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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.11.2004
Aktenzeichen: II ZR 394/03
Rechtsgebiete: HaustürWG, VerbrKrG, BGB
Vorschriften:
HaustürWG § 3 | |
HaustürWG § 1 Abs. 1 Nr. 1 | |
HaustürWG § 5 Abs. 2 | |
HaustürWG § 1 Abs. 1 | |
HaustürWG § 2 Abs. 1 | |
HaustürWG § 2 Abs. 1 Satz 3 | |
HaustürWG § 2 Abs. 1 Satz 4 | |
HaustürWG § 3 Abs. 1 Satz 1 | |
VerbrKrG § 7 | |
VerbrKrG § 9 | |
VerbrKrG § 9 Abs. 4 | |
VerbrKrG § 9 Abs. 1 | |
VerbrKrG § 9 Abs. 2 | |
VerbrKrG § 9 Abs. 3 | |
BGB § 123 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 15. November 2004
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 14. Zivilsenat in Freiburg - vom 11. Juli 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin und der Widerbeklagte - ihr Ehemann - einerseits und die Beklagte andererseits streiten um die wechselseitigen Ansprüche aus zwei Darlehen, die die Beklagte der Klägerin und dem Widerbeklagten zur Finanzierung ihres Beitritts zur G.-GbR, T.straße 48, D., Fonds Nr. 18 (im folgenden: Fonds, Fondsgesellschaft), im Herbst 1994 gewährt hat.
Die Fondsgesellschaft war von der Do. GmbH (im folgenden: Do. GmbH) und deren Geschäftsführer W. Gr. gegründet worden. Gesellschaftszweck war der Erwerb, die Sanierung, wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung des mit einem sanierungsbedürftigen Jugendstilhaus bebauten Grundstücks T. straße 48 in D.. Die Einlage der Klägerin und ihres Ehemannes betrug 50.000,00 DM und wurde in vollem Umfang durch zwei Kredite der Beklagten, einen mit einer Tilgungslebensversicherung des Widerbeklagten besicherten Festkredit und ein Tilgungsdarlehen, finanziert. Die Beklagte zahlte die Darlehensvaluta, wie nach den Verträgen vorgesehen, an den Treuhänder des Fonds aus. Die Beteiligung und ihre Finanzierung waren der Klägerin und dem Widerbeklagten durch den für die Gesellschaft für neutrale Finanzberatung mbH tätigen H. K. im September 1994 vermittelt worden.
Ab September 1999 stellten die Klägerin und der Widerbeklagte die Bedienung der Darlehen ein. Mit Anwaltsschreiben vom 24. November 1999 machten sie gegenüber der Beklagten unter Berufung auf die - aus ihrer Sicht vorliegende - Unwirksamkeit der Darlehensverträge Schadensersatzansprüche geltend. Während des Rechtsstreits erklärten sie unter dem 18. Juli 2000 die Kündigung ihrer Fondsbeteiligung, die von der Gesellschaft zurückgewiesen wurde. Mit Schreiben vom 8. November 2002 widerriefen sie ihre auf den Abschluß der Kreditverträge und den Fondsbeitritt gerichteten Willenserklärungen nach dem Haustürwiderrufsgesetz.
Mit ihrer am 4. Februar 2000 zugestellten Klage hat die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes die Feststellung der Unwirksamkeit der Darlehensverträge, Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen von - unstreitig - 17.248,65 DM Zug um Zug gegen Abtretung der Fondsbeteiligung, Freistellung des Widerbeklagten von allen Ansprüchen der Gu. Lebensversicherungs-AG sowie Rückabtretung der Tilgungslebensversicherung an den Widerbeklagten begehrt. Die Beklagte hat widerklagend von der Klägerin und dem Widerbeklagten Rückzahlung der offenen Darlehensbeträge, insgesamt 60.299,57 DM, verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin und des Widerbeklagten hat das Oberlandesgericht die Widerklage abgewiesen und unter Abweisung der Klage und Zurückweisung der Berufung im übrigen auf den entsprechenden Antrag der Klägerin die Erledigung der Feststellungsklage festgestellt und die Beklagte zur Zahlung von 8.819,09 € (= 17.248,65 DM) an die Klägerin und den Widerbeklagten als Gesamtgläubiger Zug um Zug gegen Abtretung der Fondsbeteiligung sowie zur Rückabtretung der Tilgungslebensversicherung an den Widerbeklagten verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit Recht die Erledigung der Feststellungsklage ausgesprochen und der Klage hinsichtlich des Zahlungs- und des Rückabtretungsanspruchs stattgegeben, die Widerklage aber abgewiesen.
