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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.12.2001
Aktenzeichen: II ZR 308/99
Rechtsgebiete: GenG


Vorschriften:

GenG § 34 Abs. 1
GenG § 34 Abs. 2
GenG § 48 Abs. 1
a) Zum Inhalt der Sorgfaltspflicht des Vorstandes einer Genossenschaftsbank bei der Kreditvergabe.

b) Die zur Tragweite der Entlastung des Vorstandes eines eingetragenen Vereins entwickelten Grundsätze (vgl. Senatsurteil v. 14. Dezember 1987 - II ZR 53/87, WM 1988, 531) gelten sinngemäß auch für die Entlastung des Vorstandes einer eingetragenen Genossenschaft. Danach beschränkt sich die Verzichtswirkung der Entlastung auf solche Ansprüche, die der Generalversammlung bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein konnten.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 308/99

Verkündet am: 3. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 15. September 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Genossenschaftsbank, ist aus einer Verschmelzung mit der V.bank S. e.G. (nachfolgend: V. S.) hervorgegangen, deren Vorstandsmitglieder die Beklagten von 1991 bis zu ihrem Rücktritt Ende Juni 1995 waren. Nach dem Geschäftsverteilungsplan war die Beklagte zu 2 für das Kreditgeschäft vorrangig zuständig; die Vergabe von Darlehen über 250.000,00 DM bedurfte der Zustimmung beider Vorstandsmitglieder. Während ihrer Vorstandstätigkeit verursachten die Beklagten - wie sie selbst vorprozessual mit Schreiben vom 16. Juni 1995 an die Sicherungseinrichtung beim Bundesverband der Deutschen V.banken und R.banken (BVR) eingestanden haben - aufgrund der ihnen fehlenden fachlichen Eignung und bankgeschäftlichen Erfahrung eine derartige geschäftliche Fehlentwicklung, daß die V.bank S. in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten stürzte; die schließlich trotz Wertberichtigungen in Millionenhöhe und Inanspruchnahme einer Ausfallbürgschaft der Sicherungseinrichtung beim BVR in Höhe von 9,734 Mio. DM drohende Insolvenz konnte nur durch die Verschmelzung mit der Klägerin vermieden werden. Ursächlich dafür waren vor allem die trotz mehrfacher Warnungen und Ermahnungen des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen von den Beklagten betriebene unverhältnismäßig expansive Kreditpolitik und Kreditvergaben, die zumeist ohne die erforderliche Bonitätsprüfung und ohne hinreichende Sicherheiten erfolgten, so daß die risikobehafteten Blankokredite bzw. -kreditanteile überhand nahmen. Um einem Abberufungsverlangen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen zuvorzukommen, erklärten die Beklagten schließlich mit Schreiben vom 10. April 1995 ihren Rücktritt zum 30. Juni 1995.

Die Klägerin nimmt die Beklagten für erlittene Ausfälle aus zwei der während ihrer Vorstandstätigkeit eingegangenen risikobehafteten Kreditengagements in Anspruch. Damit hatte es folgende Bewandtnis:

1. Zwischen Juni 1993 und Juni 1994 vergab die Beklagte zu 2 - zum Teil zusammen mit der Beklagten zu 1 - namens der V.bank S. Kredite an die I.-GmbH in einem Gesamtumfang von über 900.000,00 DM. Obwohl die Kreditnehmerin schon zu Beginn der Geschäftsbeziehung mit einer anderweitigen Kreditschuld von 1,1 Mio. DM belastet und eine Kapitaldienstfähigkeit nicht gegeben war, erfolgte die Darlehensvergabe großenteils ohne ausreichende Sicherheiten. So fand u.a. anlässlich der Kreditausweitung um 600.000,00 DM im Dezember 1993 zur Prüfung der Werthaltigkeit der von der Schuldnerin angebotenen Grundschuld von 360.000,00 DM, die im Rahmen einer späteren Kreditgewährung noch erhöht wurde, lediglich eine Besichtigung des Pfandgrundstücks durch die Beklagten und den Aufsichtsrat statt. Am 6. Dezember 1994 wurde die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der I.-GmbH mangels Masse abgelehnt. Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde der Verkehrswert des Betriebsgrundstücks der Schuldnerin auf lediglich 174.200,00 DM gutachterlich festgestellt. Der Verlust aus dem Kreditengagement der I.-GmbH konnte durch Sicherheitenverwertung - ohne den noch ausstehenden anteiligen Erlös aus der Verwertung des Betriebsgrundstücks - auf 689.500,00 DM reduziert werden.

