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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 07.07.2003
Aktenzeichen: II ZR 271/00
Rechtsgebiete: BGB, KO


Vorschriften:

BGB § 398
KO § 54
Zur Auslegung einer Abtretungsvereinbarung in bezug auf künftige Forderungen des Zedenten aus einem Rechtsverhältnis mit dem Schuldner.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 271/00

Verkündet am: 7. Juli 2003

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer und Dr. Graf

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2000 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Februar 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Januar 1997 eröffneten Konkurs über das Vermögen einer KG (im folgenden: Gemeinschuldnerin). Diese betrieb einen Küchenfachhandel und war Kommanditistin der Beklagten (V.), in der sich zahlreiche Einzelhändler zu einem Einkaufsverband zusammengeschlossen hatten. Die Zentralregulierung des Zahlungsverkehrs zwischen den Einzelhändlern und den Lieferanten hatte die Beklagte einer Tochtergesellschaft, der V.-Z. GmbH, übertragen, die auch eine Delkrederehaftung gegenüber den Lieferanten übernahm. Ihr gegenüber erklärte die Gemeinschuldnerin durch eine "Mitgliedserklärung" vom 1. Januar 1988 den Beitritt zu dem Regulierungsverbund. Die V.-Z. trat ihrerseits ebenfalls unter dem 1. Januar 1988 "die Forderungen" gegenüber der Gemeinschuldnerin an die Beklagte ab. Die Gemeinschuldnerin schied mit Konkurseröffnung aus der Beklagten aus. Ihr stehen unstreitig Ansprüche auf Abfindung sowie auf Zinsen, Gewinn und Boni für 1996 in Höhe von insgesamt 209.777,33 DM gegen die Beklagte zu. Diese hat mit Schreiben vom 30. Juni 1997 mit unstreitigen, ihr angeblich am 1. Januar 1988 vorausabgetretenen Ansprüchen der V.-Z. wegen verauslagter Zahlungen an Lieferanten der Gemeinschuldnerin in Höhe von 239.724,35 DM die Aufrechnung erklärt.

Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten Zahlung von 209.777,33 DM. Er meint, die Forderungsabtretung der V.-Z. an die Beklagte vom 1. Januar 1988 habe sich nicht auf künftige Forderungen gegenüber der Gemeinschuldnerin bezogen. Zudem seien die Forderungen der V.-Z. gegen die Gemeinschuldnerin aufgrund der Zahlungen an deren Lieferanten zumindest zum Teil erst nach Konkurseröffnung entstanden, so daß der Aufrechnung auch § 55 Nr. 1 KO entgegenstehe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr im wesentlichen entsprochen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts wird die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte Forderung von der Abtretungsvereinbarung zwischen der V.-Z. und der Beklagten nicht erfaßt, weil aus ihr eine Abtretung künftiger Forderungen nicht hervorgehe und solche Forderungen sowie ihre Rechtsgrundlage auch nicht hinreichend bezeichnet seien.

II. Das hält den Angriffen der Revision nicht stand.

Nach dem von dem Berufungsgericht angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. März 1995 (IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668) ist zwar die Abtretung "der Ansprüche" eines Sicherungsgebers aus der Sicht eines unvoreingenommenen Erklärungsempfängers "im Zweifel" nur auf bestehende Forderungen zu beziehen. Die Erstreckung auf künftige Ansprüche müsse "besonders zum Ausdruck kommen". Das erfordert aber nicht unbedingt eine ausdrückliche Erklärung. Vielmehr kann sich ein entsprechender, übereinstimmender Parteiwille - wie auch sonst bei der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) - auch aus den Umständen des Falles mit der erforderlichen Eindeutigkeit ergeben. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht insoweit wesentliches Auslegungsmaterial, insbesondere das spezielle Verhältnis zwischen der Beklagten und der V.-Z. und die sich daraus ergebende Interessenlage, außer acht gelassen hat.

1. Die Beklagte stand der V.-Z. nicht als außenstehende Dritte gegenüber. Die V.-Z. war vielmehr die von dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten in Personalunion geleitete Tochtergesellschaft der Beklagten, deren diese sich zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgabe der Zentralregulierung des Zahlungsverkehrs zwischen ihren Mitgliedern und deren Lieferanten bediente. Unter den gegebenen Umständen kann sich die am Tage des Beitritts der Gemeinschuldnerin zu dem Regulierungsverbund (und in innerem Zusammenhang damit) abgegebene Abtretungserklärung der V.-Z. als Regulierungstochter gegenüber der Beklagten als ihrer Muttergesellschaft allein auf Forderungen aus dem zwischen ihr und der Gemeinschuldnerin begründeten Regulierungsverhältnis bezogen haben. Ein sonstiges Rechtsverhältnis zwischen beiden ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Da am Tag des Eintritts der Gemeinschuldnerin in das Regulierungsverhältnis noch keine aktuellen Forderungen der V.-Z. ihr gegenüber bestanden haben können, sondern erst künftig entstehen sollten, können Gegenstand der Abtretung vom selben Tag nur diese künftigen Forderungen gewesen sein. Diese sind damit zugleich hinreichend bestimmt bzw. zum Zeitpunkt ihres Entstehens bestimmbar (vgl. dazu BGHZ 70, 86, 89; 71, 75, 78).

