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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.01.2006
Aktenzeichen: II ZR 357/03
Rechtsgebiete: GmbHG, InsO


Vorschriften:

GmbHG § 32 a
GmbHG § 32 b
InsO § 135 Nr. 2
Ist im letzten Jahr vor Anbringung des Insolvenzantrags von der Gesellschaft eine Leistung auf ein Gesellschafterdarlehen erbracht worden, das zuvor eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hat, ist dem Gesellschafter der Nachweis abgeschnitten, dass im Zahlungszeitpunkt das Stammkapital der Gesellschaft nachhaltig wieder hergestellt und damit die Durchsetzungssperre entfallen war; vielmehr wird der Eigenkapitalersatzcharakter zum Stichtag unwiderleglich vermutet (Bestätigung von BGHZ 90, 370, 380 f.).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 357/03

Verkündet am: 30. Januar 2006

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Reichart

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Oktober 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist Gesellschafterin der S. GmbH, über deren Vermögen auf ihren eigenen Antrag vom 7. März 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet und in dem der Kläger zum Insolvenzverwalter berufen worden ist. Am 7. März und 5. Mai 1999 hat die Gemeinschuldnerin Teilrückzahlungen auf von der Beklagten gewährte Darlehen geleistet. Hierin sieht der Kläger einen Verstoß gegen die Eigenkapitalersatzregeln und fordert Erstattung des gezahlten Betrages.

Das von der Beklagten im Jahr 1988 gewährte Darlehen hatte ursprünglich eigenkapitalersetzenden Charakter. Nach von dem Kläger bestrittener Behauptung der Beklagten soll sich die Gemeinschuldnerin in der Folgezeit erholt haben, so dass die nach den Eigenkapitalersatzregeln ursprünglich bestehende Durchsetzungssperre bei den hier in Rede stehenden Zahlungen entfallen sei; erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1999 sei eine neue Krisensituation entstanden, die schließlich zur Stellung des Insolvenzantrags genötigt habe.

Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten darauf gestützt, dass jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 135 Nr. 2 InsO i.V.m. §§ 32 a, b GmbHG erfüllt seien. Es hat angenommen, dass die von dem Senat zu § 32 a KO aufgestellten Grundsätze (BGHZ 90, 370, 380 f.) auch nach der Ersetzung der KO durch die InsO Geltung beanspruchen. Demnach komme es allein darauf an, dass die Gesellschaft auf ein früher als eigenkapitalersetzend einzustufendes Gesellschafterdarlehen im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages Leistungen erbracht habe. Dann nämlich werde unwiderleglich vermutet, dass die Gesellschaft sich auch im Zahlungszeitpunkt in der Krise i.S. von § 32 a Abs. 1 Satz 1 GmbHG befunden habe.

II. Dies hält den Angriffen der Revision stand. Der Senat sieht keinen Grund, mit Rücksicht auf das Inkrafttreten der InsO, durch die § 32 a Satz 2 KO durch § 135 Nr. 2 InsO ersetzt worden ist, von der in der genannten Leitentscheidung entwickelten Auslegung der Novellenregeln abzugehen; dazu geben entgegen der Ansicht der Revision auch die in Teilen des Schrifttums (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 54; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 32 a Rdn. 51; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 32 a Rdn. 66; zustimmend hingegen u.a. Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 32 a/b Rdn. 93 und 101; MünchKommInso/Stodolkowitz, § 135 Rdn. 59; s. auch v. Gerkan in Röhricht/v. Westphalen, HGB § 172 a Rdn. 31; ders. in v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl. Rdn. 3.97; Michalski/Heidinger, GmbHG §§ 32 a, 32 b Rdn. 89) angeführten Gründe keinen Anlass, die der Senat im Kern bereits seinerzeit (vgl. die Zitate von K. Schmidt, ZGR 1980, 567, 577 f. und Geßler, ZIP 1981, 228, 233) gewürdigt hat. Ist danach im letzten Jahr vor Anbringung des Insolvenzantrags - oder dem nach § 6 AnfG gleichstehenden Zeitpunkt - von der Gesellschaft eine Leistung auf ein Gesellschafterdarlehen erbracht worden, das zuvor eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hat, ist dem Gesellschafter - anders als im Geltungsbereich der sog. Rechtsprechungsregeln (Sen.Urt. v. 27. November 1989 - II ZR 43/89, ZIP 1990, 98, 100; BGHZ 90 aaO S. 381) - der Nachweis abgeschnitten, dass im Zahlungszeitpunkt eine Krise nicht mehr bestanden hat; im Interesse des von dem Gesetzgeber mit der Schaffung der §§ 32 a und b GmbHG und der zugehörigen Anfechtungsvorschriften beabsichtigten Gläubigerschutzes wird in diesem Fall der Eigenkapitalersatzcharakter der Gesellschafterhilfe für den Zeitpunkt der Leistung unwiderleglich vermutet.