2. Einer weiteren Kreditnehmerin, der E. GmbH, gewährte die Beklagte zu 2 ohne hinreichende Sicherheiten verschiedene Darlehen in einem Gesamtumfang von mehreren 100.000,00 DM. Über das Vermögen dieser Schuldnerin wurde im März 1995 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Die Klägerin behauptet insoweit einen Ausfall von mehr als 440.000,00 DM; nach ihrer Darstellung ist u.a. eine als Sicherheit vorgesehene Grundschuld über 300.000,00 DM durch Verschulden der Beklagten zu 2 nicht hereingenommen worden, so daß ein - sonst möglicher - Zugriff auf das werthaltige Grundstück (Verkehrswert über 630.000,00 DM) zum Ausgleich der Darlehensschuld nicht eröffnet war.

In den Prüfungsberichten des Genossenschaftsverbandes B.-H. e.V. für die Jahre 1993 bis 1995 wurden die Versäumnisse der Beklagten im Kreditgeschäft im Hauptteil und im besonderen Teil näher dargelegt, in den jeweils zweieinhalbseitigen abschließenden Zusammenfassungen jedoch nur allgemein dargestellt; die Kreditengagements mit der I.-GmbH und der E. GmbH sind nur im besonderen Teil des Prüfungsberichts unter einer Vielzahl sogenannter "bemerkenswerter Forderungen" aufgelistet. In den Generalversammlungen zu den Geschäftsjahren 1993 bis 1995 wurde den Beklagten jeweils nach Vorlage der Rechenschaftsberichte des Vorstandes, der Jahresabschlüsse, der Gewinn- und Verlustrechnungen, der Lageberichte sowie der Rechenschaftsberichte des Aufsichtsrats und Verlesung der zusammengefaßten Prüfungsberichte ohne Gegenstimme Entlastung erteilt. Das Landgericht hat der vorrangig auf ein Fehlverhalten der Beklagten bei der Kreditvergabe an die I.-GmbH, nachrangig auf das Kreditengagement E. GmbH gestützten Teilklage auf Schadensersatz von 300.000,00 DM - mit Ausnahme eines Teils des Zinsbegehrens - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts (§ 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

I. Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, die Beklagten hätten bei der Vergabe der Kredite an die I.-GmbH und die E. GmbH ihre Pflichten nicht schuldhaft verletzt. Verstöße gegen ausdrückliche interne Anordnungen oder Verbote seien ebensowenig dargelegt wie die Kausalität etwaiger Pflichtverletzungen für die Kreditausfälle. Den Beklagten sei bei der Führung der Vorstandsgeschäfte ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen, wobei die Vergabe von Bankkrediten als kaufmännische Risikoentscheidung der gerichtlichen Nachprüfung weitestgehend entzogen sei. Auch wenn hier die Kredite an gefährdete Unternehmen ohne hinlängliche Sicherung gegeben worden seien, so habe im Zeitpunkt der Kreditvergabe nicht zweifelsfrei festgestanden, daß die beiden Unternehmen wirtschaftlich scheitern mußten. Die nachträgliche Beurteilung des Risikos durch sachkundige Dritte sei nicht maßgeblich. Zweifel an der geschäftlichen Geschicklichkeit der Beklagten und ein Mangel an Fortune führten nicht zu deren Haftung. Abgesehen davon habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Beklagten auch aus den hier betroffenen Kreditengagements verzichtet, weil die Generalversammlung ihnen in Kenntnis aller relevanten Umstände für die Geschäftsjahre 1993 bis 1995 Entlastung erteilt habe. Für das Geschäftsjahr 1993 habe die Beklagte zu 2 eingeräumt, daß die Kreditabteilung das Sorgenkind der Bank sei. Zudem sei das zusammengefaßte Ergebnis des Prüfungsberichts für 1993 verlesen worden, aus dem sich die deutliche Kritik an der vom Vorstand eingeschlagenen Kreditpolitik sowie an der Führung und Organisation des Kreditbereiches ergeben habe. Auf bereits entstandene erhebliche Verluste sei dabei hingewiesen worden. Angesichts dessen habe für die Generalversammlung Anlaß bestanden, den Bericht vollständig zur Kenntnis zu nehmen oder zumindest nähere Aufklärung zu Regreßforderungen gegen den Vorstand zu verlangen. Der Prüfungsbericht enthalte in der Anlage nämlich sogar einen ausdrücklichen Hinweis auf eine Schadensersatzforderung gegen den Vorstand wegen der Kreditvergabe an die I.-GmbH. Wer bei derart alarmierenden Hinweisen keine Fragen stelle und keine Maßnahmen gegen die Geschäftsleitung ergreife, bringe mit der Entlastung den Verzicht auf sämtliche Ansprüche gegen den Vorstand zum Ausdruck. Entsprechendes gelte für die unter ähnlichen Umständen erfolgten Entlastungen für die beiden Folgejahre. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II. 1. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet bereits die Annahme, eine Haftung der Beklagten nach § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG sei mangels Darlegung bzw. Nachweises einer Pflichtverletzung schon dem Grunde nach ausgeschlossen. Das Berufungsgericht verkennt dabei den für Geschäftsleiter einer Genossenschaftsbank geltenden Sorgfaltsmaßstab nach § 34 Abs. 1 GenG und setzt sich nur unzureichend mit dem - insbesondere aufgrund des vorgerichtlichen Schuldeingeständnisses der Beklagten im Schreiben vom 16. Juni 1995 - unstreitigen Tatsachenstoff hinsichtlich der Pflichtverletzungen der Beklagten im allgemeinen wie auch im besonderen im Zusammenhang mit den konkreten Sachverhaltskomplexen der I.-GmbH und der E. GmbH auseinander. Letztlich verkennt es dabei auch die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten.

