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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.04.2008
Aktenzeichen: II ZR 61/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 242 Ca | |
ZPO § 185 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 28. April 2008
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 28. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher gemäß § 544 Abs. 7 ZPO
beschlossen:
Tenor:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Januar 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Berufungsgericht hat den Vortrag des Klägers nur unvollständig und zudem nur im Zusammenhang mit der Prüfung der Frage der ordnungsgemäßen Zustellung des Versäumnisurteils zur Kenntnis genommen. Es hat sich dadurch unter Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) in entscheidungserheblicher Weise den Blick für die sich nach dem Vortrag des Klägers aufdrängende Prüfung verstellt, ob ein Berufen des Beklagten auf die nicht ordnungsgemäße Zustellung rechtsmissbräuchlich ist (§ 242 BGB).
I. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann auch in einem Fall, in dem die öffentliche Zustellung, wie das Berufungsgericht hier angenommen hat, unwirksam ist, ein Berufen auf die Unwirksamkeit im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein (BGHZ 149, 311, 323). Diese im vorliegenden Fall gebotene Prüfung hat das Berufungsgericht unterlassen, weil es den Vortrag des Klägers zu dem Verhalten des Beklagten, mit dem dieser seine postalische Erreichbarkeit zu verhindern versucht hat in einer Zeit, in der er mit einer Inanspruchnahme seitens des Klägers aus der Garantieerklärung rechnen musste, nicht ausreichend zur Kenntnis genommen hat.
1. Der Kläger hat unter Vorlage eines Schreibens der Meldebehörde vorgetragen, dass sich der Beklagte bereits zum 1. Januar 2005 mit unbekanntem Aufenthaltsort abgemeldet hat, er mithin seiner Meldepflicht fast ein halbes Jahr nicht nachgekommen ist. Obwohl seine Ehefrau weiterhin am bisherigen gemeinsamen Wohn- und Geschäftssitz lebte und erreichbar war, hat der Beklagte während dieser Zeit nichts unternommen, um sicherzustellen, dass ihn dort - weiterhin - für ihn eingehende Post erreichen konnte. Er hat weder, was angesichts des Verbleibens seiner Ehefrau unter der gemeinsamen Wohnanschrift ohne Weiteres möglich gewesen wäre, dafür Sorge getragen, dass die für ihn dort eingehende Post entgegengenommen und an ihn weitergeleitet wird noch hat er - was sich ebenfalls aufgedrängt hätte, wenn er nicht beabsichtigte, unerreichbar zu sein, - einen Postnachsendeauftrag gestellt.
2. Ebenfalls nur unvollständig zur Kenntnis genommen hat das Berufungsgericht den unter Bezugnahme auf die Akten des Verfahrens 2 O 163/98 LG Bielefeld gehaltenen Vortrag des Klägers zu dem Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Das Berufungsgericht hat insoweit lediglich berücksichtigt, dass der Prozessbevollmächtigte die Nachfrage des Klägers nach der Anschrift des Beklagten unbeantwortet gelassen hat. Es hat dabei aber nicht in den Blick genommen, dass der Prozessbevollmächtigte genau zu dieser Zeit den Beklagten in der Zwangsvollstreckungssache 2 O 163/98 LG Bielefeld und dem sich daran anschließenden Kostenstreit vertreten hat, in der er für den Beklagten Anträge gestellt hat und mehrfach schriftsätzlich tätig geworden ist. Angesichts dessen hätte sich dem Berufungsgericht aufdrängen müssen, dass zwischen dem Beklagten und seinem Anwalt zu der Zeit, in der der Beklagte für den Kläger u.a. deshalb nicht erreichbar war, weil der Anwalt die Auskunft über den Aufenthaltsort verweigerte, Kontakt bestand. Der Anwalt hätte dem Kläger daher den Aufenthaltsort des Beklagten mitteilen können, was er Monate nach der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils im Verfahren 2 O 163/98 LG Bielefeld schließlich getan hat mit der Bemerkung, er sei "vom Gericht" nie zur Mitteilung der Anschrift aufgefordert worden. Jedenfalls aber war der Beklagte unter Zugrundelegung dieses Vortrags des Klägers darüber informiert, dass der Kläger ihn erneut gerichtlich aus der Garantie in Anspruch nehmen wollte. Über seinen Prozessbevollmächtigten, den der Klägeranwalt zeitnah und fortlaufend informiert hatte, wusste der Beklagte von dem Inhalt des Gesellschafterbeschlusses vom 7. Dezember 2004 und der sich daran anschließenden Korrespondenz über die Sanierung und die von dem Kläger geforderte Sonderzahlung, und ihm musste aufgrund dieser Informationen bewusst sein, dass der Kläger nach dem Scheitern des Zwangsvollstreckungsversuchs, wie schriftlich gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten angekündigt, Klage gegen ihn erheben würde und er dafür für ihn postalisch erreichbar sein musste. Trotz dieses Wissens hat der Beklagte weder seinen Anwalt angehalten, dem Kläger seinen Aufenthaltsort mitzuteilen, noch hat er, nachdem er seinen neuen Wohnsitz genommen und sich angemeldet hatte, es für nötig befunden, seiner Ehefrau die neue Anschrift mitzuteilen, damit diese die zu erwartenden gerichtlichen Schriftstücke an ihn nachsenden konnte.
3. Hätte das Berufungsgericht nicht nur das Bemühen des Klägeranwalts und des Landgerichts hinsichtlich der Aufenthaltsermittlung des Beklagten, sondern den gesamten Vortrag des Klägers zu dem Verhalten des Beklagten berücksichtigt, ist nicht ausgeschlossen, dass es darin ein Vorgehen des Beklagten gesehen hätte, das dem Ziel diente, eine erfolgversprechende gerichtliche Inanspruchnahme seitens des Klägers aus der Garantie durch "Untertauchen" zu verhindern. Es hätte dann möglicherweise das Berufen des Beklagten auf die Fehlerhaftigkeit der öffentlichen Zustellung als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) gewertet und es ihm deshalb versagt, die Unwirksamkeit der Zustellung im Prozess geltend zu machen.
II. Der Senat hat bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Ende der Entscheidung
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