffer aaO § 120 Rdn. 8) - auf die Organmitglieder bezieht. Diese waren hier - wie das Berufungsgericht feststellt - mit denjenigen der übertragenden Rechtsträger weitgehend personengleich. Es läßt sich daher nicht von vornherein ausschließen, daß ihre etwaigen unternehmerischen Fehlleistungen oder Fehleinschätzungen im Zusammenhang mit der Verschmelzung, auf deren Herausstellung die Auskunftsbegehren der Klägerin zielten, aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs für die Entscheidung über die Entlastung zumindest unter dem Aspekt des darin liegenden Vertrauensvotums für die Zukunft (vgl. oben bb) eine Rolle spielen konnten. Das gilt unabhängig von der Rechtsfrage, ob die Verschmelzung eine Zäsur für den Vergangenheitsbezug der Entlastung bildet und die Hauptversammlung des neuen Rechtsträgers daher nicht befugt ist, die Organmitglieder der übertragenden Rechtsträger für ihre frühere Tätigkeit zu entlasten (so Lutter/Grunewald, UmwG 2. Aufl. § 20 Rdn. 29; Kubis in Münch.Komm.z.AktG aaO § 120 Rdn. 19, a.A. Martens, AG 1986, 57, 59). Hier geht es umgekehrt darum, ob den Organmitgliedern mit Rücksicht auf etwaige frühere Fehlleistungen und deren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Gesamtlage der Gesellschaft das Vertrauensvotum zu verweigern war. Daß die von der Klägerin gestellten Fragen nach den Ursachen für die enttäuschende Geschäftslage der Beklagten "Angelegenheiten der Gesellschaft" i.S. von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG betrafen, kann ernstlich nicht bezweifelt werden.

Ob die Entlastungsbeschlüsse der übertragenden Rechtsträger vom 25. und 26. Februar 1999 Rechtswirkung für die Beklagte und deren Hauptversammlung hatten, kann dahinstehen. Denn unabhängig davon kann sich das Auskunftsrecht des Aktionärs im Rahmen der Entlastungsentscheidung auch auf frühere Tätigkeiten der Organmitglieder (vgl. Zöllner in Kölner Komm.z.AktG § 131 Rdn. 49) sowie auf Vorgänge außerhalb des betreffenden Geschäftsjahrs erstrecken, wenn diese Vorgänge sich erst jetzt ausgewirkt haben oder bekannt geworden sind, oder es um neue Gesichtspunkte geht, die einen zurückliegenden Vorgang in einem neuen Licht erscheinen lassen (vgl. Decher aaO § 131 Rdn. 150 f.; Zöllner aaO § 131 Rdn. 25).

b) Zu Recht beanstandet die Revision schließlich die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, die Anfechtung der vorliegenden Entlastungsbeschlüsse scheitere jedenfalls an fehlender Kausalität der angeblichen Auskunftspflichtverletzung für die Entscheidung eines objektiv urteilenden Aktionärs.

aa) Zur Einschränkung des nach einhelliger Ansicht zu weit gefaßten § 243 Abs. 1 AktG (vgl. dazu Hüffer in Münch.Komm.z.AktG 2. Aufl. § 243 Rdn. 27), wonach jeder Verfahrensverstoß zur Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses führen würde, hat der Senat zwar früher gefordert, daß das Beschlußergebnis - im Sinne einer potentiellen, von der Gesellschaft zu widerlegenden Kausalität - auf dem Verstoß "beruhen" muß. Um namentlich in den Fällen eines Verstoßes gegen Informations- oder Berichtspflichten den Schutz der Minderheitsaktionäre nicht leerlaufen zu lassen, kam es allerdings nach dieser Rechtsprechung nicht darauf an, ob die an der Gültigkeit des Beschlusses interessierte Aktionärsmehrheit diesen in jedem Fall gefaßt hätte, sondern ob ein objektiv urteilender Aktionär ohne den Verfahrensverstoß bzw. in Kenntnis der ihm zu offenbarenden Umstände anders abgestimmt hätte, als dies in der Hauptversammlung tatsächlich geschehen ist (BGHZ 36, 121, 139 f.; 107, 296, 306 f.; 119, 1, 18 f.; 122, 211, 238 f.). Diese Rechtsprechung, die auch das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, hat der Senat jedoch schon im Urteil vom 12. November 2001 (II ZR 225/99, BGHZ 149, 158, 164 f.) aufgegeben (vgl. auch BGHZ 153, 32, 36 f.: gesetzwidrige Bekanntmachung der Tagesordnung). Maßgebend ist danach die "Relevanz" des Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs im Sinne eines dem Beschluß anhaftenden Legitimationsdefizits, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt (vgl. grundlegend Zöllner in Kölner Komm.z.AktG § 243 Rdn. 81 ff.; ähnlich Hüffer, AktG 6. Aufl. § 243 Rdn. 12 f.; derselbe in Münch.Komm.z.AktG 2. Aufl. § 243 Rdn. 28 ff.; K. Schmidt in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 243 Rdn. 24 ff.). Werden einem Aktionär Auskünfte vorenthalten, die aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs in der Fragesituation zur sachgerechten Beurteilung des Beschlußgegenstandes in dem oben (zu 2 a) dargelegten Sinne "erforderlich" sind, so liegt darin zugleich ein "relevanter" Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des betreffenden Aktionärs (vgl. BGHZ 149, 158, 164), ohne daß es darauf ankommt, ob der tatsächliche Inhalt der in der Hauptversammlung verweigerten und später - evtl. erst im Anfechtungsprozeß - erteilten Auskunft einen objektiv urteilenden Aktionär von der Zustimmung zu der Beschlußvorlage abgehalten hätte (mißverständlich § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG-RefE UMAG; dazu Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 256). Soweit in BGHZ 149, 158, 164 f. noch Kausalitätserwägungen als notwendiges Relevanzkriterium anklingen, wird daran nicht festgehalten.

bb) Soweit das Berufungsgericht meint, die von der Klägerin begehrten Auskünfte seien zur Ermittlung eines unredlichen Verhaltens der Organmitglieder nicht geeignet und daher für die Entlastungsentscheidung eines vernünftig urteilenden Aktionärs "nicht relevant" gewesen, hat das mit obigen Relevanzkriterien nichts zu tun und geht daran vorbei, daß nicht nur ein unredliches, sondern auch ein sonstiges fehlsames Organhandeln Grund für die Verweigerung der Entlastung sein kann. Ob die Klägerin ihr subjektiv verfolgtes Ziel, ein unredliches Organhandeln aufzudecken, mit den begehrten Auskünften erreichen konnte, ist für die Frage der Erforderlichkeit der Auskunft nicht entscheidend.

III. Nach allem kann das angefochtene Urteil mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Das Berufungsgericht hat die Sache aufgrund unzutreffender rechtlicher Prämissen nicht unter den oben im einzelnen dargestellten Aspekten der Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte und damit der Relevanz einer etwaigen Auskunftspflichtverletzung geprüft. In dieser Hinsicht bedarf die Sache noch einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung im Hinblick auf die von der Klägerin im einzelnen gestellten Fragen und deren Erforderlichkeit bzw. Erheblichkeit für die Ausübung des Entlastungsermessens eines objektiv urteilenden Aktionärs.

Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die noch erforderlichen Feststellungen, ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien, zu treffen.



Ende der Entscheidung

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