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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.11.1998
Aktenzeichen: II ZR 254/97
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 1044 b
ZPO § 286
ZPO § 565 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am: 23. November 1998

Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

II ZR 254/97

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. August 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien stellen in ihren Unternehmen Fruchtsäfte her. Während ihrer langjährigen wirtschaftlichen Beziehungen kam es zu umfangreichen Warengeschäften. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland schlossen sie Verträge mit dem Ziel, gleichartige Unternehmen in den neuen Bundesländern zu errichten. In der Folge ergaben sich Meinungsverschiedenheiten. Die Parteien machen in mehreren Prozessen Ansprüche gegeneinander geltend. Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von 865.860,70 DM, hilfsweise die Mitwirkung an der Auseinandersetzung eines Gesellschaftsverhältnisses in Bezug auf das Werk Ha. in W./H.. Dagegen wendet der Beklagte ein, zwischen den Parteien sei ein Vergleich zustandegekommen.

Am 1. Februar 1995 vereinbarten die Parteien telefonisch, den Versuch zu unternehmen, sich mit Hilfe eines sachkundigen Dritten gütlich zu einigen. In dem Bestätigungsschreiben der Klägerin von demselben Tage heißt es u.a.:

"Der Besprechungstermin ist ganztägig geplant. Am Ende der Besprechung wird der Moderator einen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Die Parteien haben Gelegenheit, innerhalb von 24 Stunden den Vergleichsvorschlag abzulehnen. In diesem Fall werden die gerichtlichen Verfahren weitergeführt. Im Falle der Annahme des Vergleichs sollte nach meiner Ansicht ein Anwaltsvergleich im Sinne von § 1044 b BGB abgeschlossen werden.

Sollten Sie mit der vorgeschlagenen Vorgehensweise nicht einverstanden sein, so bitte ich um unverzügliche schriftliche Mitteilung. Andernfalls gehen wir davon aus, daß dieser Fahrplan für beide Parteien verbindlich ist."

Der von den Parteien mit den Vergleichsgesprächen beauftragte Zeuge K. besprach mit den Parteivertretern am 22. Februar 1995 die Streitpunkte und unterbreitete dann folgenden Vergleichsvorschlag:

"1) Die Firma B. erhält das Projekt Wa. unbelastet durch Ansprüche der Fa. M. bzw. K. M. jun. zugeschlagen. Herr M. verzichtet auf Auseinandersetzung und Abrechnung.

2) Die Firma P. M. erhält das Projekt W./Maschinen unter Verzicht von Herrn B. auf alle weiteren Ansprüche auf Maschinen, Geld oder Abrechnung.

3) Die bisher angefallenen Anwaltskosten trägt jede Partei selbst, die Gerichtskosten für W./Maschinen trägt Herr B.. (Wa. ist noch nicht gerichtsanhängig)."

Hinsichtlich des Postens "Warengeschäfte" schlug er vor, Herr B. solle an Herrn M. 900.000,-- DM zahlen.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dessen Auffassung, der Rechtsstreit sei durch einen außergerichtlichen Vergleich, der am 23. Februar 1995 in Kraft getreten sei, beendet, hält den Angriffen der Revision nicht stand.

I. Ein Vergleich ist nicht zustandegekommen.

1. Auf das Verfahren zum Abschluß eines Vergleichs haben sich die Parteien - was auch die Revision zugesteht - allerdings wirksam geeinigt. Dabei haben sie vereinbart, daß sie einen Vergleichsvorschlag innerhalb von 24 Stunden ablehnen können.

2. Die Feststellung des Berufungsgerichts, auf der Grundlage der Vereinbarung vom 1. Februar 1995 in Verbindung mit dem Verhalten der Parteien anläßlich der von dem Zeugen K. geleiteten Besprechung am 22. Februar 1995 sei ein wirksamer Vergleich zustandegekommen, hält jedoch revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Ablehnungsfrist am 23. Februar 1995 um 12.00 Uhr endete. Dem kann nicht gefolgt werden (§§ 133, 157 BGB).