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läßt sich Gegenteiliges auch nicht daraus herleiten, daß die dem Regulierungsverbund beigetretenen Kommanditisten gemäß Ziffer 1 der von der V.-Z. vorformulierten "Mitgliedserklärung" Zahlungen auf Verbindlichkeiten gegenüber ihren Lieferanten mit schuldbefreiender Wirkung nur an die V.-Z. GmbH leisten konnten, soweit die V.-Z. die Abwicklung und/oder die Delkrederehaftung gegenüber den Lieferanten übernommen hatte. Denn durch diese Bestimmung sollte lediglich klargestellt werden, daß die Mitglieder nicht an die Lieferanten direkt, sondern an die V.-Z. zu zahlen hatten, wie das Berufungsgericht selbst ausführt. Da nicht vorgetragen oder ersichtlich ist, daß die Gemeinschuldnerin von der Abtretung der Forderungen der V.-Z. an die Beklagte in Kenntnis gesetzt worden ist, konnte sie gemäß § 407 Abs. 1 BGB weiterhin mit schuldbefreiender Wirkung an die V.-Z. leisten. Zudem ist davon auszugehen, daß diese im Hinblick auf die der Beklagten bekannte Regelung in der "Mitgliedserklärung" ermächtigt blieb, Zahlungen der Gemeinschuldnerin entgegenzunehmen.

III. Zu den Voraussetzungen der Aufrechnung gemäß den in vorliegender Sache (noch) anzuwendenden §§ 54, 55 KO hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen getroffen. Der Rechtsstreit ist gleichwohl auf der Grundlage des von den Parteien in der Revisionsinstanz in Bezug genommenen Sachvortrags entscheidungsreif.

Gemäß § 54 KO sind auch mit oder nach Konkurseröffnung fällig gewordene Forderungen gegeneinander aufrechenbar, wenn sie schon vorher ihrem Kern nach vorhanden waren (vgl. Sen.Urt. v. 11. Juli 1988 - II ZR 281/87, NJW 1989, 453). Das gilt hier sowohl für die Klageforderung auf Zahlung des Abfindungsguthabens der mit Konkurseröffnung aus der Beklagten ausgeschiedenen Gemeinschuldnerin (vgl. Senat aaO) als auch für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Zinsen, Gewinn und Boni für 1996, ohne daß es auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses ankommt. Für alle diese Ansprüche gilt, daß ihr Rechtsgrund auf der ehemaligen Mitgliedschaft der Gemeinschuldnerin (als Kommanditistin) bei der Beklagten basiert und damit vor Konkurseröffnung gelegt worden ist (vgl. Senat aaO). Im Ergebnis ebenso waren aber auch die an die Beklagte abgetretenen, von ihr zur Aufrechnung gestellten Ansprüche der V.-Z. GmbH wegen der von ihr verauslagten Zahlungen für die von der Gemeinschuldnerin bezogenen Waren dem Grunde nach vor Konkurseröffnung zumindest bedingt entstanden, ohne daß es - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - darauf ankommt, inwieweit die V.-Z. GmbH die Lieferantenforderungen gegenüber der Gemeinschuldnerin bei Konkurseröffnung bereits bezahlt hatte. Soweit gemäß § 23 KO ein Auftrag - wie hier der Regulierungsauftrag der Gemeinschuldnerin gegenüber der V.-Z. GmbH - mit Konkurseröffnung erlischt, gilt das nicht für die bürgenähnliche Verbindlichkeit der V.-Z. GmbH aus dem "Delkredere" gegenüber den Lieferanten der Gemeinschuldnerin (vgl. zur Bürgschaft Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch 1. Aufl. § 47 Rdn. 37; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 54 Rdn. 5 c, d). Da die Rechtsgrundlage für die - an die Beklagte vorausabgetretenen - Erstattungsansprüche der V.-Z. gegenüber der Gemeinschuldnerin aus dem zwischen beiden vereinbarten Regulierungsverhältnis ersichtlich vor der Vorausabtretung der hieraus resultierenden Ansprüche der V.-Z. gegenüber der Gemeinschuldnerin (wenn auch offenbar am selben Tag) gelegt worden war, fand - entgegen der Ansicht der Revision - mit Bezahlung der Lieferantenrechnungen durch die V.-Z. bei ihr auch kein Durchgangserwerb der Regreßforderung gegen die Gemeinschuldnerin statt (vgl. Staudinger/Busche, BGB 13. Aufl. § 398 Rdn. 73), welcher die Aufrechnung der Beklagten mit den ihr vorausabgetretenen Forderungen der V.-Z. wegen nachkonkurslich verauslagter Zahlungen möglicherweise gemäß § 55 Nr. 1, 2 KO ausschlösse.

Ende der Entscheidung

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