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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.03.2002
Aktenzeichen: II ZR 32/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 286
ZPO § 278 Abs. 3 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

II ZR 32/00

Verkündet am: 11. März 2002

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers zu 1 wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 22. Dezember 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als seine Berufung gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 28. Mai 1997 in Höhe von 26.997,00 US $ (verauslagte Rückzahlung von Provisionen an die Werft in S.) zurückgewiesen worden ist. In Höhe des weitergehenden Betrages von 899,26 US $ wird die Revision zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger zu 2 und der Beklagte zu 2 sind je zur Hälfte Gesellschafter der Beklagten zu 1. Beide waren bis zur Abberufung des Klägers zu 2 Ende 1993 auch deren Geschäftsführer; seitdem führt der Beklagte zu 2 die Geschäfte der Beklagten zu 1 allein. Mit Vereinbarung vom 24. März 1994 trat der Kläger zu 2 angebliche Forderungen gegen die Beklagte zu 1 in Höhe von 164.190,21 DM an den Kläger zu 1 ab. Aus dieser Abtretung hat der Kläger vermeintliche Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungen des Klägers zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 in deren M. Büro für die Zeit von Dezember 1992 bis Oktober 1993 in Höhe von 136.812,28 DM mit der Klage geltend gemacht. Ferner hat er - ebenfalls aus abgetretenem Recht des Klägers zu 2 - unter Bezugnahme auf ein sog. "Agreement" vom 7. Juni 1991 Ansprüche im Zusammenhang mit Provisionen für Schiffsbauarbeiten auf der Werft B. in Z./K. (auch als "Werft in S." bezeichnet) in Höhe von 27.887,69 US $ erhoben. Beide Kläger haben zudem von den Beklagten Rechnungslegung über die Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1 von Dezember 1993 bis April 1994 und die von ihr in den Jahren 1991 bis 1993 erzielten Einnahmen verlangt. Die Beklagte zu 1 hat im Wege der Widerklage vom Kläger zu 2 Rückzahlung eines ihm überlassenen Geldbetrages von 90.990,52 DM begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Mit der Berufung hat der Kläger zu 1 seine behaupteten Zahlungsansprüche nur gegen die Beklagte zu 1 in modifizierter Form weiterverfolgt, nämlich zuletzt Zahlung von 139.028,01 DM und weiterer 56.486,23 US $, darunter 27.878,26 US $ für verauslagte Provisionsrückzahlungen an die Werft B./Z., verlangt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zu 1 zurückgewiesen. Auf die Berufung des Klägers zu 2 hat es die Widerklage der Beklagten zu 1 abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat allein der Kläger zu 1 Revision eingelegt mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zu 1 entsprechend seinen zweitinstanzlichen Klageanträgen. Der Senat hat das Rechtsmittel nur insoweit angenommen, als die Berufung des Klägers zu 1 bezüglich der angeblich verauslagten Rückzahlung von Provisionen an die Werft B./Z. in Höhe von 27.878,26 US $ zurückgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe:

A. Da die Beklagte zu 1 im Verhandlungstermin trotz dessen ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht erschienen ist, ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung beruht (vgl. BGHZ 37, 79, 82).

B. Im Umfang der Annahme ist die Revision des Klägers zu 1 hinsichtlich des überwiegenden Teils der Forderung in Höhe von 26.997,00 US $ nebst Zinsen mit der Folge der Zurückverweisung begründet, bezüglich des weitergehenden Betrages von 899,26 US $ hingegen unbegründet.

I. Das Berufungsgericht hält den Vortrag des Klägers zu 1, der Kläger zu 2 habe Provisionsrückzahlungen von 27.878,36 US $ an die Werft B./Z. für die Beklagte zu 1 verauslagt, für unschlüssig. Zum einen weiche der zweitinstanzliche Vortrag zur Höhe der angeblich erbrachten drei Provisionsrückzahlungen von früherem Vorbringen ab, zum anderen mache die Summe der Einzelbeträge (zweimal 9.000,00 US $, einmal 8.997,00 US $) lediglich 26.997,00 US $ und nicht - wie beantragt - 27.878,26 US $ aus. Unabhängig davon sei der Kläger zu 1 jedenfalls für die behaupteten Zahlungen des Klägers zu 2 beweisfällig geblieben, da die insoweit vorgelegten Überweisungsbelege weder den Verwendungszweck noch die Belastung eines eigenen Privatkontos des Klägers zu 2 erkennen ließen und zudem die Funktion eines "Mr. J." als angeblichen Empfängers eines Teils der Beträge nicht nachvollziehbar sei. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nur zum Teil stand.