a) Maßstab der den Beklagten nach § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG bei ihrer Geschäftsführung obliegenden Pflichten ist die nach der Verkehrsauffassung anzuwendende Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaftsbank. Dabei ist zwar dem Vorstand im Grundsatz bei der Leitung der Geschäfte ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schwerlich denkbar ist (BGHZ 135, 244, 253). Dieser Handlungsspielraum kann auch im Ansatz das bewußte Eingehen geschäftlicher Risiken mit der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen umfassen. Er ist jedoch dann überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaftsbank das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen. So ist eine Pflichtverletzung insbesondere dann gegeben, wenn das Vorstandsmitglied gegen die in dieser Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungsgrundsätze verstößt. Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, bedeutet das Gebot, Risiken nur in sinnvoller kaufmännischer Interessenabwägung einzugehen, für Vorstandsmitglieder einer Genossenschaftsbank, daß sie Kredite grundsätzlich nicht ohne übliche Sicherheiten gewähren dürfen und zudem für die ordnungsgemäße Bewertung der Sicherheiten sowie die Beachtung der Richtlinien über Beleihungsobergrenzen Sorge zu tragen haben. Das haben beide Beklagte - die Beklagte zu 2 im Rahmen der ihr ohnehin obliegenden Ressortzuständigkeit für das Kreditgeschäft, die Beklagte zu 1 zumindest im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung hinsichtlich der 250.000,00 DM übersteigenden Kreditrahmen - nach eigenem Eingeständnis über Jahre hinweg in einer Vielzahl von Fällen, darunter die Kreditengagements der I.-GmbH und der E. GmbH, nicht getan. Schon aus diesem Grunde ist an einer schuldhaften Pflichtverletzung beider Beklagter im gegenwärtigen Verfahrensstand nicht zu zweifeln. Die zum Teil unverständlichen Ausführungen des Berufungsgerichts bezüglich einer unzulässigen rückschauenden Bewertung der Sorgfalt gehen an der Wirklichkeit vorbei. Dabei wird nämlich außer acht gelassen, daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen bereits mit Schreiben vom 1. März 1993 - also vor Eingehung der hier in Rede stehenden konkreten Engagements - die Kreditbearbeitung und -überwachung durch die Beklagten in vielfältiger Weise, so auch hinsichtlich einer Nichtbeachtung des § 18 KWG, beanstandet hatte. Trotz dieser - später wiederholten - Beanstandungen haben die Beklagten, wie sie selbst einräumen, ihre schädliche expansive Kreditpolitik und insbesondere die in vielen Fällen unvertretbaren Kreditentscheidungen ohne ausreichende Bonitäts- und Sicherheitenprüfung fortgesetzt, wie nicht zuletzt aus der Vielzahl der als bemerkenswert eingestuften Kredite in den besonderen Teilen der Prüfungsberichte für 1993 (100 Seiten) und 1994 (64 Seiten) deutlich wird. Die verharmlosende Einstufung des Verhaltens der Beklagten als von mangelnder geschäftlicher Geschicklichkeit oder fehlender Fortune geprägt erweist sich damit als unhaltbar. Schon angesichts des vorprozessualen Schuldeingeständnisses der Beklagten hinsichtlich ihrer mangelhaften Geschäftsführung im allgemeinen ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern das Berufungsgericht hinreichenden Vortrag der Klägerin dazu vermißt, daß die Beklagte gegen ausdrückliche interne Anordnungen oder Verbote schuldhaft verstoßen hätten. Das ist unter den festgestellten Umständen schon deshalb verfehlt, weil es gerade den Beklagten als Vorstandsmitgliedern oblegen hätte, bankübliche Standards bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin einzuführen und für deren Einhaltung zu sorgen. Zudem hat das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt: Vor dem Hintergrund des weitgehenden tatsächlichen Geständnisses der Beklagten im vorprozessualen Bereich wie auch des Umfangs der in den besonderen Teilen der Prüfungsberichte aufgezählten schadensersatzrelevanten Einzelfälle tragen die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast auch bezüglich der Einhaltung der zu beobachtenden Sorgfaltspflichten bei den konkret zu beurteilenden Kreditengagements, ohne daß es eines Rückgriffs auf die ohnehin zu ihren Lasten streitende Beweislastregel gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 GenG bedürfte.

c) Soweit das Berufungsgericht eine Darlegung der Klägerin zur Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden vermißt, übersieht es, daß der Ausfall mit dem weit überwiegenden Teil der Kreditforderung im Rahmen der Insolvenz der I.-GmbH sich als typische Folge mangelnder Besicherung der ausgereichten Darlehen darstellt, wie bereits das Landgericht angenommen hat; für den erst in zweiter Linie zu beurteilenden Fall der E. GmbH gilt nach dem Klägervortrag nichts anderes. Insoweit wäre es Sache der Beklagten, einen solchen typischen Kausalzusammenhang zur Überzeugung des Tatrichters zu erschüttern.

