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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.06.1998
Aktenzeichen: II ZR 353/97
Rechtsgebiete: GmbHG, GesO
Vorschriften:
GmbHG § 33 Abs. 2 | |
GesO § 11 Abs. 3 Satz 1 |
a) Ein Rechtsschutzinteresse für die Klage auf Feststellung einer Forderung zum Vermögensverzeichnis besteht auch dann, wenn über den Anspruch des Gläubigers eine notarielle Urkunde errichtet ist, in der sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat.
b) Im Gesamtvollstreckungsverfahren ist bei der Prüfung, ob der Kaufpreis für den Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die GmbH aus dem über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen aufgebracht werden kann, auf einen Gesamtvergleich des nach § 33 Abs. 2 GmbHG freien Vermögens mit dem Gesamtbetrag der offenen Ansprüche der Gesellschafter abzustellen, die einen Zahlungsanspruch aus einem Anteilsabtretungsvertrag geltend machen.
BGH, Urt. v. 29. Juni 1998 - II ZR 353/97 - OLG Dresden LG Leipzig
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 29. Juni 1998
Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Dr. Kapsa und Kraemer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 9. Juli 1997 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 13. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt gegenüber dem Beklagten als Verwalter in dem am 21. Juni 1996 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der "N. Z. " Malerhandwerk L. GmbH i.L. (im folgenden: Gemeinschuldnerin) die Feststellung einer Forderung zum Vermögensverzeichnis. Die Klägerin hielt als Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin einen voll einbezahlten Geschäftsanteil. Mit notariellem Vertrag vom 6. Februar 1993 trat sie diesen an die Gemeinschuldnerin mit sofortiger dinglicher Wirkung gegen ein Entgelt von 55.208,21 DM ab, das in Raten fällig war. Die Gemeinschuldnerin unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Nachdem keine Zahlung durch die Gemeinschuldnerin erfolgt war, betrieb die Klägerin aus der notariellen Urkunde vom 6. Februar 1993 die Zwangsvollstreckung. Das von der Gemeinschuldnerin hiergegen eingeleitete Vollstreckungsabwehrklageverfahren wurde durch einen vor dem Oberlandesgericht Dresden am 21. Februar 1995 abgeschlossenen Prozeßvergleich beendet, in welchem die Gemeinschuldnerin als damalige Klägerin und die Klägerin als damalige Beklagte u.a. folgendes vereinbarten:
"1. Falls die Klägerin an die Beklagte bis spätestens 31. Dezember 1995 auf die Hauptforderung aus dem notariellen Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom 6. Februar 1993 DM 45.000,-- sowie auf die geschuldeten Zinsen DM 5.000,--, insgesamt also DM 50.000,-- gezahlt hat, gilt der Rest der Forderung der Beklagten aus der genannten Urkunde (UrNr. 114/3 des Notars T. R. in G. ) als erlassen. Im übrigen verbleibt es bei der in dieser Urkunde titulierten Forderung.
2. ..."
Zahlungen durch die Gemeinschuldnerin erfolgten nicht: Nachdem die von der Klägerin im Gesamtvollstreckungsverfahren angemeldete Forderung vom Beklagten unter Berufung auf § 33 Abs. 2 GmbHG bestritten worden war, erhob die Klägerin die vorliegende Klage, mit der sie die Feststellung der Forderung in einer Höhe von 44.166,57 DM nebst Zinsen sowie Vollstreckungskosten zum Vermögensverzeichnis begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Leipzig, ZIP 1997, 602), das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben (OLG Dresden, NZG 1998, 31). Mit seiner - zugelassenen - Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten nicht zu.
I.