Das Schreiben vom 1. Februar 1995 spricht von einer Ablehnung "innerhalb von 24 Stunden". Da die Besprechung ganztägig geplant war und tatsächlich auch erst um 19.00 Uhr abgeschlossen wurde, liegt es nahe, hierin den Beginn des Fristenlaufs zu erblicken. Es erscheint gekünstelt, ohne entsprechende Anhaltspunkte für einen dahingehenden Willen der Parteien eine Vergleichsbesprechung in einzelne Komplexe aufzuteilen und für jeden von ihnen einen eigenen Fristenlauf anzunehmen. Dagegen spricht schon die Überlegung, daß es den Parteien unbenommen blieb, bis zum Ende der Besprechung zu jedem Komplex modifizierte Vorschläge zu unterbreiten.

b) Das Berufungsgericht stellt demgegenüber auf die Erklärung des Zeugen K. im Besprechungstermin ab, die Frist beginne für den vorliegenden Komplex um 12.00 Uhr zu laufen. Diese Äußerung konnte die Parteien aber nur binden, wenn sie einverstanden gewesen wären, das zwischen ihnen vereinbarte Verfahren dementsprechend zu ändern. In ihrem bloßen Schweigen kann ein solches Einverständnis indes nicht gesehen werden. Für eine solche Interpretation fehlt jeder objektive Anhaltspunkt. Die am 23. Februar 1995 um 14.00 Uhr ausgesprochene Ablehnung des Vergleichsvorschlags war demnach fristgemäß.

II. Die Klägerin hat überdies - entgegen den Darlegungen des Berufungsgerichts - den Vergleichsvorschlag des Zeugen K. schon während der Besprechung am 22. Februar 1995 abgelehnt. Auch insoweit bindet die regelwidrige Auslegung des Berufungsgerichts den Senat nicht.

1. Das Berufungsgericht weist selber darauf hin, daß der Vergleichsvorschlag bei der Klägerin vor allem wegen der vorgesehenen Behandlung des Postens "Warengeschäfte", der Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits ist, "auf Unmut und Unverständnis" stieß. Eine entsprechende Äußerung des Vertreters der Klägerin mußten die Anwesenden als Ablehnung dieses Vorschlags verstehen, zumal die anschließende Diskussion ergebnislos verlief. Die Ablehnung dieses Punktes ist gleichzeitig als Ablehnung des gesamten Vergleichsvorschlags zu werten; ohne eine zufriedenstellende Lösung dieses Komplexes war die beabsichtigte "gütliche Gesamteinigung" nicht möglich.

2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin stehen dem nicht entgegen.

Wenn dieser die Vergleichsbemühungen noch nicht als endgültig gescheitert betrachtete und "weitere Überprüfungen" des Zahlenmaterials vornahm, dann ändert das nichts daran, daß der von K. unterbreitete Vorschlag abgelehnt worden war und blieb. Die Ablehnung des Vergleichsvorschlags schließt nicht aus, daß die Klägerin einen Vergleich damit noch nicht als endgültig gescheitert betrachtete. Die anwaltliche Ablehnung des Vergleichsvorschlags am 23. Februar 1995 gegen 14.00 Uhr würde nur die schon am Vortag erklärte Ablehnung bestätigen, die wegen der krassen Abweichung des Vergleichsvorschlags zu den "Warengeschäften" vom Standpunkt der Klägerin ohnehin von vornherein nahegelegen hatte (§ 286 ZPO).

3. Dabei hat - was die Ablehnung des Vorschlags durch die Klägerin schon in der Besprechung vom 22. Februar 1995 angeht - das Berufungsgericht den Prozeßstoff nicht einmal erschöpfend gewürdigt.

a) Nach Aussage des Zeugen K. hatte er vor Schluß der Sitzung den Eindruck, daß sich die Parteien bezüglich des Punktes 3 (Warengeschäfte) nicht einigen werden. Herr B. (Geschäftsführer der Klägerin) habe seine Auffassung dahin wiedergegeben, "daß er Punkt 3 nicht zustimmen könne, während bei Punkt 1 und 2 für mich offen war".

b) In dem beigezogenen Protokoll über eine Vernehmung des Zeugen K. in der Parallelsache 22 O 118/94 vom 11. Oktober 1995, auf das die Klägerin sich urkundenbeweislich bezogen hat, heißt es noch eindeutiger, daß der Geschäftsführer der Klägerin erklärt hat, "er könne so nicht zustimmen", womit für den Zeugen die Schiedsverhandlung "eigentlich vorbei" war. Die Zeugen Dr. S. und Dr. F. haben die Ablehnung des Vorschlags in der Besprechung vom 22. Februar 1995 durch die Klägerin vollauf bestätigt.

c) Wenn der Zeuge K. trotz der auch von ihm so verstandenen Ablehnung seines Vorschlags durch die Klägerin gleichwohl meinte, der Vorschlag könne noch Bindungswirkung gegenüber der Klägerin erlangen, dann offensichtlich infolge seines Irrglaubens, er sei befugt gewesen, den Parteien einen Vergleich vorzuschreiben, der durch Schweigen innerhalb einer von ihm einseitig gesetzten Frist für die Parteien bindend werde.

III. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat verwehrt, da nunmehr hinsichtlich der Klage die erforderlichen Feststellungen zu treffen sind. Deshalb ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).



Ende der Entscheidung

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