2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Annahme des Berufungsgerichts, die V.bank S. habe auf Schadensersatzansprüche aus allen Kreditvergaben in den Geschäftsjahren 1993 bis 1995, mithin auch aus den streitgegenständlichen beiden Kreditengagements gegenüber den Beklagten verzichtet, weil ihre Generalversammlung dem Vorstand in Kenntnis aller relevanten Umstände einstimmig jeweils Entlastung erteilt habe.

a) Auch bei der Genossenschaft beschränkt sich die Verzichtswirkung der Entlastung (§ 48 Abs. 1 GenG) auf (Bereicherungs- und Schadensersatz-)Ansprüche, die dem entlastenden Organ bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein konnten (vgl. Sen.Urt. v. 14. Dezember 1987 - II ZR 53/87, WM 1988, 531, 534 - für den Verein m.w.N.; st. Rspr.). Ansprüche, die aus den Rechenschaftsberichten des Vorstandes und den der Mitgliederversammlung bei der Rechnungslegung unterbreiteten Unterlagen nicht oder in wesentlichen Punkten nur so unvollständig erkennbar sind, daß die Verbandsmitglieder die Tragweite der ihnen abverlangten Entlastungsentscheidung bei Anlegung eines lebensnahen vernünftigen Maßstabes nicht zu überblicken vermögen, werden von der Verzichtswirkung nicht erfaßt. Das gilt insbesondere für solche Ansprüche, die erst nach eingehendem Vergleich und rechtlicher Auswertung verschiedener Unterlagen ersichtlich sind, die in der Verbandsversammlung bei Abfassung des Entlastungsbeschlusses nicht oder nicht vollständig vorliegen. Eine unbillige Benachteiligung des zu entlastenden Organs ist darin schon deshalb nicht zu erblicken, weil es bereits zum pflichtgemäßen Inhalt des jährlichen Rechenschaftsberichts gehört, die Verbandsmitglieder über alles zu unterrichten, was nach Verkehrsanschauung und vernünftigem Ermessen zur sachgemäßen Beurteilung der Entlastungsfrage durch die Mitgliederversammlung erforderlich ist. Auch im übrigen liegt es bei dem Vorstand, durch hinreichende Offenheit gegenüber der Mitgliederversammlung die Tragweite der erbetenen Entlastung selbst zu bestimmen. Dagegen kann von den einzelnen Mitgliedern regelmäßig nicht erwartet werden, daß sie aus eigener Kenntnis der Zusammenhänge und aufgrund selbständiger Untersuchungen imstande sind, das Ausmaß der ihnen mit der in der Mitgliederversammlung beantragten Entlastung abverlangten Verzichtserklärung zu überblicken (Senat, aaO S. 535).

b) Ausgehend hiervon rügt die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht den entscheidungserheblichen Prozeßstoff nicht hinreichend gewürdigt hat, indem es für das Geschäftsjahr 1993 den pauschalen Äußerungen der Beklagten zu 2 in ihrem Vorstandsbericht und der vom Prüfer verlesenen allgemeinen Zusammenfassung des Prüfungsergebnisses ein unzutreffendes Gewicht im Hinblick auf die Tragweite des Entlastungsbeschlusses beigemessen hat. Die wiedergegebene Äußerung der Beklagten zu 2 war verharmlosend und nichtssagend. In den wiedergegebenen Teilen der Zusammenfassung des Prüfungsberichts werden die Sorgfaltspflichtverletzungen der Beklagten ebenfalls nur in so allgemeiner Form angesprochen, daß für den durchschnittlichen Versammlungsteilnehmer nicht deutlich wurde, daß die Grenze vom allgemein glücklosen, aber noch vertretbaren Kreditmanagement zum vorwerfbaren schadensersatzrelevanten Fehlverhalten im Einzelfall überschritten war; ein eigenes Bild über konkrete Sorgfaltspflichtverstöße der Beklagten, insbesondere die beiden streitgegenständlichen Kreditengagements konnten die Mitglieder nicht gewinnen. Da nach den vom Berufungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung mitgeteilten Umständen die Möglichkeit der Erhebung von konkreten Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand nicht einmal in allgemeiner Form Gegenstand der Zusammenfassung des Prüfungsberichts oder des - inhaltlich nicht vollständig mitgeteilten - Vorstandsberichts war, bestand für die Versammlungsmitglieder kein begründeter Anlaß, sich nach etwaigen schadensersatzrelevanten Einzelfällen zu erkundigen oder nach dem Inhalt des Prüfungsberichts im übrigen, insbesondere den konkreten Einzelvorgängen im Anhang, zu forschen. Die vom Berufungsgericht erwähnte Anlage 5 b des besonderen Teils des Prüfungsberichts war ersichtlich nicht Gegenstand der Generalversammlung, so daß deren spezieller Inhalt auch nicht in diesem Zusammenhang bezüglich des Kenntnisstandes der Mitglieder verwertet werden durfte.