Mit den Novellenregeln hat der Gesetzgeber typisierend die Fallgestaltungen erfassen wollen, in denen regelmäßig bestimmte Finanzierungsfolgenentscheidungen der Gesellschafter den Todeskampf der Gesellschaft verlängern. Dem Insolvenzverwalter als dem Vertreter der Gläubigergesamtheit soll durch das Anfechtungsrecht die Möglichkeit eröffnet werden, in einem zügigen und effektiven Verfahren Zahlungen der jetzigen Gemeinschuldnerin an den Gesellschafter zugunsten der Masse rückabzuwickeln. Aus diesem Grund sind in pauschalierender Weise die Zahlungen im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrags in voller Höhe in den Anwendungsbereich der Novellenregeln einbezogen worden. Das Ziel des Gesetzgebers würde nur unvollkommen erreicht werden, wenn dem Gesellschafter zwar der Einwand abgeschnitten wäre, dass die in dem entscheidenden Zeitraum erbrachte Leistung nur teilweise zu Lasten des gebundenen Kapitals der Gesellschaft gegangen ist, ihm aber die Möglichkeit eröffnet würde nachzuweisen, dass sich die spätestens zwölf Monate später fallierte Gesellschaft nicht nur nicht mehr in der Krise befunden hat, sondern dass ihr Stammkapital zwischenzeitlich nachhaltig wieder hergestellt war (Sen.Urt. v. 8. November 2004 - II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 84 m.w.Nachw.). Gerade der hier zu entscheidende Fall belegt die Schwierigkeiten, die sich bei einer Zulassung des Nachweises der Entsperrung durch den Gesellschafter für die zügige Durchsetzung des Anfechtungsrechts ergeben würden. Hier müssten die Auswirkungen der Kapitalerhöhung und Fragen des Rangrücktritts geklärt werden. Ferner wäre unabhängig davon dem Einwand nachzugehen, ob die zur Insolvenzantragstellung führende Krise der Gesellschaft tatsächlich erst in der zweiten Jahreshälfte 1999 völlig unerwartet eingetreten ist.

Gerade angesichts der Kürze der Zeiträume, innerhalb derer der Insolvenzverwalter mit Aussicht auf Erfolg anfechten kann, ist es gerechtfertigt, dem Gläubigerschutz durch die Unwiderleglichkeit der Vermutung der Eigenkapitalersatzfunktion Vorrang einzuräumen gegenüber der - selbst nach Ansicht der Kritiker ohnehin selten aussichtsreichen (siehe dazu z.B. Altmeppen in Roth/Altmeppen aaO) - Möglichkeit des durch den Gesellschafter zu führenden Nachweises der Entsperrung. Bestätigt wird diese Beurteilung des Senats schließlich durch die jüngst veröffentlichten Vorschläge zur Neugestaltung des Eigenkapitalersatzrechts, nach denen - auch im Interesse größerer Rechtssicherheit und einfacherer Handhabbarkeit der Eigenkapitalersatzgrundsätze - die Novellenregeln ausgebaut werden sollen (vgl. Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff.).

Eine abweichende Beurteilung ist, anders als die Revision meint, auch nicht deswegen veranlasst, weil es nach § 135 Nr. 2 InsO nunmehr nicht auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ankommt (so noch § 32 a KO), sondern die beschriebene Vermutung bereits den Zeitraum von einem Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags erfasst. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt des Antrags auf Insolvenzeröffnung in § 135 Nr. 2 InsO diente nur dazu, den insolvenzrechtlichen Anfechtungszeitraum für alle Anfechtungsarten zu vereinheitlichen (BT-Drucks. 12/2443, S. 161 zu § 150 RegEntw.). Den Gesetzesmaterialien kann indessen nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber damit etwa auch die Unwiderlegbarkeit der Vermutung hat beseitigen wollen; im Gegenteil spricht der Umstand, dass in § 135 Nr. 2 InsO keine dem § 136 Abs. 2 InsO vergleichbare Bestimmung aufgenommen worden ist, dafür, dass es bei der dem Gesetzgeber bekannten Handhabung durch die Rechtsprechung bleiben sollte.

Ende der Entscheidung

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