1. Unschlüssig ist das Vorbringen des Klägers zu 1 bezüglich der angeblich von seinem Rechtsvorgänger, dem Kläger zu 2, verauslagten Provisionsrückzahlungen an die Werft B./Z. lediglich in Höhe der Differenz von 899,26 US $ zwischen dem zweitinstanzlich gestellten Antrag auf Zahlung von 27.878,26 US $ und der Summe der insoweit konkret behaupteten drei Einzelüberweisungen von insgesamt 26.997,00 US $ (zweimal 9.000,00 US $ und einmal 8.997,00 US $). Diesen Unterschiedsbetrag von 899,26 US $ hat der Kläger zu 1 weder in der Berufungsinstanz noch im Revisionsverfahren schlüssig zu begründen vermocht; das gilt auch hinsichtlich seines Hilfsvorbringens zu einem diesbezüglichen Tagegeldanspruch wegen angeblicher Tätigkeiten außerhalb Rußlands. Da die Berufung des Klägers zu 1 in diesem Punkt zu Recht zurückgewiesen worden ist, bleibt insoweit auch seine Revision erfolglos.

2. Demgegenüber ist das - in der Berufungsinstanz teilweise berichtigte - Vorbringen des Klägers zu 1 hinsichtlich des behaupteten Erstattungsanspruchs des Klägers zu 2 wegen verauslagter Provisionserstattungen an die Werft B./Z. in Höhe von 26.997,00 US $ zweifelsfrei schlüssig.

Durchgreifende Bedenken gegen die Schlüssigkeit lassen sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht daraus ableiten, daß die korrigierten Angaben zu den Einzelüberweisungen (zweimal 9.000,00 US $ und einmal 8.997,00 US $) von früher genannten Zahlen abweichen. Nach ständiger Rechtsprechung ist es einer Partei nicht verwehrt, ihren Vortrag im Laufe des Rechtsstreits, auch in der Berufungsinstanz (vgl. § 525 a.F. ZPO), zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen (BGH, Urt. v. 1. Juli 1999 - VII ZR 202/98, NJW-RR 2000, 208 m.w.N.; BGH, Urt. v. 5. Juli 1995 - KZR 15/94, WM 1995, 1775, 1776). Das gilt zumal dann, wenn - wie hier - das Landgericht die Klage wegen Unsubstantiiertheit des erstinstanzlichen Vorbringens abgewiesen hat und der Kläger nunmehr mit der Berufung die Schlüssigkeitszweifel beheben muß. Im Hinblick auf die vom Kläger zu 1 zweitinstanzlich angebrachten Korrekturen und Ergänzungen ist nunmehr sein Vortrag zu der ihm abgetretenen Erstattungsforderung des Klägers zu 2 wegen der verauslagten Provisionsrückzahlungen schlüssig. Schon nach dem von der Beklagten zu 1 selbst vorgelegten Schreiben vom 8. September 1993 an den Kläger zu 2 muß es als unstreitig gelten, daß Ende August 1993 Provisionsrückzahlungsverpflichtungen der Beklagten zu 1 gegenüber der Werft B./Z. in mindestens der vom Kläger zu 1 angegebenen Höhe offenstanden. Nachdem die Werft in Z. mit Schreiben vom 30. August 1993 die - von der Beklagten zu 1 seinerzeit sogar mit 37.928,37 US $ als korrekt angesehenen - Provisionsrückzahlungen angemahnt hatte, entschuldigte sich die Beklagte zu 1 mit Telefax vom 3. September 1993 bei der Werft und bat deren Manager P., sich an den Kläger zu 2 zu wenden, der für die verlangte Zahlung verantwortlich sei. Dementsprechend forderte sie den Kläger zu 2 im Schreiben vom 8. September 1993 auf, die Zahlungen in Höhe von 37.928,37 US $ sofort aus eigenen Mitteln an Z. zu erbringen. Nach der Behauptung des Klägers zu 1 ist der Kläger zu 2 diesem Verlangen durch die vorgetragenen Überweisungen nachgekommen. Auf Weisung des Werftdirektors P. habe er die Provisionsrückzahlungspflicht der Beklagten zu 1 durch die Überweisungen von 9.000,00 US $ an den Generaldirektor der Werft, Bu., sowie von weiteren 9.000,00 US $ und 8.997,00 US $ an H. J. erfüllt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu diesen Überweisungen hat der Kläger zu 1 in zulässiger Weise auf die von ihm vorgelegten Kopien von Zahlungsanweisungen und Bankbestätigungen Bezug genommen.