c) Die pauschale Bezugnahme des Berufungsgerichts auf "ähnliche Umstände" bei den Entlastungen für die Geschäftsjahre 1994 und 1995 läßt nicht erkennen, welche konkreten Tatsachen insoweit der Entscheidungsfindung zugrunde lagen, so daß nicht beurteilt werden kann, ob das Berufungsgericht von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist und alle entscheidungsrelevanten Umstände in seine Überlegungen einbezogen hat.

d) Die zwischen den Parteien umstrittenen Umstände, ob und gegebenenfalls wie detailliert im Anschluß an die verschiedenen Berichte in den Generalversammlungen über Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand diskutiert wurde und ob die Prüfungsberichte in den Generalversammlungen oder zuvor in den Geschäftsräumen der Genossenschaft ihren Mitgliedern zur Einsichtnahme zugänglich waren, hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht in seine Würdigung einbezogen. Schließlich hat es auch versäumt festzustellen, zu welchem konkreten Zeitpunkt die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche im einzelnen entstanden sind, weil ohne eine solche Bestimmung nicht festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Anspruch von einer möglichen Verzichtswirkung der für ein bestimmtes Geschäftsjahr getroffenen Entlastungsentscheidung erfaßt wird.

IV. Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife (§ 565 Abs. 3 Nr.1 ZPO) an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es - auch unter Berücksichtigung der Revisionsgegenrüge der Beklagten zu 1 - die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Für die weitere Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Das Berufungsgericht hat bislang außer acht gelassen, daß nach den Feststellungen im Landgerichtsurteil dem Aufsichtsrat der Klägerin die Prüfungsberichte für die Jahre 1993 bis 1995 vollinhaltlich bekannt waren und er trotz Hinweises des Verbandsprüfers P. auf mögliche Regressansprüche gegen die Beklagten zu den von diesen getroffenen Entscheidungen stand; selbst hinsichtlich der unter Verstoß gegen die Beschlußvorschriften der Geschäftsordnung durch die Beklagten gewährten Kredite stellte sich der Aufsichtsrat hinter die Beklagten und sprach ihnen sein Vertrauen aus. Wenn aber der Aufsichtsrat als Aufsichtsorgan über den Vorstand im Rahmen seiner Überwachungspflicht gemäß § 38 GenG trotz Kenntnis des vollen Inhalts des Prüfungsberichts und der dem zugrundeliegenden Umstände keinen Anlaß zu Kritik oder Nachfrage sieht, sondern durch den Aufsichtsratsvorsitzenden als Versammlungsleiter den Antrag auf Entlastung des Vorstandes an die Generalversammlung stellt, können deren Mitglieder sich im Regelfall damit beruhigen, daß sich die Tätigkeit der Geschäftsleitung - bei nur genereller Kritik an ihrer Geschäftspolitik und -tätigkeit - im "Normbereich" bewegt; insbesondere liegt dann der Gedanke an ein konkretes schadensersatzrelevantes Fehlverhalten des Vorstands im Einzelfall eher fern, weil andernfalls der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungspflicht einschreiten müßte.

Ende der Entscheidung

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