Zu Recht geht allerdings das Berufungsgericht davon aus, daß die Feststellungsklage nach § 11 Abs. 3 Satz 1 GesO statthaft ist. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin mit der notariellen Urkunde vom 6. Februar 1993 in Verbindung mit dem Prozeßvergleich vom 21. Februar 1995 über einen vollstreckbaren Titel verfügt. § 11 Abs. 3 Satz 2 GesO schreibt zwar vor, daß der Gesamtvollstreckungsverwalter, der eine titulierte Forderung bestreitet, seinerseits Klage erheben muß. Dies schließt jedoch eine eigene Feststellungsklage des Gläubigers nicht aus. In der zu der entsprechenden Bestimmung des § 146 Abs. 6 KO ergangenen Rechtsprechung und Literatur herrscht weitgehend Übereinstimmung darüber, daß es dem Gläubiger unbenommen bleibt, im Klagewege die Feststellung seiner titulierten Forderung zur Konkurstabelle durchzusetzen (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 22. April 1965 - VII ZR 15/65, NJW 1965, 1523 und v. 26. Juni 1953 - V ZR 71/52, LM Nr. 1 zu § 146 KO; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 146 KO Anm. 3; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 146 Rdn. 33; Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., § 146 Anm. 42). Diese Ansicht legt der Senat auch für das Gesamtvollstreckungsverfahren zugrunde. § 11 Abs. 3 Satz 2 GesO nimmt ebenso wie § 146 Abs. 6 KO dem Gläubiger, der einen Titel erwirkt hat, nur die Verpflichtung ab, ein Verfahren zu betreiben, entzieht ihm aber nicht die Befugnis dazu (zu § 146 Abs. 6 KO vgl. OLG Bremen, KTS 1976, 240, 241; Kilger/K. Schmidt, aaO § 146 KO Anm. 3; Vollkommer in Anm. zu BAG AP § 91 a ZPO Nr. 7). Dem Konkursgläubiger ist die Möglichkeit einzuräumen, die durch das Bestreiten verursachte Ungewißheit über sein Recht zu beenden, auch wenn er nach §§ 152, 168 Nr. 1 KO vorläufig gesichert ist. Diese Sicherung führt jedoch nicht zu seiner Befriedigung. Ein Interesse des Gläubigers besteht außerdem im Hinblick auf das Stimmrecht in der Gläubigerversammlung (so zutreffend Vollkommer aaO). Die Besonderheiten des Verfahrens der Gesamtvollstreckung gegenüber dem Konkursverfahren zwingen zu keiner abweichenden Beurteilung. Insoweit ist die Interessenlage gleich. Durch § 11 Abs. 3 Satz 2 GesO wird lediglich die Klagelast vom Gläubiger auf den Bestreitenden verschoben, nicht aber ausgesprochen, daß ein Titel automatisch zur Teilnahme an der Verteilung berechtigt (vgl. Smid in Smid/Zeuner, GesO, 3. Aufl., § 11 Rdn. 72 a).
II.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, der den Erwerb eigener Anteile durch die GmbH nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zuläßt, nicht entgegen. Das Berufungsgericht hat - von der Revision nicht angegriffen - festgestellt, daß die Gemeinschuldnerin zur Zeit unstreitig über Aktiva in Höhe von 322.828,18 DM verfügt, denen nur Passiva in Höhe von 19.213,90 DM, Rückstellungen für Steuernachzahlungen in Höhe von 30.000,-- DM und rückständige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 4.550,-- DM gegenüberstehen. Die Entgeltforderungen der Klägerin und weiterer ausgeschiedener Gesellschafter, die ihren Geschäftsanteil ebenfalls auf die Gemeinschuldnerin übertragen haben, aus diesen Verträgen betragen insgesamt 277.142,27 DM. Das Berufungsgericht kommt zu dem Ergebnis, daß ein den Entgeltanspruch der Klägerin weitaus übersteigendes freies Vermögen zur Verfügung steht. Bei dessen Berechnung seien die noch nicht in rechtskräftiger Form festgestellten und offenen Ansprüche der weiteren ehemaligen Gesellschafter, welche in ihrer Summe das vorhandene, über das Stammkapital hinausgehende Vermögen der Gemeinschuldnerin übersteigen, nicht zu berücksichtigen. Das begegnet im Ergebnis rechtlichen Bedenken.
1. Zu Recht prüft allerdings das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 GmbHG. Der Beklagte ist mit seinen materiellen Einwendungen aus § 33 GmbHG gegen den klägerischen Anspruch nicht entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Wird Vollstreckungsabwehrklage gegen einen Prozeßvergleich erhoben, können wegen der fehlenden materiellen Rechtskraft auch Einwendungen geltend gemacht werden, die sich auf zeitlich vor dem Vergleich liegende Tatsachen stützen (BGH, Urt. v. 27. November 1952 - IV ZR 57/52, NJW 1953, 345; Beschl. v. 5. Mai 1969 - IV ZR 1026/68, LM Nr. 19 zu § 826 (Fa) BGB; Urt. v. 4. November 1976 - VII ZR 6/76, RPfleger 1977, 99; Beschl. v. 14. Mai 1987 - BLw 5/86, WM 1987, 1209, 1210). Da in dem Vollstreckungsabwehrverfahren keine der Rechtskraft fähige Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist, steht auch die Vorschrift des § 767 Abs. 3 ZPO nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 28. Mai 1991 - IX ZR 181/90, NJW 1991, 2281, 2282).
