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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.01.2004
Aktenzeichen: II ZR 303/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 611 | |
ZPO § 138 |
b) Der Vortrag des Dienstverpflichteten, in den der Vertragsunterzeichnung vorangehenden Verhandlungen sei verabredet worden, daß - entgegen dem nach dem Wortlaut des Vertrages naheliegenden Verständnis - mit Rücksicht auf eine im Sparkassenbereich verbreitete Übung ein Anspruch auf Altersruhegeld nach beamtenrechtlichen Regeln sofort nach dem Ende der Amtszeit bestehen solle, ist hinreichend substantiiert; es ist verfahrensfehlerhaft, diese Prüfung mit dem Einwand abzulehnen, die Abrede finde im Wortlaut des Vertrages keinen Niederschlag.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 19. Januar 2004
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Graf und Dr. Strohn
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 13. September 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 21. Februar 2001 auch insoweit zurückgewiesen worden ist, als die Klage auch für die Zeit ab 1. Oktober 1998 als unbegründet abgewiesen worden war.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 7. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger war von 1968 bis Ende Februar 1992 im Rheinland als Bankangestellter tätig. Zum 1. März 1992 wechselte er im Alter von 40 Jahren nach Sachsen-Anhalt und trat bei der Kreissparkasse H. das Amt des Vorsitzenden des Vorstandes an. Nach dem Anstellungsvertrag vom 15. November 1991 sollte das Dienstverhältnis am 28. Februar 1997 enden, konnte aber um je fünf Jahre bis zu dem Zeitpunkt verlängert werden, zu dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendete. Die Sparkasse war verpflichtet (§ 1 Abs. 2), dem Kläger spätestens sechs Monate vor Ablauf der Vertragszeit schriftlich mitzuteilen, ob er für eine weitere Periode wieder bestellt werde, der Kläger hatte binnen eines Monats nach Erhalt dieser Mitteilung schriftlich zu erklären, ob er die Wiederbestellung annehme. In dem Vertrag ist ferner bestimmt:
"§ 1 ...
(3) Herr ... (Kläger) ist, sofern er am Tag der Beendigung der Vertragszeit das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, verpflichtet, in eine rechtzeitig angebotene Wiederbestellung einzuwilligen, wenn die angebotenen Vertragsbedingungen nicht ungünstiger sind als die bisherigen; dabei gilt eine Verkürzung der Vertragszeit wegen Erreichung der Altersgrenze nicht als Verschlechterung der Vertragsbedingungen.
...
§ 7
Im Fall der Vereinigung der Sparkasse mit einer anderen Sparkasse oder mit mehreren anderen Sparkassen ist Herr ... verpflichtet, bei der neuen Sparkasse die Aufgaben eines Vorsitzenden oder eines Vorstandsmitgliedes zu übernehmen. Dabei tritt eine Verschlechterung der übrigen Anstellungsbedingungen auch dann nicht ein, wenn er nicht mindestens entsprechend seiner bisherigen Funktion als geschäftsleitendes Vorstandsmitglied verwendet wird.
§ 8
(1) Dem Angestellten und seinen Hinterbliebenen wird nach Maßnahme [richtig: Maßgabe] des Beamtenversorgungsgesetzes Versorgung nach den für Beamte geltenden Vorschriften gewährt.
(2) Ein Anspruch auf Versorgung besteht nicht bei Beendigung des Dienstverhältnisses
(a) wenn ein Vertragsangebot nach § 1 Abs. 2 abgelehnt wurde,
(b) ...
(3) Ruhegehaltsfähig ist der in § ... vereinbarte Jahresbetrag des Jahresgehaltes ...
(4) Neben den als Angestellter nach diesem Dienstvertrag verbrachten Dienstzeiten werden nach Maßgabe der für Zeitbeamte geltenden Vorschriften als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten berücksichtigt
(a) ...
(b) ...
(c) ...
(5) Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen werden nach Eintritt des Versorgungsfalles nach den für die Ruhestandsbeamten und ihre Hinterbliebenen geltenden Vorschriften gewährt."
Im Zuge der kommunalen Gebietsreform in Sachsen-Anhalt waren mit Wirkung zum 1. Juli 1996 die Kreissparkassen H. und E. zu der Beklagten zusammengeschlossen worden. Bei der Wahl zum Vorsitzenden des Vorstandes des neuen Instituts am 25. Juni 1996 unterlag der Kläger einer Mitbewerberin; er sollte darauf hin das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstands bekleiden. Bereits vor der Fusion, nämlich am 18. April 1996 hatte der Verwaltungsrat der Kreissparkasse H. den Beschluß gefaßt, den Kläger für eine weitere Amtsperiode als Vorstandsvorsitzenden zu bestellen; der Vorsitzende des Verwaltungsrates sollte die Einzelheiten des noch abzuschließenden Dienstvertrages mit dem Kläger und dem Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband aushandeln. Dem Kläger, der bereits in dieser Sitzung mündlich die Annahme seiner Wiederbestellung erklärt hatte, übergab der Vorsitzende des Verwaltungsrates am 20. Juni 1996 einen von dem Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband erstellten Musterdienstvertrag mit der Bitte um Stellungnahme. Zu Verhandlungen über den Dienstvertrag kam es zwischen den Beteiligten jedoch erst nach der Fusion ab Mitte August 1996. Unter dem 2. September 1996 teilte der Kläger dem Landrat des Landkreises in seiner Eigenschaft als Vorsitzendem des Verwaltungsrates der Beklagten mit:
"Wie Ihnen bekannt ist, läuft mein Dienstvertrag Ende Februar 1997 aus.
