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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.02.2003
Aktenzeichen: II ZR 385/99
Rechtsgebiete: BGB, HGB
Vorschriften:
BGB § 31 | |
BGB § 705 | |
HGB § 128 |
b) Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haben grundsätzlich auch für gesetzlich begründete Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft persönlich und als Gesamtschuldner einzustehen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 24. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Graf
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 17. Mai 1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von den Beklagten aus abgetretenem Recht Rückzahlung eines Teilbetrages von 70.000,00 DM einer von der D. Bank AG auf erstes Anfordern an die C. GmbH (C. GmbH) ausgezahlten und von dieser an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts M.straße 50 (im folgenden: Gesellschaft oder Grundstücksgesellschaft) weitergeleiteten Bürgschaftssumme.
Die Beklagten sind seit Juni 1991 Gesellschafter jener Gesellschaft, die Eigentümerin des Grundstücks M.straße 50 in B. war. Weitere Gesellschafterin und zugleich Geschäftsführerin der Gesellschaft war die Co. GmbH (Co. GmbH). Die von der Gesellschaft als Generalunternehmerin eingeschaltete C. GmbH, deren Geschäftsführer P. R. auch die Geschäfte der Co. GmbH führte, erteilte der Zedentin der Klägerin, der Da. GmbH (Da. GmbH), im Juli 1991 den Auftrag für die Rohbauarbeiten eines Wohn- und Geschäftshauses, das auf dem Gesellschaftsgrundstück errichtet werden sollte. Die D. Bank AG übernahm die von der Da. GmbH der C. GmbH zu stellende Ausführungsbürgschaft auf erstes Anfordern über 719.340,47 DM.
Nachdem die Da. GmbH den Rohbauvertrag wegen Baubehinderung im November 1991 gekündigt hatte, schlossen die C. GmbH, vertreten durch P. R., und die Grundstücksgesellschaft, vertreten durch die Co.GmbH, diese vertreten durch P. R., am 14. Januar 1992 eine Abtretungsvereinbarung, mit der die C. GmbH ihre Ansprüche gegen die D. Bank AG aus der Bürgschaft (neben etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen die Da. GmbH) zur Sicherung eventueller Mehrkosten aus der erforderlichen neuen Auftragsvergabe an die Grundstücksgesellschaft abtrat. Letztere ermächtigte die C. GmbH, die Forderung aus der Bürgschaft einzuziehen. Auf Aufforderung der C. GmbH zahlte die D. Bank AG dieser im Juni 1992 die Bürgschaftssumme unter Vorbehalt der Rückforderung aus, belastete die Da. GmbH mit dem entsprechenden Betrag und trat dieser den Rückzahlungsanspruch ab. Die C. GmbH veranlaßte, daß die Bürgschaftssumme Anfang September 1992 der Grundstücksgesellschaft überwiesen wurde.
Die Da. GmbH erwirkte gegen die C. GmbH ein 1995 rechtskräftig gewordenes Urteil auf Rückzahlung der Bürgschaftssumme, ohne daraus jedoch noch vollstrecken zu können. Die C. GmbH wurde im September 1995 im Handelsregister gelöscht, die Löschung der Co. GmbH erfolgte im November 1996. 1997 trat die Da. GmbH ihre Ansprüche aus unberechtigter Inanspruchnahme der Bürgschaft an die Klägerin ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Bürgschaftsfall sei nicht eingetreten. Ihre zunächst auf positive Vertragsverletzung und ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage blieb in erster Instanz ohne Erfolg. Ihre Berufung, mit der sie auch eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der Da. GmbH durch die Grundstücksgesellschaft geltend gemacht hat, führte zur Verurteilung der Beklagten. Mit ihrer Revision streben die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils an.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagten hafteten als Gesellschafter der Grundstücksgesellschaft, die für Schadensersatzansprüche der Klägerin einzustehen habe bzw. der die Bürgschaftssumme unberechtigt zugeflossen sei, als Gesamtschuldner, und zwar sowohl aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 BGB, jedenfalls in Verbindung mit § 822 BGB, als auch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB. Für die Auszahlung der Bürgschaftssumme an die C. GmbH habe ein Rechtsgrund nicht bestanden. Der C. GmbH hätten, wie im Rechtsstreit 15 O 844/92 des Landgerichts B. festgestellt worden sei, wegen der Nichtausführung der Rohbauarbeiten keine Ansprüche gegen die Da. GmbH zugestanden, jedenfalls seien solche Ansprüche im vorliegenden Verfahren nicht einmal vorgetragen worden. Auch Schadensersatzansprüche der Grundstücksgesellschaft gegen die C. GmbH seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Tatbestand der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung der Da. GmbH sei erfüllt, weil der Geschäftsführer der C. GmbH die Bürgschaftssumme eingezogen habe, obwohl der C. GmbH keine durch die Bürgschaft gesicherten Ansprüche erwachsen seien, und er das Geld zu einem Zeitpunkt an die Grundstücksgesellschaft weitergeleitet habe, in dem die C. GmbH bereits überschuldet und konkursreif gewesen sei.
II. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
1. Mit Recht rügt die Revision allerdings die Annahme eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs der Klägerin.
Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB besteht nicht, weil es an einer Leistung der D. Bank AG an die Grundstücksgesellschaft fehlt. Die Bürgschaftssumme wurde an die C. GmbH gezaahlt. Die Abtretung der Forderung an die Grundstücksgesellschaft verbunden mit der Ermächtigung der C. GmbH zu ihrer Einziehung konnte daran nichts ändern. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung selbst einer auf Anweisung des Zedenten an den Zessionar erfolgten Leistung zwischen dem Schuldner und dem Zedenten stattzufinden, nicht zwischen dem Schuldner und dem Zessionar (BGHZ 105, 365, 369; BGHZ 122, 46, 50). Etwas anderes gilt nur, wenn der Zessionar die Leistung an sich veranlaßt oder maßgeblich durch sein Drängen initiiert hat (BGH, Urt. v. 8. Juni 1988 - IV b ZR 51/87, NJW 1989, 161, 162; Urt. v. 25. September 1996 - VIII ZR 76/95, NJW 1997, 461, 464), wofür es hier jedoch an Anhaltspunkten fehlt.
Auch ein Anspruch aus § 822 BGB kommt nicht in Betracht. Er setzt neben der Unentgeltlichkeit der Weiterleitung des Erlangten voraus, daß der Erstempfänger aus Rechtsgründen nicht haftet (BGH, Urt. v. 3. Dezember 1998 - III ZR 288/96, NJW 1999, 1026, 1028), was der Fall ist, wenn er sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, § 818 Abs. 3 BGB. Die Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB war der C. GmbH jedoch verwehrt, weil sie der verschärften Haftung analog § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB unterlag. Denn die Leistung der D. Bank AG erfolgte unter Vorbehalt der Rückforderung, und ein Widerspruch der C. GmbH insoweit ist nicht ersichtlich (BGH, Urt. v. 8. Juni 1988 aaO).
2. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerfrei einen Anspruch der Klägerin gegen die Grundstücksgesellschaft aus § 826 BGB bejaht.
a) Die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der Da. GmbH liegt in der Einforderung der Bürgschaftssumme durch die C. GmbH und der Weiterleitung an die Gesellschaft durch den Geschäftsführer R. in seiner Doppelrolle als Geschäftsführer der C. GmbH und zugleich der geschäftsführenden Gesellschafterin der Grundstücksgesellschaft.
Der Grundstücksgesellschaft stand ein entsprechender Zahlungsanspruch gegen die C. GmbH nicht zu; die C. GmbH besaß keine Forderung gegen die Da. GmbH, die sie zur Inanspruchnahme der Bürgschaft berechtigt hätte. Die Weiterleitung des Geldes an die Grundstücksgesellschaft erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die C. GmbH überschuldet und konkursreif war. Letzteres hat das Berufungsgericht auf Grund des Sachvortrags der Klägerin und der dazu eingereichten Unterlagen rechtsfehlerfrei festgestellt; insoweit erhebt die Revision keine Bedenken. Entsprechendes gilt für die Feststellung des Berufungsgerichts, ein Schadensersatzanspruch der Grundstücksgesellschaft gegen die C. GmbH sei nicht geltend gemacht worden.
Entgegen der Revision geht das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler davon aus, daß der Eintritt des Bürgschaftsfalls nicht schlüssig vorgetragen ist. Die Beklagten haben eine Aufstellung der Kosten, die die Da. GmbH für die Rohbauarbeiten veranschlagt hatte, und der nach Einschaltung einer neuen Generalübernehmerin und Beauftragung eines neuen Bauunternehmens tatsächlich entstandenen Kosten vorgelegt und behauptet, der die veranschlagten Kosten übersteigende Mehrbetrag von rund 892.000,00 DM sei der der Gesellschaft durch das Verhalten der Da. GmbH entstandene Schaden. Sie haben jedoch nicht im einzelnen dargelegt, daß und weshalb die Kündigung des Bauvertrages durch die Da. GmbH unberechtigt und für die Entstehung der Mehrkosten ursächlich war.