I. Die Klägerin und ihr Ehemann haben gemäß § 3 HaustürWG (in der hier anzuwendenden bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung des Gesetzes) gegen die Beklagte Anspruch auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungszahlungen und brauchen ihr das Darlehen nicht zurückzuzahlen.
1. Die Klägerin und der Widerbeklagte haben die Darlehensverträge am 8. November 2002 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG wirksam widerrufen.
a) Die Darlehensverträge unterfallen dem Haustürwiderrufsgesetz. Dessen Vorschriften sind entgegen der Ansicht der Revision durch die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HaustürWG hier nicht ausgeschlossen.
§ 5 Abs. 2 HaustürWG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, daß das Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz nicht durch das Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1403 m.w.Nachw.).
b) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG liegen entgegen der Auffassung der Revision vor. Die Klägerin und der Widerbeklagte sind nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Abschluß der Darlehensverträge durch mündliche Verhandlungen in ihrer Privatwohnung bestimmt worden. Damit hat das Berufungsgericht hinreichend deutlich gemacht, daß nach seiner Überzeugung die mündlichen Verhandlungen in der Haustürsituation kausal für die Darlehensanträge der Klägerin und ihres Ehemannes waren. Die Rüge der Revision, das Berufungsurteil lasse Darlegungen zur Kausalität der Haustürsituation für das Zustandekommen der Verträge vermissen, geht daher fehl.
c) Die Haustürsituation ist der Beklagten zuzurechnen. Insoweit gelten die für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 12. November 2002 - XI ZR 3/01, ZIP 2003, 22, 24 f.; v. 15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1743; v. 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, DB 2004, 647, 648). Ist danach - wie hier - der Verhandlungsführer als Dritter anzusehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn dieser es kannte oder kennen mußte. Für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne genügt, daß die Umstände des Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mußten, sich zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (BGH, Urt. v. 9. April 1992 - IX ZR 145/91, ZIP 1992, 755, 756).
Auch wenn die Beklagte nicht schon gewußt haben sollte, daß die Fondsbeteiligungen und die zugehörigen Finanzierungen in Haustürsituationen vertrieben wurden, war sie nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen jedenfalls verpflichtet, sich bei der Fondsgesellschaft oder dem Vermittlungsunternehmen über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, weil sie in das Vertriebssystem des Fonds eingebunden war. Sie hatte dem Vermittlungsunternehmen ihre Vertragsformulare überlassen. Die Klägerin und ihr Ehemann wohnten damals wie heute in Hi.(-B.). Die Beglaubigung ihrer Unterschriften unter den Darlehensverträgen erfolgte zwar am 16. September 1994 durch einen Notar in Tu., gleichwohl lautet die Orts-angabe neben den Unterschriften der Klägerin und des Widerbeklagten B.. Die der Beklagten zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Klägerin und ihres Ehemannes eingereichte Selbstauskunft und die mit einem Übergabevermerk des Vermittlers versehene Widerrufsbelehrung zu den Darlehensverträgen weisen ebenfalls aus, daß sie von der Klägerin und dem Widerbeklagten in B. unterzeichnet wurden. Damit mußte sich der Beklagten zumindest der Eindruck aufdrängen, daß die in Rede stehenden Darlehensanträge auf einer Haustürsituation beruhten, so daß sie Anlaß hatte, sich bei dem Vermittlungsunternehmen über die Umstände der den Anträgen zugrundeliegenden Vertragsverhandlungen zu erkundigen.
d) Das Widerrufsrecht der Klägerin und des Widerbeklagten ist nicht durch Fristablauf erloschen. Die einwöchige Frist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels ordnungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 HaustürWG nicht zu laufen begonnen.