Der Dienstvertrag sieht vor, daß, soweit eine Verlängerung angestrebt wird, Sie mir spätestens 6 Monate vor Ablauf des Vertrages ein mindestens gleichwertiges Angebot unterbreiten müssen.
Leider haben Sie mir in der vorgegebenen Frist kein adäquates Angebot unterbreitet. Somit läuft mein Dienstverhältnis unwiderruflich Ende Februar 1997 aus ..."
Der neu gebildete Verwaltungsrat der Beklagten hob am 7. Januar 1997 den Wiederbestellungsbeschluß des entsprechenden Gremiums der früheren Kreissparkasse H. vom 18. April 1996 auf und berief den Kläger als Vorstandsmitglied der Beklagten mit Wirkung vom 1. März 1997 ab.
In einem als Urkundenprozeß betriebenen Rechtsstreit hat der Kläger mit den zuletzt gestellten Anträgen Zahlung seiner Versorgungsbezüge - hilfsweise gestaffelt nach unterschiedlichen Vomhundertsätzen seines letzten Gehalts - für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 30. September 1998 verlangt. Dieser Rechtsstreit ist durch Nichtannahmebeschluß des Senats vom 7. Februar 2000 (II ZR 310/98) zu Lasten des Klägers rechtskräftig entschieden worden. Mit der vorliegenden - während des Urkundenverfahrens zum Ruhen gebrachten - Klage hatte der Kläger zunächst auf Feststellung angetragen, daß ihm die Beklagte auch in der Zukunft Versorgungsbezüge zu leisten habe. Nach Aufnahme des ruhenden Verfahrens hat er für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 31. Dezember 1999 Zahlung rückständiger Versorgungsbezüge, ab 1. Januar 2000 laufende Versorgungsleistungen in Höhe von monatlich 13.323,01 DM und ferner die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm Versorgungsbezüge in Höhe von 59,8 % der vertraglich bestimmten und jeweils anzupassenden Bemessungsgrundlage zu leisten. Das Landgericht hat die Klage im wesentlichen abgewiesen, allerdings auf den Hilfsantrag - sinngemäß - festgestellt, daß die Beklagte dem Kläger die nach dem BetrAVG unverfallbar gewordenen Versorgungsleistungen zu erbringen hat. Die Berufungen beider Parteien blieben erfolglos. Hiergegen hat der Kläger, soweit er durch das Urteil beschwert ist, Revision eingelegt. Er nimmt hin, daß die Vorinstanzen seine Klage als unzulässig abgewiesen haben, soweit sie die Versorgung für den Zeitraum vom 1. März 1997 bis zum 30. September 1998 betrifft; im übrigen verfolgt er sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist im Umfang der Anfechtung des Berufungsurteils begründet und führt unter Teilaufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
I. Zutreffend und ohne revisionsrechtlich relevante Fehler haben sowohl das Landgericht wie das Berufungsgericht angenommen, daß Gegenstand des Vorprozesses allein Versorgungsansprüche des Klägers für den Zeitraum vom 1. März 1997 bis 30. September 1998 gewesen sind, so daß die rechtskräftige Abweisung der Klage im Urkundenprozeß einer gerichtlichen Geltendmachung von Versorgungsansprüchen für die Zeit ab 1. Oktober 1998, um die es nach der Beschränkung des Klagebegehrens in dritter Instanz allein noch geht, nicht entgegensteht.
II. 1. Erfolglos bleiben die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne schon nach dem Wortlaut des Dienstvertrages vom 15. November 1991 unmittelbar nach Auslaufen seiner Amtszeit als Mitglied des Vorstandes der Kreissparkasse H. bzw. der Beklagten als ihrer Rechtsnachfolgerin Altersruhegeld fordern. Die entsprechende Regelung in § 8 des als Muster vielfach in den neuen Bundesländern verwendeten Dienstvertrages hat das Berufungsgericht zutreffend und - wie auch die Revision nicht verkennt - in der Sache in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 3. Dezember 2001 - II ZR 372/99, WM 2002, 332 unter II. 1.) dahin ausgelegt, daß die Bezugnahme auf die beamtenrechtlichen Versorgungsregeln eine Vollverweisung enthält, der Begünstigte also nur Altersruhegeld beanspruchen kann, wenn er am Ende seiner Amtszeit die Regelaltersgrenze bereits erreicht hat. Hieran hält der Senat nach erneuter Prüfung fest.