3. Auch die Hilfsargumentation des Berufungsgerichts zur angeblichen Beweisfälligkeit des Klägers zu 1 bezüglich der behaupteten Zahlungen des Klägers zu 2 begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit hat das Oberlandesgericht wesentliches Urkundenmaterial nicht ausreichend gewürdigt und zudem einen Zeugenbeweisantrag des Klägers zu 1 übergangen (§ 286 ZPO).

a) Das Berufungsgericht hat sich bereits nicht hinreichend mit den vom Kläger zu 1 vorgelegten Kopien von Zahlungsanweisungen und Bankbestätigungen zu den behaupteten Überweisungen auseinandergesetzt. In einer gesonderten Bestätigung der A. Bank wird die Überweisung von zweimal 9.000,00 US $ bescheinigt; dabei ist die Konto-Nr. identisch mit derjenigen auf den Auszügen der Bank, die an den Kläger zu 2 gerichtet sind und die die jeweilige Überweisung von 9.000,00 US $ ausweisen, wobei in einem Falle der Name Bu. genannt ist. Die entsprechenden Überweisungsaufträge des Klägers zu 2 an die A. Bank zugunsten von Konten der Empfänger Bu. und J. bei der L.bank St. sind ebenfalls in Kopie vorgelegt worden. Eine weitere Zahlungsanweisung des Klägers zu 2 vom 15. Oktober 1993 über 8.997,00 US $ ist an eine M. Bank zugunsten eines Kontos von H. J. bei der L.bank St. gerichtet; hierzu existiert ein statement of account vom 19. Oktober 1993 hinsichtlich der Kontobelastung des Kontos mit jenem Überweisungsbetrag. Angesichts der Tatsache, daß nicht einmal die Beklagte zu 1 insoweit konkrete Beanstandungen erhoben hat, ist die Annahme des Berufungsgerichts, es sei nicht nachgewiesen, daß der Kläger zu 2 von einem eigenen Privatkonto die Überweisungen vorgenommen habe, nicht haltbar. Soweit hinsichtlich der Überweisungen von zweimal 9.000,00 US $ der zeitliche Zusammenhang unklar ist, weil der Zeitpunkt der Kontenbewegungen aus den Unterlagen nicht genau ersichtlich ist, durfte auch daraus nicht ohne weiteres ein negatives Beweisergebnis zu Lasten des Klägers zu 1 hergeleitet werden; insoweit hätte ihm zumindest gemäß §§ 139, 278 Abs. 3 a.F. ZPO Gelegenheit gegeben werden müssen, die entsprechenden Originalunterlagen oder besser lesbare Kopien vorzulegen bzw. ergänzend vorzutragen.

b) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht auch unter Verstoß gegen § 286 ZPO den Beweisantrag des Klägers zu 1 auf Vernehmung des Werftdirektors P. zu der Behauptung übergangen, der Kläger zu 2 habe die Überweisungen entsprechend den Vorgaben des Zeugen an den Generaldirektor Bu. und H. J. tatsächlich vorgenommen, und zwar "von seinem Privatkonto".

III. Die aufgezeigten Verfahrensfehler nötigen hinsichtlich des aberkannten Ersatzes für verauslagte Provisionserstattungen in Höhe von 26.997,00 US $ nebst Zinsen zur Aufhebung und - mangels Endentscheidungsreife - zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 565 Abs. 1 a.F. ZPO), damit es die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Sollte das Berufungsgericht aufgrund der neuen Tatsachenverhandlung zu dem Ergebnis kommen, daß dem Kläger zu 2 als Zedenten ein entsprechender Auslagenersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 zusteht, so wird es sich mit der Frage befassen müssen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein derartiger Anspruch durch eine bereits vorprozessual erklärte Verrechnung oder Aufrechnung einer der Parteien (vgl. Schreiben der Beklagten zu 1 vom 8. September 1993, GA 67 f.) oder durch entsprechende Erklärung während des Prozesses (vgl. Schriftsatz der Klägerseite vom 21. März 1996, GA 153 ff.) im Hinblick auf Vorleistungen der Beklagten zu 1 an den Kläger zu 2 im Umfang von über 90.000,00 DM etwa erloschen ist.

Ende der Entscheidung

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