Mit dem Hinweis, daß im Falle der Ausübung des Widerrufsrechts auch das finanzierte Geschäft nicht wirksam zustande komme, genügt die Belehrung hinsichtlich der Darlehensverträge nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 HaustürWG, weil sie eine "andere" Erklärung enthält (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404 m.w.Nachw. und II ZR 385/02, WM 2004, 1527, 1528). Das gilt auch, wenn eine Belehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz allein wegen der in der Vergangenheit herrschenden Auslegung des § 5 Abs. 2 VerbrKrG unterblieben war (Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01 aaO, 1404 m.w.Nachw.). Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes können eine andere Beurteilung entgegen der Auffassung der Revision nicht rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 9. April 2002 - XI ZR 91/99, ZIP 2002, 1075, 1078).
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 4 HaustürWG liegen ersichtlich nicht vor.
2. Als Rechtsfolge des Widerrufs haben die Vertragspartner einander die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren, § 3 Abs. 1 Satz 1 HaustürWG.
Danach muß die Beklagte der Klägerin und dem Widerbeklagten die von ihnen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, soweit sie aus ihrem eigenen Vermögen und nicht aus Erträgnissen des Fonds gezahlt worden sind, zurückzahlen und auch etwaige Sicherheiten zurückgeben.
Die Klägerin und der Widerbeklagte brauchen der Beklagten das Darlehen nicht zurückzuzahlen, sondern sie haben, was ihr Zahlungsantrag bereits berücksichtigt, der Beklagten lediglich den ihr schon sicherungshalber abgetretenen Fondsanteil endgültig zu überlassen.
Die von dem Darlehensnehmer empfangene Leistung ist im Falle der - hier gegebenen - Auszahlung der Valuta an einen Dritten bei einem Verbundgeschäft i.S. von § 9 VerbrKrG der finanzierte Gesellschaftsanteil (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404 f.). Auf einen Kredit zur Finanzierung einer Beteiligung an einer Anlagegesellschaft finden gemäß § 9 Abs. 4 VerbrKrG die Vorschriften des § 9 Abs. 1-3 VerbrKrG Anwendung, weil der Beitritt nach seinem wirtschaftlichen Zweck und wegen der Schutzbedürftigkeit des Anlegers einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung gleichzustellen ist (Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1593 f.; ebenso Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 374/02, ZIP 2004, 1407, 1408 und II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396 sowie BGH, Urt. v. 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233 f.). Der Fondsbeitritt der Klägerin und des Widerbeklagten und die von ihnen mit der Beklagten geschlossenen Kreditverträge sind ein Verbundgeschäft i.S. von § 9 Abs. 1 VerbrKrG. Dessen Voraussetzungen liegen vor, wenn sich die Fondsgesellschaft und das Kreditinstitut derselben Vertriebsorganisation bedienen (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, 1592, 1594; ebenso Entscheidungen v. 14. Juni 2004 in den Sachen II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405). Das war hier der Fall. Die Beklagte hat, wie schon erwähnt, ihre Vertragsformulare dem von den Fondsinitiatoren eingeschalteten Vermittlungsunternehmen zur Verfügung gestellt.
II. Danach hat das Berufungsgericht zu Recht die Widerklage abgewiesen und der Klage - bis auf den im Revisionsverfahren keine Rolle mehr spielenden Freistellungsantrag - stattgegeben. Da der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der Darlehen nicht zusteht, war der auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Darlehensverträge gerichtete Antrag der Klägerin bis zur Erhebung der Widerklage begründet, so daß das Berufungsgericht nach einseitiger Erledigungserklärung der Klägerin zutreffend die Erledigung dieses Antrags festgestellt hat. Dem Zahlungsantrag der Klägerin und des Widerbeklagten war stattzugeben, weil es sich nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag bei den zurückverlangten Zins- und Tilgungsbeträgen um aus eigenem Vermögen erbrachte Leistungen gehandelt hat. Die Beklagte hat dem Widerbeklagten die Lebensversicherung zurück abzutreten, weil ihr ein zu sichernder Anspruch auf Darlehensrückzahlung nicht zusteht. Ihre Revision unterliegt damit der Zurückweisung als unbegründet.
Ende der Entscheidung
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