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 GmbHG auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem die Gegenleistung erbracht wird. Das steht mit der vom Senat zu § 30 GmbHG vertretenen Ansicht in Übereinstimmung (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 14. November 1988 - II ZR 115/88, ZIP 1989, 93, 95). Auch § 33 Abs. 2 GmbHG dient der Erhaltung des Stammkapitals; die Vorschrift ist als Ergänzung der Kapitalerhaltungsregeln in §§ 30 ff. GmbHG zu verstehen (BGH, Urt. v. 12. Januar 1956 - 3 StR 626/54, NJW 1956, 1326, 1327; Hachenburg/Hohner, GmbHG, 8. Aufl. § 33 Rdn. 32, 38, 44). Die Gesetzesmaterialien zu § 33 GmbHG sprechen ebenfalls dafür, in Anlehnung an § 30 GmbHG auf den Zeitpunkt der Gegenleistung abzustellen. Danach stellt der Erwerb "auch hier eine Rückgewähr von Einlagen an den Gesellschafter dar, der den Geschäftsanteil an die Gesellschaft veräußert. Entsprechend § 30 Abs. 1 soll der Erwerb daher nur zugelassen werden, wenn die Gesellschaft die Gegenleistung aufbringen kann, ohne daß sie das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen angreifen muß" (BT-Drucks. 8/1347, S. 41 f.).
Ob zudem kumulativ auch auf die Zeitpunkte des Abschlusses des schuldrechtlichen Geschäftes oder der Übertragung der Geschäftsanteile, die im vorliegenden Fall zusammenfallen, abzustellen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 GmbHG jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht gegeben waren.
3. Bei der Feststellung, ob der Kaufpreis für den Erwerb eigener Geschäftsanteile aus dem über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen der Gesellschaft aufgebracht werden kann, geht das Berufungsgericht jedoch zu Unrecht davon aus, daß die noch nicht in rechtskräftiger Form festgestellten und offenen Ansprüche der weiteren ehemaligen Gesellschafter nicht zu berücksichtigen seien. Vielmehr ist auf einen Gesamtvergleich des nach § 33 Abs. 2 GmbHG freien Vermögens mit dem Gesamtbetrag der noch offenen Ansprüche der ausgeschiedenen Gesellschafter abzustellen.
Diese Frage ist von der Rechtsprechung bisher noch nicht entschieden worden. Im Schrifttum werden nur Teilaspekte erörtert. So geht man davon aus, daß bereits früher erworbene eigene Anteile den Betrag des freien Vermögens mindern (Scholz/Westermann, GmbHG, 8. Aufl., § 33 Rdn. 24; Gersch/Herget/Marsch/Stützle, GmbHG-Reform 1980, Rdn. 302). Wenn im Falle des Erwerbs mehrerer Anteile nur die Bezahlung eines Teiles davon aus dem über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen erfolgen kann, soll ein Erwerb unter Vorbehalt des § 139 BGB insoweit zulässig sein, als die Gegenleistung aus dem nicht gebundenen Vermögen aufgebracht (Hachenburg/Hohner aaO, § 33 Rdn. 40) und eine Reihenfolge für die Zahlung ermittelt werden kann (Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl., § 33 Rdn. 12). Inwieweit diesen Lösungsansätzen zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens sind alle noch offenen Entgeltansprüche aus dem Geschäftsanteilserwerb dem nach § 33 Abs. 2 GmbHG freien Vermögen gegenüberzustellen. Da die Summe der noch offenen Entgelte dieses freie Vermögen übersteigt, dürfen die Verträge nicht erfüllt werden. Nur dadurch wird dem durch § 33 Abs. 2 GmbHG bezweckten Gläubigerschutz einerseits und den schützenswerten Interessen der ausgeschiedenen Gesellschafter andererseits hinreichend Rechnung getragen. Denn einmal wird vermieden, daß die Gesellschafter, die ihre Anteile an die Gesellschaft veräußert haben, im Gesamtvollstreckungsverfahren in Konkurrenz zu den Gesellschaftsgläubigern treten und deren Quote schmälern, zum anderen wird eine Gleichbehandlung dieser Gesellschafter untereinander erreicht, die letztlich über die Rückabwicklung und Wiedereinsetzung als Gesellschafter am Liquidationserlös zu beteiligen sind.
4. Da der Klägerin ein Zahlungsanspruch somit nicht zusteht, kann ihre Klage auf Feststellung der Forderung zum Vermögensverzeichnis keinen Erfolg haben. Der Revision des Beklagten war daher stattzugeben und die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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