Daß die Entgegennahme der Bürgschaftssumme durch die Gesellschaft unter diesen - dem für die Geschäftsführerin der Gesellschaft wie für die C. GmbH handelnden P. R. bekannten - Umständen gegen die guten Sitten verstieß, kann keinem Zweifel unterliegen. Dabei handelte R. vorsätzlich und in dem Bewußtsein, den Bürgschaftsbetrag damit zum Schaden der Da. GmbH deren Zugriff zu entziehen. Deshalb geht auch die Rüge der Revision fehl, bei den Feststellungen des Berufungsgerichts, R. habe das Geld an der C. GmbH vorbei auf die Grundstücksgesellschaft übergeleitet, um so den Zugriff der Gläubiger der C. GmbH darauf zu verhindern, handele es sich um unhaltbare, durch Parteivorbringen nicht gedeckte bloße Behauptungen des Gerichts.
b) Die Geschäftsführerin der Grundstücksgesellschaft, die Co. GmbH, muß sich das deliktische Handeln ihres Geschäftsführers R. nach § 31 BGB ebenso zurechnen lassen wie die Grundstücksgesellschaft in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung das Handeln ihrer geschäftsführenden Gesellschafterin. Verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne der Vorschrift kann auch eine juristische Person sein, wenn diese wie im vorliegenden Fall zur Geschäftsführung berechtigte Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist.
aa) Nach einer älteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs soll allerdings die Vorschrift des § 31 BGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht anwendbar sein, weil sie, anders als die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft, zu wenig körperschaftlich organisiert sei, als daß man die für sie handelnden Gesellschafter als ihre "Organe" bezeichnen könnte (BGHZ 45, 311, 312). Die darin zum Ausdruck kommende - inzwischen nahezu durchweg abgelehnte (Nachweise bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. Aufl. § 60 II 4, S. 1782 f.) - Auffassung ist geprägt von der damals herrschenden Meinung, die der Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine eigene Rechts- und Parteifähigkeit absprach und eine akzessorische persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht kannte. Damit schien der Weg versperrt, über § 31 BGB deliktisches Handeln eines Gesellschafters der Gesellschaft zuzurechnen und im Gefolge deren Gesellschafter akzessorisch für die Verbindlichkeit haften zu lassen.
bb) Diese Auffassung ist jedenfalls durch den inzwischen mit Zustimmung aller anderen Zivilsenate des Bundesgerichtshofs vollzogenen Wandel im Verständnis der Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihrer Haftungsverfassung (Senat, BGHZ 146, 341) überholt. Danach besitzt die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet; in diesem Rahmen ist sie im Zivilprozeß aktiv und passiv parteifähig. Für die danach von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründeten Verbindlichkeiten in deren jeweiligen Bestand haften ihre Gesellschafter persönlich als Gesamtschuldner.
Es gibt keinen überzeugenden Grund, diese Haftung - anders als bei der OHG, bei der die Haftung der Gesellschaft auch für gesetzliche Verbindlichkeiten, insbesondere auch für ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten ihrer Gesellschafter, und die entsprechende Anwendbarkeit des § 31 BGB heute allgemein anerkannt sind - auf rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten zu beschränken (Gesmann-Nuissl, WM 2001, 973, 978; Grunewald, Gesellschaftsrecht 5. Aufl. Rdn. 113; Habersack, BB 2001, 477, 481; Hadding; ZGR 2001, 712, 725 f., 735 f.; K. Schmidt, NJW 2001, 993, 998 f.; Ulmer, ZIP 2001, 585, 597; Wiedemann, JZ 2001, 661, 663). Für die Ausdehnung auf gesetzliche Verbindlichkeiten spricht insbesondere der Gedanke des Gläubigerschutzes (Ulmer aaO): anders als bei rechtsgeschäftlicher Haftungsbegründung können sich die Gläubiger einer gesetzlichen Verbindlichkeit ihren Schuldner nicht aussuchen; dann aber muß erst recht wie bei vertraglichen Verbindlichkeiten das Privatvermögen der Gesellschafter als Haftungsmasse zur Verfügung stehen.
Die ausnahmslose Haftung für gesetzliche Verbindlichkeiten ist zudem im Modell der akzessorischen Haftung angelegt; ohne sie bliebe die Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unvollkommen. Die Haftung für deliktisches Handeln eines Gesellschafters, soweit dieses nach § 31 BGB der Gesellschaft zugerechnet werden kann, ist den übrigen Gesellschaftern auch zumutbar, weil sie in aller Regel auf Auswahl und Tätigkeit der Organmitglieder entscheidenden Einfluß besitzen (Ulmer aaO).
Die Stimmigkeit dieses Verständnisses wird im übrigen auch durch die Möglichkeit der identitätswahrenden Umwandlung der gewerblich tätigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts in eine OHG belegt. Denn eine solche Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird von Gesetzes wegen ohne jeden Publizitätsakt zu einer personen- und strukturgleichen OHG, sobald ihr Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert, §§ 105 Abs. 1, 1 HGB. Da dieser Übergang sich oft gleitend vollzieht und die Erforderlichkeit kaufmännischer Einrichtungen nur durch eine wertende Beurteilung festzustellen ist, läßt sich der Zeitpunkt, ab dem es sich nicht mehr um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern um eine OHG handelt, selten exakt bestimmen. Da sich zudem die Umwandlung auch in umgekehrter Richtung vollziehen kann, wäre es mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit für Gesellschafter wie Gläubiger unvereinbar, OHG und Gesellschaft bürgerlichen Rechts, was die Geltung des § 31 BGB betrifft, unterschiedlich zu behandeln.
Ende der Entscheidung
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