2. Von Rechtsirrtum beeinflußt ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, es brauche nicht über die Behauptung des Klägers Beweis zu erheben, es sei in den vor dem 15. November 1991 geführten Vertragsverhandlungen ausdrücklich verabredet worden, daß der Kläger - einer im Sparkassenbereich verbreiteten Übung folgend - unmittelbar nach Auslaufen einer Amtsperiode Anspruch auf Altersruhegeld nach beamtenrechtlichen Regeln haben solle. Zu Unrecht - im übrigen den Hinweis des in dem Urkundenprozeß ergangenen Nichtannahmebeschlusses des Senats vom 7. Februar 2000 (II ZR 310/98) außer acht lassend - hält das Berufungsgericht diesen Vortrag für unsubstantiiert. Es überspannt, wie die Revision mit Recht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 6. November 2000 - II ZR 67/99, ZIP 2001, 28) geltend macht, die Anforderungen an den Vortrag einer Partei und setzt sich über den allgemeinen Grundsatz hinweg, daß Vertragsregelungen, die die Parteien übereinstimmend interpretieren, nicht nur dann gelten, wenn sie eine Falschbezeichnung enthalten, sondern auch dann, wenn dieses übereinstimmende Verständnis in der erstellten Urkunde keinen Niederschlag gefunden hat.
Davon abgesehen hat der Kläger - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - im einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen beide Vertragsteile die ihn im Vergleich zu Beamten besser stellende Versorgungsregelung vereinbart haben. Dies kann schon deswegen nicht als schlechthin nicht nachvollziehbar bewertet werden, weil der Wechsel des Klägers zu der Kreissparkasse H. für ihn zwar mit Chancen, aber auch mit nicht unerheblichen Risiken verbunden war: Es war schon 1991 absehbar, daß die kommunale Struktur und damit der Bestand der Kreissparkasse, in deren Dienst aus gesicherter Position in den alten Ländern der Kläger trat, auf längere Sicht den wirtschaftlichen und politischen Erfordernissen angepaßt werden mußte; vor diesem Hintergrund ist die Sonderregelung in § 7 des Dienstvertrages zu lesen. Hinzu kommt, daß Ende 1991 auch nicht absehbar war, ob sich die Menschen in den neuen Bundesländern auf Dauer mit der teilweise als bevormundend empfundenen Hilfe von aus Westdeutschland in die Leitungspositionen ostdeutscher Institutionen wechselnden Personen abfinden würden, ein Risiko, das sich für den Kläger bei seiner Kandidatur um den Vorstandsvorsitz der Beklagten verwirklicht hat. Schließlich hat das Berufungsgericht nicht beachtet, daß auch von dem Senat Fälle entschieden worden sind, in denen unstreitig war, daß Vorstandsverträge zwischen einer Sparkasse und ihren Leitungsorganen mit ähnlichen Klauseln, wie sie hier zu beurteilen sind, sofort nach Beendigung der Amtszeit Altersruhegeldansprüche begründen sollten, obwohl die allgemeinen beamtenrechtlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt waren (vgl. z.B. Urt. v. 3. Juli 2000 - II ZR 381/98, ZIP 2000, 1452; ferner Urt. v. 3. Dezember 2001 aaO, unter II. 2.).
III. Die Sache bedarf danach der Teilaufhebung und Zurückverweisung, damit das Berufungsgericht nunmehr die gebotene Beweisaufnahme durchführen kann. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, das auch insofern den Hinweis aus dem bereits erwähnten Nichtannahmebeschluß des Senats nicht aufgenommen hat, ist diese Klärung des Sachverhalts nicht deswegen entbehrlich, weil zu Lasten des Klägers der Ausschlußtatbestand des § 8 Abs. 2 lit. a) des Dienstvertrages eingriffe. Nach den für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden, im übrigen teilweise durch Urkunden belegten Sachvortrag des Klägers war er nicht gehalten, den ihm vorgelegten neuen Dienstvertrag zu akzeptieren und auf dessen Grundlage über den 1. März 1997 hinaus für die Beklagte als stellvertretender Vorstandsvorsitzender tätig zu werden. Die Bedingungen des neuen Dienstvertrages waren danach nämlich in mehrfacher Hinsicht ungünstiger als die des am 15. November 1991 geschlossenen Vertrages: Schon das neue Gehalt sollte um rund 20.000,00 DM unter der bisherigen Vergütung liegen und die Amtszeit von fünf auf sechs Jahre heraufgesetzt werden; Verschlechterungen sollten für den Kläger ferner dadurch eintreten, daß die Pflicht, eine Wiederbestellung anzunehmen, um ein Jahr (bis zum 63. Lebensjahr) verlängert werden und die Leistungszulage nicht mehr ruhegehaltsfähig sein sollte; schließlich sollten die Kündigungsregelungen zu Lasten des Klägers geändert werden und die bisher eingeräumten Sonderkonditionen für Kreditgewährungen seitens der Beklagten entfallen.
Ende der Entscheidung
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